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Seminararbeit / Hausarbeit

Migration und Gesund­heit - Trans­kul­tu­relle Kompetenz

5.007 Wörter / ~17 Seiten sternsternsternsternstern_0.5 Autorin Lisa B. im Aug. 2016
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Seminararbeit
Gesundheitswesen

Universität, Schule

Hochschule Bremen

Note, Lehrer, Jahr

1,0, Teuber, 2013

Autor / Copyright
Lisa B. ©
Metadaten
Preis 8.00
Format: pdf
Größe: 0.18 Mb
Ohne Kopierschutz
Bewertung
sternsternsternsternstern_0.5
ID# 58123















Migration und Gesundheit


Transkulturelle Kompetenz





Hausarbeit


Hochschule Bremen

Internationaler Studiengang Pflege- und Gesundheitsmanagement

Inhaltsverzeichnis

Einleitung 3

1. Transkulturelle Kompetenz 4

1.1. Theorie von Leininger zur „Transkulturellen Pflege“ 4

1.2. Konzept der transkulturellen Kompetenz nach Domenig 7

2. Gesundheits- und Krankheitskonzepte 10

2.1. Ansatz von Kleinmann als Erklärungsmodell 10

2.2. Kulturspezifische Gesundheits- und Krankheitskonzepte 11

3. Transkulturelle Kommunikation 13

3.1. Die Bedeutung von Kommunikation für die transkulturelle Kompetenz 13

3.2. Nonverbale Kommunikation in der transkulturellen Pflege 15

Fazit 17

Literaturverzeichnis 19

Bibliografie 19

Einleitung

Seit 2009 leben circa 16 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland. Die gestaltungsbezogene Anforderungen an das Gesundheitssystem werden durch Migration und Multikulturalität erhöht. Einerseits profitiert Deutschland von der Zuwanderung, zum Beispiel bei der Problematik der verringerten Arbeitskräfteanzahl aufgrund des demografischen Wandels. Andererseits muss ein Gesundheitssystem entwickelt werden, das der vielfältigen Bevölkerung gerecht wird.

Wichtig dabei ist, dass Organisationen in der Gesundheitsbranche und die Gesundheitswissenschaftler nicht starr an ihren eigenen kulturellen Annahmen festhalten, sondern genauso wie die fremden auch die eigenen kulturellen Paradigmen einer Überprüfung unterziehen. Es soll im Gesundheitswesen ein Umgang mit der Multikulturalität entstehen, der es vermeidet, dass einige Gruppen gesundheitlich benachteiligt werden.

Ziel ist eine gesundheitliche Chancengleichheit für alle Gruppen der Bevölkerung. Die Begegnung bzw. Konfrontation mit Migranten1 im Gesundheitsbereich bringt einige Schwierigkeiten mit sich. Aufgrund von ungenügender transkultureller Kenntnisse ergeben sich Problematiken. Die Wertvorstellungen, sozialen Handlungen sowie der Umgang mit Gesundheits- und Krankheitssituationen der Migranten weichen von denen aus unserer Kultur ab und verunsichern das Fachpersonal.

Sprachbarrieren erschweren zusätzlich den Umgang und das Verständnis. Die verbale und nonverbale Kommunikation verläuft oftmals auf unterschiedlichen Ebenen und in verschiedenen Interpretationsrahmen ab. Diese Schwierigkeiten führen oftmals zu einer distanzierten Haltung der Fachpersonen gegenüber den Migranten und die Behandlung wird auf das Minimum reduziert. Im Folgenden werden zwei Theorien von Leininger und Domenig zur transkulturellen Kompetenz vorgestellt.

Sie beschreiben, wie Fachpersonen im Gesundheitswesen handeln sollten, um dem Migranten mit seiner individuellen Lebenswelt im Pflege- oder Behandlungsprozess gerecht zu werden. Anschließend wird der Ansatz von Kleinmann als Erklärungsmodell für Gesundheits- und Krankheitskonzepte erläutert. Der Ansatz bietet eine Grundlage für das Verständnis von kulturspezifischem Umgang mit Gesundheits- und Krankheitssituationen.

