Jugendsprache
– Merkmale und Funktionen
Inhaltsverzeichnis
1
Einleitung 3
2
Jugendsprachforschung 4
3
Begriff
‚Jugend‘ 5
4
Ansätze
der Jugendsprachforschung 6
4.1
Ansätze
nach Androutsopoulos 6
4.2
Merkmale
der Jugendsprache 8
5
Funktionen
der Jugendsprache 9
5.1
Ausdrucksfunktion 10
5.2
Darstellungsfunktion 11
5.3
Appellfunktion 11
6
Conclusio 13
7
Literaturverzeichnis 15
1
Einleitung
Zweifelsfrei
ist der Forschungsgegenstand der „Jugendsprache“ nicht nur eine
aktuelle Erscheinung der Gegenwartssprache, sondern eher als
historisches Phänomen zu klassifizieren.
Vor
allem in der gesprochenen Sprache ist die Jugendsprache als manifeste
Varietät des Deutschen zu bezeichenen. Im Gegensatz zu dialektalen
Varietäten, die über einen längeren Zeitraum gesprochen werden,
bezeichnet die Jugendsprache eine generationsspezifische
Übergangsvarietät vom Kind zum Erwachsenen. Der Sprachgebrauch der
Jugendlichen unterscheidet sich dahingehend, dass sie in der ein oder
anderen Weise von anderen Altersgruppen der Stadardvarietät
abweichen.
1
In
der vorliegenden Arbeit soll das Thema ‚Jugendsprache’ kurz
umrissen werden. Zu Beginn soll die Forschungsgeschichte bzw. der
Forschungsstand kurz erwähnt werden und der Begriff ‚Jugend‘
selbst geklärt werden. Hauptthemen sollen vor allem die Merkmale und
Funktionen der Jugendsprache sein. Um die Merkmale gut abgrenzen zu
können und keine Verwirrung zu stiften wurden sie auf die
Forschungsansätze Androutsopoulos und auf Reinkes Ebenen der Sprache
eingegrenzt. Die Darstellung der Funktionen wurden hingegen unter
Zuhilfenahme der Einteilung Augensteins in: Ausdrucks-, Darstellungs-
und Appellativfunktion bearbeitet.
2 Jugendsprachforschung
Das
Phänomen der Jugendsprache ist kein Produkt der Neuzeit. Bereits vor
geraumer Zeit entwickelten Jugendliche einen eigenen Sprechstil, der
sie von älteren Generationen unterschied.2
Die Kenntnis über das Vorkommen der Jugendsprache verdanken wir
einer fast zweihundertjährigen Tradition von historischen
Wörterbüchern und Dokumentationen über die Studentensprache;
bereits vor Beginn ihrer wissenschaftlichen Erforschung.3
Diese Überlieferungen geben Auskunft über den Sprachgebrauch und
Lebensstil der akademischen, männlichen Jugend und ihren zentralen
Erfahrungsbereichen und sozialen Wertungen. Außerdem sind bereits zu
diesem Zeitpunkt Indikatoren für einen regionalen und
gruppenspezifischen Gebrauch erkennbar.4
Gegen
Ende des 19. Jahrhundert nahm sich die frühe Sondersprachforschung
der Jugendsprache an. Von großem Interesse war vor allem die
Entstehung des Wortschatzes mit dem Bereich der Etymologie, d. h. die
Herkunftsbereiche des Sonderwortschatzes, seine sprachlichen
Bildungsmittel und der allmähliche Übergang in stilistische
Schichten der Gemeinsprache und der Literatursprache.5
„Die Berücksichtigung der historischen Perspektive führt zu der –
auch für die heutige Jugendsprachforschung wesentlichen –
Erkenntnis, dass die Erscheinungs- und Funktionsweisen der
Jugendsprache nicht ohne Bezug zu den jeweiligen sprach- und
kulturgeschichtlichen Verhältnissen und zur dominanten Sprachkultur
zu verstehen sind, zu deren Wandel sie schließlich beitragen.“6
Mit
dem Ende der 1950er Jahre geriet insbesondere das Spannungsverhältnis
zwischen Sprache, Jugend und Gesellschaft in den Mittelpunkt der
Forschungen. Vorwiegend wurden Erscheinungsformen wie das sogenannte
‚Halbstarken-Chinesisch‘ und ‚Teenager-Jargons‘ kritisiert,
da sie zur damaligen Zeit als Bedrohungen gegenüber der
Standardsprache angesehen wurden. Die Jugendbewegungen der 50er Jahre
und das ‚Teenagertum‘ der 60er Jahre könnten als Vorläufer der
heutigen Jugendsprachen und Jugendkulturen gelten.
