Michelangelo
Buonarroti (1475-1564)
Interpretation
vom bärtigen Sklaven und ein kurzer Vergleich mit der Laokoon Gruppe
(Hagesandros, Athenadoros und Polydoros – 3 rhodische Bildhauer):
Der
„bärtige Sklave“ aus den Jahren 1520-1532 besteht aus Marmor und
befindet sich in der Akademie in Florenz. Die Skulptur stammt von
Michelangelo Buonarotti und hat eine Höhe von 263 cm. Hier wird ein
muskelöser Männerakt in einer niedergedrückten Haltung auf einem
Sockel dargestellt. Mit seinem rechten angewinkelten Arm fasst er
sich an den Kopf, während sein linker Arm im Block verschwindet.
Auf den
ersten Blick scheint die Skulptur sehr massiv zu sein. Sie ist
teilweise sehr detaillreich und perfekt ausgearbeitet (s.
Oberkörper), dennoch scheint sie aber nicht vollendet zu sein.
Hierbei handelt es sich um eine „Non-finito“ Skulptur, d.h. die
Bearbeitung der Skulptur wurde abgebrochen. Es gibt verschiedene
Gründe dafür, z.B weil der Künstler zu viele neue Aufträge
bekommen hat oder seine künstlerische Vorstellung sich verändert
hat.
Außerdem
besteht die Skulptur aus einem massiven Marmorblock und nicht aus
Einzelteilen. Eben diese Machart kann man gut erkennen, weil man
sieht dass die Figur nicht zusammengesetzt ist. Der Sklave befindet
sich zur Hälfte noch im Marmorblock, wodurch er blockhaft wirkt. Die
Proportionen spielen bei Michelangelo eine wichtige Rolle. Hier sind
sie stimmig und ausgewogen. Der „bärtige Sklave“ ist eine
überlebensgroße Skulptur. Sein Oberkörper scheint in den Raum
gestreckt zu sein. Sein rechter Arm und die Beine sind nicht in den
Raum integriert, denn sie gehören zum ursprünglichen Marmorblock.
Dies bedeutet, dass das Werk raumabweisend ist. Die Skulptur nimmt
viel Platz im Raum ein, weil sie so massig ist. Auffällig ist die
Körperbewegung. Der Arm ist nach oben greifend und das Knie ist nach
vorne gerichtet.
Die
Skulptur steht auf einem herausgearbeiteten Sockel. Seine Funktion
ist die Standfestigkeit und Stabilität der Skulptur. Die Stabilität
kann man auch gut an dem kräftigen Körper und den dicken Armen und
Beinen erkennen. Der Rumpf ist, bis auf die Rückenpartie,
größtenteil bearbeitet. Die Skulptur sollte generell stabil sein,
da sie als ein Strebepfeiler dienen sollte. Der Sklave ist nur von
vorne erkennbar, hinten ist er nicht bearbeitet worden. Je nach dem
Standort des Betrachters ändert sich die Perspektive und der
Gesamteindruck der Skulptur.
Einerseits
ist die Figur frei stehend, andererseits sollte sie als Rahmenfigur
eines monumentalen, für Papst Julius den zweiten, bestimmten
Grabbaus dienen.
Die
Oberfläche im Bereich des Oberkörpers ist glatt und poliert, des
restliche Teil ist rau, rissig und spröde. Die Werkspuren sind
ebenfalls zu erkennen.
Das
Licht in diesem Fall kommt von rechts oben. Man erkennt, dass sein
Oberkörper Schatten wirft. Ein Spiel zwischen Schatten und Licht
findet statt, dadurch werden Erhebungen und Vertiefungen sichtbar,
z.B das linke Bein greift in den Raum ein. Die sogenannten konvexe
(nach außen gewölbt) und konkave (nach innen gewölbt) Formen
wechseln sich ab. Daraus ergibt sich ein Kontrast in den
Oberflächenstrukturen von grob splittrigen Bruchkanten bis zu den
weichen Wölbungen der Muskulatur.
Die
Skulptur zeigt trotz ihrer stehenden Haltung dynamische Bewegungen.
Sie
befindet sich in einer Pose, als hätte sie eine schwere Last auf den
Schultern. Hier kommt eine innere Stärke zur Ausdruck. Es sieht so
aus, als würde der „bärtige Sklave“ gefangen sein und einen
Schmerz ertragen müssen. Leid und Schmerz kann man an seiner
Körperhaltung erkennen. Trotz seiner „Unvollendheit“ strebt er
nach entgültiger Befreiung.
Die
Skulptur ist ein dreidimensionales Werk, das durch subtraktives
Verfahren erarbeitet wurde (lat. sculpere). Bevor Michelangelo eine
Skulptur erschaffte, formte er kleine Bozatti. Diese sind kleinere
Varianten einer größeren Skulptur, die meist aus Ton bestehen. Sie
dienen außerdem als Vertragsgrundlage zwischen Auftraggeber und
Künstler. Wenn der Auftraggeber zufrieden war, dann begann
Michelangelo den Stein von meist mehreren Seiten zu bearbeiten. Er
arbeitete nach dem Wasserkastenprinzip und in Schichten, was
bedeutet, dass er erst grobe Formen herausschlug und sie dann im
Detail bearbeitete.
Die
Skulptur „Laokoon“ wurde im Jahr 1.Jh.n. Ch. von Hagesandros,
Athenadoros und Polydoros angefertigt. Sie befindet sich in Rom in
der vatikanischen Sammlung, hat die Höhe von 184 cm und besteht
ebenfalls aus Marmor.
Als die
Skulptur im Jahr 1506 in Rom gefunden wurde, wurde Michelangelo zu
ihr geschickt um sie genauer anzuschauen. Michelangelo war tief
beeindruckt von der „Laokoon“ Skulptur. Sie war für ihn eine
Inspiration. Man kann dies gut an dem „bärtigen Sklaven“
erkennen, dass er sich eben mit dem menschlichen Körper
beschäftigte.
Denn das
zentrale Thema der griechischen Kunst war die menschliche Gestalt.
Der
größte Unterschied zwischen den beiden Skulpturen besteht darin,
dass eines „Laokoon“ vollendet wurde und das andere der„bärtige
Sklave“ nicht.
Die
größte Gemeinsamkeit ist, dass der „bärtige Sklave“ ebenfalls
mächtig, lebensgroß, menschlich und muskelös dargestellt wurde wie
die „Laokoon“ Gruppe. Ein Beispiel dafür sind die Muskeln,
Michelangelo hat die Muskeln vom „bärtigen Sklaven“ so
realistisch erarbeitet. Man
Dies
zeigt sein anatomische Wissen. Denn er hat sehr viele Skizzen und
Aktstudien gemacht.
Beide
Skulpturen haben einen Sockel, der für die Stabilität dient. Die
S-Bewegung bei der „Laokoon“ gruppe ist deutlich erkennbar,
genauso wie die Bewegung bei dem „bärtigen Sklaven“. Zudem
setzte er sich mit den griechischen mythologischen Themen
auseinander, wie es bei den beiden Skulpturen der Fall ist.
Michelangelo
wurde stark von der glatten Oberfläche, Proportionen,
Wirklichkeitsbezug, anatomische Genauigkeit, Haltung und Ausdruck der
antiken Skulpturen beeiflusst. Man sagt auch die Antike ist die
Wiedergeburt der Renaissance.