Reformpädagogische Ansätze unter
besonderer Berücksichtigung des Natürlichen Turnens
Universität Potsdam
WS 2005/2006
Institut für Sportwissenschaf
Seminar: Sportgeschichte
Dozent: B. Bahro
Hausarbeit
Sportgeschichte
Thema:
Inhalt:
1. Einleitung……………………………………………………………………….. 3
2.
Reformpädagogik, was ist das überhaupt …………………………………….. 4
2.1
Ansätze/ Ziele………………………………………………………..... 5
2.2
Strömungen……………………………………………………………. 6 2.2.1
Landerziehungsheime……………………………………….. 6
2.2.2
Arbeitsschulbewegung………………………………………. 7
2.2.3
Kunsterziehungsbewegung………………………………….. 8
2.2.4
Lebensgemeinschaftsschulen………………………………… 8
2.2.5
Die Gymnastikbewegung……………………………………. 8
2.2.6
Die Sportbewegung………………………………………….. 9
3. Das
Natürliche Turnen………………………………………………………….. 10
4. Schlussteil………………………………………………………………………. 11
5. Literatur…………………………………………………………………………. 12
1. Einleitung:
In dieser Arbeit
möchte ich mich mit den reformpädagogischen Bemühungen und Ansätzen um 1900
auseinandersetzen, verschiedene Ideen und Konzepte erläutern und anschließend
genauer auf das Natürliche Turnen eingehen. Aufgrund der Komplexität des
Gebietes Reformpädagogik, der teils ungenügenden begrifflichen und zeitlichen Abgrenzung
und wegen der Vielzahl nationaler und internationaler Reformpädagogen und ihrer
zum Teil gegenläufigen Ansätze wird dies nur ein Abriss sein. Um jeden
Reformer, jeden Ansatz und jede Entwicklung auf diesem Gebiet zu behandeln,
würde der Rahmen dieser Arbeit bei weitem nicht genügen. Vorrangig will ich
mich auf das Natürliche Turnen konzentrieren und bezüglich der Reformpädagogik
lediglich verdeutlichen was Reformpädagogik eigentlich bedeutet und welche
gemeinsamen Ziele die Reformpädagogen verfolgten.
Doch wo befinden
wir uns eigentlich?
Europa um die
Jahrhundertwende, bestimmt ist diese Zeit durch Bündnisverträge,
Kolonialkonflikte, Neuordnung von Staaten, der Industrialisierung und dem damit
weit verbreiteten Imperialismus. Die wachsenden Gegensätze in Europa, das
Wettrüsten und die Vielzahl europäischer Konfliktherde münden schließlich im
ersten Weltkrieg. Das Ende des Krieges in Deutschland durch eine Revolution
ausgehend von einer Matrosenmeuterei am 9. November 1918 lässt die Monarchie
zerfallen und eine Republik entstehen. Österreich-Ungarn und das Osmanische
Reich wurden aufgelöst und in Europa traten überwiegend Nationalstaaten an
deren Stelle. Die Inflation, die aufgrund einer Wirtschaftskrise ausbrach und
nur durch amerikanische Kredite abgefangen werden konnte ließ schon bei vielen
den glauben an die Republik schwinden. Nach den Goldenen Zwanzigern in denen
sich die Wirtschaft stabilisierte, erholte und teilweise boomte kam die
Weltwirtschaftskrise. Ausgelöst durch einen Crash an der New Yorker Börse am
24. 10. 1929 brach auch in Deutschland eine schwere Bankenkrise aus. Mit mehr
als 6 Millionen Arbeitslosen auf dem Höhepunkt der Krise wählte ein Großteil
der Wähler im Sommer 1932 radikal und NSDAP kam an die Macht. Dies war der
Beginn des Dritten Reiches.
2. Reformpädagogik, was ist das
überhaupt?
