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Seminararbeit
Deutsch

Universität Augsburg

SoSe 2012

Ida B. ©
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ID# 39629







Die Darstellung interkultureller Konstellationen und der daraus herrührender Konflikte in der Gegenwartsliteratur am Beispiel des Romans 'Ohnehin' von Doron Rabinovici


Inhaltsverzeichnis


1. Einleitung .3


2. Inhalt . 3


3. Wiener Naschmarkt - Ein Ort der Multikulturalität . 5


4. Stefan Sandtners Umfeld - Interkulturelle Konstellationen . 7

4.1 Stefans Freunde . 7

4.2 Konfliktsituationen der Freunde 9

4.3 Konfliktsituation: Unpünktlichkeit 9

4.4 Konfliktsituation: Liebesbeziehung zwischen Lew und Sophie . 12

4.5 Konfliktsituationen in Bezug auf Flora 14

4.6 Konfliktsituation: Beziehungschaos zwischen Stefan und Flora 14

4.7 Ausnahme: Harmonisches Miteinander verschiedener Kulturen 18


5. 'Dritter Raum' .21


6. Schlusswort 22


1. Einleitung

Das Thema dieser Hausarbeit sind die interkulturellen Konstellationen und die daraus herrührenden Konflikte und Missverständnisse am Beispiel des Romans 'Ohnehin' von Doron Rabinovici. Zu diesem Zweck werden besonders hervorstechende Beispiele von interkulturellen Personenzusammenstellungen aufgeführt und auf die Quelle des Konfliktes hin untersucht.

Die handelnden Personen zählen alle ausnahmslos zum näheren Umfeld der Hauptfigur des Romans, Stefan Sandtners, der sich selbst in solchen Konfliktsituationen wiederfindet. Weiterhin soll geklärt werden, welche Möglichkeiten es in der multikulturellen Gesellschaft gibt sich anzunähern. Zusätzlich befindet sich im Anhang eine Personenkonstellation, die aufgrund der vielen Namen das Lesen dieser Hausarbeit erleichtern soll.


2. Inhalt

Die Handlung des im Jahre 2004 erschienen Romans 'Ohnehin' von Doron Rabinovici1, ist in das Wien der 1995er Jahre eingebettet, wobei sich das Geschehen auf den Wiener Naschmarkt und die dort zusammentreffenden Personen konzentriert und in dieser Hausarbeit eine genauere Betrachtung erfährt.


Zunächst muss jedoch der Held des Romans, Stefan Sandtner, vorgestellt und der Inhalt kurz wiedergegeben werden. Stefan Sandtner ist ein junger Arzt der Neurologie und ist im städtischen Klinikum beschäftigt. Dort muss er jedoch Seite an Seite mit seiner Ex-Freundin Sonja zusammenarbeiten, was ihm nicht leicht fällt und er sich zudem in einer Schaffenskrise befindet.

Er nimmt sich daraufhin einen länger andauernden Urlaub und lebt nahezu in den Tag und die Nacht hinein. Er genießt die Freiheit indem er durch Wien und vor allem über den Nachmarkt flaniert. Zudem besucht er die Familie und vertreibt sich die Zeit in den Wiener Cafés mit seinen Freunden. Auf dem Naschmarkt lernt er außerdem die exotische Flora Dema kennen und verliebt sich schließlich in diese.

Flora kommt aus dem ehemaligen Jugoslawien und dreht zusammen mit dem Kameramann Goran, einem serbischen Deserteur, Filme, die die Hilfsbereitschaft der Wiener gegenüber bedürftigen Menschen dokumentieren sollen.


Stefans Arbeit lässt ihn dennoch nicht los und so kümmert er sich nebenbei noch um seinen alten Nachbarn und einen früheren SS-Offizier Herbert Kerber, der an dem Korsakow-Syndrom erkrankt ist. Der alte Mann kann sich bloß an die letzten 15 Minuten erinnern und an das Jahr 1945. Er glaubt sich im Jahre 1945 zu befinden und sich vor dem Einmarsch der Roten Armee bei den Verwandten seiner Frau Franzi verstecken zu müssen.

