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Martin-Luther-Universität Halle Wittenberg

Institut für Politikwissenschaften

Didaktik der politischen Bildung

Halle den 30.05.2017


Praktikumsbericht (SP II) für das Fach Sozialkunde an der

Oskar-Linke“-Sekundarschule


Name: ,

Mentor: Herr

Schule: „Oskar-Linke“-Sekundarschule

FSL: Dr. Müller

Praktikumszeitraum: 14.02.2017-30.03.2017


Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis 2

1. Bedingungsanalyse 3

1.1 Lernvoraussetzung innerhalb einer ausgewählten Klasse 4

2. Sachanalyse 6

2.1 Der Art. 4 GG, die allgemeine Religions- und Gewissensfreiheit. 7

2.2 Einschränkungsmöglichkeiten und Schranken des Art 4. GG. 9

2.3 Das “Kopftuch-Urteil” im Fall der muslimischen Lehrerin “Ferestha Ludin" 9

2.4 Prozessrechtliche Grundlagen: 10

2.5 Materiell rechtliche Grundlagen: 10

2.6. Ergebnis 13

2.7 Weitere gesellschaftliche- und rechtliche Argumente zum Fall “Ferestha Ludin”. 13

3. Lernschwierigkeiten. 14

4. Umsetzung der ausgewählten Methode. 15

5. Didaktische Analyse 18

6. Alternativplanung 20

7. Literaturverzeichnis. 21


1. Bedingungsanalyse


Ich habe mein Schulpraktikum II wie mein Schulpraktikum I an der „Oskar-Linke“ Schule in Magdeburg Diesdorf, einer Gemeinschaftsschule, absolviert. Der Stadtteil Magdeburg-Diesdorf befindet sich im südlichen Teil von Magdeburg. In diesem Stadtteil haben zu DDR Zeiten viele ArbeiterInnen gewohnt, welche in den großen Schwermaschinenindustrien von Magdeburg gearbeitet haben.

So ist auch heute noch dieser Stadtteil als ein Standort von Magdeburg anzusehen, wo viele Angestellte und Arbeitnehmer ihren Wohnsitz haben.


Die Gemeinschaftsschule „Oskar-Linke“ befindet sich am Rand dieses Stadtteils. Die Schule wurde in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts erbaut. In den Jahren 2007 und 2008 wurde die Schule umfassend saniert und auf den modernsten Standard gebracht. Zur Schule gehört ein großer Pausenhof mit zahlreichen Spielgeräten, welche insbesondere gerne von den jüngeren SchülerInnen benutzt werden.

An der Schule ist auch eine Abendschule angeschlossen, an der die Möglichkeit eröffnet ist, berufsbegleitend einen schulischen bzw. höheren schulischen Abschluss zu erwerben. Dieser Schulbetrieb findet aber stets nach dem regulären Schulschluss statt und hat somit keine diesbezüglichen Auswirkungen.


Bei der Gemeinschaftsschule handelt es sich in Sachsen-Anhalt um eine noch relativ junge Schulform. Der Landtag hat im Jahre 2012 mit der Verabschiedung der Schulgesetztes eine gesetzliche Grundlage für diese im Jahre 2013 etablierte Schulform geschaffen.

Ziel einer Gemeinschaftsschule ist es, alle Schulabschlüsse, die im Land erworben werden können, an einer Schule anzubieten. Also das Abitur, den Realschulabschluss und den Hauptschulabschluss. Das pädagogische Ziel einer solchen Gemeinschaftsschule besteht im Wesentlichen darin, durch längeres gemeinsames Lernen allen SchülerInnen die Möglichkeiten zu eröffnen, alle allgemeinbildenden Abschlüssen zu erwerben.


Dieses grobe pädagogische Konzept einer Gemeinschaftsschule wird auch an der „Oskar-Linke“ Schule praktiziert. So lernen alle SchülerInnen dieser Schule bis zur 9. Klasse zusammen und erst dann erfolgt die jeweilige Spezialisierung auf die einzelnen Bildungsabschlüsse. Das pädagogische Konzept dieser Schule, im Gegensatz zu einem klassischen Gymnasium, basiert eher auf handlungs- und praxisorientiertem Wissen.

