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Inhaltsangabe
Deutsch

Universität Wien - Alma Mater Rudolphina

Sommersemester 2010

Heinrich B. ©
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ID# 4887







Orhan Pamuks (Nobelpreisträger 2006)

Preisrede: „Der Koffer meines Vaters“

Arbeitsauftrag:


Suchen Sie sich aus dem vorgegebenen Textpool eine Preisrede bzw. eine Poetikvorlesung aus und fassen Sie die Ihrer Meinung nach wichtigsten Aussagen zusammen!


Ausgewählter Text:


Orhan Pamuks (Nobelpreisträger 2006) Preisrede: „Der Koffer meines Vaters“


Zusammenfassung:


Orhan Pamuks Preisrede „Der Koffer meines Vaters“ kombiniert durch den, schon im Titel genannten Koffer des Vaters, der in dem Text sowohl leitmotivischen als auch symbolischen Charakter aufweist, stets individuell persönliche Erfahrungen mit allgemein formulierten Thesen. Der Koffer des Vaters bildet im Text nicht nur einen Rahmen für Pamuks Behauptungen, sondern tritt auch wiederholt innerhalb des Textes auf, jeweils verbunden mit anderen Gefühlen und Empfindungen.

Die Rede behandelt die Beweggründe eines Menschen, die ihn dazu treiben zu schreiben, Aspekte, die den Schriftsteller von anderen Menschen unterscheiden, des Schriftstellers Eigentümlichkeiten und Charakteristika und die die Besonderheiten des Schriftstellerdaseins ansich.

Orhan Pamuk erzählt, stets unter Berücksichtigung seiner eigenen Erfahrungen und Empfindungen, von der Kraft der Inspiration und von der Verwendung anderer Werke, die als Ausgangspunkt für die eigene literarische Tätigkeit dienen. Er versucht die Figur seines Vaters sich selbst gegenüberzustellen und somit zu untermauern, dass Schreiben von jedem Menschen anders empfunden werden kann und Schreiben somit für jeden Menschen verschiedene Funktionalität darstellt.

Anhand seines Vaters beschreibt er auch, die umstrittene Stellung des Dichters in der Gesellschaft und er versucht zu erläutern, inwiefern er sich selbst in seinen Werken reflektiert sieht und autobiographische Züge in seinen Büchern erkennen kann.

In seiner Rede beleuchtet er anhand seiner Schriftstellerkarriere, wie seiner Meinung nach, der Drang zu schreiben entsteht und wie ihm Schreiben und Lesen zu einer westlicheren Denkweise verhalf, ihn jedoch trotz allem seine Liebe zur Heimat aufrecht erhalten lies.

Zwei Jahre, bevor er stirbt, händigt Pamuks Vater ihm einen Koffer aus und meint bescheiden, Orhan Pamuk, der zu diesem Zeitpunkt schon fünfundzwanzig Jahre als Schriftsteller tätig ist, solle sich nach seinem Tod, seine Texte zu Gemüte führen und sehen, ob sich vielleicht etwas „veröffentlichungswürdiges“ darunter befinde. Der Koffer selbst ist Orhan Pamuk bekannt, der Inhalt jedoch fremd.

Die Vorstellung die Texte seines Vaters zu lesen, löst in ihm bizarre Gefühle aus. Der Inhalt des Koffers hat für ihn eine Art geheimnisvolle Ausstrahlung. Für Pamuk stellt Schreiben zu dieser Zeit stets ein Zurückziehen in ein einsames Zimmer und ein von sich und seinem Leben Zeugnis ablegen dar. Dieses Agieren kann er seinem Vater, der stets ein geselliger und leutseliger Mensch gewesen ist, ganz und gar nicht zuschreiben.

Pamuks Vater wollte gegen Ende der vierziger Jahre selbst dem Schriftstellerdasein frönen, doch konnte er sich dies nicht leisten in einem Land, in dem sich das Leserpublikum auf nur wenige Menschen beschränkte. Pamuk hat sogar Angst den Koffer zu öffnen, weil er befürchtet, an den Texten seines Vaters keinen Gefallen zu finden. Noch größer ist seine Furcht jedoch, in dem Texten seines Vaters wahrhaftige und beeindruckende Literatur zu entdecken, denn dann hätte er in seinem Vater stets einen Schriftsteller zu sehen gehabt.

Sein Vater solle für ihn lediglich sein Vater bleiben und kein begnadeter Schriftsteller.