Der Begriff Reformpädagogik ist
nicht zur Betitelung eines bestimmten Erziehungsstils oder zur Zusammenfassung
alternativer Unterrichtsmethoden gedacht, es gibt keine wirkliche Definition,
er bezeichnet vielmehr eine historische Epoche, die in der Zeit von 1890-1933
anzusiedeln ist. Erste Gedanken, die sich als reformpädagogische Ansätze
bezeichnen lassen, kann man zurückverfolgen bis zum Ende der Religionskriege
Mitte des 17. Jahrhunderts. Persönlichkeiten wie z.B. Jean-Jacques Rousseau,
Immanuel Kant und Johann Heinrich Pestalozzi gelten als Wegbereiter einer
Bewegung, die in Deutschland ab dem Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Ende der
Weimarer Republik ihren Höhepunkt reformpädagogischen Strebens erreichte. In
dieser Epoche gab es viele, teils gegenläufige Ansätze, Ideen und Methoden, die
entschieden auf eine Veränderung des Bestehenden hinarbeiteten. Besonders
richteten sich die Ideen gegen den Intellektualismus,
die Lebensfremdheit und den Autoritarismus der damaligen "alten
Schule". Einig waren sich die Reformpädagogen in der Ablehnung der
traditionellen Schule als eine Zwangs-Lern-Anstalt.
Die
Schwierigkeit der Bezeichnung liegt in der Gegensätzlichkeit der verschiedenen
Ansätze. Somit kann man eigentlich nicht von „der“ Reformpädagogik als
einheitliches Ganzes oder als in sich geschlossene Strömung reden. Vielmehr gab
es in dieser Zeit Bewegungen, die sich in Deutschland wie in einigen anderen
Ländern in weitgehender Übereinstimmung ihrer theoretischen Ansätzen und
Praktiken von 1900 an ausbreiteten. Ihre erstaunliche Produktivität wurde
wirksam in der inneren, auf Ziele, Inhalte und Methoden bezogenen Schulreform,
wie in der äußeren, organisatorischen; ferner in neu in Angriff genommenen
sozialpädagogischen Aufgabenbereichen und schließlich im Aufbau der
Erwachsenenbildung durch die Volksbewegung. Des Weiteren strebte sie die
Einführung der Kunsterziehung an, betonte den Stellenwert gemeinsamer Arbeit,
plädierte für nicht-konfessionsgebundene Einheitsschulen und für die Erziehung
in Landheimen. Die Reformpädagogik enthielt neoromantische, progressiv
künstlerische und politische Elemente und war mit der Jugendbewegung verbunden.
Nun gibt es
selbst heutzutage verschiedene Sichtweisen auf die Reformpädagogik:
So versteht Oelkers (1989) die Reformpädagogik als geschriebene Pädagogik und
Erzieh-ungsreflexion, Motive und Themen werden erst theoretisch abgearbeitet
und ihre Wirkung auf die Praxis erst später erfragt und geprüft. Er legt sich
auch auf keine Epoche fest, da es nach ihm auch schon vor dem 18.Jahrhundert
Reformmotive gab.
Amlung et al.
sprechen dagegen von praktischer Schularbeit und Schulrealität. Reformansätze
werden sofort in die Realität umgesetzt und ihre Wirkung in der Praxis erprobt.
2.1 Ansätze/ Ziele
Mit starkem
sozialen Engagement forderten die Reformpädagogen die Abschaffung der „alten
Schule“ und die Einführung der „neuen, freien Schule“, in der allein das Kind
im Mittelpunkt allen erzieherischen Handelns und Denkens stehen sollte. Auch
auf Grund neuester psychologischer Erkenntnisse sollte die Erziehung und
bestmögliche Entwicklung der Persönlichkeit der Kinder den Unterricht
bestimmen. Die Schule sollte zu einer lebensnahen Gemeinschaft werden, in der
die Kinder durch aktives und selbsttätiges Lernen zu verantwortungsbewussten
und mündigen Mitgliedern in der Gesellschaft werden. Die ältere Pädagogik
betrachtete die Erziehung als ein fest gefügtes Bauwerk von Regeln, Methoden
und Systemen, das nach religiösem oder philosophischem Absolutismus konstruiert
wurde. Eigenwerte und Eigengesetzlichkeiten der Menschen oder der Gesellschaft
wurden nicht sonderlich beachtet und Psychologie und Soziologie mit äußerstem
Misstrauen betrachtet. Die festgelegten Methoden und Ziele des
Erwachsenenstandpunktes sollten einer kinder- und jugendgerechten Pädagogik
weichen. Maßgeblichen Einfluss auf die Erziehung sollten die alterspezifischen
körperlichen, seelischen und geistigen Strukturen der Kinder und Jugendlichen
haben und die damit verbundene Erlebniswelt der neuen Schule. Kinder sollten
die Möglichkeit haben sich frei und naturgemäß zu entwickeln, sie sollten die
Freiheit haben sich äußern zu können und Missmut ausdrücken zu dürfen. Diese
neue Freiheit des Wachstums beinhaltete weiterhin die Freiheit der Bewegung und
der Betätigung; alles natürlich nur bis zu gewissen Grenzen. Konfessions- und
Parteilose Erziehung, Allseitigkeit, Lebendigkeit und individuelle
Wesensentfaltung waren Grundpfeiler dieser neuen Pädagogik vom Menschen aus.