7
Aufgrund
der Jugendrevolte Ende der 70er Jahre wurde die Jugendsprache als
Thema der öffentlichen Diskussion immer aktueller, wobei sich die
Gesellschaft eher über den ‚Sprachverfall‘ beklagte, den die
Jugendsprache mit sich brachte. Trotz der Intensität der
öffentlichen Diskussionen wurde die Erfoschung nicht vorangetrieben.
1981 kam Henne zum Schluss, dass es „eine
linguistische Jugendsprachforschung nicht gibt“.8
Um eine empirische Erhebung und theoriegeleitete Bescheibung des
Sprachgebrauchs der Jugendlichen darzustellen, gab es noch zu viele
theoretische und methodische Probleme zu lösen.9
Seit
den 1980er Jahren wird eine linguistische Jugendsprachforschung
betrieben.10
In den Vordergrund der Foschung traten nun „die
Beschreibung überwiegend mündlicher situationsgebundener und
gruppenspezifischer Sprachstile mittels sprachpragmatischer und
sprachfunktionaler Analysen.“11
Heute
wird die Jugendsprache „als
ein mündlich konstituiertes, von Jugendlichen in bestimmten
Situationen verwendetes Medium der Gruppenkommunikation definiert.“12
Merkmale der gesprochenen Sprache, der Gruppensprache und der
Interaktion kennzeichnen die Sprache. Vor allem die Aspekte der
Schriftsprache in der schriftlichen Kommunikation der neuen Medien
wird immer wesentlicher für die Forschung. Aktuelle Untersuchungen
der Linguistik legen ihr Augenmerk vor allem auf lexikologische und
lexikografische Betrachtungsweisen.13
3
Begriff ‚Jugend‘
Die
heutige Klassifizierung der Jugendphase existiert erst seit relativ
kurzer Zeit. Erst mit Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelte sich
die Definition des Begriffs ‚Jugend‘ hin zur Auffassung einer
autonomen und selbstbestimmten Lebensphase. Der Grund dafür dürfte
die frühzeitige Integration ins Arbeitsleben gewesen sein, welche
eine Entfaltung der Jugend, wie wir sie heute kennen, nicht zu ließ.
Veränderungen der Gesellschaft, im Besonderen längere
Ausbildungszeiten, verzögern die Übernahme von Verantwortungen als
Erwachsener immer weiter nach hinten, weshalb die Übergangsphase vom
Kind zum Erwachsenen an Dauer gewinnt. 14
„Jugend
kann den Lebensabschnitt bedeuten, in dem man nicht mehr als Kind,
aber – paradoxerweise – noch nicht als Erwachsener angesehen
wird. Die Position der Jugendlichen ist durch eine dippelte
Verneinung, aber zugleich durch auch durch eine doppelte Bejahung
gekennzeichnet.“15
Auf
juristischer Ebene ist diese Übergangsperiode mit vollendetem 18.
Lebensjahr abgeschlossen, womit man als geschäftsfähig, strafmündig
und damit auch als ‚erwachsen‘ gilt. Definiert wird diese Grenze
jedoch eher durch das individuelle Bewusstsein des Einzelnen.16
Die Zugehörigkeit einer Person zur Jugend kann deshalb als Funktion
des ‚sozialen Alters‘ betrachtet werden. Eine Gruppe von
Gleichaltrigen charakterisiert sich über spezifische
Verhaltensweisen, Kleidung, Gestik, Mimik und Sprache. Somit könnte
der Austritt aus dem Jugendalter, den Verzicht dieser
gruppentypischen Merkmale darstellen. Im Zuge der Shell-Studie von
1992, kam man zum Ergebnis, dass Jugendliche die Jugendzeit erst
zwischen 24-26 Jahren für beendet empfinden.17
Wann
Kinder in das Jugendalter eintreten ist hingegen schwerer
abzugrenzen. Es kann lediglich gesagt werden, dass das Bedürfnis
nach gruppenspezifischen Merkmalen, wie einer gemeinsamen Sprache, in
einer Gruppe von Gleichaltrigen zur selben Zeit auftreten sollte. 18
Das
Fazit von Scheuch (1975) zur Diskussion lautete: „Jugend gibt es
nicht!“ Jedoch gibt es eine Schnittmenge an Gemeinsamkeiten, die