So gehört diese Schule, neben dem Werner-von-Siemens Gymnasium, zu den wenigen Schulen in Magdeburg, die sich verstärkt auf die naturwissenschaftlichen Fächer spezialisiert haben. So ist für alle SchülerInnen von der 5.- 10. Klasse die Teilnahme am Technik-Unterricht ein verpflichtender Bestandteil. Im Rahmen dieses Technik Unterrichts nehmen die SchülerInnen regelmäßig an regionalen und überregionalen Wettbewerben teil.

So haben die SchülerInnen der unterschiedlichsten Klassenstufen in jüngster Vergangenheit an Wettbewerben wie z. B „Jugend forscht“, „Handwerk for you“, „first-Lego-Leauge“ oder „Robert-cup“ teilgenommen. Im Rahmen dieser Wettbewerbe wurden zahlreiche Auszeichnungen und Ehrungen gewonnen, welche in einer großen Vitrine der Schule zu besichtigen sind. Diese Schwerpunktsetzung auf naturwissenschaftliche Fächer wird auch durch die Universität Magdeburg und die Fachhochschule Magdeburg-Stendal unterstützt.

So kommen regelmäßig von diesen beiden Hochschulen Studenten, die SchülerInnen bei der Anfertigungen ihrer verschiedenen technisch orientierten Projekte tatkräftig unterstützen.


Diese handlungsorientierte Schwerpunktsetzung der Schule wird auch ergänzt durch zahlreiche Arbeitsgemeinschaften die SchülerInnen nach den regulären Unterricht wahrnehmen können. So könne sie z. B in diesen Arbeitsgemeinschaften lernen, wie sie einen Roboter bauen und denen so programmieren, dass er vorgebenden Hindernisse eigenständig umgehen kann. Neben diesen technisch orientierten Arbeitsgemeinschaften bietet die Schule auch weitere AGs wie z. B eine Schwimm-AG, Chor-AG, Töpfer-AG oder eine Nachhilfe-AG an.

Die Arbeitsgemeinschaften stehen hierbei im pädagogischen Rahmenkonzept einer Ganztagsbetreuung der SchülerInnen. So soll es den SchülerInnen hierbei ermöglicht werden an vier Tagen in der Woche jeweils eine mögliche AG zu belegen, die ihren Interessenschwerpunkt wiedergibt


1.1 Lernvoraussetzung innerhalb einer ausgewählten Klasse


Bei meinem Schulpraktikum II im Fach Sozialkunde wurde ich durch meinen Mentor, Herrn , betreut, welcher gleichzeitig der entsprechende Fachlehrer der jeweiligen Klassen war.

Herr ist ein noch recht junger Lehrer, welcher die Lehrerausbildung an der OvGU-Magdeburg durchlaufen hat, sowie sein Referendariat an einem städtischen Gymnasium in Magdeburg abgelegt hat. Die Beteuerung durch Herrn würde ich als sehr gut bezeichnen. So fand zu jeder Unterrichtsstunde eine Vor- und Nachbesprechung statt, wo mögliche Probleme bei der Planung und Durchführung des Unterrichtes ausführlich angesprochen werden konnten.

Auch die anschließende Reflexion des Unterrichtes mit meinem Mentor hat mir geholfen, die Durchführung des Unterrichtes zu verbessern.


Im Rahmen meines Schulpraktikums II im Fach Sozialkunde durfte ich drei 10. Klassen (10a, 10b, 10c unterrichten, die kurz vor der Abschlussprüfung standen. Da mir die drei Klassen bereits schon aus meinen Schulpraktikum I an dieser Schule bekannt waren, fiel mir die Einschätzung ihres Leistungs- und Bildungsstands relativ leicht.


So bestätigte sich zum größten Teil mein Eindruck bezüglich ihres Leistungs- und Bildungsniveaus aus meinen Schulpraktikum I. In den drei Klassen finden sich recht unterschiedliche Leistungsvoraussetzungen bezüglich Leistungsstand und der sozialen Bereitschaft zum Lernen. Dementsprechend ist die Klasse 10a auf ein höheres Leistungs- und Bildungsniveau einzuordnen als die beiden anderen Parallelklassen.

Dies ist darauf zurückzuführen, dass die ehemaligen Gymnasiasten nicht innerhalb der jeweiligen Klassenstufen verteilt, sondern speziell in einer Klasse konzentriert werden. Somit erreicht die Klasse 10a ein höheres Bildungs- und Leistungsniveau als ihre beiden Parallelklassen.