Auch verbreitet sich weitestgehend die Meinung, dass es eine geistige
Entwicklung nicht ohne eine körperliche gibt und somit die Beschäftigung und
Betätigung in und mit der freien Natur immer mehr an Bedeutung gewinnen. Die
Schule soll keine reine Wissensvermittlungsanstalt mehr sein, sondern vielmehr
dem Schüler helfen sich durch Selbsttätigkeit, Aktivität, Spontaneität,
Verantwortung und Selbständigkeit in der zu etablieren und sich in wechselseitiger
Beziehung in ihr zu entwickeln. Zwischen Schülern und Lehrern entsteht ein
neues Vertrauensverhältnis in dem der Dialog im Vordergrund steht und das
Schulleben an sich spiegelt mehr und mehr das gesellschaftliche Leben wider.
Einheitsschulen und Koedukation verstärken diesen Prozess.
2.2
Strömungen
Wie schon
erwähnt ist es schwierig klare Abgrenzungen auf dem Gebiet der Reformpädagogik
zu machen, trotz des heterogenen Bildes lassen sich jedoch einige Strömungen
erkennen, die Gemeinsamkeiten in Idee und Ausführung erkennen lassen.
2.2.1 Landerziehungsheime
Das Ziel der
Landerziehungsheime und damit die Philosophie von Hermann Lietz war es, die
Jugend aus der Stadt zu bekommen und sie somit weit weg von den negativen
städtischen Einflüssen zu bringen. Er selber beschreibt seine Schulzeit als
grausam. Dort herrschte durch „seelenlosen Mechanismus“ nur der Verfall der
körperlichen Tätigkeit, der Sorgsamkeit und Vertiefung, der persönlichen
Initiative, der Selbstzucht und nicht zuletzt des Erbarmens. Jeglicher
Lebensfreude entrissen beschrieb er sich selber. Ein ödes Gelerne ohne Freude
und Gefühl. Die Kinder in den städtischen Schulen, fern ab von den elterlichen Gütern,
wurden völlig lebensfern unterrichtet, die völlige Missachtung des inneren und
äußeren Lebens der Schüler erachtete er als das schlimmste. Des Weiteren
widerstrebte ihm die Sorglosigkeit bezüglich des Umgangs mit Alkohol, Sex,
Nikotin und Gewalt. Die Heimatferne war für ihn treibende Kraft für die
Notwendigkeit von Schulen auf dem Lande. Hier sollte es den Schülern möglich
sein in und mit der Natur zu leben und zu lernen, körperliche Arbeit sollte das
Verständnis für die arbeitende Bevölkerung stärken und das tägliche Miteinander
den Gemeinschaftssinn wecken. Hier war es den Schülern möglich sich zu
entwickeln, ihre Sinne und ihren Körper zu stärken, künstlerisch tätig zu
werden und frei von kirchlicher und staatlicher Beeinflussung ihren Charakter
zu entwickeln.
2.2.2 Arbeitsschulbewegung
Die
Arbeitsschulen bilden in erster Linie einen Gegensatz zur Lern- und Buchschule.
Hier sollen neben geistiger auch körperliche Arbeiten als Erziehungsmittel
Einfluss finden. Im Vordergrund steht die Entwicklung des Kindes hin zu
Selbsttätigkeit und Aktivität, angekurbelt durch die Bedürfnisse des täglichen
Lebens, welches neben beruflichen auch soziale Anforderungen stellt.
Kerschensteiner,
der 1908 die Arbeitsschule als „Schule der Zukunft“ bezeichnete findet in Bezug
auf die manuelle Arbeit auch großen Zuspruch auf Seiten der Vertreter der
Projektschulbewegung. Entgegen des doch recht harten Arbeitsschulalltags in der
Sowjetunion setzt sich in Preußen ein gemäßigteres Prinzip nach Gaudig durch.
Dieser misst den geistigen Anforderungen beim Arbeitsvorgang an sich höhere
Bedeutung zu und sieht die Arbeitsschule eher als Stätte geistiger Arbeit.
