Raumanalyse Marrakesch
1. Der Realraum
1.1 Geographie
Die Perle des Südens, unter welchem Namen Marrakesch ebenfalls bekannt
ist, ist eine Stadt im Südwesten Marokkos, hat 920‘142 Einwohner und ist die
Hauptstadt der gleichnamigen Provinz. Marrakesch bedeutet, aus der Sprache der
Berber übersetzt, „Das Land Gottes“.
Marokko als Bezeichnung für das ganze Land ging aus dem Stadtnamen Marrakesch
hervor.
Marrakesch liegt am Fuße des Hohen Atlas und zählt
neben Meknès, Fès und Rabat zu den Königsstädten Marokkos.
1.2 Klima und
Wetter in Marrakesch
Marrakesch hat das Glück, eine
geschützte Lage zu haben, nämlich am Fusse der „Hohen Atlasgebirge“.
Dieses Gebirge dient als Klimascheide zwischen dem gemässigten Klima im Norden
und dem subtropischen Klima im Süden Marokkos. Marrakesch hat, aufgrund der
abgeschwächten Einflüsse des Atlantischen Ozeans noch ein gemässigtes Klima.
Jedoch ist es aufgrund seiner Lage im Landesinneren im Sommer wesentlich wärmer
als im Norden Marokkos und den Küstenregionen des Landes. Glücklicherweise weht
das ganze Jahr ein leichter Wind vom Atlantischen Ozean und sorgt für ein wenig
Abkühlung.
1.3 Tagestemperaturen
in Marrakesch
In Marrakesch herrschen in den
Sommermonaten Juli und August Temperaturen von durchschnittlich 29 Grad
Celsius, jedoch ist es nicht ungewöhnlich, dass sie im Hochsommer tagsüber
teilweise sogar 40 Grad Celsius erreichen. Mit den hohen Temperaturen ist eine äussert
geringe Luftfeuchtigkeit verbunden und wird oftmals noch durch den Wüstenwind
„Schirokko“ verstärkt.
Dieser Wind sorgt im Juli und im August für einen weiteren Temperaturanstieg.
Täglich liegt die Wahrscheinlichkeit, dass die Sonne scheint bei 80 – 90%.
Nachts liegen die Temperaturen im Sommer zwischen 20 – 25 Grad Celsius.
1.4 Umweltprobleme
Das Grün der berühmten
Palmenhaine Marrakeschs, eine Unesco-Welterbestätte, beginnt zu verblassen
wegen einer Dürre, die sich mit der weltweiten Klimaerwärmung noch
verschlimmern könnte. Schuld ist aber nicht nur die Dürre sondern auch der
aufgekommene Massentourismus. Die vom Tourismus in die Höhe getriebenen
Landpreise und die Arbeitslosigkeit drängen die Bauern der Palmenhaine weg, die
sich über Generationen um den Erhalt und das Wohlergehen der Palmen gekümmert
haben. Ein riesiges Netzwerk von Kanälen und Zisternen ermöglichte den Pflanzen
das Überleben im Wüstenklima, indem es Wasser aus den Bergen brachte.
Die Wasserreserven wurden durch die Dürre und die mächtigen Pumpen,
welche die Intensivlandwirtschaft in den Hügeln um Marrakesch versorgen drastisch
verringert. Der Grundwasserspiegel ist zu tief abgesunken, sodass die Wurzeln
der Palmen kein Wasser bekommen. Inzwischen hat König Mohamed VI eine Aktion
zur Rettung der Palmen gestartet. Mittlerweile hat sich die Zahl der Palmen
mehr als verdoppelt, allerdings meist in den Tourismusgebieten um Marrakesch
und nicht im ganzen Hain.
2. Vernetzungen
des Raums
Marrakesch ist heute
ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt, der über eine Eisenbahnstrecke mit
Casablanca und dem Norden Marokkos verfügt. Seit 2008 endet die Bahnstrecke im
Hauptbahnhof, der im traditionellen Stil neu gestaltet ist. Neben dem Handel
lebt Marrakesch wirtschaftlich gesehen von dem Färbereigewerbe und der
Teppicherstellung, sowie der Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse. Vor
allem aber von dem Tourismus, der immer mehr aufkommt.
In Marrakesch gibt es auch einen Flughafen unweit der Stadt, den Flughafen
Marrakesch Menara. Er ist ein internationaler Flughafen, der aus zwei Gebäuden
besteht und flächenmässig mit 22
Hektar, der zweitgrösste
von ganz Marokko.
