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Seminararbeit / Hausarbeit

Neidhart von Reuental - Minne­sänger im 13. Jahr­hun­dert

3.765 / ~17 sternsternsternsternstern Mia E. . 2012
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Neidhart von Reuental - Minnesänger im 13. Jahrhundert

Technische Universität Chemnitz

Philosophische Fakultät

Institut für Germanistik-, Medien-, Technik- und Interkulturelle Kommunikation

Literatur und Sprachgeschichte des Mittelalters und der frühen Neuzeit

Sommersemester 2009

Seminar: Minnesang

Dozentin: Dr. G M

Neidhart von Reuental

-Minnesänger im 13. Jahrhundert-

4. Semester – Bachelor Germanistik im Hauptstudium

Inhaltsverzeichnis                                                                                                    Seite

  1. Einleitung .1
  1. Neidhart als Minnesänger .2

2.1 Das Schaffen des Neidhart von Reuental .2

2.2 Klärung der Namens- und Herkunftsfrage .3

2.3 Das vermutliche Leben Neidharts 4

  1. Die Lieder Neidharts 6

3.1 Sommerlieder 6

3.2 Winterlieder 7

3.3 Besondere Gattungen 8

3.4 Die drei besonderen Strophentypen in Neidharts Liedern .9

  1. Nachweis von Besonderheiten an einem „Gespielinnen-Dialog“ 10
  1. Schlusswort .13
  1. Literaturverzeichnis 14
  1. Eidesstattliche Erklärung 15


1. Einleitung

Neidhart von Reuental soll nach Walter von der Vogelweide einer der bedeutensten mittelhochdeutschen Minnesänger gewesen sein. Die Art der höfische Liebeslieder Neidharts ist nicht zu verkennen, letztendlich auch wegen den dörper-Lieder, welche er als neue Variante höfischer Liebeslieder entwickelte. Ebenfalls ist sein einmaliger Stil und die verschrobene Satire in seinen Werken einzigartig.

In der vorliegenden wissenschaftlichen Arbeit folgt zunächst die Vorstellung Neidharts als Minnesänger. Thematisch wird in diesem Abschnitt sein Schaffen als Dichter, die Klärung der Namens- und Herkunftsfrage und das vermutliche Leben Neidharts beschrieben.

In dem darauf folgenden Kapitel sind die Lieder Neidharts zusammengefasst. Damit sind nicht seine einzelnen Werke gemeint, sondern die Aufteilung in Sommer- und Winterlieder, Sondergattungen und besonderen Strophenformen.

Auf dieses Kapitel folgt der Nachweis von Besonderheiten an einem ausgewählten Lied Neidharts. Dieses zählt zur Gattung der Sommerlieder und ist ein „Gespielinnen-Dialog“.

Das Schlusswort soll ergeben, ob die mittelhochdeutsche Lyrik Neidharts von Reuental tatsächlich solch eine besondere im Vergleich zu denen anderer dichterischer Zeitgenossen ist.

2. Neidhart als Minnesänger

In dem folgenden Kapitel wird Neidhart von Reuental als Minnesänger vorgestellt. Zunächst wird das Schaffen des Autors genauer erwähnt, daraufhin wird die Namensproblematik thematisiert und letztendlich anhand von überlieferten Texten erörtert, wie sein mögliches von ihm geführtes Leben ausgesehen haben könnte.

2.1 Das Schaffen des Neidhart von Reuental

Nach Walter von der Vogelweide zählt Neidhart von Reuental zu dem erfolgreichsten deutschen Minnesänger. Dieser Rückschluss lässt sich zumindest aus dem sagenhaften Umfang der Textüberlieferungen des Autors ziehen. Insgesamt befinden sich in ungefähr 30 Handschriften aus dem 13. bis 15. Jahrhundert mehr als 150 Lieder mit circa 1500 Strophen.

