Seminar:Â Â Â Â Â Â Â Â Â Kommunikationsformen
neuer Medien
Datum:Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â 12.September
2010
Ausarbeitung des Referats
„Onlinepublishing und die
Zukunft des Buches“
Der neue Leser und der
neue Autor
Studiengang:Â Â Â BA/GSKS
Fachsemester:Â 4
Inhaltsverzeichnis
1.
Einleitung
2.
Das Internet als Medium für Literatur
2.1 Arten von Literatur im Netz
2.2
Netzliteratur/Hyperfiction/ Hypertextliteratur
3.
Der neue Leser
3.1 Anforderungen an den neuen Leser
3.2 Neue Lese- und Lektürestrategien
4. Der neue Autor
4.1 Anforderungen an den neuen Autor
5. Schlusswort
6. Literatur- und
Quellenverzeichnis
7. Eidesstattliche
Erklärung
1. Einleitung
   „Mit dem Ausbau des
Internets zu einem allgemein zugänglichen Informationsmedium ist es relativ
einfach geworden, Texte in elektronischer Form über das Internet
bereitzustellen, das heißt online zu publizieren“ (Dürr 2005, S. 132). Lesen
und Schreiben finden daher heute häufig in einem medial vielfältigen Kontext
statt. Doch die Meinungen über die Verbindung
von Computertechnologie und Literatur gehen oft weit auseinander. Einerseits
gibt es Stimmen dafür, dass die neuen Kommunikationsmöglichkeiten zu einer
Erneuerung der Literatur führen, andererseits macht sich auch die Sorge breit,
dass die Computertechnologie das gedruckte Buch verdrängen könnte. Durch das
Internet und die dadurch entstandene Multimedialität ist eine Verbindung von
Literatur und Computertechnik entstanden, die sogenannte digitale Literatur,
die als ein neues Genre verstanden werden kann. Dieses Genre bietet sowohl dem
Leser als auch dem Autor von digitalisierten Texten unzählige neue
Entfaltungsmöglichkeiten die sich stetig weiter entwickeln. Zu Beginn dieser
Arbeit möchte ich zunächst einen groben Überblick über die Formen von Literatur
im Netz verschaffen. Im besonderen Maße werde ich dabei auf die Netzliteratur
mit ihren Unterarten Hyperfiction und Hypertext eingehen. Nachdem ich diese
Begriffe erläutert habe möchte ich mich einem weiteren wichtigen Punkt nähern,
der für die Auseinandersetzung mit dem Thema Netzliteratur unumgänglich
erscheint. Zu klären ist, welche Bedeutung, Herausforderung und vor allem
welche Probleme diese neuen Textformen für den Leser und den Autor mit sich
bringen. Abschließend werde ich ein kurzes Resümee zu meiner Bearbeitung und
dem Thema Literatur im Netz ziehen.
2. Das
Internet als Medium für Literatur
  2.1 Arten von Literatur im Netz
   Das Internet
bietet viele verschiedene Arten von Literatur, die sich zunächst grob zwischen
„Literatur im Netz“ und „Netzliteratur“ unterscheiden lassen (vgl. Runkehl
2000, S.33). „Literatur im Netz“ wird auch als „Offline-Literatur“ oder
„digitalisierte Literatur“ bezeichnet und meint Texte, die nicht nur im
digitalisierten Raum existieren, sondern auch als Printversion. „Netzliteratur“
meint hingegen literarische Konzeptionen, die das Internet als Existenz-
und Distributionsort nutzen (vgl. Wieczerza 2006). Kesper (1999) teilt dieses
neue Genre der „Netzliteratur“ zudem in weitere Formen ein. Er unterscheidet
zwischen Hypertextliteratur, Hyperfiction, digitale Literatur und Webfiction.
Netzliteratur und seine Formen bietet unzählige neue Optionen und Chancen, welche sich mit der Computer- und
Internettechnik entwickelt haben (vgl. Kepser 1999, S.285ff.). Eine
weitere Differenzierung nimmt Runkehl (2010) vor, der ergänzend die Art „Netz
und Literatur“ aufführt, welche „eine Art Sammelbecken ist, worin sich alles
versammelt, was nicht eindeutig einer der ersten Kategorien zugeordnet werden
kann“ (Runkehl et al 1998, S.164).