Nun versucht Orhan Pamuk seine eigene Definition des Schriftstellers zu finden. Nach Orhan Pamuk findet jeder Schriftsteller in sich selbst eine zweite Persönlichkeit und diese versucht er, durch das Aufbringen von viel Geduld, die eine der besonderen Gaben des Schriftstellers für Pamuk darstellt, an die Oberfläche zu bringen und zu zeigen. Pamuk assoziiert mit Schreiben vorerst nicht literarische Formen, Gattungen und Traditionen, sondern vielmehr den schreibenden Menschen, der „mit Worten eine neue Welt erschafft“.

Was und wie man schreibt entfalten sich erst auf der Basis der eigentlichen Tätigkeit des Schreibens. Um diese neue Welt zu erschaffen ist es für ihn wichtig, dass man beständig und beharrlich an dieser kreierten Welt arbeitet, versucht die „innere Einkehr“ in Worte zu fassen und somit neue Menschen aus sich selbst entstehen zu lassen.

Er zieht sein eigenes Werk „Rot ist mein Name“ als Beispiel heran, in dem er

von Malern erzählt, die solange Pferde zeichneten bis sie das Pferd sogar mit geschlossenen Augen aufs Blatt brachten und meint, dass er implizit genau diese von ihm geforderte Geduld und Hartnäckigkeit beschrieb und somit das Handwerk des Schriftstellers indirekt zum Thema seines Werkes machte.

Er erkennt sehr oft autobiografische Bezüge in seinen Werken und meint es sei eine Gabe des Schriftstellers ansich, sein eigenes Leben in die Geschichte anderer Personen zu verflechten und somit eine Art Selbstreflexion zu durchleben.

Pamuk meint der Schriftsteller müsse in Wirklichkeit nur an seinem eigenen Leben arbeiten und die Geschichte seiner Figuren würde ihm die „Muse“ schenken. So scheint es ihm oft, als seien seine eigenen Worte und Sätze von einer höheren Kraft geleitet und kaum seiner eigenen Fantasie und Erfindungsgabe zu verdanken. Diese Muse steht hier meiner Meinung nach für die Inspiration des Künstlers.

Pamuk wendet sich nun wieder dem Koffer zu und fragt sich, ob seine Vorstellungen des sich in ein Zimmer der geistreichen literarischen Gestaltung zurückziehenden, durch geduldige und hartnäckige Arbeit zum Erfolg gelangenden Schriftstellers nicht allein seiner eigenen Erfahrungen entstammten und somit gar nicht allgemeingültig zu formulieren und auf seinen Vater übertragbar wären.

Doch er vermag sich zu erinnern, dass sein Vater, wenn er ihn in eines der Hefte schreiben sah, stets einen anderen Blick aufsetzte als wenn er mit Familie und Freunde scherzte und lachte. Es ist ein Blick der Bedrücktheit gewesen. Dies bringt Pamuk zu dem Schluss, dass es jene Bedrücktheit ist, die er beim Schreiben auch verspürt, die aus einem Menschen einen Schriftsteller machen- die ihn den Drang zum schreiben verspüren lassen.

Ein Teil der von seinem Vater beschriebenen Hefte, waren aus der Zeit, die sein Vater in Paris verbrachte. Dort hat er zum ersten Mal Bekanntschaft mit wertvollen literarischen Werken, wie die von Montaigne gemacht. Werke von anderen Schriftstellern zu rezipieren stellt für Pamuk etwas sehr bedeutungsvolles dar, da der Schriftsteller durch das achtsame, kritische Lesen von anderen Texten dazu gebracht wird, eigene selbstständige Gedanken zu fassen und „seine eigene Welt herausbildet“.

Pamuk behandelt auch den kulturellen Wert von Literatur und meint, dass der geschriebene Text das wichtigste Gut ist, um sich selbst zu verstehen. Menschen gelingt es erst dann Kultur zu verstehen, wenn sie Literatur schätzen und ernst zu nehmen wissen. Nach Pamuk sei jegliche Form von kulturellen Blockaden, wie Bücherverbrennung oder Verfolgung von Schriftstellern, eine Vorankündigung für eine schlechte Zeit.

Er ruft die Menschheit auf, Literatur globaler zu sehen. Wer sich mit Literatur beschäftigt wird für sich selbst, einen Maßstab für gute Literatur setzen und dieser soll nicht national bestimmt sein.

