Interpretation einer Kurzgeschichte
Paul Watzlawick - Die
Geschichte mit dem Hammer
Der verwirrte Mann betrachtet in seiner heimeligen Werkstatt nachdenklich den Hammer und die Person im Garten.
Der Psychologe und Schriftsteller
„Paul Watzlawick“ hat „Die Geschichte mit dem Hammer“ 1983 in seinem Erzählband
„Anleitung zum unglücklich sein“ veröffentlicht. In der Kurzgeschichte
beschäftigt er sich mit einem Problem, das besonders in der heutigen Zeit
aktuell ist: das (unbegründete) Misstrauen der Menschen gegenüber anderen
(Nachbarn) und die Unfähigkeit, offen aufeinander zuzugehen oder miteinander zu
reden.
Es geht dabei um Folgendes: Ein Mann
benötigt zum Aufhängen eines Bildes einen Hammer. Diesen will er sich von
seinem Nachbarn borgen, doch bevor es dazu kommen kann, redet sich der Mann
mehr und mehr ein, dass dieser etwas gegen ihn habe, sodass er schließlich
voller Zorn zu dem ahnungslosen Nachbarn hinüberstürmt, ihn anschreit und
beschimpft.
Die Geschichte lässt sich in drei
Teile untergliedern. Durch geschickten Wechsel der Erzählhaltung gelingt es
Watzlawick, auf kleinstem Raum seine Aussageabsicht zu verdeutlichen, denn die
Geschichte besteht nur aus 18 Zeilen.
Zu Beginn der Geschichte wird ein
nicht namentlich genannter Mann dargestellt, der mit einer banalen Tätigkeit
beschäftigt ist. Er will ein Bild aufhängen, doch um den Nagel einschlagen zu
können, fehlt ihm der Hammer. Diesen will er sich vom Nachbarn leihen. Die
ersten vier Zeilen werden von einem auktorialen Erzähler als Erzählerbericht
dargestellt, einfache Aussagesätze verdeutlichen zunächst, dass dem Mann
keinerlei Unruhe anzumerken ist. Am Ende dieses Sinnabschnitts lenkt uns der
Erzähler darauf, dass der Mann anfängt zu zweifeln „da kommt ihm ein Zweifel“
(Z. 4).
Im zweiten Abschnitt, der von Z. 5 bis
Z. 15 reicht, gibt es einen Perspektivwechsel. Dieser Teil der Geschichte wird
aus der Ich-Perspektive geschildert, und in einem inneren Monolog werden uns die Gedanken des Mannes deutlich. Wir erfahren, welche Probleme ihm der Gedanke
bereitet, sich vom Nachbarn einen Hammer zu borgen. Die aufkeimende
Unsicherheit wird auch in der Sprache deutlich. Besonders auffallend sind die
vielen rhetorischen Fragen, die sich der Mann stellt. „Was, wenn der Nachbar
mir den Hammer nicht leihen will? (Z. 4-5) oder „Wie kann man seinen
Mitmenschen einfach so einen Gefallen abschlagen?“ (Z. 11-12). Diese Fragen
bewirken, dass der Leser seine misstrauischen
Überlegungen hinsichtlich des Nachbarn mitverfolgen kann und dass man nach Lösungen
sucht. Seine Skepsis gegenüber dem Nachbarn verdeutlicht der Autor auch durch
die zweifache Verwendung des Wortes vielleicht. „Vielleicht war er in Eile“
(Z. 6/7) und „vielleicht war die Eile nur vorgetäuscht“ (Z. 7). Außerdem wird
der Nachbar durch eine Personifikation charakterisiert, nämlich als Kerl, der
einem das Leben vergiften wolle (vgl. Z. 13). Die negative Einschätzung des
Verhältnisses zum Nachbarn spiegelt sich auch in einer anderen Textstelle
wider. Der Mann setzt sich gedanklich damit auseinander, wie er sich verhalten
würde, wenn ihn jemand um einen Hammer bitten würde. Die Verwendung des
Konjunktiv II [der Konjunktiv II betont, dass Gedachtes nicht in die Realität
umgesetzt werden kann] „ich gäbe es ihm
sofort“ (Z. 10) zeigt, dass der Mann vermutlich keinem Nachbarn einen Hammer
leihen würde. Gleiches erwartet der Mann dann natürlich auch von anderen.
Im letzten Sinnabschnitt (Z. 15-18)
wird der innere Konflikt auch äußerlich sichtbar. Wir erleben wieder einen Perspektivwechsel,
der letzte Teil der Geschichte wird wieder vom auktorialen Erzähler
dargestellt. Der Mann stürmt zu seinem Nachbarn hinüber und schlägt verbal mit
dem Hammer auf ihn ein, ohne ihm die Gründe mitzuteilen. Er läuft zu ihm
hinüber und beleidigt ihn, ohne seinen Wunsch vorzutragen, mit „Behalten Sie
sich Ihren Hammer, Sie Rüpel“ (Z. 18). Wie aufgewühlt der Mann sein muss, zeigt
sich darin, dass er einen grammatikalisch falschen Satz verwendet (sich ->
Pronomen falsch). Mit diesem Satz sind auch der Höhepunkt und das Ende der
Geschichte erreicht. Die Geschichte endet offen, eine Reaktion des Nachbarn
fehlt und man ist als Leser gezwungen, sich den weiteren Fortgang dieser
Situation vorzustellen.
Als Resultat dieser Geschichte lässt
sich feststellen, dass Watzlawick ein Problem aufzeigt, das vor allem innerlich
vereinsamte Menschen betrifft. In ihrer Isolation entwickeln sie eine
verbitterte Einstellung anderen Menschen gegenüber. Sie sind nicht mehr fähig,
auf andere zuzugehen, ohne misstrauische und hinterhältige Gedanken zu
entwickeln. Insbesondere in Großstädten mit anonymen Wohnsituationen könnte
dies ein bedeutsames Problem sein. Ein bisschen erinnert mich diese Geschichte
an die Situation von Amokläufen. Plötzlich betreten junge Erwachsene ohne
Vorwarnung ihre Schule und Mitschüler oder Lehrer werden ermordet. Auch hier
sind die Gründe für das Verhalten nicht sofort ersichtlich bzw. häufig heißt
es, dass die Täter sozial vernachlässigt gelebt haben und plötzlich und ohne
Vorwand in einer Schule auftreten und losschießen. Es ist m. E. sehr wichtig, vielfältige soziale Beziehungen
zu pflegen und besonders darauf zu achten, einmal anderen zuzuhören und nicht
soziale Beziehungen zugunsten von Fernsehen und PC aufzugeben.