Stefan hat dazu bei einem Medikament festgestellt, dass es sich positiv auf das Gedächtnis auswirkt und möchte dem Herrn Kerber damit helfen. Die Kinder des Alten erweisen sich dabei als Saboteure. Bärbl Kerber will ihren Vater zum Gestehen seiner Gräueltaten bringen und Hans Kerber dagegen zum Schweigen.


Das eigentliche Geschehen findet jedoch auf dem Naschmarkt statt, denn die handelnden Personen begegnen sich alle stets auf dem Naschmarkt. Dabei ist es gleichgültig, welcher Nation oder welchem Stand die Menschen angehören. Überall finden Interaktionen statt, die wiederum eigene kleinere Geschichten hervorbringen, so z. B. der Konflikt der beiden Händlerfamilien Ertekin - türkischer Herkunft - und Alexandrus - griechischer Herkunft - nachdem die Liebe der Kinder der jeweiligen Familien öffentlich wurde.

Dies ist nur eins der Beispiele, welche ebenfalls im Rahmen dieser Hausarbeit detailliert betrachtet werden.


3. Wiener Naschmarkt - Ein Ort der Multikulturalität

Der Weltstadt Wien und insbesondere dem Naschmarkt wird demzufolge eine besondere Rolle zugeschrieben. Weshalb entschied sich der Autor gerade für diesen Ort der Handlung? Ist es weil er sich in seiner selbstgewählten Heimatstadt wohl und ihr verbunden fühlt oder weil Wien als Austragungsort einer Handlung in diversen Romanen bereits in langer Tradition steht? Die österreichische Hauptstadt hat immerhin eine lange und bewegte Vergangenheit, die über die habsburgische Herrschaft bis zum Nationalsozialismus reicht.

Ebenso könnte der sogenannte Naschmarkt mit seinen verschiedenen Kulturen überall auf der Welt in einer größeren Stadt existieren.


Wahrscheinlich hatten alle diese Faktoren eine Relevanz für seine Wahl. Wien gilt als die Geburtsstadt des Nationalismus. Nach dem zweiten Weltkrieg wollten sich die Österreicher im Gegensatz zu den Deutschen jedoch keiner Schuld bewusst sein an der Katastrophe mitschuldig zu sein. Sie sahen sich vielmehr als das erste Opfer Hitlers und verdrängten dabei, dass viele Juden in ihrem Land im Zuge des nationalsozialistischen Vorstoßes ihr Leben unter grausamen Bedingungen lassen mussten.

Dieses Verleugnen dauerte bis in die 1990er Jahre an und wird im Roman thematisiert. Vielmehr wird das Vergessen, Verdrängen und das Erinnern zum großen Überthema. Beispielhaft dafür ist unteranderem das Verhältnis des Juden Paul Guttmann. Aus der Bukowina entkommen, versuchte er ein neues Leben in der Metropole - in derjenigen Stadt, in der unvorstellbare Verbrechen an Juden begannen worden waren - zu beginnen.

Er blieb in Wien, als viele Juden aus diesen Gründen sich ins Ausland absetzten - so auch seine Jugendliebe Ada Herz und sein Sohn Mischa, der nach Tel Aviv emigrierte. Sie verstanden ihn beide nicht, doch er begriff, "daß es keine Entschädigung für die Verfolgung geben könnte, ebenso keine Rache."2 Stattdessen blieb er in der von Ressentiments aufgeladenen Stadt und baute sein Geschäft ebenfalls inmitten des Naschmarktes auf.3



"Im Fenster eines orientalischen Händlers sah er Hunderte Gewürzsäckchen, jedes mit einem Zettel versehen, worauf Charakter und Nutzen der jeweiligen Spezerei vermerkt war. Er ging vorbei an japanischen Sushibuden, an chinesischen Delis, an einem marokkanischen Restaurant, einem indischen, persischen, türkischen, an einem Espresso und einer italienischen Pizzeria."5


Ebenso ist die Aneinanderreihung verschiedenster Gemüse- und Obstsorten ein Ausdruck für die bunte Vielfalt:


"[ .] doch war hier ein Panoptikum aus Speisen und Küchen entstanden, ein Zentrum der Zuwanderung, eine permanente Weltausstellung der kulinarische Genüsse. Er schlug sich durch den Dschungel voller Obst und Gemüse, Äpfel und Birnen, Feigen und Datteln, Rüben und Rettich, Knollen und Knoblauch, Kirschen und Kiwis, Topinambur und Tomaten, Bananen und Papayas, Mangos, Mangold und Mandarinen.