In den letzten Jahren hat ein Bauboom die
Grundstückspreise stark ansteigen lassen, weil sich zahlreiche wohlhabende
Europäer und Marokkaner, angelockt durch das erträgliche Klima am Rande des
Hochgebirges, prächtige Erst- und Zweitwohnsitze errichten ließen. Sie liegen
überwiegend im Westen und Nordwesten oft auf ummauerten bewachten Grundstücken.
3. Raum als Kategorie der Sinneswahrnehmung
3.1 Erster
Eindruck
Wer das erste Mal nach Marrakesch reisst, hat bereits schon Bilder von
verschiedenen Zeitschriften und Broschüren im Kopf. Die Assoziationen, die man
mit Marrakesch in Verbindung bringt, sind Zauber und Mystik.
Diese Stadt kann jedoch durchaus
auch zwei Gesichter besitzen und so kann der Tourist entweder in den Genuss der
marokkanischen Gastfreundschaft kommen oder aber, entnervt wieder zurück nach
Hause fliegen.
Marrakesch ist eine Touristenstadt und dennnoch kann man das unberührte
alltägliche Leben fernab der Touristenmeilen finden und sich mit der
marokkanischen Realität vertraut machen. Dazu gehört auch, dass Marrakesch,
trotz seiner zur Schau gestellten Moderne, ein Entwicklungsland ist.
Der erste Eindruck ist ganz anders als man ihn sich ausgemalt - ein
regelrechter Kulturschock. Der Tourist fühlt sich schon bei der Ankunft in dem
quirligen Marrakesch von der Hitze, dem Staub, dem Lärm der Autos und der nach
Abgas riechenden Luft schnell gestresst. Bereits das Überqueren der Strasse
wird zu einer Herausforderung, da man stets Acht geben muss, nicht überfahren
zu werden. Mit einem Stadtbesuch oder Einkauf in den Souks geht es weiter.
Penetrante Bazarhändler, falsche Touristenführer, Haschischhändler, schreiende
Kinderhorden - Marrakesch bedeutet Stress und nicht die erhoffte Ruhe und
Entspannung. Daher verschanzen sich viele Touristen in ihren Hotelanlagen und
reisen nach Marrakesch, ohne dabei wirklich in Marrakesch zu sein.
Doch wer sich die Mühe macht diese Stadt richtig kennenzulernen, ohne
Vorurteile und mit Verständnis dem Ganzen entgegentritt, wird schlussendlich
reich beschenkt werden.
3.2 Vorurteile
& Rolle der Frau
„Die Muslimin ist unterdrückt.“ Soviel steht für die
meisten Europäer fest. Egal ob es sich um die Kopftuchfrage oder die
Beschneidung geht. Doch wie fühlt sich die marokkanische Frau?
Zuerst sollte klargestellt werden, dass die Klitorisbeschneidung eine
altägyptische Unsitte ist und in Marokko nicht praktiziert wird, da sie auch
nicht im Koran geschrieben steht. Das Vorurteil, der Islam sei eine
sexualfeindliche Religion, ist weit verbreitet,
doch im Gegensatz zum
Christentum gilt Sexualität im Islam als schöpferische Urkraft, dies jedoch nur
innerhalb der Ehre, dort jedoch sind keinerlei Grenzen gesetzt.
Eine andere Sache ist der Schleier. In den Augen der europäischen Frau
ist er ein Zeichen für Unterdrückung. Marokkanerinnen sehen ihn jedoch eher
also Zugehörigkeitssymbol der eigenen Kultur und des eigenen Glaubens. Die
meisten marokkanischen Frauen sind so in ihrer Tradition verwurzelt, dass sie
häufig gar nicht merken, wie genau diese Tradition ihnen die Freiheiten
vorenthält, die sich eine Europäerin nie nehmen lassen würde.
2003 war das Revolutionsjahr für die marokkanische Frau. König Muhammad
VI nahm Änderungen im Familienrecht zugunsten der Frauen vor. Marokko ist das
erste islamische Land, in welchem die vollkommene Gleichberechtigung der Frau
im Gesetz verankert wurde.
Männern ist es nicht mehr möglich eine Frau zu verstossen oder gegen ihren
Willen eine zweite zu ehelichen. Marokkanerinnen können selbst wählen wen sie
heiraten möchten.