Weiterhin werden die kulturspezifischen Gesundheits- und Krankheitskonzepte von Migrantinnen türkischer Herkunft beschrieben, um Unterschiede aufzuzeigen, die in der Pflege und der Behandlung reflektiert und berücksichtigt werden müssen. Abschließend wird die Bedeutung von Kommunikation für die transkulturelle Kompetenz aufgezeigt und der Aspekt der nonverbalen Kommunikation beleuchtet.

  1. Transkulturelle Kompetenz

    1. Theorie von Leininger zur „Transkulturellen Pflege“

Madeleine Leininger war eine Pflegekraft die in den 1950er-Jahren die „Transkulturelle Pflege“ als einen neuen Zweig der Pflegewissenschaften ins Leben rief. Ihre Theorie sollte folgendes Ziel verfolgen:

Das Ziel der Culture Care theory war es, Unterschiede und Universalien der menschlichen Sorge, in Beziehung zur Weltanschauung, sozialer Struktur und anderen Dimensionen […] herauszufinden, und dann Wege zum Leisten einer kulturell kongruenten Pflege für Menschen anderer oder gleicher Kulturen zu finden, um deren Wohlergehen, Gesundheit zu erhalten oder zurückzuerlangen, oder dem Tod in einer kulturell angemessenen Weise zu begegnen.

Das Ziel der Theorie ist es, die kulturell kongruente Pflege so zu verbessern und zu erbringen, dass sie zuträglich ist, zum Klienten passt und nützlich für ihn, seine Familie oder für die gesundheitliche Lebensweise der Kulturgruppe ist.“ (Leininger, 1991 zitiert in de Jong und Visser, 2002, S. 89)

Im Mittelpunkt ihrer Theorie steht die Sorge als Grundsatz des Pflegeberufs und die Fachpersonen sollten beginnen „Pflegephänomene mit den Augen der Patienten zu sehen“ (de Jong und Visser, 2002 S. 16). Zudem nimmt der Begriff „Kultur“ einen hohen Stellenwert in der Theorie Leiningers ein. In ihrer Theorie wollte sie den Zusammenhang der beiden Begriffe im Kontext der Pflege verdeutlichen und den Einfluss von Kultur auf das .....[Volltext lesen]

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    1. Konzept der transkulturellen Kompetenz nach Domenig

Im Gegensatz zum Modell von Leininger stellt Domenig in ihrem Konzept nicht die Kulturen in den Mittelpunkt sondern die zwischenmenschliche Interaktion, die geprägt ist von professionellem, kompetentem Handeln gegenüber Migranten. Bei Domenig (2007, S. 174) wird transkulturelle Kompetenz2 wie folgt beschrieben:

Transkulturelle Kompetenz ist die Fähigkeit, individuelle Lebenswelten in der besonderen Situation und in unterschiedlichen Kontexten zu erfassen, zu verstehen und entsprechende, angepasste Handlungsweisen daraus abzuleiten“.

Diese Fähigkeit ist nicht angeboren, sondern muss erlernt werden. Dabei müssen eigene Meinungen und Haltungen systematisch überdacht werden und in Bezug zu Fremdartigem gesetzt werden (Hax-Schoppenhorst und Jünger, 2010). Domenig (2007, S. 174) beschreibt dies in ihrem Buch wie folgt: „Transkulturell kompetente Fachpersonen reflektieren eigene lebensweltliche Prägungen und Vorurteile, haben die Fähigkeit die Perspektive anderer zu erfassen und zu deuten und vermeiden Kulturalisierungen und Stereotypisierungen von bestimmten Zielgruppen“.

