Letzter Nachklang der mittelalterlichen Ritterepik (matière de Bretagne, Lancelot, Tristan) und des höfischen Romans (Liebeskonzeption des amor cortés)
Inhalt:
fiktive Abenteuer eines fahrenden Ritters, der zusammen mit seinem Schildknappen seiner Dame huldigt und für die Armen und Bedrängten kämpft; märchenhaftes Ambiente
Amadís de Gaula (1508) von Garci Rodriguez de Montalvo
4 Bände; zahlreiche Fortsetzungen und Nachahmungen
ca. 6o weitere Romane
Inhalt:
Protagonist Amadís ist der uneheliche, ausgesetzte Sohn eines Königs, der die Prinzessin Orania aus Britannien liebt und Heldentaten zu ihrer Ehre vollbringt
Fortsetzung: Las sergas de Esplandián (1510) von Rodriguez de Montalvo
Novela pastoril
Tradition bis in die Antike
Idealisierte Helden der Hirten- und Schäferwelt: als Schäfer(Innen) verkleidete Adelige
Thema Liebe, wenig Handlung
Zuflucht für Stadtmenschen („locus amoenus“)
Eingeschobene Erzählungen, viele Nebenhandlungen
v.a. bei Frauen beliebt
Quellen:
Italienische Schäferromane Arcadia (1502) von Sannazaro, Aminta (1581) von Torquato Tasso)
Spanische Texte aus dem Mittelalter: Libro de buen amor (Arcipreste de Hita); Gedichte von Garcilaso de la Vega und dem Marqués de Santillana
Nachfolge der novelas sentimentales aus dem 15. Jahrhundert
Prototyp: Los siete libros de la Diana (1559) von Jorge de Montemayor
Inhalt:
Hirte Sereno liebt die Dame Diana, diese heiratet aber den reichen Delio => Liebesklagen
Ein Zaubertrank macht die unglücklich Verliebten wieder glücklich.
Arcadia (1598) von Lope de Vega
Protagonist Anfriso: Unglückliche Liebe findet durch die Hilfe einer Zauberin ein glückliches Ende.
La Galatea (1585) von Cervantes
Verkleidete Schäfer, unerfüllte Liebe
Doch: Konfrontation der Idylle mit realer Welt
Novela morisca
Romane und Novellen
stark historisch; Morisken werden von christlichen Autoren idealisiert
Morisken = zum Christentum bekehrte Mauren
Historia del Abencerraje y la hermosa Jerifa (1565)
Novelle mit Liebeshandlung; wurde in Diana aufgenommen
Eingefügte Moriskenerzählung im Guzmán de Alfarache: Historia de los amantes Ozmín y Daraja
Eingefügte Moriskenerzählung im Don Quijote
Geschichte des Ricote (eines vertriebenen Morisken)
Novela bizantina
Vorbild: Aithiopica von Heliodor (3. Jh.)
Inhalt allgemein:
Liebespaar wird aus widrigen Umständen voneinander getrennt => unternimmt eine Reise und besteht Abenteuer, bei denen sie sich moralisch bewähren sollen
Historia de los amores de Clareo y Florisea (1552) von Alonso Núñez de Reinoso
exotisch
Los trabajos de Persiles y Sigismunda, Historia setentrional (1617) von Cervantes
4 Bücher; ideale Verbindung von Unterhaltung und Belehrung
Inhalt:
2 Königskinder lieben sich, müssen aber ihre Heimat verlassen und wandern als angebliches Geschwisterpaar durch die Welt => Abenteuer
Themene: Religion, Liebe
Symbolische Wanderung: Erfüllung der Liebe, Rettung der Seelen, Weg zu Gott
El criticón (1651–1657) von Baltasar Gracián (1601–1658)
3 Teile = Altersstufen des Menschen
philosophisch-allegorisch (Allegorien, Exempla)
Inhalt:
Wanderschaft der Protagonisten Andrenio und Critilo; Ziel: vollkommene Persönlichkeit
Erkenntnis: Glück ist in der Welt nicht zu erreichen => pessimistische Weltsicht, „desengaño“
Novela picaresca
ca. 35 Romane
literarische Vorbilder:
Der goldene Esel von Apuleius
Satiren von Lukian (2. Jh. n.Chr.)