In älteren Handschriften bis um 1350 sind  bis zu 90 Lieder mit ungefähr 800 Strophen von Neidhart enthalten. Weitere Strophen zu den unter anderem vorherigen Liedern tauchten in Handschriften aus dem 15. Jahrhundert auf.[1] Besonders die Breite der Überlieferungen (13. bis 15. Jahrhundert) ist bemerkenswert. Diese wird in der mittelhochdeutschen Lyrik einzig von Walter von der Vogelweide überboten.

Neidhart von Reuental gilt des Weiteren als der am besten dokumentierte Lyriker des Mittelhochdeutschen, in Hinblick auf Anzahl der Strophen und Größe der Sammlungen seiner Textüberlieferungen. Diese sind in verschiedenen Überlieferungstypen auffindbar, wie zum Beispiel in Lyrik-Sammelhandschriften oder Sammelhandschriften gemischten Inhalts. Jedoch auch Einzelhefte, welche nur Neidhart gewidmet sind, genannt Autorfaszikel, Fragmente, Streu-Überlieferung und Drucke sind Formen von Überlieferungstypen, in denen Texte Neidharts zu finden sind.

Diese Gruppen unterscheiden sich noch einmal in Pergamenthandschriften aus dem 13. und 14. Jahrhundert und Papierhandschriften, welche aus dem 15. und 16 Jahrhundert stammen.[2]

Da die höfischen Liebeslieder Neidharts eine Konfrontation zwischen adeligen Inbegriff höfischer Liebe und bäuerlicher Dorfwelt darstellen, entwickelte der Minnesänger ein neues Modell des höfischen Liebeslieds. Ihm folgende Liederdichter übernahmen diese Variante und somit verleiht Neidhart von Reuental dem Minnesang eine neue Klasse von Liedern, genannt dörper-Lieder.[3] Die nähere Erläuterung dieses Begriffs folgt in Kapitel 3.2.

2.2 Klärung der Namens- und Herkunftsfrage

Neidhart von Reuental – in dieser Form erscheint der Name des Autors überwiegend in anerkannten und wissenschaftlichen Darlegungen. Die Erkenntnis dieser Namensform als die Richtige kam durch die Vermutung, den ständischen Beinamen aus dem Werk erlangt zu haben. Doch bei genauerer Untersuchung mittelalterlicher Überlieferungen, besonders bei Liedern, wird die Autorenbezeichnung zweifelhaft.  Im Falle, ein Autorname wird in mittelalterlichen Schriften genannt, heißt dieser prinzipiell Neithart, Nythardus, Nîthart oder Her Nîthart.

Auch von anderen Autoren aus dem Mittelalter wird der Minnesänger namentlich als Nîthart oder Neidhart erwähnt. Erstmalig geschieht dies um 1210/1220 durch Wolfram von Eschenbachs „Willehalm“, in dem dieser den Titel her Nîthart nennt. In der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderst kommt dies weitere Male vor, bis hinein ins 15. Jahrhundert. In unterschiedlichen literarischen Zusammenhängen sind über 50 Nennungen des Dichters unter dem Namen Nîthart bekannt, was bedeutet, dass er auch nur unter diesem Namen bei seinen lyrischen Zeitgenossen und literarischen Erben publik war.

Der Beiname Reuental/Riuwental ist in Neidharts Werken ein zentraler Ortsname. In seltenen Liedern ist Reuental Beiname einer Rollenfigur, so in den Mutter-Tochter- und Gespielinnengesprächen. Auch als Heimats- oder Herkunftsort wird Riuwental oftmals verwendet. Es sind demnach zwei Rollen vorhanden – das lyrische Ich aus Riuwental und der ritter von Riuwental.

Dies ist durch die vielen negativen Äußerungen über den erbärmlichen Zustand dieses Ortes durch das lyrische Ich zu belegen.

