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Reflexion

Refle­xi­ons­auf­satz zum Buch Engel und Joe von Kai Hermann

1.603 Wörter / ~6 Seiten sternsternsternsternstern Autorin Veronika C. im Okt. 2014
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Dokumenttyp

Reflexion
Literaturwissenschaft

Universität, Schule

Neumühler Schule Schwerin

Note, Lehrer, Jahr

1, Müller, 2013,

Autor / Copyright
Veronika C. ©
Metadaten
Format: pdf
Größe: 0.04 Mb
Ohne Kopierschutz
Bewertung
sternsternsternsternstern
ID# 42688







Reflexionsaufsatz zu dem Roman „Engel und Joe“



Ein sehr emotionales Buch, welches Kai Hermann verfasst hat und von dem dann im Jahr 2002 die Erstauflage erschien ist der Roman `Engel und Joe´. Er beruht auf einer wahren Begebenheit und ist wahrscheinlich unteranderem deswegen ein lyrisches Werk, das einen sehr zum nachdenken bringt und ziemlich mitnimmt.

Das Buch handelt von zwei Teenagern, Joe (15) und Zorro (17, auch Engel genannt) aus Berlin, die in ihrer Liebe zueinander scheinbar die größte Leidenschaft im Leben finden. Joe hat die Nase voll von ihrer sowieso sehr unfürsorglichen Mutter und deren Liebhaber, welcher versucht Joe Vorschriften zu machen, was sie sich auf keinen Fall gefallen lässt. Sie beschließt für unbestimmte Zeit erstmal von zu Hause abzuhauen, wobei sie auf den ehemaligen Junkie und nun Punker Zorro trifft. Es ist sowas wie Liebe auf den ersten Blick zwischen den beiden und Joe gefällt es sogar, dass Zorro in einer alten vermoderten Gartenlaube wohnt, sowie frei von Pflichten zu sein scheint und ein stur köpfiges, rebellisches, eigenes Leben führt. Zwar ist es ein Traum der beiden so unbeschwert und dazu am besten noch mit einem Sohn weiterleben zu können, aber immer wieder werden neue Konflikte aufgeworfen, die ihnen ihr Wunschleben verübeln. Als Joe dann wirklich schwanger wird, jedoch vermeintlich von einem Bekannten namens Alex, der sich in Joe verliebt hat und die Gelegenheit nutzte sich an sie ranzumachen, als Joe mit Zorro mal wieder zerstritten war, fühlt sich Zorro aber im Nachhinein dann trotzdem verantwortlich und übernimmt die Pflicht als Vater. Sobald das Kind dann auf der Welt ist müssen sich die beiden allerdings nur noch weiteren Hürden stellen: sie haben keinen festen Wohnsitz, denn auch aus dem Mutterprogramm des Jugendamtes sind sie rausgeflogen, Zorro behält einen Job nie länger als zwei Tage, somit verdient auch niemand ihren Lebensunterhalt. In seiner Verzweiflung überfällt Zorro eine Tankstelle, wird jedoch am nächsten Tag in der Zeitung enttarnt und kurze Zeit später auch von der Polizei verhaftet. Joe wird in einem betreuten Mutter-Kind-Wohnheim untergebracht, wo sie und Alex sich wieder näher kommen. Als die Mutter, ihr Freund, Joe, Alex und deren Sohn dann Weihnachten gemütlich zusammen sitzen taucht plötzlich Zorro aufgrund seines Gefängnisurlaubes total zugedröhnt wieder auf. Joe schnappt sich ihr Kind und die drei wollen gemeinsam abhauen, doch die Ereignisse überschlagen sich. Während sich der wieder heroinabhängige Zorro einen Schuss setzen will, taucht das inzwischen alarmierte Jugendamt auf und nimmt Joe ihren Sohn weg. Ab hier beginnt der Abstieg der beiden. Sie wollen nach Hamburg, wo sie dann nur noch weiter absacken, Zorro in den totalen Drogenhandel gerät und es sogar soweit kommt, dass Joe anschaffen gehen will, weil sie denkt ihren Freund dadurch möglicherweise zu retten. Doch dank eines Traumes sieht Joe ein, dass es mit den beiden zusammen nie wieder so laufen wird wie früher, weswegen sie Zorro verlässt, um sich ihrem Leben in Berlin zu stellen.

