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Referat
Erziehungswissenschaf­t

Philipps-Universität Marburg

2011

Amelie P. ©
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ID# 14699







Mitwirkung der Jugendgerichtshilfe im Strafverfahren

Inhalt

GliederungSeite

1.Geschichtlicher Hintergrund des Jugendgerichtsgesetz (JGG). 1

2.Jugendhilfe. 2

3.Jugendgerichtshilfe (JGH). 2

4.Mitwirkung im Strafverfahren. 3

5.Quellenverzeichnis. 7

1.     Geschichtlicher Hintergrund des Jugendgerichtsgesetz (JGG)

Die Jugend und das Strafrecht sind Phänomene, die vor mehreren hundert Jahren noch gar nicht existierten[1]. Im 17. Jahrhundert wurden Kinder sogar zum Tode verurteilt. Nur Kinder unter sieben Jahren wurden in der Regel nicht strafrechtlich verfolgt.

Die Altersgrenzen standen bis Ende des 17. Jahrhunderts unter dem Grundsatz des römischen Rechts „dass eine positive Berücksichtigung geringen Alters dann entfällt, wenn die Bosheit das Alter erfüllt.“[2] Aus diesem Grund war eine strafrechtliche Sonderbehandlung von Kinder und junge Menschen damals nicht gegeben.

Erzieherische Aspekte spielten keine Rolle.[3]Erst im 18. Jahrhundert - das pädagogische Jahrhundert - wurden Stimmen laut, die einen „Schonraum“ für die Lebensphase Kindheit forderten. Neben Rousseau und Pestalozzi machte vor allem die Pädagogik von Emanuel Kant die neue Erziehungsauffassung deutlich: `Der Mensch kann nur Mensch werden durch Erziehung.

Er ist nichts, als was die Erziehung aus ihm macht´[4] Schleichermacher stellte dann im 19. Jahrhundert die These auf, dass Strafen vermieden werden können, `wenn die unterstützenden Tätigkeiten zur rechten Zeit geübt wird´.[5] Er sagt sogar, dass die Strafe beweisen würde, dass schon frühere Intentionen hätten stattfinden müssen.

Erst in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts und in den Anfängen des 20. Jahrhunderts wurde der Erziehungsgedanke im strafrechtlichen und kriminalpolitischen Diskurs durch die Jugendgerichtsbewegung, insbesondere der Franz von Liszts Strafrecht-schule, aufgenommen.

Damit war der Grundstein gelegt und einzelne Ansätze der Pädagogik erhielten Einzug in die Strukturen des Strafrechts. 1923 wurde schließlich das Jugendgerichtsgesetz erarbeitet, in dem der Erziehungsgedanke weitgehend Beachtung fand.[6]

Im Jugendstrafrecht geht es um einen Lernprozess bei dem Fachkompetenzen der Sozialpädagogik miteinfließen.[7]Im Strafrecht in Deutschland existieren für die Reaktion auf Straftaten junger Menschen eigene strafrechtliche Bestimmungen, die auf die besonderen Situationen der Jugendlichen und Heranwachsenden in der Gesellschaft abgestimmt sind.

Denn Straffälligkeit von Kindern und Jugendlichen ist immer auch unter dem Gesichtspunkt zu beurteilen, ob es sich um eine einmalige, nicht schwerwiegende "Ausrutscher"  innerhalb der Persönlichkeitsentwicklung handelt, oder ob  bedenkliche Anzeichen für beginnende Fehlentwicklungen oder manifeste Störungen in der Sozialentwicklung vorliegen.[8]

2.     Jugendhilfe

Unter dem Begriff der Jugendhilfe sind alle Leistungen und Aufgaben öffentlicher und privater Träger gefasst.[9]Hauptziel der Jugendhilfe ist die Sicherung der Rechte jeden jungen Menschen auf Förderung seiner Entwicklung und Erziehung (vgl. §1 des Kinder- und Jugendhilfegesetz).[10]Die Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz zählt zu den „anderen“ Aufgaben[11] der Jugendhilfe und obliegt alleine den öffentlichen Trägern.[12] Die sachliche Zuständigkeit ist demnach Aufgabe der Jugendämter, als öffentliche Träger.

