Peter
Stamm: „Am Eisweiher“
Interpretation
Die Kurzgeschichte „Am Eisweiher“ von Peter Stamm erschien im Jahre 1999.
In ihr schildert der Autor das Erwachsenwerden mehrerer Jugendlicher, und
welche Folgen eine fehlende zwischenmenschliche Kommunikation haben kann. Der
20 Jährige Protagonist kommt um Mitternacht in seinem Heimatdorf an. Er findet
seine Freunde vor ihrem Stammlokal und sie entscheiden sich kurzfristig, im
Eisweiher baden zu gehen, weil das Wasser dort noch ganz warm ist.
Nachdem der Protagonist mit Stefanie, der Freundin seines Freundes Urs,
zum Eisweiher gegangen ist, ziehen sie sich aus und schwimmen nackt und ohne
ihre Freunde zu einem alten Bootshaus. Dort kommen sie sich sehr nah, bis Urs
ihnen nachschwimmt und sie findet. Urs macht den Ich-Erzähler für das
verantwortlich, was Stefanie mit dem Protagonisten gemacht hat und springt vom
Bootshaus ins Wasser. Weil er mit dem Kopf auf einem Pfahl im Wasser aufkommt,
stirbt er.
Der junge Mann und Stefanie schwimmen nackt zum alten Bootshaus am beleuchteten Eisweiher.
Auch nach der Beerdigung von Urs schaffen es die Freunde nicht, über das
zu sprechen, was passiert ist. Als der Erzähler erfährt, dass Stefanie
schwanger ist, kommt er nur noch selten zurück in sein Dorf. Die Kurzgeschichte
ist aus Sicht eines personalen Ich-Erzählers geschrieben, der das Geschehen rückblickend
aus der Innenperspektive schildert. Die Sprache ist knapp und schmucklos und es
werden zumeist sachlich beschreibende Hauptsätze vom Autor verwendet.
Der Protagonist ist 20 Jahre alt und obwohl er zum Zeitpunkt des
Geschehens in Neuchâtel arbeitete, kam er wegen seiner Freunde gerne zurück in
sein Heimatdorf. Er legt ein unselbstständiges Verhalten an den Tag, denn zum
Beispiel lässt er seine Wäsche noch von seinen Eltern waschen (vgl. Z. 23 f.). Er
stellt sich nicht seinen Fehlern, sondern versucht, ihnen aus dem Weg zu gehen
(vgl. Z. 180).
Stefanie hat Abitur und arbeitete bis zum Beginn ihres Studiums als
Kassiererin. Sie übernimmt keine Verantwortung dafür, was sie tut (vgl. Z. 114)
und reagiert gefühlskalt auf den Tod von Urs. (vgl. Z. 149) Auch sie stellt
sich nicht dem, was passiert ist und bricht den Kontakt zu ihren Freunden ab. (vgl.
Z. 175 f.)
Urs ist der Freund von Stefanie und ist sehr fürsorglich. Zum Beispiel
holt er für Stefanie Flickzeug, während diese schon zum Eisweiher geht. Er
verbringt so viel Zeit, wie nur möglich mit seiner Freundin. (Z. 63 f.) Er kann
nicht damit umgehen, dass seine Freundin bzw. sein bester Freund ihn betrogen
hat. Er scheint sich nicht über die Konsequenzen seines unüberlegten Handelns
bewusst zu sein.
Grundsätzlich kommt zwischen den Freunden eine Kommunikation zustande,
aber besonders wenn Stefanie dabei war, „habe man nicht mehr vernünftig reden
können“ (Z. 176). Die Freunde reden jedoch nicht mehr über Urs Tod und auch
Stefanie und der Ich-Erzähler reden anscheinend nicht mehr miteinander.
Stamm nutzt die Beschreibung der
Natur, um besondere Stimmungen zu kreieren. So zum Beispiel das Zirpen der
Grillen an einem Ferientag. Im Kontrast dazu verwandelt sich dann der See,
dessen Wasser vorhin noch „ganz warm“ (Z. 85) war in einen Eisweiher. Die
Atmosphäre wird kalt und düster. Der Leser „friert“ und spürt das herannahende
Unheil. So lässt Stamm seine Leser direkt am Geschehen teilhaben und mit den
Protagonisten mitzufühlen.
„Am Eisweiher“ bezieht sich auf
universelle Probleme im menschlichen Miteinander und wird somit nie an
Aussagekraft oder Gegenwartsbedeutung verlieren.