Sofort nach nur einer Zusammenfassung fällt einem auf, dass das Buch viele verschiedene Themenschwerpunkte behandelt. Es geht meiner Meinung nach vordergründig um das Leben auf der Straße, Familienprobleme, Außenseiter, Drogensucht und jugendliche Schwangere. Da dies alles kritische Gesellschaftsthemen sind, mit denen man sich nicht tagtäglich auseinander zu setzen hat, war dieses Buch doch eine ganz schön schockierende Geschichte, vor allem wenn man bedenkt, dass es Jugendliche in Deutschland gibt, deren Lebensverlauf dieser Roman in etwa beschreibt!

Bei dem Buch hatte ich durchgehend den Willen weiterzulesen, um zu erfahren was als nächstes geschieht. Anfangs wurde die ganze Story meiner Meinung nach ein bisschen breit geredet und in den letzten Kapiteln stieg die Spannung dann erst enorm. Was mir an dem Buch sehr gefiel, war die an „meine Zeit“ angepasste Umgangssprache, die der Autor durchweg benutzte. Der Inhalt war leicht verständlich. Ebenso das Wechseln der Perspektiven von Joe und Zorro aus denen das Geschehen wiedergegeben wird, wirkte sich positiv auf das Lesen aus. Desweiteren ermöglicht es sowohl weiblichen als auch männlichen Lesern sich mit den Protagonisten zu identifizieren und ihr Schicksal nachzuvollziehen.

Jedoch: was heißt nachvollziehen!? Beim Lesen des Buches warfen sich mir Fragen auf, beziehungsweise für mich persönlich unnachvollziehbare Schritte ihrer beider Handlungsweisen. Während des gesamten Lesens fragte ich mich ob und warum Joe bewusst diese „absturzgefährdete Richtung“ einschlägt, hin zu Junkies, auf die Straßen, mit 15 Jahren. Natürlich kann man es mit der Liebe zu Engel begründen, aber auch hier hätte Joe sich doch selbst die Frage stellen müssen: Was will ich von meinem Partner im Leben? Spätestens als klar wurde, dass Alex, der sich ja als vermeintlicher Vater von Joes Kind herausstellte, in wohlhabenderen Verhältnissen lebt, hätte sie doch darüber nachdenken müssen, dass sie Optionen hat. Denn wenn es eins gibt, was ich an der Geschichte am wenigsten verstehe, dann ist es die Tatsache, dass sie sich innerhalb von Tagen Hals über Kopf in Engel verlieben konnte. Was machte diesen Jungen so attraktiv für sie? Wenn sie das Beste für ihren Sohn gewollt hätte, wäre es dann nicht „cleverer“ gewesen Alex zu lieben? Oder dachte sie der gemeinsame Weg mit Zorro wäre tatsächlich der beste? Abgesehen davon, dass Joe am Ende noch die Kurve kriegt, frage ich mich auch: Wer trägt alles Mitschuld an ihrer beider Abstieg in die Asozialität?