Natürlich reicht ein Gesetz alleine nicht aus, um tief verwurzelte
Strukturen und Traditionen zu ändern. Doch kleine Schritte wurden damit
immerhin schon gemacht.
4. Der
gemachte Raum
Märchenhaft, Mystisch, 1001 Nacht und tausend ähnliche Bezeichnungen
die man in Katalogen zur Beschreibung Marrakeschs finden kann. Eine Illusion
wird dem Reisenden vorgegeben. Am bildhaftesten zeigt sich dieses Phänomen am „Platz
der Geköpften“ dem Platz der Gaukler und Quacksalber, der Schlangenbeschwörer
und Wahrsager, dem Djema’a el-Fna, ein vorgeschriebenes „Muss“ für Touristen.
Dieser Platz ist überhäuft von Reisegruppen, ausgerüstet mit Videokameras, weit
weg vom Geschehen. Vielmehr eine Kulisse, ein Theater, bei dem der Kontakt mit
der „wirklichen“ Stadt verhindert wird.
4.1 Soziales
Leben und Alltagskultur & Bedeutung der Familie
Die einzig wirklich sichere Institution in der marokkanischen
Gesellschaft ist die Familie. Die Verbindung zu ihr ist eine wesentlich engere
als bei uns und ist die wichtigste soziale Einheit. Hier hilft jeder jedem und
alles wird geteilt. Der älteste Mann im Haus ist die höchste Person und
Familienvorstand. So hat die älteste Frau im Haus offiziell weitaus weniger zu
sagen, jedoch wird in der Realität das Leben innerhalb der Familie von ihr
geregelt. Ähnlich ist auch das marokkanische Nachbarschaftsverhältnis. Da man
Tür an Tür wohnt, gehört man sozusagen der gleichen Familie an.
4.2 Die Macht des
Königs
Als Muhammad VI 1999 den
Thron bestieg, war die Hoffnung auf eine Besserung gross. 38 Jahre hatte sein
Vater Hassan II einen Machtapparat voller Korruption geschaffen. Niemand traute
sich unter seiner Herrschaft Kritik zu äussern, denn Menschrechtsverletzungen
und Pressezensuren standen an der Tagesordnung. Die Monarchie hat in Marokko
eine Lange Tradition und der König ist unantastbar und heilig. Genau diese
Unantastbarkeit erteilt ihm das Recht Regierungschefs zu ernennen oder das Parlament
aufzulösen. Mit Muhammad VI begann eine neue Ära. Der junge König strebte Modernisierung
an, musste sich aber schwerlich gegen den Willen des konservativen Parlaments
durchsetzen. Es lassen sich jedoch Erfolge verzeichnen, wie zum Beispiel das
neue Familiengesetz. Auch die Presse ist sehr viel offener geworden und
tatsächlich heikle Themen dürfen angesprochen werden. Dem jungen König liegt
das Wohl seines Volkes sehr am Herzen und wird daher „König der Armen
genannt“.
4.3 Arbeitslosigkeit, Einkommen und Korruption
Rund 9.1 % der Bevölkerung ist arbeitslos, darunter sind fast die
Hälfte Jugendliche. Knapp 20% leben unterhalb der Armutsgrenze und verdienen
weniger als der gesetzlich vorgeschriebene Mindestlohn von 2000 Dirham (ca.200
CHF) im Monat.
Den ganzen Tag sitzt man in
Cafés und hofft auf einen Job oder ein gutes Geschäft mit Touristen. Das
Überleben in der Stadt ist hart und so hält man sich mit kleinen
Dienstleistungen über Wasser wie zum Beispiel als Schuhputzer, Parkwächter, Hausmädchen
und „faux guide“ was falscher Fremdenführer bedeutet, oder geht betteln.
Obwohl eine sechsjährige Schulpflicht für Kinder gilt, ist die
Kinderarbeit weit verbreitet. Jungen arbeiten in der Medina, in den Werkstätten,
wohingegen Mädchen Teppiche knüpfen. Sie sind die billigsten Arbeitskräfte und
kritisiert man die Besitzer der Betriebe, so trifft man nur die andere Seite
des Elends, denn ohne diese billigen Arbeitskräfte könnten viele Kleinbetriebe
gar nicht mehr existieren. Den Besuch einer Schule garantiert noch lange nicht
eine Arbeitsstelle und so lautet der grosse Traum der jungen Männer nach Europa
auszuwandern, um dort ein besseres Leben führen zu können.