Die genannte Stereotypisierung findet häufig automatisch statt und soll im transkulturell kompetenten Handeln nicht mehr vorzufinden sein. Bei der Stereotypisierung werden bestimmte Merkmale von Personen verallgemeinert und von einem Menschen dieser Gruppe auf alle anderen Personen in dieser Gruppe übertragen. „Stereotype sind kognitive Ordnungsmuster, die ein bestimmtes gleichbleibendes oder häufig vorkommendes Schema beschreiben“ (Hax-Schoppenhorst und Jünger, 2010, S. 112).

Stereotypisierung hilft uns dabei Verhaltensweisen und Eigenschaften von unseren Mitmenschen schneller begreifen zu können, da die Welt in der wir leben sehr komplex ist. Stereotype verleihen Sicherheit und lassen Unbekanntes berechenbarer wirken. Jedoch verleitet diese Verallgemeinerung dazu, dass die Realität nicht mehr wahrgenommen wird. Es kommt zu fehlerhaften Entscheidungen oder Handlungen aufgrund dessen, dass keine Unterschiede wahrgenommen werden, sondern nur die Eigenschaften, die in das Schema passen.

Stereotypisierung findet meistens im Negativen statt, bestehen aber auch im Positiven (Hax-Schoppenhorst und Jünger, 2010). In dem Konzept der Transkulturalität geht es vor allem darum, dass nicht nur Unterschiede in den Kulturen gefunden werden, sondern auch Gemeinsamkeiten erschlossen werden. Verständnis und Akzeptanz soll im Vordergrund stehen und die Vermeidung von Ab- und Ausgrenzungen als Ziel gegeben sein (Domenig, 2007).

Hax-Schoppenhorst und Jünger (2010, S. 115) bezeichnen Transkulturalität als ein „verstehendes Konzept, eine Einstellung, aus der Handlungen entstehen, die von Offenheit geprägt sind“. Die drei wichtigen Prozesse im Konzept der transkulturellen Kompetenz sind Selbstreflexion, Hintergrundwissen und Erfahrung und narrative Empathie. Diese drei Säulen sollen zu einem transkulturell kompetenten Verhalten führen.

Ohne den Prozess der Selbstreflexion, der dabei hilft die eigene Lebenswelt besser wahrzunehmen, sind Personen nicht in der Lage die Lebenswelten der Migranten zu verstehen. Ein besseres Verständnis gegenüber den Migranten wird zudem durch Hintergrundwissen und Erfahrungen erreicht. Die narrative Empathie im Konzept der transkulturellen Kompetenz führt zu Respekt und Schätzung gegenüber den Migranten (Domenig, 2007).

Um das Konzept besser zu verstehen werden im Folgenden die drei Säulen des Konzepts näher erklärt. In der Phase der Selbstreflexion geht es darum, sich selbst und seine Lebenswelt zu hinterfragen. Wir wachsen in einer Gesellschaft und Umgebung auf, in denen Eigenschaften und Verhaltensweisen vorherrschen, die wir als Normalität ansehen. Diese sogenannte Normalität w.....

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Transkulturelle Kompetenz ist die Fähigkeit, individuelle Lebenswelten in der besonderen Situation und in unterschiedlichen Kontexten zu erfassen, zu verstehen und entsprechende, angepasste Handlungsweisen daraus abzuleiten. Transkulturell kompetente Fachpersonen reflektieren eigene lebensweltliche Prägungen und Vorurteile, haben die Fähigkeit die Perspektive anderer zu erfassen und zu deuten und vermeiden Kulturalisierung und Stereotypisierung von bestimmten Zielgruppen“.


  1. Gesundheits- und Krankheitskonzepte

    1. Ansatz von Kleinmann als Erklärungsmodell

Kleinmann ist der Ansicht, dass Gesundheitssysteme sozial und kulturell geprägt sind und untersucht, wie Menschen in diesen Gesundheitssystemen handeln, reagieren und Ressourcen nutzen. Das gibt Aufschluss darüber, wie Menschen in ihrer soziokulturellen Lebenswelt mit Krankheit umgehen und welche Unterschiede in der Wahrnehmung, Erklärung und Behandlung bestehen.