  2.2 Netzliteratur/Hyperfiction/ Hypertextliteratur
   Die Verwendung von
Hypertexten ist grundlegend für die Netzliteratur. Hypertexte
unterscheiden sich durch ihren formalen Aufbau und ihr Arrangement stark von
linearen Texten. Hypertexte sind durch ihre besondere Machart multiple lesbar,
was bedeutet, dass sie inhaltlich wie formal meist auf viele Arten gelesen
werden können. Da ein Hypertext aus vernetzten Computerdateien besteht, kann
der Leser durch Links von einem Textauszug zu einem anderen springen und
ermöglicht somit verschiedene Zugänge zu Informationen (vgl.
Runkehl et al 1998, S.157f.). Zudem ist ein Hypertext multimedial und
kann Filme, Bilder, Animationen und Simulationen, Tondateien et cetera
enthalten. Da der vernetzte Text von jedem Leser anderes wahrgenommen werden
kann weist er keine klassische Dreiteilung (Einleitung, Hauptteil, Schluss)
auf. Es besteht kein endgültiges Ende des Textes, lediglich der Anfang ist noch
bestimmbar, obwohl auch das unter Vorbehalt gesehen werden muss, da einige
Texte den Leser bemächtigen, einen geeigneten Anfang selbst zu wählen (vgl.
Suter 2001, S.5f.). Überträgt man das Prinzip von Hypertexten nun „auf fiktionale,
meist erzählende Texte, welche in Hypertext geschrieben sind und vorwiegend als
Online-Lektüre am Bildschirm zur Verfügung stehen, […] spricht man von
Hyperfiction“ ( Runkehl et al 1998, S.159).
Hyperfiction ist „ein elektronischer Hypertext, der Text als Gewebe oder Textur
versteht, an der ständig weiter geflochten wird. Einzelne Texteinheiten werden
innerhalb und außerhalb eines Dokuments auf assoziative, nicht-sequenzielle
Weise, d.h. in der Struktur eines Rhizoms oder Baums miteinander verbunden"
(Suter 2001, S.5). Eine Hyperfiction kann demnach beliebig vom Ursprungsautor
oder aber von weiteren Autoren zusammengestellt und durch Links erweitert
werden. Für den Leser entstehen somit verschiedene Erzählstränge und er kann
durch aktive Selektion der bereitgestellten Links seine eigene Abhandlung oder
Informationsentnahme gestalten. Häufig wird jedoch gerade dieses diskutiert und
problematisiert. So wird die vermeintliche Arbitrarität der gesetzten Links in
den Fokus der Diskussion über Hyperfiction und Hypertexte gesetzt (vgl. Runkehl et al 1998, S.158f.). „Die
Verweismöglichkeiten sind beliebig; und da oftmals Hypertexte auch über sich
hinausweisen, könnte - im globalen Raum gedacht - ein Link auf ebenso beliebig
verschiedene andere Textsegmente verweisen. Bezogen auf die „seriöse“
Informationssuche steht man hier dem Problem des Elektizismus in
gravierendster Form gegenüber […]“ (Runkehl et al
1998, S.159). Demnach treten dem Leser neue Herausforderungen beim lesen
und rezipieren von Hypertexten entgegen, welche ich im folgenden Kapitel
erläutern möchte.
3. Der neue Leser
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3.1 Anforderungen an den neuen Leser
  Durch ihre komplexen Strukturen lassen sich Hypertexte
und Hyperfictionen nicht wie gewöhnliche Printmedien lesen. „Die elementare Eigenheit
dieser Texte, deren Links, stehen der konventionellen, also linearen
Textlektüre […] konträr gegenüber“ (Runkehl et al 1998, S.159). Die
nichtlineare Struktur der Hypertexte ermöglicht dem Leser das verfolgen
mehrerer Textquellen, sowie das überspringen und filtern von Informationen, was
dazu führt, dass unter mehreren Lesern verschiedene Lesearten deutlich werden.
,,Hypertexte legen es darauf an, den Lesefluß durch untereinander vernetzte
Verweise [...] zu unterbrechen und den Leser in einen „Taumel der
Möglichkeiten“ zu stürzen" (Runkehl et al 1998, S.160). Die
Herausforderung des Lesers besteht nun darin, neue Strategien beim lesen und
der damit verbundenen Informationsentnahme zu entwickeln, anzuwenden und
auszuprobieren. Zudem stellt sich die Frage, was ein Leser noch können und
wissen muss, um Netzliteratur sinnvoll zu nutzen und rezipieren zu können. Im
folgenden möchte ich zwei Lektürestrategien vorstellen, die auf den
Literaturwissenschaftler und Soziologen Markus Krajewski zurückgehen.