Offiziell ist Korruption verboten und doch ist sie an der Tagesordnung.
Die Ursache hierfür liegt in der Ungleichverteilung. Das Land bzw. Stadt ist
nicht arm, doch solange ein geringer Anteil der Marokkaner den Grossteil des
Geldes besitzt, ist die Armut und somit auch die Korruption nicht zu stoppen.
4.4 Neue
Metropole für billigen Sex
Auf der Suche nach schnellem Sex, zieht es immer mehr Ausländer in die
Stadt Marrakesch, die insgeheim zum Zentrum des internationalen Sextourismus
geworden ist. Dabei sind es nicht hauptsächlich Frauen, die sich prostituieren,
sondern jungen Männer vom Land, um schnelles Geld für die Familie zu verdienen
oder in der Hoffnung von einem ihrer Kunden nach Europa mitgenommen zu werden. Der
Faktor Armut sei der entscheidende Grund, der auch Kinder zur Prostitution
bringt. Pädophilie hat in Marrakesch erhebliche Ausmasse angenommen.
4.5 Grundregeln
und Tabus für den Touristen
In Marrakesch sollte man sich immer dessen bewusst sein, dass man Gast
in einem islamischen Land ist und dieses mit seinen Traditionen, Kulturen und
Moralvorstellungen akzeptiert, welche stark von den europäischen Normen
abweichen. Vor allem sollte man das in islamischen Zivilisationen geltende
Prinzip der Geschlechtertrennung achten und Distanz zu unbekannten Frauen
halten, besonders dann, wenn sie verschleiert sind. Im Weiteren gelten
öffentlich ausgetauschte Zärtlichkeiten als unangebracht.
Zwar wird es nicht verlangt, doch wer während des Ramadan in der Öffentlich
weder isst, noch trinkt noch raucht, kann einige Sympathiepunkte für sich
gewinnen, denn dieses Verhalten wird sehr geschätzt.
Alkoholkonsum in Marrakesch
Muslimen ist auf Grund des
Korans untersagt, alkoholische Getränke zu konsumieren. Für den
Alkoholausschank ist daher in Marrakesch eine spezielle Lizenz erforderlich,
jedoch haltet sich niemand wirklich daran, was aber zu keinen Problemen führt.
De facto ist der Alkoholkonsum unter Marokkanern zum Problem geworden. Es wird
in allen grossen Hotels und Restaurants Alkohol ausgeschenkt und in den
Supermärkten hat es meterweise verschiedene Spirituosen.
Marokkaner sind in der Regel sehr tolerant und schauen höflich über
die Fehltritte mancher Touristen hinweg. Hier sind dennoch die zwei wichtigsten
Verhaltensregeln um nicht ins Fettnäpfchen zu trampen. Grundsätzlich gilt es
sich ordentlich anzuziehen. Jegliche Form abgerissener Kleidung ist eine
Beleidigung. Für Frauen gilt diese Regel noch viel ausgeprägter. So sollte man
es als Frau vermeiden Miniröcke oder ein zu tiefes Dekolleté zu tragen und
darauf achten, dass die Schultern bedeckt sind. Kopftücher sind übrigens nicht
nötig.
Reden ist Silber, Schweigen nichts wert. Gespräche haben unter
Marokkanern einen völlig anderen Stellenwert als bei uns. Ein Tourist, der
nicht viel spricht, ist den Marokkanern fremdartig und zeigt kein Interesse an
Land und Leute. Dies kann schnell zur Beleidigung werden.
Quellen:
Literatur:
Marokko,
Westlicher Orient, ein Reiseführer/Titus Burckhardt & Werner
Pfister/Walter-Verlag Olten und Freiburg im Breisgau
Kulturschock
Marokko/Muriel Brunswig-Ibrahim/ Reise Know-How Verlag Peter Rump GmbH
Marrokko,
Dumont Richtig Reisein
Bildnachweis:
Abb. 1: Landkarte
Markokko
Abb. 2: Palmenhain
Abb. 3: Medina
- Selbstaufnahme Alicia Erdin
Abb. 4: Die
Rolle Der Frau - Selbstaufnahme Alicia Erdin
Abb. 5: König König
Muhammad VI
Abb. 6:
Arbeitslosigkeit in Marrakesch - Selbstaufnahme Alicia Erdin