La Celestina von F. de Rojas
Vorläufer: verfasst von einem in Italien lebendem Spanier:
Francsico Delicado: Retrato de la lozana andaluza en lengua española muy clarissima (Venedig 1528)
Reiseroman aus weiblicher Perspektive; dekadentes Rom, kostumbristische Darstellung
Charakteristika des Schelmenromans:
Protagonist = Schelm/pícaro
Ich-Erzählung aus der Sicht des Schelms
autobiografisch wirkender Lebensbericht, zynisch-satirisch oder bekennend-moralisch
– ist gewitzt und geschickt, listig, gleichzeitig kriminell
– hat keine Familie
– darf keine Waffen tragen
– scheut vor Gewalt zurück
– erlebt eine Gauner-Karriere
– ist ein Antiheld
Anonym: La vida deLazarillo de Tormes y de sus fortunas y adversidades (1554)
umstritten, ob Lazarillo de Tormes der Prototyp oder ein Vorläufer der Gattung ist
fingierte Autobiografie; Prolog
Inhalt:
Lázaro ist der Sohn eines verurteilten Diebes, der nicht mehr lebt. Von seiner Mutter wird er an einen alten Blinden gegeben, dem er als Führer dienen soll. Lázaro lernt eigenständiges Leben in der Unterschicht, muss sich durchschlagen.
verschiedene Herren:
der geizige und geschätstüchtige Blinde
geiziger Geistlicher: L. muss stehlen, da er ihn hungern lässt; L. wird davongejagt;
escudero (Schildknappe, verarmter Adeliger): Schein von Reichtum und Ehre
betrügerischer Mönch (Ablasshändler = buldero)
Kaplan
am Ende wird L. Ausrufer (alguacil/pregonero) und gleichzeitig Henker. Er heiratet die Geliebte des Erzpriesters und ist stolz auf seinen sozialen Aufstieg und sein nunmehr ehrenhaftes Dasein.
fingierte Naivität; Scheinheiligkeit der Gesellschaft
Gesellschaftskritik (1599 deshalb auf den Index); Lazarillo castigado (1573)
apokrpyher 2. Teil 1555
Fortsetzung auch von Juan de Luna 1620 (scharfe Satire gegen Klerus und Inquisition)
eindeutiger erster Schelmenroman:
Guzmán de Alfarache von Mateo Alemán(1547–1615)
geb. In Sevilla, Vater aus jüdischer Familie, Medizin- und Jusstudium ohne Abschluss; tätig in der kaufmännischen Verwaltung; 1607 wanderte er nach Mexiko aus
2 Teile:
Guzmán de Alfarache (1599); Segunda parte de la vida de Guzmán de Alfarache, atalaya de la vida humana (1604) von Juan José Martí (unter dem Pseudonym Mateo Luján de Sayavedra)
Inhalt:
Pícaro aus Sevilla, der sich seinen Namen selbst gibt: Guzmán heißt ein adeliger Liebhaber seiner Mutter, und auf dem Landgut San Juan de Alfarache hat man ihn gezeugt => uneheliches Kind. Mutter heiratet den Kindsvater, einen Kaufmann aus Genua. Als er stirbt, verfällt die Familie in Armut und Guzmán geht von Zuhause weg. Auf dem Weg erfährt er die Grausamkeit der Menschen.
Francisco de Quevedo: Historia de la vida del buscón llamdo Don Pablos, ejemplo de vagamundos y espejo de Tacaños (1626) = El Buscón
Inhalt:
Der Neuchrist Pablos ist ein Hochstapler, der den Aufstieg in eine höhere Gesellschaftsschicht anstrebt, dabei jedoch scheitert. Erzählt aus der Perspektive des reuigen Sünders.