  3.2
Neue Lese- und Lektürestrategien
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   Krajewsi (1997) unterscheidet die „ignorierende“ und
die „zerfasernde“ Lektürestrategie (vgl. Runkehl et al 1998, S.160). Entscheidet sich ein Leser erst
am Ende der Lektüre, das heißt während der Relektüre, dafür einen Link zu
verfolgen, so geht er ignorierend vor. Der zerfasernde Leser hingegen nutzt
den Texttyp als Hypertext und folgt den Verweisen bzw. den Links sofort. Beide
Strategien haben jedoch ihre Tücken. Während der ignorierende Leser, der den Text
zunächst als einen gewöhnlichen, linearen Text begreift, oft vergeblich nach
Referenztexten sucht, an denen er sich orientieren kann, kämpft der zerfasernde
Leser oft damit, „sich im Ozean der Texte zu verlieren […], da hier dem Leser
Anlass gegeben wird, sich von einem hervorgehobenen Wort zum nächsten zu
hangeln, zunehmend orientierungslos und Überblick verlierend an Reizüberflutung
zu ertrinken“ ( Runkehl et al 1998, S.160). Ein weiteres Problem, was sich in
beiden Lesestrategien zeigt ist die fehlende Chronologie des Gelesenen. Der
gewohnte Lesefortschritt, welchen man von normalen Printmedien (Büchern) kennt,
ist nicht mehr nachvollziehbar und kann somit nicht mehr als Orientierung
dienen. Der Leser muss sich demnach darauf einlassen, den Text nicht nur aus
einer Perspektive zu rezipieren, vielmehr taucht er in die Rolle eines
Datendetektivs ein, der auch die Beweggründe des jeweiligen Autors beim lesen
in Betracht ziehen sollte. Er muss in der Lage sein, den wichtigen Stellen der
Verlinkungen nachzugehen und den Anlass der Autoren für die Stellen der
Verlinkung zu erkennen, die oft herausgerissen aus den Textinhalten sind. Der
Leser von Hypertexten und Hyperfictionen sollte die Fähigkeit erlangen, „einen
Perspektivenwechsel zwischen beiden Rollen zu vollziehen" (Wirth 1997,
S.330). Durch die Linkwahl wird der Leser befähigt, seinen eigenen Text zu
arrangieren und es entsteht eine mehrdimensionale kreative Interaktion zwischen
Leser, Autor und Text (vgl. Runkehl et al 1998, S.161). Eine neue Art zu lesen
wird demnach zwingend erforderlich. Das Lesen von Hypertexten und
Hyperfictionen ist ein aktiver Prozess, da sich der Text erst durch die Auswahl
der geeigneten Links zusammenfügt. Doch auch die Entwicklung der Fähigkeit, das
Lesen von Strukturen, gilt es zu erlernen (vgl. Runkehl et al 1998, S.161)
4. Der neue Autor
  4.1 Anforderungen an den neuen Autor
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   Nicht nur die Art des Lesens erfährt unter der immer mehr voranschreitenden
Digitalisierung von Texten viele Veränderungen, auch die Autoren lassen sich
nicht mit herkömmlichen Schriftstellern vergleichen. So stellt das
Veröffentlichen von Texten im Internet und vor allem die Möglichkeit des Zu-
und Eingriffs durch Dritte die Autoren vor neue Herausforderungen, die von
technischem Vorwissen bis hin zur eigentlichen Textproduktion reichen. Kurz
gesagt, auch hier werden ganz neue Schreiberfahrungen gemacht. Grundlegend ist
zunächst, dass Hyperfictionen auch als Hypertexte produziert werden müssen.