Doch selbst
zwischen den Vertretern der Arbeitsschulbewegung gibt es verschiedene
Herangehensweisen und Ansichten bezüglich der Erziehung. Während Gaudig´s
Pädagogik die Persönlichkeit als Leitbild für das Leben in der deutschen Nation
beschreibt, sieht Kerschensteiner als Grundlage für staatsbürgerliches
Verhalten eine Berufsbildung, die aus der Erziehung zur Sachlichkeit entsteht.
Unter Sachlichkeit versteht er: "einen Zweck ohne Rücksicht auf
subjektive Neigungen, Begierden, Wünsche im Interesse eines unbedingt geltenden
Werts zur vollendeten Wirklichkeit zu bringen". Seidel und andere
Vertreter der Projektschulen kritisieren wiederum den fehlenden industriellen
Bezug Kerschensteiners und seinen bürgerlichen Standpunkt. Sie bevorzugen eine
„industriell-werktätige Bildungsschule“. Hierdurch unterscheiden sich auch die
Akzentuierungen der bürgerlichen und sozialistischen Arbeitsschulbewegungen
bezüglich des Bildungsauftrages und der Verbindung von Schule und Produktion.
Der sozialistische Weg ist wesentlich mehr auf die Arbeit bedacht und hat als
Zielform eine Verschmelzung von Schule und Produktion vor Augen.
2.2.3 Kunsterziehungsbewegung
Die
Kunsterziehungsbewegung kritisiert vor allem eine Verkümmerung der
individuellen Entfaltung und schöpferischen Kraft des Menschen. Vertreter wie
Britsch und Lichtwark hatten das Ziel, die schöpferischen Kräfte der Kinder
nachhaltig zu wecken. Produktivität und Originalität der Kindheit sollten zur
Entfaltung der eigenen Persönlichkeit genutzt werden. Hierbei bezog man sich
nicht nur auf die bildende Kunst, sondern auch auf Formen künstlerischen
Ausdrucks wie Musik und/ oder die Literatur.
2.2.4 Lebensgemeinschaftsschulen
Das eigentliche
Hauptaugenmerk der Lebensgemeinschaftsschulen lag darauf, einen Rahmen für ein
großes soziales Miteinander zu sein und somit auf ein demokratisches System
vorzubereiten. Hierbei ging es nicht nur darum die Schüler einander näher zu
bringen, sondern auch darum soziale Beziehungen zwischen Lehrern und Eltern,
Lehrern unter sich und nicht zuletzt Lehrern und Schülern zu vertiefen. Ziel
war es die Schranken, aufgebaut durch Konfession, Geschlecht oder sozialer
Herkunft, abzureißen und den Eltern Einblick in und Einfluss auf das
Schulgeschehen zu ermöglichen. Fritz Karsen und Wilhelm Paulsen sind die wohl
bekanntesten Namen dieser Bewegung, sie waren vorrangig in Bremen, Hamburg und
Berlin tätig.
Neben diesen
großen Strömungen der Reformpädagogischen Bewegung existierten noch mehrere
andere Ansätze, die aber wegen der schon genannten Gründe eher geringen
Einfluss auf den allgemeinen Schulalltag hatten. Im Bereich der Leibeserziehung
waren drei reformpädagogische Bewegungen richtungsweisend; die
Gymnastikbewegung, die Sportbewegung und das Natürliche Turnen.
2.2.5 Die Gymnastikbewegung
Einher mit den
bereits erwähnten Wandlungen in Politik und Gesellschaft gingen auch
ideologische Veränderungen. Es entwickelte sich ein noch nie da gewesenes
Bewusstsein für Kultur, Körper und Weiblichkeit. Verbunden mit einer Hinwendung
zum gesunden Leben entstand die Gymnastikbewegung, die zusammen mit Rhythmus,
Körperschönheit und Gesundheit das natürliche Leben in den Mittelpunkt stellte.
Innerhalb der Gymnastikbewegung entwickelten sich 4 eigenständige Richtungen.
Die Funktionelle
Gymnastik, welche auf einen gesunden und funktionierenden weiblichen Körper
hinarbeitet, hier werden vor allem einfache Übungen angewandt, die nachweisbare
physiologische Effekte nach sich ziehen. Vertreter dieser Bewegung sind
Mensendieck und Ling.