Letztendlich ist der Name des Autors Neidhart von Reuental bis heute nicht eindeutig geklärt und somit immer noch umstritten.3

2.3 Das vermutliche Leben Neidharts

„[ .] die Grenze zwischen biographischer Aussage und poetischer Selbstdarstellung [ist] nicht scharf ausgeprägt.“1Dies ist bei Neidhart der Fall, deshalb handelt es sich bei den Aussagen auch nur um Spekulationen, welche keine Garantie für das real geführte Leben des Dichters gibt.

Dennoch sind sehr viele Strophen vorhanden, in welche tatsächliche Lebensumstände Neidharts mit eingeflossen sein könnten. Dem Leser wird der Eindruck vermittelt, dass der Autor selbst auftritt. In solchen Szenarien verlässt dieser den lyrisch dörperlichen Schauplatz2 und „agiert gleichsam auf einer Art Vorderbühne, spricht ad spectatores von persönlichen und politisch-zeitgeschichtlichen Angelegenheiten“3.

Ein Kennzeichen der Lyrik Neidharts ist dies, weil die eben genannten Stellen im Vergleich zu anderen Gedichten mittelhochdeutscher Lyriker häufiger auftreten.

Wie schon erwähnt könnten scheinbar persönliche Aussagen des Autors auch nur auf die Umstände der damaligen Zeit zurückzuführen sein, was zum Beispiel Aussagen über Lebensnöte betrifft, welche in der Zeit Neidharts „traditionell“ waren.

In den Reiseliedern wird möglicherweise von einer Ehefrau namens Matze berichtet, in weiteren Liedern werden Kinder erwähnt. Diese Aussagen können jedoch auch nur Topoi sein, welche zum Beispiel die 'Liebessehnsucht' oder das 'Heimweh' widerspiegeln. In einem Sommerlied wird meisterinne erwähnt. Über diese weibliche Person kann aber nur spekuliert werden.

Zum einen wird behauptet, es sei die oberste Magd Neidharts, zum anderen könnte es gar die Frau des Dichters oder nur eine Geliebte sein. Als Wohnorte nennt Neidhart Bayern und Landshut, wobei letzteres als die Residenz der Herzöge gilt. Österreich und der Hof zu Wien wird ebenfalls erwähnt. Als präzisen Wohnort gibt er Medelicke an, womit nach Forschungen Mödling bei Wien gemeint sein soll.4

Dort könnte er seine Minnelieder weiterhin vorgetragen haben. Ebenfalls erscheinen Orts- und Flussnamen in einigen Liedtexten, welche eine reale Terrain westlich von Wien beschreiben. Neidhart besang womöglich ein höfisches Publikum, da Lieder über dörfliche Liebe nicht für die Bauern gemacht wurden. Gerade auf dem Wiener Hof herrschte ein hohes Niveau in Bezug auf den Minnesang, denn Reinmar der Alte und Walter von der Vogelweide wirkten bereits vor Neidhart auf dem Herzogshof.

Da Neidhart in keinen seiner Lieder den Tod Friedrich des II. Erwähnte, welcher 1246 starb, wird angenommen, dass der Autor selbst vorher verstarb. Daraus lässt sich schließen, dass seine Schaffenszeit die erste Hälfte des 13. Jahrhunderst umfasst. Sein Geburtstag ist nicht bekannt.1

Im Endeffekt sind, wie bei nahezu den meisten mittelhochdeutschen Autoren und Dichtern, kaum nachweisbare Daten für sein Leben vorhanden. Sein Name, bis heute auch noch umstritten, scheint dennoch 'Neidhart' gewesen zu sein, der Stand des Dichters wie seine Herkunft sind allerdings unbekannt. In Annahme, dass manche Aussagen seiner Lieder seine persönlicher oder zeitgeschichtliche Sicht der Dinge widerspiegeln, war er bis etwa 1230 im bairischen Raum als Minnesänger tätig.