Dieser Platz war eine eigene Welt, eine Insel mitten in der Metropole." 6


Menschen aus den verschiedensten Ländern und Kulturen drängeln und tummeln sich auf dem Naschmarkt - sei es weil sie dort einkaufen, verkaufen oder einfach nur "das Gewimmel" auf sich wirken lassen und es genießen.

Stefan Sandtner ist in dem selben Maße Besucher diesen Marktes. Er muss sich nicht nur durch den Markt schlängeln, wenn er zu seinem Patienten Herbert Kerber muss, sondern auch, wenn er sich mit seinen Freunden in einem der zahlreichen Cafés verabredet ist. Besonders hervorgetan hat sich in diesem Zusammenhang das Café Prückel in der Wiener Altstadt. Dieses Kaffeehaus, welches tatsächlich in Wien existiert, wird vorrangig von Intellektuellen und Studenten aufgesucht.

Es treffen sich Menschen in dieser Umgebung wie eine Sängerin aus Rio de Janeiro oder Chemiker aus São Paolo.7 So trifft sich auch Stefan mit seinen Freunden dort, um mit ihnen gemeinsam oft exotisch zu speisen und über Verschiedenes, wobei die Themen komplex, global8 und ethisch angehaucht erscheinen, zu diskutieren:


"Sie diskutieren über den Krieg in Bosnien, klagten über ihre Tatenlosigkeit und die Untätigkeit der westlichen Politik, und Stefan,. er hatte bereits den zweiten Kaffee ausgetrunken, merkte, dass er diesen Kreis, trotz des Disputes über Massenmord und Vergewaltigung, nicht verlassen mochte und sich hier so wohl fühlte wie seit langem nicht mehr."9


Streitthemen und die damit drohenden Auseinandersetzungen werden dabei nicht gemieden.


4. Stefan Sandtners Umfeld - Interkulturelle Konstellationen

Wie bereits erwähnt, besteht der Roman aus vielen einzelnen Geschichten, die nebeneinander verlaufen.

Wien und den Naschmarkt kann man in diesem Fall als pars pro toto interpretieren, da Konflikte und Reibungen an jedem Ort existieren an dem nicht nur verschiedene Kulturen nebeneinander leben, sondern generell Menschen in einer Beziehung, welcher Art diese auch sein mag, stehen. Welche Gründe außer der mangelnden Ausdrucksfähigkeit können solche Konflikte haben? Im Folgenden werden die verschiedenen Personenkonstellationen vorgestellt und auf ihre Quelle des Konfliktes untersucht.


4.1. Stefans Freunde

Wie bereits angeführt, zählt zu Stefans Freunden ebenfalls ein "buntgemischter Haufen". Sophie Wiesen, eine junge Journalistin aus wohlhabendem Hause, ist mit Stefan seit Kindertagen befreundet. Stefan und Sophie besuchten das selbe Gymnasium und blieben sogar dann noch in Kontakt, als sie auf eine private Schule wechselte. Später gesellte sich noch Lew Feininger, der dritte im Bunde, dazu.


Lew, "On/Off-Freund" Sophies, ist ein russischstämmiger Jude und bereits in jungen Jahren aus Moskau zusammen mit seinen Eltern zuerst nach Tel Aviv und dann schließlich nach Wien emigrierte. Obwohl er sich selbst als keinen gläubigen Juden sieht, hat er beruflich sehr viel mit dem Judentum zu tun. Er wirkt an verschiedenen geschichtsträchtigen Ausstellungsprojekten mit, die sich mit der Verfolgung und Deportation der Juden während des zweiten Weltkrieges beschäftigen.