Die
Ausdrucksgymnastik, hier wird die Gymnastik als Rhythmus körperlicher
Bewegungen verstanden. Delsarte hatte unter anderem die Darstellung seelischer
Empfindungen durch Bewegung als Ziel. Seine Schülerinnen Stebbins und später
Kallmeyer fügten dem tänzerische Elemente hinzu und schenkten der Hygiene
größere Bedeutung.
In der
Rhythmisch-Gymnastischen Strömung legte man auf den pädagogischen Effekt der
Gymnastik größeren Wert. Die Verkörperung des Geistes durch den Rhythmus der
Musik war unter anderem Ziel der Vertreter wie Dalcroze, Bode oder Medau.
Als letzte die
von Duncan und Denis entwickelte Richtung des modern dance, welche die
tänzerische Gymnastik betont.
2.2.6
Die Sportbewegung
Die aus England
kommende Sportbewegung fand in Deutschland anfangs nur wenig Zuspruch, denn der
unbedingte Wille zur Leistungssteigerung mittels unnatürlicher technischer Hilfsmittel
und der finanzielle Vorteil durch Erfolg stimmten kaum mit dem turnerischen
Gemeinschaftssinn überein. Trotzdem setzten sich mehr und mehr die Merkmale des
modernen Sports in den Vereinen durch, Chancengleichheit, Rationalisierung und
Spezialisierung fanden ebenso Eingang wie die Quantifizierung der Leistung und
das Streben nach Rekorden. Auf der gesamten Breite zogen Großereignisse wie
Boxkämpfe, Radrennen und Fußball die Menschenmassen in ihren Bann. Einzig der
Gedanke der Internationalität und der olympische Gedanke blieben in Deutschland
nach dem ersten Weltkrieg auf der Strecke und es entwickelte sich mehr und mehr
eine nationale Sportbewegung zur Ertüchtigung der Menschen mit dem Ziel der
Erstarkung des Vaterlandes. Besonders Carl Diem vertrat diese Meinung der
Erziehung durch Sport und Leibesübungen um Deutschland nicht zuletzt auch
kampf- und wehrtüchtig zu machen.
3. Das Natürliche Turnen
Zwei Namen die
untrennbar mit dem natürlichen Turnen verbunden sind, sind Margarete Streicher
und Karl Gaulhofer. Sie entwickelten in Österreich das Natürliche Turnen als
ein System pädagogischer Leibesübungen. Mit dem Ende des 1. Weltkrieges setzte
die große politische und geistige Wandlung Österreichs vom monarchischen
Vielvölkerstaat zum demokratischen Kleinstaat ein und erfasste alle kulturellen
und gesellschaftlichen Bereiche. Auch der Sportunterricht wurde im Rahmen der
Schulreform vereinheitlicht und standardisiert. Die vielen verschiedenen
Bewegungsvorgaben wurden in einen Rahmen von Leibesübungen zusammengefasst.
Gaulhofer und Streicher, die teilweise Gedankengut Eckardts aufgriffen, waren
nun bestrebt die Leibeserziehung dahingehend zu reformieren, die Natürlichkeit
zurück in den Sportunterricht zu bringen. Beide waren in Politik und
Bildungswesen tätig und sagten der alten Schule ab. Sie ließen viele
reformpädagogische Gedanken in das Natürliche Turnen einfließen. Unter
Natürlichkeit verstanden sie das sich mit und in der Natur bewegen und Sport
treiben. Das Schulturnen war nach ihren Gesichtspunkten jedes nach
pädagogischen Grundsätzen geordnete Übungsgut welches den Körper als
Angriffspunkt und den gesamten Mensch als Ziel hat. Sie lehnten die
unnatürlichen Kunstformen des Schulturnens ab und setzten sich für Zweckformen
der Bewegung ein. Natürlich ist die Bewegung, die man ohne Vorgabe ausübt. Das
natürliche Erklimmen eines Baumes, das natürliche Laufen, Springen oder das
natürliche Turnen an einem Baum waren das was Sie unter natürlichen Bewegungen
verstanden, nicht die stilisierten Schulbewegungsformen an industriegefertigten
Geräten. Bewegungsaufgaben sollten die Selbsttätigkeit und Aktivität der
Schüler da und Fehler bei der Bewegungsausführung galten als erwünschtes
pädagogisches Mittel. Durch Fehler sollten die Schüler die Richtigkeit der
Zweckform erkennen. Sie teilten ihr Übungsgut in Ausgleichsübungen, welche
durch Kräftigung körperliche Fehler ausgleichen sollten, in formende Übungen,
welche die beste persönliche Bewegungs- und Haltungsform erwirken sollen, in
Leistungsübungen, welche die höchste persönliche Leistung in den Grundübungen
(Schwimmen, Klettern, Laufen, Springen etc.) bringen sollen und in
Bewegungskünste, welche als Ziel den schönen künstlerischen Umgang mit der
Bewegung haben. Weiterhin bewirkten sie eine Ausdehnung des Sportunterrichts an
sich von 2 auf 4 Stunden, eine speziellere, längere und bessere Ausbildung von
Sportlehrern, die Einführung Schulskikursen und die regelmäßige Veranstaltung
von regionalen und landesweiten Turnwettkämpfen und Sporttagen. In Deutschland
gab es schon vor Gaulhofer und Streicher Spuren des Natürlichen Turnens.