Später wechselte er nach Österreich und leistete im Umkreis der Höfe, vermutlich auf dem Herzogshof des oft erwähnten Friedrich den II., seine Dienste. Aufgrund mangelnder Bezüge auf historische Ereignisse nach 1240, wird sein Tod um diese Zeit datiert.2




3. Die Lieder Neidharts

Neidharts Lieder lassen sich in zwei große Gruppen differenzieren – in Sommer- und Winterlieder. Die Einteilung erfolgt nach Lied-Eröffnung und dem Natureingang. Dennoch sind Lieder ohne Natureingang vorhanden. Bei diesen stellt sich ein jahreszeitlicher Bezug jedoch in Hinweisen während des Liedverlaufs dar.

Nähere Erläuterungen speziell zu diesen Liedtypen folgen in diesem Kapitel. Im weiteren Verlauf werden in prägnanter Form Sondergattungen und besondere Strophentypen erläutert. Als Schlusslicht dieses Kapitels wird weiterhin die Form und die Motivik der Liedtexte Neidharts thematisiert.

3.1 Sommerlieder

In Sommerliedern ist der Natureingang mit sommerlicher Stimmung. Der Autor gibt einzelne jahreszeitliche Hinweise, wie zum Beispiele aufblühende Blumen oder Vögelzwitschern als typische Kennzeichen des Frühlings. Des Weiteren verwendet der Dichter überwiegend Reienstrophen, seltener Stollen- und Periodenstrophen.

Tanz- und Liebeslust sowie Frühlings- und Sommerfreude werden als positives Lebensgefühl thematisiert. Andererseits existieren auch Lieder, welche typische Elemente, welche in Winterliedern vorkommen, enthalten beziehungsweise auf diese verweisen. Die Lieder spielen in einem Raum um das Riuwental, genannt Jammertal. Dies stellt den Lebensraum eines armseligen Ritters dar, der trotz dessen als höfisch gilt.

Da gewisse Dialogpartien nicht immer zweifelsfrei zuzuordnen sind, kann eine genaue Trennung zwischen den Dialogarten nicht immer stattfinden. In den Frauendialogtypen wird die Pastourellensituation thematisiert, was bedeutet, dass sich Ritter und Mädchen in freier Natur begegnen. Besonderheiten dabei sind, dass die Werbung von den weiblichen Personen ausgeht und dass das Patourellengeschehen immer aus der subjektiven Sicht geschildert wird, also als Gespräch dargestellt wird.

Von Riuwental ist mit zwei Ausnahmen immer das angeführte Liebesziel der Dialoge. In den Mutter-Tochter-Gesprächsliedern tragen die Dialogpartner keine Namen und werden ausschließlich als Mutter (Bsp.: muoter) und Tochter (Bsp.:

tochterlîn/kint) bezeichnet. Einzig der ritter von Riuwental, immer umworben, wird namentlich genannt. Erst in den späteren Gespielinnengesprächen werden Freundinnen teilweise mit Namen angeredet oder erwähnt. Die strukturale Grundform, also das Dialoglied an sich, ist schlussendlich in den Mutter-Tochter-Gesprächen zu finden, wovon sich jedoch von Beginn an vielfältige Erweiterungsformen beobachten lassen.

3.2 Winterlieder

Zu der Gattung der Winterlieder zählen die dörper-Lieder und die Alterslieder, auch genannt Werltsüeze-Lieder.

Der winterliche Natureingang ist in den dörper-Liedern kennzeichnend uns es sind oftmals Klagen über den vergangenen Sommer, aber auch Beschwörungen des Winters enthalten. Wie schon bei den Sommerliedern, existieren ebenfalls Winterlieder ohne direkten Natureingang. Formal betrachtet werden fast ausnahmslos Stollenstrophen verwendet. Überwiegend bestehen die Winterlieder aus Sänger-Berichtsliedern, teilweise auch Erzählliedern.2

Die dörper-Lieder thematisieren neben anfänglichen Winterklagen Berichte über so genannte Dörper (bei Neidhart oftmals Synonym für 'Bauer' oder männliche Gegenspieler des Sängers3) und ihr Treiben sowie Tanzaufforderungen und Liebessehnsucht des Sängers. Einerseits kann der Sänger als neutraler Beobachter die Geschehnisse berichten, kann andererseits auch als Rolle in den Liedvorgang einbezogen werden.