3.     Jugendgerichtshilfe (JGH)

Die Jugendgerichtshilfe ist, wie oben bereits erwähnt, nach dem Kinder und Jugendhilfegesetz[13] in den Jugendämtern der Stadt oder dem Kreis angesiedelt. Innerhalb des Jugendamtes existieren unterschiedliche Organisationsformen der Jugendgerichtshilfe.

Sie kann als „Spezialdienst“ in Form einer eigenen Abteilung des Jugendamtes in Erscheinung treten. In einigen Fällen ist sie als eigenständiges Sachgebiet im Allgemeinen Sozialen Dienstes des Jugendamtes untergebracht oder aber sie ist als Arbeitsgruppe oder Vertiefungsgebiet in der Allgemeinen Erziehungshilfe involviert.

Aufgabe der JGH

Wurde ein Verfahren gegen einen Jugendlichen eingeleitet, so ist es Aufgabe der Jugendgerichtshilfe die Lebens- und Familienverhältnisse, den Werdegang, das bisherige Verhalten des Beschuldigten sowie alle übrigen Umstände zu ermitteln.

Helfen sollen diese Hintergrundinformationen der Beurteilung seines seelischen, geistigen und charakterlichen Entwicklungsstandes. Es ist gesetzlich vorgeschrieben[14] die Jugendgerichtshilfefrühestmöglich zur Durchführung einer Persönlichkeitsermittlung bei dem Jugendlichen heranzuziehen, um im Hauptverfahren die Situation des Beschuldigten hinsichtlich erzieherischer, sozialer und fürsorglicher Aspekten einschätzen zu können.[15]

-          Ermittlungshilfe

o   Erarbeitung der Tatsachen für die Erforschung und Beurteilung der Persönlichkeit des Beschuldigten, bzw. Angeklagten.

-          Berichtshilfe

o   Die unparteiische Zusammenfassung aller ermittelten Tatsachen zu einem Bericht, der dem Gericht vorzulegen ist und dessen mündliche Vortragung als Unterstützung zur Diagnose, Prognose und Rechtsfolgenauswahl in einer möglicherweise stattfindenden Hauptverhandlung dient.

-          Betreuung- und Überwachungshilfe

o   Betreuung des Jugendlichen und seinen Angehörigen vom Zeitpunkt der Kenntnisnahme von der Straftat bis zum Abschluss des Vollzugsverfahrens

Die Aufgaben werden im nachstehenden Teil nochmals ausführlicher Erwähnung finden.

4.     Mitwirkung im Strafverfahren

Rechtliche Grundlage

Den rechtlichen Rahmen für das Arbeitsgebiet der Jugendgerichtshilfe (JGH) bilden das SGB VIII[16] und das Jugendgerichtsgesetz (JGG).[17] Diese beiden Bereiche stellen eine Besonderheit der JGH dar, denn die JGH befindet sich in einem doppelten rechtlichen Bezugsrahmen.

Es ist somit ihre Aufgabe „typische leistungsrechtliche Aspekte mit anderen hoheitlichen Aufgabenbereichen zu verknüpfen“. Die JGH muss den Jugendlichen demnach aus zwei verschiedenen Blickwinkeln vertreten.

Im jugendgerichtlichen Verfahren wirkt die JGH[19] also einerseits mit, um ´die erzieherischen, sozialen und fürsorglichen` Gesichtspunkte zur Geltung zu bringen und Benachteiligungen abzubauen, andererseits muss sie sich am „strafrechtlichen Blickwinkel orientieren, in dem es um die Legalbewährung[20] geht.“[21] Die JGH ist Hilfe für das Gericht sowie für den Beschuldigten.[22]

Verfahrensbeteiligung

Das Gesetz der Strafprozessordung §§160 ff StPO, sieht im Vorverfahren zwar als Leitbild die Staatsanwaltschaft im Besitz der Verfahrensherrschaft, es kommt aber insbesondere bei Jugendlichen nicht selten vor, das es zunächst zu einem rein polizeilichen Ermittlungsverfahren kommt.