Natürlich nach dem Einwand des Grenzeneinschätzungsvermögens und der Eigenverantwortung sollte man beim Versuch logische Antworten auf all die Fragen zu finden vielleicht im Elternhaus beginnen. Die Mutter lebt ihrer Tochter sozusagen auch schon eine eher ungute Art und Weise vor: sie sucht sich irgendwelche Typen, nur um nicht alleine zu sein, sie hat ein Kind, um das sie sich nicht richtig kümmern kann/will und dem sie zu viele Freiheiten lässt etc. Also kurz gesagt, sie lebt nach niedrigen Ansprüchen, die sich möglicherweise auf Joe mit übertragen. Höchstwahrscheinlich möchte auch die Mutter nur das Beste für Joe, was sie ihr allerdings nicht so richtig zeigen kann und Joe es deswegen nicht versteht. Sie versucht daraufhin rebellisch und frei zu sein und probiert Neues aus. Sie stürzt sich einfach kopfüber in die Liebe zu einem gerade erst kennengelernten Jungen, ohne Vorkenntnisse über seinen Lebenshintergrund zu haben. Auch Joe muss ja Erwartungen an ihren Beziehungspartner hegen, wo ich mir nicht vorstellen kann, dass Engel diese erfüllt. Alles was die beiden verbindet und ihre Liebe ausmacht ist ihr Außenseiterdasein und ihr gemeinsames Interesse nach Unabhängigkeit. Dies sind auch die einzigen Gründe, die ich mir vorstellen könnte, weswegen Joe bis zum „bitteren Ende“ zu Engel hält und nicht einsieht, dass er ihrem Leben nicht gut tut. Was auch Grund dafür ist, dass sie sich nicht auf Alex und somit ein „besseres“ Leben einlässt. Nur eine falsche Entscheidung im Leben und es kann so schnell bergab gehen. Am Anfang mag ja alles noch sehr aufregend sein, harmlos scheinen und sie mögen sich gegenseitig gut tun, ergänzen und der wichtigste Gegenstand im Leben des anderen sein, aber wie man merkt ist Engel der Faktor in ihrem Leben gewesen, der am meisten dazu beitrug, dass sich ihre Lage verschlechterte. Ein wenig Vernunft hätte man an allen möglichen Stellen einbringen sollen: beispielsweise sollten sie ein Kind möglichst vorher planen und sich erstmal einen gewissen Lebensstandard sichern. Dann hätte Joe ihren Freund vielleicht nur zu seinem besten in eine Entzugsklink einweisen lassen können. Die Mutter hätte sich Sorgen machen müssen, nachdem Joe ihr Sohn weggenommen wurde was ihre Tochter jetzt unternehmen wird. Auch Engels Eltern geben vor die glücklichste Familie zu sein während er sie besucht, sie fragen ihn aus wie es ihm geht und schwatzen davon, dass sie ihn vermissten, aber anrufen und nachfragen als er wieder in Berlin ist beziehungsweise sogar finanziell unterstützen können sie ihren Sohn dann doch nicht.

Ich finde es bestehen so viele Unklarheiten nach dem Lesen dieses Buches, wenn man mal darüber reflektiert, was aber auch daran liegt, dass ich die Gefühle und Gedankengänge der Protagonisten nicht nachvollziehen kann. Ich kann mich nämlich nicht wirklich mit ihnen identifizieren und mir fällt es deswegen auch schwer selbst Antworten auf meine Fragen heraus zu interpretieren. Das Ende des Buches gefiel mir ziemlich gut. Es war sozusagen ein halbes Happy End. Von Joe weiß man, dass sie ihr Leben doch noch auf die Reihe brachte, von Engel denke ich, dass er gestorben ist. Und eine weitere Frage meinerseits hier wäre, warum Joe es am Ende, wo schon alles zu spät war dann endlich eingesehen hat, dass ihr beider Leben zerstört ist. War es ihr dann mit einem Mal egal ob sie Engel noch hat oder nicht –ihre große Liebe? War es ihr Wunsch ihn los zu sein oder fiel ihr der „Abschied“ schwer? Ob Engel es noch mitbekam, dass Joe ihn verlassen hatte, ob er sich deswegen umbrachte oder ob er es gar nicht realisierte und es ihm irgendwann einfach „aus Versehen“ passierte?

Nach dem Lesen der Geschichte ist mein Eindruck etwas zwiegespalten in ein Erwachsenen-Ich, welches denkt: wie verantwortungslos und rebellisch diese beiden Teenager doch sind und in ein freies-Jugend-Ich, welches die Protagonisten bewundert, für ihre Selbstüberzeugung und ihren Mut das zu tun, was sie wollen und mir wie mögliche Helden vorkommen lässt. Vielleicht war es die schlimmste Zeit im Leben der zwei Teenager, deren Geschichte mit diesem Buch nacherzählt wurde. Vielleicht war es aber auch die beste Zeit ihres Lebens, in der sie frei waren, in der sie ihre Träume lebten, in der sie einfach nur von der Liebe zueinander lebten, die sie wohl oder übel letzten Endes beide kaputt machte. Das Reflektieren über diese Lektüre hat mir dann schlussendlich nochmal deutlich gemacht wie gut ich es doch eigentlich habe, ohne gleich mal Dritte-Welt-Vergleiche aufzustellen. Angefangen hier in Deutschland, in Berlin gibt es Jugendliche, die weitaus größere Probleme haben, auch wenn einem die eigenen manchmal unübertrefflich vorkommen.


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