Conde Lucanor WS 2008/09
Erzählliteratur in Prosa
Prosaliteratur wurde nun nicht mehr von Klerikern verfasst, sondern am Hof, von Gelehrten.
Das Ziel war nicht mehr die Christianisierung und Missionierung des einfachen Volkes,
sondern die (anspruchsvolle) Unterhaltung der Elite bei Hof. Bildung und Weltwissen wurden
nun geschätzt. Daher standen nicht mehr religiöse Stoffe (Maria, Heilige) im Vordergrund,
sondern Inhalte aus der orientalischen Weisheitsliteratur (indischer Ursprung) wurden beliebt.
=> Stoffquelle:
Themen aus span.-arab. Geschichte (reconquista), allg. orientalische Ereignisse (v.a.
Kreuzzüge), persisch-indische Fabeln
Erzählung Kalila und Dimna(2 Schakale, personifziert)
Weitere Übersetzung aus dem Orient: Sindbad oder Das Buch der Täuschungen und der
Betrügereien der Frauen = Sendebar ider Libro de los engaños e los asayamientos de las
mujeres (1253)
Aufbau dieser Weisheitsliteratur:
Erzählrahmen und eingebettete Beispielerzählungen (Exempla/ejemplos)
Exempla häufig aus dem Tierreich (ähnlich wie Fabeln): Anwendung auf eine konkrete
Alltagssituation, die für die Leserschaft relevant ist.
Dialogischer Text: Frage- und Antwortgespräch zwischen einem weisen Philosophen und
einem Ratsuchenden als Erzählrahmen
Themen:
religiöse Fragen (Rettung der Seele usw.), pol., soziale Themen, Tugenden – Laster
stark politisch (Themen Ehre, Ruhm)
=> Anleitung zu Lebensklugheit für ein breites Publikum
didaktisch und unterhaltsam zugleich => erfolgreiches Buch
Transfer:
unerschöpfliche Stoffquelle für Shakespeare /(Der Widerspenstigen Zähmung, The Taming of
the Shrew folgt El mancebo que casó con una mujer muy fuerte y muy brava);
Barca, Cervantes (El retablo de las maravillas folgt Los burladores que hicieron el paño), La
Fontaine, Andersen usw. (Franzbach 44f.)
in Romantik: Übersetzung von Joseph von Eichendorff
DON JUAN MANUEL: EL CONDE LUCANOR
Don Juan Manuel (1282, Escalona, Provinz Toledo – 1349?)
Enkel König Ferdinands III. (der Heilige), Neffe Alfons des Weisen
aktive Teilnahme an Araber- und Adelskämpfen während Regierung Ferdinands IV. und Alfons’ XI.
vielseitiger Hofmann (Militär, Verwaltung); mächtiger Infant, literarisch und theologisch sehr gebildet
Kontakt zur arab. Kultur in Granada
Conde Lucanor
Er schrieb neben seiner polit. Tätigkeit Kurztraktate über Jagd, Waffen, Religion, Liebe, Fürsten- und Rittererziehung.
Sein Werk spiegelt die Widersprüche des Feudalsystems, Auseinandersetzungen zwischen Adel und König und das Aufkommen der Handelsbourgeoisie in den Städten wider.
Libro de Patronio o Conde Lucanor (1335)
eine der ersten Prosaschriften in spanischer Sprache
eigenständiges Werk, wenn auch inspiriert von arabischer Literatur
Boccaccio, Il Decamerone, entst. 1449/1353
Chaucer, The Canterbury Tales, 1387
Erzählsammlung aus Exempla nach orientalischem Vorbild.
Exempla wurden ursprünglich in Predigten verwendet.