Bei Kleinmann wird eine Erkrankung aus zwei Blickwinkeln betrachtet. Dabei gibt es die illness-Betrachtungsweise und die disease-Betrachtungsweise. Illness beschreibt dabei den Aspekt des „Krankseins“ und disease den der „Krankheit“. Beide Sichtweisen sind Erklärungsmodelle für die Wahrnehmung, Beschreibung und Benennung von einer Erkrankung. Die disease-Methode betrachtet die Perspektive der Mediziner bzw. der Biomedizin.

Sie beäugt die Erkrankung eines Patienten und beschreibt den Verlauf der Krankheit und typische Symptome aufgrund der Anamnese und mit Hilfe von diagnostischen Methoden. Der Fokus liegt dabei auf naturwissenschaftlichen und medizinischen Gesichtspunkten, nach denen auch die Behandlung ausgelegt ist, die dem Patienten häufig nicht das Gefühl von Gesundheit und Heilung gibt.

Die disease-Betrachtung besteht auch ohne die individuelle illness-Beschreibung des Patienten. Die illness-Methode beschreibt, im Gegensatz zu disease, die subjektive Sichtweise des Patienten auf sein individuelles Krankheitserleben bzw. Wohlbefinden. Neben dem medizinischen Aspekt spielen dabei soziale, psychische und kulturelle Faktoren die entscheidende Rolle. Illness wird über ein ungenügendes Wohlbefinden wahrgenommen.

Dieses kann sich in Schmerzen, Funktionseinschränkungen oder Ähnlichem äußern. Das mangelhafte Wohlbefinden ist Voraussetzung. Ist dies nicht vorhanden, so empfinden die Patienten ihren Zustand nicht als krank, selbst wenn aus der disease-Perspektive eine Erkrankung diagnostiziert ist, wie zum Beispiel bei Bluthochdruck. Im Gegensatz dazu kann ein Mensch jedoch auch eine illness-Erfahrung machen, ohne dass aus biomedizinischer Sicht eine Erkrankung festgestellt wurde, wie zum Beispiel bei .....

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Das Empfinden von Gesundheit ist demnach bei diesen Frauen leistungsorientiert geprägt. Zudem vertreten die Befragten die Ansicht, dass man für seine körperliche Gesundheit verantwortlich ist und durch Bewegung, gesunde Ernährung und Vermeidung einer ungesunden Lebensweise viel bewirken kann. Die Migrantinnen betrachten Gesundheit als einen ganzheitlichen Prozess und nicht als einen vorhandenen oder nicht vorhandenen Zustand.

Für sie bedeutet Gesundheit Wohlbefinden, für das man teilweise selbst Verantwortung übernehmen kann und Funktionsfähigkeit gegenüber Anforderungen, die an sie gestellt werden. Die Krankheitskonzepte der befragten Migrantinnen sind deutlich komplexer. Sie werden in verschiedenen Theorien4 unterteilt, die eine jeweils andere Sicht auf die Krankheit bieten. Die religiöse Theorie vertritt die Meinung, dass Krankheiten eine Bestrafung von Allah sind.

Die Migrantinnen stellen sich die Frage, ob sie ein schlechter Mensch sind oder einen Fehler im Leben begangen haben, den Allah nun mit Krankheit straft. Ebenso sind sie der Meinung, dass auch Dämonen dafür verantwortlich sein können, dass eine Krankheit entsteht. Die naturgebundene Theorie stellt eine Kausalität zwischen dem Wetter oder anderen Naturgegebenheiten und der Krankheitsentstehung her, die oftmals auch mit seelischem Befinden in Verbindung gebracht werden.