Im Nachfolgenden möchte ich auf die Lernvoraussetzungen der Klasse 10a spezieller eingehen. Die Klasse 10a setzt sich aus 23 SchülerInnen zusammen, 13 männlichen und 10 weiblichen SchülerInnen. Dem Jahrgang entsprechend sind die SchülerInnen zwischen 16 und 17 Jahre alt. Entwicklungspsychologisch gibt es keine Auffälligkeiten, sodass ich bei allen SchülerInnen von einem altersentsprechenden Entwicklungstand ausgehe.

Des Weiteren war der Raum mit einer Tafel und einem Kartenständer ausgestattet. Das Klassenklima in der Klasse würde ich als gut bezeichnen. Alle SchülerInnen waren freundlich und aufgeschlossen, sodass es nicht schwer war, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. In der Klasse gab es auch augenscheinlich keinen SchülerInn, welcher deutlich vom Klassengeschehen ausgeschlossen wurde.

Somit würde ich die sozialen Beziehungen innerhalb der Klasse als gut bezeichnen.


Die Lernvoraussetzung der Klasse 10a kann ich, im Vergleich zum Schulpraktikum I, als ausgeprägter bezeichnen. So hat sich das Textverständnis und die Texterschließung bei den meisten SchülerInnen deutlich gesteigert. Auch das Reflexionsvermögen und die Fähigkeit aus verschiedenen Sachverhalten, Zusammenhänge zu bilden, hat sich bei den meisten SchülerInnen verbessert.

Dementsprechend war die Bearbeitung von Texten in der Klasse, im Vergleich zum Schulpraktikum I und der Situation in den beiden Parallelklassen, deutlich weniger zeitintensiv. So war es wichtig, diesen Sachverhalt bei der Planung und Konzeption der Stunden zu berücksichtigen. Darüber hinaus war auch die mündliche Mitarbeit im Unterrichtsgespräch im Vergleich zu den beiden anderen Klassen als gut einzustufen.


Da Herr die Klasse über einen längeren Zeitraum betreut hatte, war diese Klasse vertraut mit den entsprechen Methoden des Politikunterrichts. So konnten die SchülerInnen sicher mit der Mikromethode “Talkshow” umgehen und kannten das grundlegende Prinzip “Lernen am Fall” (Fallstudie, Fallanalyse). Diese Tatsache erleichterte es mir, die entsprechenden Methoden mit der Klasse durchzuführen.

Auch den Umgang mit Karikaturen beherrschte die Klasse relativ sicher, was mir die Planung und Konzeption der Stunden erleichterte.

In der 10. Klasse haben die SchülerInnen zwei Stunden Sozialkundeunterricht, welcher in Form eines Blockunterrichtes mit durchgängigen 90min gehalten wird. Dies wirkte sich für mich als Lehrender insofern günstig aus, als sich die Gelegenheit bot, Stoffeinheiten und Methoden in einem zusammenhängenden „Block“ zu unterrichten.


2. Sachanalyse


Das Themenfeld Menschen- und Grundrechte ist nach dem FLP Sekundarschule des LSA verpflichtender Bestandteil des Sozialkundeunterrichts, welches in den Schuljahrgängen 9/10 behandelt werden sollte. Bevor ich die Klasse übernommen habe, hatte Herr mit der Klasse das Thema Menschenrechte behandelt, welches er mit Hilfe einer Fallanalyse bearbeitet hatte.


Das Grundgesetz (GG) ist die Verfassung für die Bundesrepublik Deutschland. Es wurde vom Parlamentarischen Rat, dessen Mitglieder von den Landesparlamenten gewählt worden waren, am 8. Mai 1949 beschlossen und von den Alliierten genehmigt. Am 23. Mai 1949 stellte dann der Parlamentarische Rat fest, dass die Volksvertretungen der beteiligten Deutschen Länder in der Woche vom 16. bis 22. Mai 1949 mit mehr als Zweidrittel das Grundgesetz angenommen worden ist.

Aufgrund dieser Feststellung konnte es ausgefertigt und verkündet werden.