5-teilige Prosasammlung
[2 Prologe]
1. Teil = am bedeutendsten: besteht aus 51 Erzählungen (= Exempla)
2.-4. Teil: Sprichwörter
5. Teil Anleitung fürs Seelenheil
ernste Weltsicht, pessimistisch; Krise der mittelalterlichen Ständegesellschaft
didaktisch-moralisierend: Erzählungen als Ratgeber für Menschen in Bezug auf das Verhalten
auf Erden und auch für ihr Seelenheil
Zielpublikum: gebildete Elite, die in der Volkssprache liest: = v.a. Adel
Aufbau der Erzählungen:
schematische narrative Struktur, die sich wiederholt:
·Haupt-Rahmenerzählung/-handlung: verbindet die einzelnen cuentos/ejemplos
miteinander: heterodiegetischer Erzähler, der von Conde Lucanor und Patronio
berichtet
·Rahmenerzählung, die sich durch das ganze Buch zieht
Inhalt: Der Graf Lucanor bittet bei versch. Anlässen seinen Diener/Berater Patronio um Rat.
Dieser illustriert seine Antworten mit lebendigen, stark dialogischen Erzählungen.
(= bevorzugtes Muster der orientalischen Erzählungen)
Der Conde Lucanor stellt ein Problem dar (Fälle: Ehre, Besitz, Stand usw.)
Patronio äußert denkt darüber nach und äußert sich dazu: gibt persönliche Einschätzung ab
(lehrhaft, mit Exempla) => er entwickelt eine Erzählhandlung (intriga)
Hauptteil/Kern der Erzählung (Exposition der Erzählung): eingebettetes
Exemplum (ejemplo):
Eingeschobene Erzählung (relato intercalado): eine Erzählung/Fabel, Parabel, usw., die einen lehrhaften Inhalt anhand eines Beispiels anschaulich präsentiert
oPräsentation (Personen und Situation, Problemstellung
oEntwicklung/Weiterführung des Themas
oAuflösung
Das Exemplum wird in einen Erzähltext als eigenständige Erzählung eingebaut
(intradiegetisch) und wird als tatsächlich vorgefallen präsentiert.
Stärkerer Einfluss durch fiktionale Präsentation (stärkeres Einfühlen des Lesepublikums,
gleichzeitig kein persönlicher Angriff)
·Schluss: Anwendung oder didaktische Aufösung = zurück zur Rahmenerzählung
oPatronio nimmt auf das ursprüngliche Problem Bezug
Zusammenfassung der lehrhaften Aussage = Moral (moraleja; wie bei einer Fabel) in
einem Reimpaar:
Distichon (2-zeiliger Vers, sechs- und fünffüßig)
zurück zur Hauptrahmenerzählung:
·Der Erzähler schließt (El Conde ebenso)
·Der anonyme Don Johan äußert seine Meinung
Exemplo XXXV: Lo que sucedió a un mozo que casó con una muchacha de muy mal carácter
Kommunikatonsstruktur: Mise en abyme (Spiegelung auf mehreren Erzählebenen)
Kommunikation zw. Autor und Erzähler auf extradiegetischer Ebene (Genette) => Botschaft = Exemplum: Erzählung gesamt
Kommunikation zw. Conde Lucanor und Patronio auf intradiegetischer Ebene => Botschaft = eingeschobene Erzählung
Figuren der exemplarischen Erzählung: => Botschaft = Exemplum: Handlung dieser Figuren
Kommunikation zwischen Botschaft
Autor Leser Exemplum gesamte Erzählung
Conde Lucanor Patronio Exemplum eingeschob Erzählung
Figur der Figur der
eingeschobenen eingeschobenen Exemplum die Handlung
Mitschrift: Wege zur Literaturgeschicht­e 1.VO: 03.03.2011 Literaturgeschicht­e Grundwissen! (evtl. noch Werke lesen!) Begriffsdefinition --> Gegenstandsbereich selbst, d.h. die Gesamtheit der „Literatur-Ereigni­sse“ im Laufe der Zeit, die mit dem Entstehen, Veröffentlichen…
...[weiter lesen]