Eine weitere Theorie, die bei den Migrantinnen vorherrscht, ist die organmedizinische Kausalitätstheorie. Diese Theorie erklärt organische Probleme als Ursache für eine Erkrankung. Bei den älteren Befragten findet diese Theorie keinen Anklang, da sie Krankheit mit einem Gefühl von Unwohlsein oder Schmerzen verbinden. Viele Erkrankungen, die ohne Schmerzen einhergehen, werden von den Befragten der ersten Generation daher nicht als Krankheit wahrgenommen.

Ein weiterer Weg der Krankheitsentstehung liegt laut der befragten Migrantinnen in verhältnisbezogenen Ursachen, wie zum Beispiel Arbeitsplatzbelastungen. Die emotive und auch die somatische Theorie beziehen sich auf Gefühlszustände bzw. werden verwendet, um das seelischen Befinden zu beschreiben. Zum Beispiel machen Stress und Sorgen laut der emotiven Kausalitätstheorie krank.

Die somatische Theorie beschreibt demnach eher Gefühle wie ein „stehengebliebenes Herz“, wenn man Angst oder Schrecken empfunden hat (Domenig, 2007). Einige Theorien ähneln unseren Vorstellungen von Gesundheit und Krankheit. Andere sind wiederum sehr konträr. Es geht jedoch nicht darum, Gleiches oder Ungleiches zu finden, sondern den Menschen in der Pflegesituation individuell zu betrachten und zu versuchen ihn und seine Lebenswelt zu verstehen.

Voraussetzung dafür ist, dass man sich mit dem Menschen und seinen Vorstellungen und Erwartungen beschäftig.....

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Ebenso ist die Kommunikation bzw. die Sprache von eigenkulturellen Ansichten geprägt:

„“Die Häuser in Finnland sind ja mit unseren in keiner Weise zu vergleichen!“ impliziert bereits das Urteil, dass die Finnen längst nicht so solide Häuser bauen wie die Deutschen. Damit gelten deutsche Häuser undiskutiert als besser, ohne dass auch nur der Frage nachgegangen wird, warum z.B. in Finnland andere Baumaterialien Verwendung finden“ (Hax-Schoppenhorst und Jünger, 2010, S. 96).

All dies kann zu Störfällen in der Kommunikation führen. Für die Pflege und Behandlung und die transkulturelle Kompetenz ist es daher wichtig, dass man im wechselseitigen Kommunikationsprozess die Kultur des anderen zu verstehen versucht und die Signale des Migranten nicht aus seinem eigenen kulturellen Blickwinkel betrachtet. Diese Aufgabe ist umso schwerer, je weniger Übereinstimmungen zwischen den Kulturen bestehen.

In solchen Fällen kommt es häufig zu Missverständnissen. Ein weiteres Beispiel aus der Pflege soll dies verdeutlichen. Ein Patient mit türkischer Herkunft erlitt einen Arbeitsunfall und zog sich dabei einen komplizierten Beinbruch zu. Nach einem operativen Eingriff wurde er nach einer Woche mit einem Gips nach Hause entlassen. Der Patient bekam starke Schmerzen und erhielt über Telefon vom Krankenhaus den Rat Schmerzmittel einzunehmen.

Der Migrant war der Überzeugung, dass seine Beschwerden nicht ernst genommen wurden, so dass er in eine andere Klinik fuhr. Dort wurde das Bein nur flüchtig betrachtet und ebenfalls ein Schmerzmittel verschrieben. Am nächsten Tag konstatierte eine benachbarte Pflegekraft bläuliche, kalte Zehen. Es wurde eine Nekrose aufgrund des drückenden Gipsverbands und eine Thrombose festgestellt.

Das Bein wurde nicht wieder funktionstüchtig und der Patient war mit 52 Jahren dadurch arbeitsunfähig. Das Fachpersonal hatte die Schmerzäußerungen des Migranten aus ihrem kulturellen Interpretationsrahmen betrachtet und aufgrund des Vorurteils, dass Migranten türkischer Herkunft Schmerzen stärker ausdrücken, wichtige Fakten übersehen. Es findet keine wechselseitige Kommunikation und keine Wahrnehmung des Individuums statt, sondern eine Lenkung des Prozesses durch die Interpretationsrahmen der Fachpersonen (de Jong und Visser, 2002).