Die Staatsanwaltschaft ist verpflichtet die JGH vor der Einleitung des Hauptverfahrens frühestmöglich über einen entsprechenden Fall zu informieren.[23] Im Hauptverfahren übernimmt die JGH mit gesetzlich festgelegten Rechten und Aufgaben eine eigenständige Verfahrensrolle.

Sie hat jedoch keine generelle Mitwirkungspflicht, ihre Anwesenheit ist also nicht grundsätzlich notwendig.[24]

Die Wahrnehmung ihrer im JGG und KJHG vorgeschriebenen Aufgaben fokussieren unter anderem die jugendstrafrechtlich relevanten Nachforschungen hinsichtlich der Täterpersönlichkeit und seines sozialen Umfeldes. Diese Form der Ermittlungsarbeit hat nichts mit der eigentlichen Tat zu tun.[25]

An dieser Stelle erlaubt sich Klaus Laubenthal die JGH als „Sozialanwalt“ zu bezeichnen und macht aber zugleich den widersprüchlichen Hintergrund dazu deutlich: Der Gesetzgeber verdeutlicht mit der „Normierung des Beistandes zur Betreuung des Jugendlichen im Verfahren [ ] die divergierenden Funktionen von Jugendgerichtshilfe einerseits und einer ausschließlich einseitigen Interessenwahrnehmung für den Beschuldigten andererseits: Nach § 69 Abs. 3 S. 2 JGG kommen dem Beistand in der Hauptverhandlung weitgehend die Rechte eines Verteidigers zu.

Kann zwar auch ein Mitarbeiter der Jugendgerichtshilfe als Beistand bestellt werden, so darf dieser dann aber gerade nicht zugleich als Vertreter der Jugendgerichtshilfe i.S.d. § 38 JGG auftreten. Die ermittelnd-berichtende Funktion der JGH neben der betreuend-helfenden läßt keine Parteilichkeit vergleichbar mit derjenigen eines Verteidigers zu.

Die Erforschung der Täterpersönlichkeit und die Weitergabe der dabei gewonnenen Erkenntnisse in Form eines Ermittlungsberichtes dienen der Klärung einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit eines beschuldigten Jugendlichen. Es bedarf des Weiteren einer Stellungnahme seitens der JGH hinsichtlich der Rechtsfolgen.

Betreffend der Art und der Höhe bedarf es keiner Äußerung der JGH, sie soll vielmehr die gewonnen Erkenntnisse werten und aus ihrer Sicht das Für und Wider bestimmter Maßnahmen abwägen.[29]

Neben den eben dargestellten Aufgaben der JGH wirkt sie auch hinsichtlich ihrer Rechte im Strafverfahren mit ein. Unter anderem, aber insbesondere in der Hauptverhandlung kommen der JGH umfassende Beteiligungsrechten zu.[30] Folgende Rechte sind diesbezüglich zu schwerpunktmäßig zu erwähnen.

Es soll so die eigenständige verfahrensrechtliche Stellung als Prozesshilfeorgan absichern. Für die JGH ist eine Befugnis im KJHG verankert, welches das „rechtliche Gehör“ des Jugendgerichtshelfers in der Hauptverhandlung gewährleistet. Die gerichtliche Heranziehungspflicht verlangt von der JGH jedoch keine grundsätzliche Verpflichtung zur Teilnahme an der Hauptverhandlung.

Hier handelt es sich lediglich um ein Recht und nicht um eine Pflicht der JGH. Dieses Recht fordert die JGH beispielsweise in Form einer Anhörung vor einer Weisungserteilung ein. Aber hingegen des eben angebrachten allgemeinen Verpflichtungsausschlusses, kann sich das Mitwirkungsrecht in Einzelfällen doch zu einer Mitwirkungspflicht verdichten: „Beherrschendes Prinzip des Strafverfahrens stellt das Gebot zur Aufklärung aller entscheidungserheblichen Tatsachen von Amts wegen dar.