Seit diesem Zeitpunkt ist es mehrfach geändert worden. Es hat Vorrang vor allen anderen deutschen Gesetzen, welche mit ihm in Einklang stehen müssen. Das GG ist in 5 Abschnitte gegliedert, denen die Präambel als Bestandteil der Verfassung vorausgeht (vgl. Abb.1).Die Grundrechte stehen bedingt durch ihre elementare Bedeutung im Abschnitt I des GG (Art. 1-19). Abschnitt II (Art. 20-37) enthält eine Art Zusammenfassung der Verfassung.

Hier wird verfassungsgemäße politische Ordnung (Bundesstaat, Rechtsstaat, Demokratie und Sozialstaat) geregelt. Die Abschnitte III-V des GG regeln die Zuständigkeit der Bundesorgane (Art. 38-69), die Gesetzgebung in der BRD (Art. 70-91) und sonstige Bestimmungen (Art. 91 ff.). Für den vorliegenden Unterrichtsentwurf sind für die SchülerInnen hauptsächlich der Abschnitt I des GG nämlich die Grundrechte interessant.

Dementsprechend möchte ich im Folgenden näher auf diese eingehen.


Quelle Abb.1:


Unter den Grundrechten verseht man die in den Verfassungen der jeweiligen Staaten aufgelisteten staatlichen garantierten Freiheitsrechte des Individuums gegenüber der Staatsmacht. Sie sind im Grundgesetzt in den Art. 1-19 festgehalten.

Historisch gesehen reicht die Idee angeborener, unveräußerlicher individueller Menschenrechte zurück bis auf die 1215 in England verabschiedete “Magna Carta Libertatum”. Sie bindet den Englischen Herrscher an Rechte, die dem Adel und den Freien zustehen, darunter vor allem der Rechts- und Eigentumsschutz und die Absprache von Steuern. Der erste “Grundrechtekatalog” in Deutschland wurde 1849 von der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche ausgearbeitet, den jedoch erst die Verfassung der Weimarer Republik aufgreift.

Sie dürfen nicht geändert oder aus dem GG entfernt werden (i.S.d Art. 79 Abs. 1-3 GG).


Da ist es für die SchülerInnen zu komplex gewesen wäre, alle Grundrechte in ihrer grundlegenden Struktur zu erschließen, habe ich mich entschlossen, den SchülerInnen die Bedeutung der Grundrechte für die Demokratie an Hand eines Grundrechtes (Art. 4 GG) exemplarisch zu zeigen (vgl. Didaktische Analyse).


2.1 Der Art. 4 GG, die allgemeine Religions- und Gewissensfreiheit.


In der öffentlichen “Kopftuch-Debatte” wird oft der Art. 4 GG zur Argumentation für oder gegen das Tragen eines Kopftuches im Schuldienst herangezogen. Dies lässt sich damit begründen, dass der Art. 4 GG für diese Diskussion von zentraler Bedeutung ist. Demnach möchte ich im Folgenden kurz auf den Art. 4 GG eingehen, um dann den rechtlich-institutionellen Charakter der “Kopftuch-Debatte” näher beleuchten zu können.

Der Art. 4 GG beinhaltet die allgemeine Glaubens- und Gewissensfreiheit:

  1. Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

  2. Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet

  3. Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffen gesungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.




Hierbei sichert der Art. 4 GG jeden Menschen, der im Geltungsbereich des Grundgesetztes lebt, eine allgemeine Religions- und Gewissensfreiheit zu. Es spielt keine Rolle, ob der derjenige die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder nicht. Der Art. 4 GG richtet sich an alle im Geltungsbereich des Grundgesetzes lebende Menschen. Dieser Artikel verbrieft somit ein Menschenrecht im Gegensatz zu den Bürgerrechten wie z. B.

Art 8. GG (Versammlungsfreiheit).


Die ersten zwei Absätze des Art.4 GG gewähren den Schutz der Glaubens-, Religions- und Weltanschauungsfreiheit, wohingegen sich Art. 4 Abs. 3 GG explizit mit der Gewissensfreiheit beschäftigt:


  • Die Religion- und Weltanschauungsfreiheit (einschließlich der Bekenntnisfreiheit) aus Art. 4 Abs.1-2 GG lässt sich in einen positiven und einen negativen Schutzbereich untergliedern. Danach wird positiv die Freiheit geschützt, einen Glauben, also eine religiöse Überzeugung oder eine Weltanschauung, also eine a-religiöse Überzeugung, zu bilden, zu haben, zu äußern und danach zu handeln.