Dieses setzt beim Autor die Kenntnis über strukturelle Merkmale der Hypertexte
voraus. Die Produktion solcher Texte ist wesentlich komplexer als das Schreiben
von konventionellen Texten, da Hyperfictionen nicht nur eine, sondern mehrere
Strukturen haben (vgl. Runkehl et al 1998, S.162). Der Autor muss sich“ Verzweigungen,
Alternativen und parallele Handlungen überlegen“ […] und zudem entscheiden, „
wie viele Verbindungen notwendig sind und wo sie platziert werden sollen“
(Runkehl et al 1998, S.162). Es gilt jedoch zu beachten, dass der Autor
beim Verfassen, bzw. Produzieren von Hypertexten keine Textkohärenz
konstituiert, er verwischt sozusagen die Grenzen zwischen Relevantem und
Irrelevantem. Der Autor hält lediglich seine Gedankengänge fest und präsentiert
sie in der Struktur des Textes (vgl. Sandbothe 1997, S.73). Ein weiterer Aspekt
ist die mögliche Zusammenarbeit von mehreren Autoren, die im einfachsten Fall
dadurch realisiert wird, dass Textteile miteinander verknüpft, bzw. verlinkt
werden. Diese Entfaltung des Textes kann jedoch zu einem negativen Spannungsverhältnis
zwischen Leser und Autor führen. Die interne Kohärenz des Textes, welche von
einem oder mehreren Autoren evoziert wird ist für den Leser meist nur schwer
erkennbar und kann zu einem unerwünschten Ergebnis bei der Informationssuche
führen. Doch auch Leser und Autor können zusammen
arbeiten, wobei der Leser die Rolle eines Co-Autors einnimmt. Die Rede ist von
sogenannten Mitschreibprojekten, die in der Lektüre auch unter den StichwortenÂ
„ Multi User Dungeons“ oder „Multi User Domains“ zu finden sind. Dabei findet
sich der Leser selbst in der Rolle literarischen Schaffens wieder. Der Text
verlangt die aktive Mitwirkung des Co-Autors, die über das Interpretieren von
Handlung und deren Zusammenhänge hinausgehen und sogar das Rezensieren und Verbessern
der Texte mit einschließen können (vgl. Suter 2001, S.12).
5. Schlusswort
   Der Umgang
mit Medien, besonders der mit dem Medium Computer ist unausweichlich in
unserer gegenwärtigen Zeit. Wer nicht online ist ist out. Das Internet und der
Umgang mit diesem vielfältigen Instrument kann im eigenen Alltag reflektiert
werden und dadurch zur richtigen, bzw. angemessenen Anwendung gelangen. Der
Nutzer muss jedoch die Kompetenz entwickeln, sich mit den neuen kommunikativen
Möglichkeiten auseinandersetzen zu können. Das Internet ist die schnellste
Informationsquelle schlechthin. Es bietet nicht nur neue
Kommunikationsstrukturen wie Email, Sozial Network et cetera, auch bietet es
einen raschen Zugriff auf literarische Texte, Rezensionen und Sekundärliteratur
und erleichtert somit die Informations- und Materialbeschaffung ungemein. Ein
großes Problem stellt jedoch häufig die Relevanz und Richtigkeit der
Informationen dar. Oft sind die Texte nicht auf ihre Seriosität geprüft und die
Inhalte ungenügend aufbereitet. Zudem muss der Leser neue Strategien entwickeln
und anwenden, um sich im Datendschungel des Word Wide Web zurechtzufinden. Doch
Ãœbung macht den Meister und somit kann auch die Arbeit am Pc mit dem Medium
Internet sehr bereichernd sein.
Â
6. Â Literatur- und
Quellenverzeichnis
  Â
  Runkehl, Jens: Literatur
im Netz und Netzliteratur. In: Der Deutschunterricht 1/2000. Friedrich ,
Seelze, 2000.
  Runkehl et al (Schlobinski;
Siever): Sprache und Kommunikation im Internet. Ãœberblick und Analysen.
Westdeutscher Verlag, Opladen, 1998.
 Kepser, Matthis:
Massenmedium Computer. Ein Handbuch für Theorie und Praxis des
Deutschunterrichts. Punkt, Bad Krozingen, 1999.
  Suter, Beat:
Hyperfiction - ein neues Genre. In: Der Deutschunterricht 2/2001. Friedrich,
Seelze, 2001.
  Wirth, Uwe: Literatur
im Internet. Oder: Wen kümmert′s, wer liest? In: Mythos Internet. Hrsg. v.
Stefan Münker und Alexander Roesler. Suhrkamp, Frankfurt a.M., 1997.
  Sandbothe, Mike:
Interaktivität - Hypertextualität - Transversalität. Eine
medien-philosophische Analyse des Internet. In: Mythos Internet. Hrsg.v.:
Stefan Münker und Alexander Roesler. Suhrkamp, Frankfurt a.M., 1997.
 Dürr, Michael:
Onlinepublishing und die Zukunft des Buches. In: Linguistik.Impulse und
Tendenzen. Websprache.net.Sprache und Kommunikation im Internet. Hrsg.v.:
Siever/Schlobinski/Runkehl. de Gruyter, Berlin, 2005.
 Wieczerza,
Joanna: Literatur im Netz=Netzliteratur? Erstpublikation 01.11.2006 unter:
10.09.2010