Letzteres kann entweder entstehen, indem der Sänger sich wie die Dörper um ein Mädchen wirbt oder er deren Abneigung ausgesetzt ist. Der Bestand an Themen, Motiven und Beschreibungsmustern ist innerhalb der Lieder sehr abwechslungsreich. Es geht zum Beispiel um das Auftreten der Dörper (meist rohes und plumpes Benehmen beim Tanze), ihre Prahlerei mit Waffen und Bekleidung, ihre gehäuften Streitigkeiten untereinander und mit dem Sänger.

Differenzierung der Winterlieder ist nach Struktur und Perspektive kaum möglich. Höchstens nach verschiedenartigen Zusammenstellungen thematischer Einheiten könnten dörperkonforme Lieder (Lieder, die Sänger nicht als Kontrast zu den Dörpern zeigen), dörperkontroverse Lieder (Lieder, in denen Sänger vom Dörpertreiben ausgegrenzt ist) und die so genannten Friderûn-Lieder (Lieder, an denen dörperliche Übergriffe an Frauen durchgeführt werden) voneinander abgegerenzt werden.

In den Werlsüeze-Liedern (Alterslieder) kündigt der Sänger seiner frouwe den Dienst auf. Beschimpfungen und Vorwürfe folgen auf die Dienstaufkündigung. Somit wird die frouwe als Symbolfigur der 'Frau Welt' entlarvt.1

3.3 Besondere Gattungen

Zu den besonderen Gattungen Neidharts, die weder den Sommer-, noch Winterliedern zuzuordnen sind, zählen die Reise- (Kreuzzugs-) Lieder, Schwanklieder und Herbstlieder.

Es existieren nur vier von Neidhart überlieferte Reiselieder. Davon fangen zwei mit einem sommerlichen Natureingang an, die demzufolge auch als Variante der Sommerlieder zählen könnten. Ein anders Reiselied wurde für unecht erklärt und das letztere gilt nach Forschungen zu den Winterliedern.

Die dritte und letzte Sondergattung ist das Herbstlied. Das von Neidhart verfasste Lied „Neidharts-Fraß“ zählt zu dieser. Die 7-strophige Dichtung ist häufig als Einzeleintrag überliefert, aus Papierhandschriften des 15. Jahrhunderts. Jedoch ist die Zuordnung des Liedes zu Neidhart kompliziert, da weder Personen- noch Ortsnamen enthalten sind.

Dennoch passt die Strophenform zu den späten Winterliedern Neidharts und Titel und Schlussstrophe  sind überwiegend Neidhart zugewiesen.2

3.4 Die drei besonderen Strophentypen in Neidharts Liedern

In Neidharts gesamten überlieferten Werken existieren drei besondere, inhaltlich definierte Strophentypen. Zwei davon, Bitt- und Bilanzstrophen, durchdringen den fiktionalen Rahmen. Die dritte Strophenform hingegen, Trutzstrophe genannt, bleibt im fiktionalen Geschehen eingebunden.

Innerhalb der Bittstrophen spricht Neidhart aus eigenem Anliegen, wendet sich an den Herzog Österreichs Friedrich den II. Und tritt somit aus seinem lyrischen Spielfeld hinaus. In Kapitel 2.3 schon vermutet, soll dieser Herzog vermutlich Landesherr des Neidhart gewesen sein. In den Bittstrophen bittet Neidhart ihn um Zinsermäßigung und eine Unterkunft. Dies könnte Informationen über Neidharts damalige materielle Lage bringen.

Die letzte besondere Strophengattung ist die Trutzstrophe, welche sich im Gegensatz zu den anderen Strophentypen im fiktionalen Rahmen bewegt. In dieser Gattung wird rückblickend auf vorherige Strophen zum lyrischen Ich Stellung bezogen. Dies sind einschüchternde, hämisch, bissige und ermahnende Wendungen, bei denen das lyrische Ich vom Sprecher mit Her Nîthart angesprochen wird.