Die Glaubensfreiheit wird grundsätzlich unabhängig von der kulturellen Veranlagung der Gemeinschaft gewährleistet. Es kommt demnach auch nicht auf die zahlenmäßige Stärke und soziale Relevanz einer religiösen Vereinigung an. Problematisch an dieser sehr weiten Interpretation ist, dass der Schutzbereich konturlos werden würde. Deshalb ist eine Einschränkung notwendig und schützt daher nur, was tatsächlich nach geistigem Gehalt und äußerem Erscheinungsbild als Religion zu qualifizieren ist.

Nicht geschützt ist folglich ein Handeln, das der Glaube lediglich erlaubt, nicht aber gebietet.


  • Die Gewissensfreiheit aus Art. 4 Abs.3 GG schützt Gewissensentscheidungen. Unter Gewissensentscheidung versteht man jede ernste und sittliche, an den Kategorien von „Gut“ und „Böse“ orientierte Entscheidung, die der Einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfährt, sodass er gegen sie nicht ohne ernste Gewissensnot handeln kann.

    Insofern fällt unter die Gewissensfreiheit auch das Recht auf Kriegsdienstverweigerung, das als lex specialis zu Art. 4 Abs. 1 GG herangezogen werden musste, wenn der Kriegsdienst nicht mit dem Gewissen vereinbart werden konnte.




2.2 Einschränkungsmöglichkeiten und Schranken des Art 4. GG.


Der Art. 4 Abs. 1-2. GG sieht keine Schrankenregelung vor. Lediglich Art. 4 Abs. 3 GG enthält einen Regelungsvorbehalt durch ein Bundesgesetz, der allerdings nur auf die Kriegsdienstverweigerung Anwendung findet. Vereinzelte Grundrechtsschranken und vor allem ein Vorbehalt der allgemeinen Gesetze finden sich überdies in den Vorschriften der Weimarer Reichsverfassung, die grundsätzlich über Art. 140 GG Anwendung findet.

Allerdings lehnt das BVerfG diese Konstruktion in ständiger Rechtsprechung ab und geht vielmehr davon aus, dass die Glaubens- und Gewissensfreiheit vorbehaltlos gewährleistet werden.

Die scheinbar vorbehaltlos gewährte Glaubensfreiheit darf aber nicht dazu führen, dass andere wichtige Verfassungsgüter oder Grundrechte anderer unangemessen beschränkt oder beeinträchtigt werden. Deshalb unterliegt auch die Glaubensfreiheit einer verfassungsimmanenten Schranke.

Auch wenn Art. 4 GG im Einzelfall durch kollidierendes Verfassungsrecht eingeschränkt werden kann, bedeutet dies nicht, dass Art. 4 GG ganz zurücktreten muss. Vielmehr ist eine ausführliche Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen, wobei unter dem Prüfungspunkt der Angemessenheit insbesondere der Aspekt der praktischen Konkordanz der betroffenen Verfassungswerte eine herausragende Rolle einnimmt.


2.3 Das “Kopftuch-Urteil” im Fall der muslimischen Lehrerin “Ferestha Ludin"


In diesen konkreten Fall geht es darum, dass die muslimische Lehramtsanwärterin Ferestha Ludin, nach Abschluss ihres Referendariats, an einer öffentlichen Schule im Land Baden-Württemberg unterrichten will. Aufgrund ihres muslimischen Glaubens besteht Ferestha Ludin auf das Tragen eines Kopftuches während des Unterrichts. Hierbei beruft sich Frau Ludin auf den Art. 4 GG Abs 1. und Abs. 2, das ihr die ungestörte Religionsausübung zusichert.

Das Landesschulamt des Land Baden-Württemberg verweigert Frau Ludin die Einstellung in den öffentlichen Schuldienst sowie die Einstufung als Beamtin auf Probezeit. Zur Begründung führt das Land Baden-Württemberg an, dass das Tragen eines Kopftuches, als Vertreterin einer staatlichen Institution (Schule), gegen das staatliche Neutralitätsgebot verstößt. So heißt es im Landesschulgesetz des Land Baden-Württemberg wie folgt:

Lehrerinnen und Lehrer dürfen in der Schulde keine politischen, religiösen, weltanschaulichen oder ähnliche äußere Bekundungen abgeben, die geeignet sind, die Neutralität des Landes gegenüber Schülerinnen und Schülern sowie Eltern oder den politischen, religiösen der weltanschaulichen Schulfrieden zu gefährden oder zu stören. Insbesondere ist ein äußerliches Verhalte unzulässig, welches den Eindruck hervorrufen kann, dass eine Lehrerin oder ein Lehrer gegen die Menschenwürde, die Gleichberechtigung nach Artikel 3 des Grundgesetzes, die Freiheitsgrundrechte oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung auftritt…


2.4 Prozessrechtliche Grundlagen:

Sie macht geltend durch das Urteil des Bundesarbeitsgerichtes u. a in ihrem Grundrecht auf Glaubensfreiheit Art 4 GG verletzt zu sein. Der Rechtsweg aller Instanzen für arbeitsgerichtliche Entscheidungen ist erschöpft. Die Lehrerin muss die Verfassungsbeschwerde schriftlich mit Begründung innerhalb eines Monats eingereicht haben, §§ 23, 92, 93 Abs. 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG).

Die Verfassungsbeschwerde ist gemäß Art. 94 Abs. 2 GG i. V. m. § 90 BVerfGG zulässig.


2.5 Materiell rechtliche Grundlagen:

Das BVerfG hat hierbei in seinen Beschluss vom 27.01.2015 entschieden, dass ein generelles Kopftuchverbot für Beamte im Schuldienst nicht zulässig ist (BVerfGE 138,296-). Hierbei führt das Gericht folgende Argumentation an.


2.5.1 Schutzbereich von Art. 4 GG


Das Verbot, das Kopftuch im Unterricht zu tragen, könnte sie in ihrem Recht auf Glaubensfreiheit gemäß Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verletzen, wonach u. a. die ungestörte Religionsausübung zu gewährleisten ist.

Das Grundrecht der Glaubensfreiheit gemäß Art. 4 GG gewährleistet nach ständiger verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung umfassend das Recht als innere Freiheit zu glauben oder auch nicht zu glauben. Darüber hinaus wird auch die äußere Freiheit geschützt, entsprechend der Lehren des Glaubens zu leben (u. a. BVerfGE 108, 282, 298 f Kopftuchentscheidung I).

Demnach liegt ein Eingriff in den Schutzbereich von Art. 4 GG vor, da das Kopftuchtragen für die Lehrerin durch ein religiöses Gebot von ihr verlangt wird.


2.5.2 Einschränkung des Grundrechtes durch das Schulgesetz oder durch die Verfassung selbst


Art. 4 GG lässt dem Wortlaut nach keine Einschränkung zu. Es ist jedoch zu prüfen, ob das Grundrecht gleichwohl eingeschränkt werden kann.

Es ist anerkannt, dass sogenannte verfassungsimmanente Schranken auch Einschränkungen von Grundrechten zulassen, die nicht unter Gesetzesvorbehalt stehen, wenn das Wertesystem des Grundgesetzes selbst dieses erfordert. Zu solchen verfassungsimmanenten Schranke zählen die Grundrechte Dritter sowie Gemeinschaftswerte von Verfassungsrang (BVerfGE 108, 282).

Verfassungsimmanente Schranken dürfen jedoch nur durch oder aufgrund eines Gesetzes zum Ausdruck gebracht werden. Das BVerfG hat bereits in seiner ersten Kopftuch Entscheidung BVerfGE 108, 282 ausgeführt, dass das normative Spannungsverhältnis zwischen den widerstreitenden Verfassungsgütern eine Lösung des demokratisch gewählten Gesetzgebers erfordert. Nur im Gesetzgebungsverfahren im Parlament kann im öffentlichen Willensbildungsprozess ein für alle zumutbarer Kompromiss der gleichrangigen Verfassungsgüter gefunden werden

Im vorliegendem Fall ist diese Voraussetzung erfüllt: das geänderte Schulgesetz regelt die Verpflichtung in Bezug auf die Bekundung der religiösen Überzeugung, zu der auch das Tragen des Kopftuches als Ausdruck des religiösen Bekenntnisses zum Islam zu rechnen ist.

Diese Regelungen können daher grundsätzlich als Ausdruck der verfassungsrechtlichen immanenten Schranken der Artikel 4, 6 Abs. 2, 7 GG aufgefasst werden.


2.5.3 Schranken der Schranken


Das einschränkende Gesetz, das geänderte Schulgesetz muss seinerseits verfassungsgemäß sein.


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