eine soziale Differenzierung zulassen. Unter Bezugnahme der
Gemeinsamkeiten kann man somit von der ‚Jugend‘ als einer
soziologisch klassifizierbaren Teilmenge sprechen.19
4
Ansätze der Jugendsprachforschung
4.1
Ansätze nach Androutsopoulos
Androutsopoulos
versuchte das Forschungsfeld der Jugendsprache in drei Perspektiven
zu fassen:
Korrelative
Perspektive
Der
Grundgedanke der korrelativen Perspektive ist das Konzept des
‚Age-grading‘, wonach der Sprachgebrauch mit dem Alter
korreliert. Das bedeutet also, dass der Gebrauch von bestimmten
dialektalen oder regionalsprachlichen Varianten bei Kindern öfters
anzutreffen ist, als in mittleren Generationen. Entscheidend sind
hierbei altersexklusive sprachliche Muster, die gehäuft in der
Übergangsphase vom Kind zum Jugendlichen einsetzen und mit dem
Beginn des Erwachsenenalters wieder abnehmen. So verwenden jüngere
Generationen stigmatisierende und innovative Stilmittel häufiger als
Erwachsenen. Das vermehrte Auftreten von Tabuwörtern,
Intensivierungen, lexikalischen Varianten und stigmatisierenden
Vulgarismen unter Jugendlichen, entspricht dem ‚Age-grading-Muster‘
und erweist sich somit als ‚jugendtypisch‘.20
Lexikologische
Perspektive
Die
lexikologische Perspektive beschäftigt sich überwiegend mit
jugendspezifischen Routineformeln, wie z.B. prototypischen Merkmalen
der Anrede und der Lautwörterkommunikation.
„Faktisch
gesehen geht es in der lexikologischen Jugendsprachforschung um
Wörter und Ausdrücke (einschliesslich Phraseologismen und
Routineformeln), die a) nicht zur Standardvarietät gehören, b) in
der Kommunikation Jugendlicher [...] habituell verwendet werden und
c) teilweise auch als Auto- und Femdstereotype des jugendlichen
Sprachverhaltens wahrgenommen werden.“21
Linguistische
Untersuchungen greifen auf Methoden der Sondersprach-, Slang- und
Argotforschung zurück. Der Jugendwortschatz wird demnach auf
onomasiologische, semasiologische, genetisch-etymologische,
strukturelle und pragmatische Kriterien untersucht. Im Bereich der
genetisch-etymologischen Forschung kam man zum Schluss, dass der
Jugendwortschatz einen hohen Anteil seines Spektrums aus Entlehnungen
von Fremdsprachen aber auch aus zeitgenössischen Sondersprachen
bezieht.22
Das wichtigste Element zum Ausbau der Jugendsprache, ist laut Henne
jedoch die Wortbildung, wo auch die systematischsten Ergebnisse
vorliegen.23
Interaktionale
Perspektive
Die
interaktionale oder sprecher-orientierte Perspektive bezieht sich auf
den sozialen, ethnischen und persönlichen Kontext des Sprechenden.
Phonologische, lexikalische und strukturelle Merkmale treten in den
Hintergrund und die kommunikativen Funktionen sprachlicher Äußerungen
unter spezifischen sozio-situativen Bedingungen geraten in den Fokus
der Untersuchungen.
Eine
wesentliche Rolle für die Analyse spielt das Konzept der
‚Bricolage‘, was so viel bedeutet wie:
„Verschiedene Sprechweisen zu
verknüpfen, dabei auf die unterschiedlichsten kulturellen Ressourcen
zurückzugreifen und sie in der Kommunikation zu verändern […].“24
Diskursmuster
werden von den Jugendlichen dahingehend verändert, dass sie
Handlungsstrukturen durch thematische Exkurse oder intertextuelle
Referenzen durchbrechen.25
4.2
Merkmale der Jugendsprache
Die
Jugendsprache lässt sich, mehr oder weniger, auf allen Sprachebenen
beschreiben.
Phonologisch/artikulatorische
Ebene
Prosodische
Sprachspielereien und Aussprachvariationen der Jugendsprache sind
dafür verantwortlich, dass die Realisierung der Lautstrukturen zu
einer Abweichung von der Norm der Standardsprache führt.