Legen konkrete Anhaltspunkte diesem die Annahme nahe, daß von der Jugendgerichtshilfe über die richterlichen Feststellungen zur Person des Angeklagten hinausgehend weitere Aufklärung zur Gewinnung eines möglichst vollständigen Bildes von der Persönlichkeit, der Entwicklung und der Umwelt des Betroffenen zu erwarten ist und dadurch Art und Höhe der Sanktion beeinflußt werden könnte, erscheint eine Mitwirkung geboten.“[31] Im Normalfall verkündet die JGH allerdings ihre Erkenntnisse über den Jugendlichen, basierend auf ihrem Recht, durch das Verlesen des Ermittlungsberichtes[32] und nicht verpflichtend aufgrund einer Anordnung vom Gericht.

Um es auf den Punkt zu bringen, die JGH übernimmt die Rolle des Erziehers und die Rolle des „Gehilfen“ der Justiz.[33] Und diese bereits erwähnte widersprüchliche Stellung stellt meines Erachtens zurzeit eine besondere Wichtigkeit in der Mitwirkung des Strafverfahrens dar.

5.     Quellenverzeichnis

·         Amt für Jugend und Familie. Fachdienst Jugendhilfe im Strafverfahren Jugendgerichtshilfe. (2009)

·         Jugendgerichtshilfe – Quo Vadis? – Status und Perspektive der öffentlichen Jugendhilfe gegenüber dem Jugendgericht. Symposium vom 2. bis 5. Juli 1990 in Frankfurt (1993). 2. Unveränderte Auflage. Bonn: Forum Verlag. Godesberg.

·         Dollinger, Bernd (Hrsg.)/ Schmidt-Semisch, Henning (2010): Handbuch Jugendkriminalität: Kriminologie und Sozialpädagogik im Dialog. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaft.

·         Laubenthal, Klaus (1993): Jugendgerichtshilfe im Strafverfahren. Köln, Berlin, Bonn, München: Carl Heymann Verlag KG.

·         Schaub, Horst/ Zenke, Karl G. (2007): Wörterbuch der Pädagogik. Grundlegend erweiterte und aktualisiert Neuausgabe. München: Deutscher Taschenbuch Verlag.

·         Wilhelm, Jörg E. (1992): Die Stellung der Jugendgerichtshilfe im Verfahren. Universität Trier.

·         Wikipedia Foundation Inc.

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[1] Vgl. Dollinger 2010, S.455.

[2]Dollinger 2010, S.456.

[3] Vgl. Dollinger 2010, S.456.

[4] Dollinger 2010, S.461 (zit. n. Kant 1968c: 443).

[5] Dollinger 2010, S.462 (zit. n. Schleichermacher 1975: 240).

[6] Dolinger 2010, S.463.

[7] Vgl. Dollinger 2010, S.455.

[8] Vgl. Dollinger 2010, S.455.

[9] Wikipedia

[10] Schaub/ Zenke (2007), S.340.

[11] Siehe hierzu § 2 Abs. 3 Nr. 8 JGG

[12] Laubenthal (1993), S.44.

[13] Siehe hierzu § 85 KJHG i. V. m. §2 Abs. 3 Nr.8 KJHG

[14] Nach § 43 Abs. 1 S. 4 i. V. m. § 38 Abs. 3 JGG.

[15] Laubenthal (1993), S.57.

[17] Amt für Jugend und Familie

[18] Vgl. Dollinger 2010, S. 381.

[19]Nach §§ 2 Abs. 3 Nr. 8, 52 SGB VIII i. V. m. § 38 Abs. 2 JGG

[20]Legalbewährung ist gegeben, wenn nach Verbüßung einer Strafe keine neuen Straftaten in der freien Sozialgemeinschaft begangen wurden. Quelle:

[21] Vgl. Dollinger (2010), S. 382.

[22] Vgl. Wilhelm (1992), S. 65.

[23] Vgl. Laubenthal (1993). S.61.

[24] Laubenthal (1993), S.58.

[25] Laubenthal (1993), S.58.

[26] Vgl. Laubenthal (1993), S. 62.

[27] Vgl. Laubenthal (1993), S. 64.

[28] Laubenthal (1993), S.59.

[29] Jugendgerichtshilfe – quo vadis? (1993), S.47.

[30] Vgl. Dollinger (2010), S. 382.

[31] Laubenthal (1993), S.106.

[32] Vgl. Laubenthal (1993), S.106 ff.

[33]


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