Ferdinand August Schmidt hielt 1905 in Hamburg schon einen Vortrag über
Körperschönheit durch Leibesübungen anlässlich der Kunsterziehungstagung. Drei
Jahre später griff der Dresdner Turnlehrer Fritz Eckardt in seiner Schrift „Der
Turnunterricht entwickelt aus den natürlichen Bewegungsformen“ Schmidtsches
Gedankengut auf. Doch trotz dieser Vorgeschichte tat man sich in Deutschland
aufgrund verschiedener Kulturhoheiten und divergierender Interessen schwer
diese Ansätze zu übernehmen. Erst nach 1927 kam es zu Adaptationen von
Elementen des Natürlichen Turnens in Schul- und Vereinsturnen.
Auch in weiteren
europäischen Ländern hielt das Natürliche Turnen mehr und mehr Einzug und
setzte sich auch nach dem 2. Weltkrieg weiter erfolgreich fort.
4. Schlussteil
Meine
anfänglichen Bedenken bezüglich der Komplexität und Widersprüchlichkeit
innerhalb der reformpädagogischen Bewegung haben sich durchaus bestätigt. Durch
die Vielzahl von Meinungen, Ansätzen und Schriften ist es schwierig einen roten
Faden durch dieses Thema zu spinnen. Trotzdem denke ich das dieses Gebiet
besonders für mich als angehenden Sportlehrer sehr interessant ist, da viele
Ideen geweckt werden und sich Sichtweisen auf Themen eröffnen über die ich
vorher noch nicht so ausführlich nachgedacht habe. Es ist doch durchaus
faszinierend, wie viele doch schlaue Menschen zu solch unterschiedlichen
Meinungen bezüglich ein und desselben Themas gelangen und sich teilweise doch
sehr stark widersprechen. Ich denke es wird immer wieder neue Ideen und Ansätze
geben die nicht nur ein bestimmtes Gebiet sondern sicher auch ganze Systeme
revolutionieren wollen. Es liegt wahrscheinlich in der Natur des Menschen immer
wieder neue Sachen zu propagandieren oder zu probieren wenn sich die
Möglichkeit bietet alte Sachen zu kritisieren. Man sollte nur vorsichtig sein
wann man wie weit was ändern möchte. Sicherlich sind viele dieser Ansätze
gerechtfertigt und begründet, doch sollte man immer auch beachten nicht selber
zu fokussiert auf ein bestimmtes Gebiet zu sein und andere ebenfalls wichtige
Prinzipien außen vor zu lassen.
5. Literatur
Beck, Henrike; Schliep,
Rixta(1996).Reformpädagogik.gefunden am 25.11.2005
Denk, Heinz; Hecker, Gerhard(1996).Texte
zur Sportpädagogik-Teil III: Reformpädagogische
Ideen,
Ansätze und Konzepte.Schorndorf:Verlag Karl Hofmann
Gaulhofer, Karl; Streicher,
Margarete. Natürliches Turnen. Bd.1+2 (1949), Bd.3(1950).
Wien:Verlag für
Jugend und Volk, Gesellschaft m.b.H.
Größing, Stefan(1991).Margarete
Streicher-Ein Leben für die Leibeserziehung; Salzburger
Symposium aus
Anlaß des 100. Geburtstages, 8.-10. April 1991.Hausdruckerei der
Universität
Salzburg
Streicher, Margarete.
Natürliches Turnen. Bd.4 (1956), Bd.5 (1959). Wien:Verlag für Jugend
und Volk