Pamuk erzählt von der kleinen Bibliothek seines Vaters, die für ihn eine kleine Abbildung der Welt darstellte, jedoch aus der Perspektive Istanbuls. Orhan Pamuk wollte sich eine eigene Bibliothek zusammenstellen und dies war der erste Schritt für ihn hin zum Schriftstellerdasein, wie er in seinem Buch „Istanbul“ näher beschreibt. Pamuk hatte einen Wissensdurst verbunden mit einer Lesewut, die ihn immer wieder darauf aufmerksam machte, sich eigentlich in einer „Provinz“ der Literatur zu befinden.

Die Bibliothek seines Vaters teilte sich in zwei Teile: eine Hälfte bestand aus Literatur von und über Istanbul und die restliche Türkei, die andere war dieser bereits genannten „Weltliteratur“ zuzuschreiben. Der Teil der westlichen Literatur ähnelte sich in keinster Weise mit der heimischen. Dies löste in Orhan Pamuk Betroffenheit, Betrübtheit, aber auch Hoffnung aus.

Das Lesen der westlichen Literatur bedeutete für seinen Vater und ihn stets ein Flüchten aus der eigenen, in eine scheins bessere und lebenswertere Welt. Pamuks Vater ging bewusst nach Paris um zu schreiben, um seine dortigen Erfahrungen in sein Heimatland der Türkei bringen zu können.

Orhan Pamuk öffnet den Koffer und beginnt zu lesen. In den Texten erkennt er jedoch nicht seinen Vater wider und es breitet sich in ihm noch eine weit größere Angst aus. Die Angst, sein Vater bliebe nicht authentisch in seinen Texten und ließe sich zu sehr von anderen Schriftstellern beeinflussen. Diese Frage nach der Authentizität spiegelt sich auch in Pamuks eigener Arbeit wieder.

Er will stets Authentizität bewahren und hinterfragt seine Texte immerzu.

Es sind also zwei Gefühle, die durch den Koffer in Pamuk ausgelöst werden: das Gefühl des Provinzialismus und die Frage nach Authentizität. Diese Gefühle hat er nicht zum ersten Mal- es sind Gefühle, die ihn schon fast dazu trieben, die eigene literarische Betätigung nieder zu legen. Er verarbeitete diese Gefühle jedoch dann in seinen Werken.

Der Schrifsteller geht von seinen eigenen seelischen Wunden aus und hofft auf Menschen mit ähnlichen Erfahrungswerten.

Pamuk geht in seiner Rede abermals auf das Provinzgefühl der Istanbuler Schriftsteller ein und weist abermald darauf hin, dass die meisten Menschen auf der Welt dieses Gefühl mit den Türken teilen.

Pamuk geht auch darauf ein, welchen Grundproblemen sich die Literatur widmen sollte. Probleme wie „Minderwertigkeitsgefühle, die Furcht, ausgeschlossen und unbedeutend zu sein, verletzter Nationalstolz, Empfindlichkeiten, verschiedenste Arten von Groll und grundsätzlichem Argwohn, nicht enden wollende Erniedrigungsphantasien und damit einhergehend nationalistische Prahlerei und Überheblichkeit“ bilden eine Problematik, mit der sich Orhan Pamuk auch selbst identifizieren kann.

Er vertritt die Meinung, jeder Schriftsteller habe die Möglichkeit sein eigenes literarisches Zentrum zu kreieren und für Pamuk stelle, nach langer Beschäftigung mit der westlichen Literatur nun seine Heimat Istanbul dar. Die Stadt erscheine ihm wirklicher als all die anderen Orte dieser Welt. Nur hier fühlt Pamuk sich als freier und glücklicher Schriftsteller. Pamuk bedankt sich in seiner Rede bei seinem Vater für die Freiheit, die er ihm von Kind auf zugestanden hat und die ihm wohl erst ermöglichte, seine Werke nicht bloß für sich selbst zu schreiben.

Schlussendlich beantwortet der Nobelpreisträger ausgiebig die Frage, warum er überhaupt schreibe. Ausschlaggebende Gründe für Pamuk den Beruf des Schriftstellers auszuüben waren neben dem Gefallen an dem Geruch von Tinte und der Freude, die er beim Schreiben empfindet auch die Möglichkeit die Figur des Kritikers an Politik, Wirtschaft und Gesellschaft einnehmen zu können, seine eigene Kultur und Lebensform zu vermitteln, der Glaube an die Literatur, die für ihn jegliche Religion zu ersetzen vermag, die Furcht, vergessen zu werden und der Traum unsterblicher Bibliotheken.


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