Außerdem gehören zu der Clique Patrique Mutabo, der Sohn eines kongolesischen Staatsmannes und Tom Wandruschka, ein Student an der Filmakademie. Patrique ist jemand, der nur schwer einzuschätzen ist. So ist er bei Begrüßungen neutral, ja schon fast kühl. Er ist zwar höflich, doch lächelt er nicht.10 Tatsächlich ist es sogar so, dass die Begrüßung in Kongo in allen gesellschaftlichen Schichten eine Art Formel ist, zu der es dazugehört sich ebenso nach dem Wohlbefinden zu erkundigen.

Doch während der aufgeheizten, fremdenfeindlichen Phase in den 1980ern verließ die gesamt Familie bis auf Patrique Wien und zog nach Brüssel. Dort hatte es die Familie jedoch nicht geschafft wieder auf die Beine zu kommen und wurde zunehmend verbittert, weshalb Patrique den Besuch seiner Verwandtschaft meidet.12


Der Filmstudent Tom Wandruschka ist sehr ehrgeizig, was seine filmische Arbeit anbelangt. Für ein Projekt seines Seminars setzt er sich sogar mit dem Beruf und Aufgabenfeld eines Polizisten, der sich mit illegalen Einwanderern und Abschiebehaft beschäftigt, auseinander indem er "Undercover" ermittel hat.13 Außerdem hilft er Flora dabei ihren Film an der Akademie einem Publikum vorzustellen, das aus Toms Kommilitonen und seinem Dozent besteht.

Hanno Geis, der Dozent, ist daraufhin dermaßen begeistert und der Film wird ein voller Erfolg - bloß Tom scheint diese Entwicklung nicht zu gefallen. Er fühlt sich missachtet und übergangen, sowohl von seinem Dozent als auch von Flora.14


4.2. Konfliktsituationen der Freunde

Allein dieser Kreis von Freunden könnte exemplarisch für eine multikulturelle Welt stehen, denn man findet nicht nur Menschen aus verschiedenen Ländern darin, wie Patrique und Lew, sondern auch Menschen mit verschiedenem Religionsglauben und sozialer Schichten. Es ist dabei vorprogrammiert, dass es Streitigkeiten geben wird - auch wenn sie Freunde seit Kindertagen sind.


4.3 Konfliktsituation: Unpünktlichkeit

Beispielhaft für Spannungen sind die zwei Situationen, in denen sich Stefan jeweils bei einem Treffen mit Lew und Patrique verspätet und sich ständig dafür aus zwangsähnlichen Gründen entschuldigen muss. Lew reagiert auf die Verspätung Stefans gelassen und witzelt sogar manchmal über Stefans Unzuverlässigkeit:


"Lew sagt zuweilen: ››Ist doch egal. Pünktlich, Schmünktlich . Ich gehe immer davon aus, daß du eine Viertelstunde zu spät kommst. Besorgt bin ich, wenn du einmal rechtzeitig auftauchst.‹‹"15


Nicht dass Lew Stefans Schwäche in Schutz nimmt und ihm das Recht gibt weiterhin zu spät zu abgemachten Treffen zu erscheinen, er bittet selbst immerzu um Verzeihung in Situationen, die keine Entschuldigungen benötigen. Er muss zu Verabredungen nicht zu spät eintreffen, um sich grundsätzlich zu entschuldigen und zu rechtfertigen. Er braucht keinen Grund dafür, um sich schuldig zu fühlen:


"Lew erschien ebenfalls zu jeder Zusammenkunft verschwitzt und mit schlechtem Gewissen, erklärte, ein Stau habe ihn aufgehalten, die Müllabfuhr den Weg versperrt, doch was Lew Feininger von Stefan unterschied, war, daß er gar nicht zu spät kam. Seine Rechtfertigungen brachte er ohne Not vor. Er brauchte keine Schuld, um sich zu entschuldigen. ››Verzeihung‹‹, so lautete sein Gruß ››ich komme abermals in der letzten Minute, aber die Straßenbahn ist ausgefallen‹‹"16