Darüberhinaus
wird von den jugendlichen Sprechern, neben dem phonetischen
Spielraum, vor allem Varianten des Sprechtempos, Rhythmus und
Betonung genutzt, insbesondere um hyperbolisierende Elemente durch
entsprechende Intonation zu vertiefen.26
Morphologisch/phonologische
Ebene
Die
Besonderheiten der morphologisch/phonologischen Ebene sind auf
extreme Sprachsprechlichkeit zurückführen. Das heißt es kommt zu
einer Vernachlässigung von Flexionsendungen und ‚grammatischen‘
Wörtern (z.B. Pronomen), was sich dann in Lautschwächungen,
Kürzungen und Verschmelzungen äußert.27
Weiters kommt es in dieser Ebene zur Verwendung einiger produktiver
Wortbildungsmorpheme.28
Textebene
Auf
der Text- oder Stilebene sind vor allem bestimmte Stilfiguren, wie
Metaphern, Metonymien und Hyperbeln anzusiedeln.29
Lexikalische
Ebene
Für
die lexikalische Ebene ist der jugendliche Sonderwortschatz
essentiell. Jedoch ist die Beschreibung des Wortschatzes nicht ganz
unproblematisch, da eine ständige Entwicklung in Gange ist.30
Auch aus semantischer Persepktive stellt der Wortschatz ein Problem
dar, denn Jugendliche nutzen die Polysemie, wobei die Bedeutung eines
Wortes oft erst im Kontext ersichtlich wird. Bedeutungserklärungen
sind aus diesem Grund häufig unzureichend bzw. unvollständig.31
Unter Bezugnahme einiger Kernwörter der Jugendsprache, lassen sich
Prinzipien im Bereich Metaphorik, Expressivität und Emotionalität
erkennen. Beispielsweise werden vor allem die hyperbolisierenden
Entzückungswörter durch Verdoppelung verstärkt. (z.b. echt total +
cool) Aber auch Anglizismen spielen eine wichtige Rolle, die
verstärkt aus der englischsprachigen Musik in den Wortschatz der
Jugendlichen übernommen und teilweise sogar mit deutschen
Infinitivsuffixen versehen werden. (z. B. powern)32
Im
Sprachgebrauch der Jugendlichen stellen Neubildungen als
Ausdrucksverkürzungen und Ausdruckserweiterungen einen wichtigen
Faktor dar. Bei hyperbolisierenden Elementen sind Kompositionen und
Wortbildungen mit Affixen und Affixoiden besonders häufig
anzutreffen. Desweiteren werden Wörter in eine andere Wortart
überführt, wie es bei Onomatopöien der Fall ist. 33
Syntaktische
Ebene
Im
Bereich der Syntaktik bedient sich die Jugendsprache eher einer
standardsprachlichen Sturktur, jedoch ist eine gewisse ‚Vorliebe‘
bestimmten Elementen gegenüber bemerkbar.
Der
jugendsprachliche Gebrauch weist insbesondere sprechsyntaktsiche
Merkmale wie Anakoluthe, Ellipsen, Drehsätze, Parenthesen,
Ausklammerungen, Tendenzen zur Parataxe und asyndetische
Satzanschlüsse auf.
Der
Jugendton wird entscheidend vom ‚eminent sprechsyntaktischen
Duktus‘ bestimmt. Lautlich begünstigt wird die Wirkung extremer
Sprechsprachlichkeit durch den vermehrten Einsatz von Partikeln.34
5
Funktionen der Jugendsprache
In der Forschung der
Linguistik wird unter dem Begriff der Funktion auf die Biologie
zurückgegriffen. Diese fasst den Begriff als „Beitrag
eines Organs oder einer Tätigkeit zum Funktionieren eines ganzen,
aus konstitutiven Teilen bestehenden Organismus“
35
auf. Basis für die Jugendsprachforschung bzw. für die Erforschung
jugendsprachlicher Äußerungen ist laut Coulmas (1979) die Annahme,
dass „durch
die Funktion sprachlicher Einheiten […] auch der Gebrauch bedingt
wird, der von ihnen gemacht wird.“36
Äußerungen sollten demnach, nicht ausschließlich als strukturelle
Besonderheit, sondern vielmehr als Ausdruckseinheit, die zur
Umsetzung bestimmter Kommunikations- und Ausdrucksbedürfnisse
dienen, gesehen werden.37
In
der Sprachwissenschaft ist man sich über die Einteilung der
Funktionen nicht immer einig. Laut Augenstein hat die
kommunikationsstrukturierende Funktion, neben den drei
Sprachfunktionen Bühlers – Darstellungsfunktion,
Ausdrucksfunktion, Apellfunktion – den Rang einer Hilfsfunktion.