Deshalb haben damalige Forscher diese Strophen für unecht erklärt. In späteren Jahren kamen Forscher jedoch zu dem Schluss, dass diese vorgespielte Selbstkritik zur Originalität Neidharts passend wäre.3

4. Nachweis der Besonderheiten an einem „Gespielinnen-Dialog“

Der folgende „Gespielinnen-Dialog“ aus Überlieferungen von Neidhart soll in diesem abschließenden Kapitel nach Besonderheiten untersucht werden:

1

Ine gesach die heide

nie baz gestalt,

in liehter ougenweide

den grüenen walt.

an den beiden kiese wir den meien.

ir mägde, ir sult iuch zweien

gein dirre liehten sumerzît,

in hôhem muote reien.

2

Lop von mangen zungen

der meie hât.

an manger stat,

dâ man ê deheine kunde vinden.

geloubet stât diu linde.

sich hebt, als ir wol habt vernomen,

ein tanz von höfschen kinden.

3

Die sint sorgen âne

und vröuden rîch.

ir mägede wolgetâne

und minneclîch,

zieret iuch wol, daz iu die Beier danken,

die Swâbe und die Vranken!

ir brîset iuwer hemde wîz

mit sîden wol zen lanken!

4

“Gein wem solt ich mich zâfen?”,

sô redete ein maget.

“die tumben sint entslâfen;

ich bin verzaget.

vreude und êre ist al der werlde unmaere.

die man sint wandelbaere.

deheiner wirbet umbe ein wîp,

der er getiuwert waere.”

5

“Die rede soltû behalten”,

sprach ir gespil.

“mit vröuden sul wir alten:

der manne ist vil,

die noch gerne dienent guoten wîben.

lât solhe rede belîben!

ez wirbet einer umbe mich,

der trûren kann vertrîben.”

6

“Den soltû mir zeigen,

wier mir behage.

der gürtel sî dîn eigen,

den ich umbe trage.

sage mir sînen namen, der dich minne

sô tougenlîcher sinne!

mir ist getroumet hînt von dir,

dîn muot der stê von hinne.”

7

“Den si alle nennent

von Riuwental

und sînen sanc erkennent

wol über al,

durch sînen willen schône

sô will ich brîsen mînen lîp.

wol dan, man liutet nône!”1

Der “Gespielinnen-Dialog” ist ein Gespräch zwischen zwei Dorfmädchen, die in dem Liedtext mit dem Wort “gespil” bezeichnet werden, das bedeutet nicht direkt mit ihrem Namen erwähnt werden. Dies ist charakteristisch für die früheren Dialoglieder Neidharts. Die Form des “Gespielinnen-Dialogs” ist eine Variante des Dialogliedes, welches wiederum zu den Sommerliedern zählt.

Der sommerliche Natureingang kommt hier in der ersten Strophe deutlich zum Ausdruck: “in liehterougenweide den grüenen walt”. Hierbei wird der Wald in leuchtend und grün beschrieben, ein typisches Motiv für Frühlingserwachen oder Sommerfreuden. Der Naturbezug ist in dem Dialog auffallend eng und endet keinesfalls in der ersten Strophe: “die bluomen sint entsprungen anmanger stat”, “geloubet stât diu linde” (zweite Strophe).

Des Weiteren können die sieben Strophen inhaltlich voneinander abgegrenzt werden. In den ersten drei Strophen fordert der Sänger die Mädchen zum Maitanz unter der Linde auf: “ir sult iuchzweien” / “in hôhem muote reien”. Mit “hôhem muote” betont der Sänger die fröhliche Sommerstimmung. Weiterhin auffallend ist, dass er den Stand der Mädchen offen lässt, indem er sie als “mägde” bezeichnet.


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