Ebenso steht es zu Fehlern, die von anderen begannen wurden. Eva Reichmann misst diesem "speziellem Schuldübernahmekomplex" eine besondere Bedeutung zu:


"Dani fühlt sich tatsächlich mitschuldig an den von seinen Altersgenossen verübten Streichen, da er sie vorausahnt und ausspricht; vielleicht wären sie ja nicht begannen worden, hätte er nicht die innersten Begierden seiner Kameraden verbalisiert und so an deren Realisierung mitgewirkt."17


Weiterhin sieht Reichmann in dieser Figur eine Vertretung für einzelne Juden, die das KZ überlebt haben und dadurch Schuldgefühle aufzeigen:


"Durch die Figur des Dani vermengt Rabinovici auf symbolische Weise zwei Aspekte des Schoatraumas: den Schuldkomplex einiger Juden, das KZ überlebt zu haben, und zugleich den Schuldkomplex einiger nichtjüdischer 'Philosemiten'18. Die Figur des Dani ist eine Metapher für die Schuldgefühle der Juden, die das dritte Reich überlebt habe, für die der Juden, die nach 1945 geboren wurden und für die Schuldgefühle der Philosemiten."19



Patrique im Vergleich ist gegen die Entschuldigungen, Rechtfertigungen und Gründe für das Zuspätkommen Stefans immun. Vielmehr deutet er ein derartiges Verhalten als ein Mangel an Achtung der Person gegenüber:


"Patrique war der einzige seiner Freunde, der auf sein Flehen um Verzeihung einfach nicht reagierte, sondern immer wartete, bis Stefan damit aufgehört hatte. Im Grunde empfand er die Unpünktlichkeit Stefans als Respektlosigkeit, die es nicht zu beschönigen galt, [ .]. Mutabo wollte sich an Stefans Gesellschaftsspiel einfach nicht beteiligen, und deshalb überging er es normalerweise, feixte bloß ein wenig, aber diesmal, beim jenem Treffen am Karlsplatz hatte er gemeint: ››Wenn du nicht zur rechten Zeit kommen kannst, dann mach dir keinen Treffpunkt auf der Straße mit mir aus.

Schon gar nicht an einem U-Bahnschacht vor dem Resselpark.‹‹"20


Diese Reaktion hätte Stefan vermutlich nicht erwartet, zumal es seine übrigen Freunde hinnehmen und akzeptieren. Weshalb Patrique auf dieses Benehmen empfindlicher als alle anderen reagiert, könnte möglicherweise ebenfalls mit seinem kulturellen Hintergrund zusammenhängen. Wie bereits bei der formelhaften Begrüßung Respekt eine besondere Rolle bei der kongolesischen Bevölkerung einnimmt, so ist es gleichermaßen was die Pünktlichkeit anbelangt.

Obwohl Patrique noch sehr jung nach Österreich gekommen ist, die Sprache und die einheimischen Eigenarten verinnerlicht hat, kann er seinem kulturellen Erbe dennoch nicht entfliehen und wirkt damit etwas zu formell. Diese Formulierung klingt fast negativ, doch ist es lobenswert, derartige Verhaltensweisen wie Hochachtung und Respekt anderen Menschen gegenüber zu äußern.

4.4. Konfliktsituation: Liebesbeziehung zwischen Lew und Sophie

Die junge Journalistin aus gutem Hause und der jüdische Auswanderer Lew sind seit ihren Jugendzeiten miteinander befreundet und verlieben sich letztendlich ineinander. Ihre Beziehung ist jedoch problematisch und voller Missverständnisse, weshalb sie einmal zusammen sind und sich nach kurzer Zeit wieder trennen, um danach wieder zueinander zu finden.