Der syrisch-deutsche Schriftsteller Rafik Schami hat den entscheidenden Aspekt der Kommunikation im transkult.....

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Nonverbale Sprache ist ein Gefüge von Gesten, Haltungen, Bewegungen und Gesichtsausdrücken, mit denen Gefühle, Standpunkte, Meinungen und auch Vorurteile als Botschaften bewusst oder unterbewusst ausgedrückt und gesendet werden. Nonverbale Sprache ist ebenso wie die verbale Sprache kulturell geprägt. Gesten, die in der deutschen Kultur als freundlich und positiv gelten können aus der Perspektive einer anderen Kultur geradezu kontrovers verstanden werden.

Selbst augenscheinlich universelle nonverbale Äußerungen wie zum Beispiel Freude oder Trauer sind nie identisch, da sie immer aus dem eigenen Interpretationsrahmen und der eigenen Sichtweise betrachtet werden. Die Generalisierung von nonverbaler Sprache kann zu Missverständnissen und folglich zu fehlerhaftem Handeln führen (de Jong und Visser, 2002). Im Kontext der transkulturellen Kompetenz ist es daher notwendig, die nonverbalen Äußerungen des Migranten nicht aus dem eigenen Interpretationsrahmen zu betrachten, sondern den kulturellen Hintergrund des Patienten, der zu diesen Äußerungen führt, zu betrachten.

Ein altes Sprichwort besagt, dass Blicke mehr sagen als tausend Worte. Bei der Arbeit mit Migranten ist die eigene Gestik von großer Bedeutung. Es besteht eine gesteigerte Aufmerksamkeit gegenüber den nonverbalen Äußerungen, aufgrund eventueller Einschränkungen in der verbalen Kommunikation und aufgrund des kulturellen Hintergrunds (Hax-Schoppenhorst und Jünger, 2010).

Die nonverbalen Gegebenheiten beeinflussen den wechselseitigen Kommunikationsprozess. In der Literatur wird von „Ko-orientierung“ gesprochen. Es beschreibt die gegenseitige Aufmerksamkeit von sich Begegnenden, die visuell geleitet ist und eine wechselseitige Kommunikation als Folgereaktion hervorrufen kann. Wird der Blick jedoch abgewendet, so erlischt die entstandene Ko-orientierung und es kommt aufgrund von „wechselseitiger Kontingenz“ zu keinem kommunikativen Austausch.

Kontingenz beschreibt in diesem Kontext die Reaktion einer Person B auf das vorangegangene Verhalten einer Person A. Von Bedeutung ist dieses Konzept für Personen, deren Begegnung sich nicht vermeiden lässt wie zum Beispiel eine Begegnung zwischen Migrant und Pflegepersonal. Das Reagieren des Pflegepersonals auf Verhaltensweisen des Patienten kann aufgrund von Fehlinterpretation der nonverbalen Äußerungen zu falschen Folgehandlungen führen.

Diese können nur korrigiert werden, wenn das Fachpersonal Kenntnis über die Fehlinterpretation bekommt. Transkulturell kompetente Pflegepersonen müssen ihre Interpretation kontinuierlich hinterfragen, um eine Doppeldeutigkeit der nonverbalen Äußerung auszuschließen. Die nonverbalen Zeichen des Patienten können einerseits ein tatsächlicher Ausdruck seiner Gefühle sein, jedoch auch als Reaktion auf das Verhalten des Fachpersonals zu verstehen sein.

Dadurch verlässt die Pflegekraft ihren eigenen, starren Interpretationsrahmen und ist offen gegenüber dem Migranten und seinem kulturellen Kontext (Altorf.....

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