Woher rührt diese Uneinigkeit und das Chaos in ihrer Beziehung? In gleicher Weise wie die Differenzen aufgrund von kulturellen Differenzen bei Patrique und Stefan entstehen, so entwickeln sich auch Konflikte bei Lew und Sophie. Beide Figuren stehen für einen anderen gesellschaftlichen sowie kulturellen Hintergrund, wodurch sie in diversen Diskussionen im Roman gegensätzliche Positionen einnehmen:



Aus diesem Zitat geht deutlich hervor, wie unterschiedlich die Einstellungen des On/Off-Pärchens sind. Sophie, die in Österreich der 1980er und 1990er Jahre wohlbehütet aufwuchs und sich entwickelte, hat wie viele Österreicher dieser Zeit eine gespaltene Haltung zur nationalsozialistischen Vergangenheit, die viele Juden im Land das Leben kostete. Diese Überhöhung des Juden kann man demzufolge, wie Lew es bereits als eine "Illusion vom Überlebenden"23 bezeichnet, oder als aufkommende Schuldgefühle interpretieren.

Möglicherweise werden derartige Schuldgefühle entwickelt, weil der Mensch mit dem Wissen - oder auch schlechtem Gewissen - aufwächst, ein Bürger des Landes zu sein, welches für unzählige Morde an Juden verantwortlich ist. Zudem ist sich Sophie - sie ist immerhin eine Journalistin - wahrscheinlich bewusst, wie die meisten österreichischen Bürger politisch eingestellt sind und dadurch vermehrt gezwungen zu beweisen - auch sich selbst - dass es ebenso anständige Österreicher gibt, die Juden 'lieben'.

In Sophie und Lew sind diese grundsätzlich unterschiedliche und sich gegenseitig ausschließende Einstellungen tief im Inneren eingebrannt und sicherlich auch nicht so leicht zu ändern. Aufgrund dieser prinzipiellen Differenz kommt es bei den beiden öfter zum Streit und die endgültige Trennung folgt nach einem Disput über den Doktor Walter Herz. Dieser erzählt von seiner Geschichte, wie er in Sorge um seine alte Mutter im besetzten Wien belieb und wie ihm und seiner damaligen großen Liebe gelungen ist, gemeinsam das KZ überlebt haben und sie sich dennoch scheiden ließen.

Lew bewundert trotzdem die Geschichte des alten ehemaligen Pärchens, das so mutig war, und stößt damit bei Sophie auf Protest. Sie hält den alten Doktor für einen Feigling, der sich anstatt der großen Liebe für seine Mutter entschieden hat.25 An diesem Streitgespräch wird der Grund für die endgültige Trennung unmissverständlich offengelegt. Die Basis ihrer Beziehung ist zerrüttet, weil jeder der beiden etwas vollkommen anderes vom Leben erwartet und das Leben insgemein aufgrund der verschiedenen Herkunft und Erziehung anders wahrnimmt.


Im weiteren Verlauf dieser Hausarbeit wird als Beispiel für den interkulturellen Konflikt die Beziehungsproblematik zwischen Stefan und Flora untersucht.


4.6. Konfliktsituation: Beziehungschaos zwischen Stefan und Flora

Auf dem Naschmarkt - dem Treffpunkt verschiedener Kulturen - sieht der junge Arzt zum ersten Mal die schöne Fremde und wird von ihrer exotischen Erscheinung nahezu magnetisch angezogen. In Gesellschaft seiner Freunde wird sie ihm endlich vorgestellt und sie verbringen fortan sehr viel Zeit miteinander, wobei sie reichlich Spaß haben und letztlich zu einem Liebespaar werden:


"Seine Nächte durchlebte er mit Flora. Er nutzte jede Minute, um mit ihr zusammenzusein. Sie sahen sich Filme an, besuchten Ausstellungen."26


Es wird jedoch schnell offensichtlich, dass diese so glücklich begonnene Partnerschaft keine Zukunft hat. Die Behauptung, dass auch in diesem Fall der kulturelle Unterschied, die Vergangenheit und die Herkunft die Gründe für den Zwist ist, trifft desgleichen zu und soll in diesem Zusammenhang bewiesen werden. Wie bereits festgestellt, verbringt das Paar viel Zeit miteinander und es stellt sich dennoch heraus, dass Stefan sie nicht wirklich kennt:



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