Vorrangig hat sie den Zweck der Organisation des Gesagten.38
5.1
Ausdrucksfunktion
Laut Augenstein verfolgt
die Konzeption der Ausdrucksfunktion die Idee, dass ein Sprecher
durch die Art und Weise seines Sprechens, Informationen über seine
Gefühlslage preisgibt. Dieser Vorgang kann bewusst aber auch
unbewusst geschehen und als überindividuell bezeichnet werden, da er
vor allem über die Sozialität des Sprechers Auskunft gibt.39
Das bedeutet, der Sprecher drückt über die Ausdrucksfunktion
implizit individuelle Gefühle und Dispositionen aus, ohne inhaltlich
explizit darauf Bezug zu nehmen.40
Durch den Akt des Sprechens werden individuelle Eigenschaften einer
Person, aber auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, sichtbar.
Schulz von Thun weicht etwas von dieser Annahme ab, indem er die
Ausdrucksfunktion als ‚Selbstoffenbarung‘ ansieht und sie
individualpsychologisch deutet, d. h. das Augenmerk eher auf den
inneren Zustand des Individuums legt.
41
Augenstein
spricht im Zusammenhang auch vom Intergenerationendialog, in welchem
einer Person ein bestimmtes Interaktionsprofil zugewiesen werden
kann. Im Rahmen dieses Dialogs kommunizieren Jugendliche und
Erwachsene nicht nur als Träger spezieller Rollen miteinander,
sondern sie nehmen sich gegenseitig als Mitglieder sozialer Gruppen
wahr und teilen einander bestimmte soziale Rollen zu. 42
Weiters
unterscheidet Augenstein zwischen drei Kommunikationsräumen der
Jugendlichen, in welchen sie ihren identitätsbildenden Sprechstil
entwickeln und pflegen.
Der
größte makrosoziale Kontext ist die Gesamtheit aller Jugendlichen
einer Generation. Im Bereich der Jugendsprache ist dies als
‚Generationssoziolekt‘ zu fassen, indem der
altersdeterminierte Sprechstil der Jugend als eine eigene Gruppe in
der Gesamtgesellschaft gesehen werden kann. Auf dieser Ebene ist auch
der Intergenerationendialog anzusetzen, denn hier findet der
intergenerationelle und interkulturelle Kontakt statt.43
Unter
dem Kommunikationsraum ‚Szene‘ ist der Kontakt
unterschiedlicher Jugendgruppen untereinander zu verstehen. Die
Jugendsprache dient hier der Standortbestimmung und
Binnenstrukturierung innerhalb einer ‚Szenenlandschaft‘. Durch
den regen Kontakt der einzelnen Gruppen kann auch von einer
‚Szenensprache‘ gesprochen werden.
Den
kleinsten Bereich bildet der Mikrokosmus der ‚peer-group‘.
Jugendsprache ist hier eine singuläre Gruppensprache, die von der
Gruppe selbst entwickelt wurde, um das Bedürfnis nach Individualität
zu stillen.44
5.2
Darstellungsfunktion
Unter der
Darstellungsfunktion der Jugendsprache wird die Darstellung von
Dingen und Sachverhalten verstanden. Zusätzlich können Gefühle,
Empfindungen und Dispositionen, also die ‚innere Welt‘ der
Jugendlichen, präzisiert werden. 45
Die
Formen der Darstellung unterliegen der Sozialität, da Sprache nicht
für jeden Sprecher in gleichem Maße brauchbar ist. Aufgrund dessen
bezeichnet Augenstein die spezifischen Darstellungsformen der
Jugendlichen als ‚fachsprachlich‘, denn sie werden von den
Jugendlichen selbst hervorgebracht, um ihre individuellen
Bezeichnungsnotwendigkeiten zu realisieren.46
In diesem Zusammenhang muss zwischen Ausdrucks- und
Darstellungsfunktion unterschieden werden. Wird vom Sprecher selbst
auf emotionale und kognitive Situationen, in Form einer expliziten
Darstellung und Beschreibung hingewiesen, handelt es sich um die
Darstellungsfunktion. Hier steht nämlich die explizit-kommunikative
Bedeutung der sprachlichen Äußerung im Vordergrund, die das Ziel
der Fremd- und Selbstdarstellung ausdrücklich intendiert. Wird
hingegen die psychische Disposition des Sprechers durch
Interpretation erschlossen, handelt es sich um die Ausdrucksfunktion.
47
5.3
Appellfunktion
In der Appellfunktion
appelliert der Jugendliche an das Solidaritätsgefühl der Gruppe,
indem er bestimmte sprachliche Konvergenzen einfordert.48
Ist der Gesprächspartner des Jugendlichen jedoch ein Erwachsener
oder ein Jugendlicher einer anderen Peer-group, appelliert er an die
Einhaltung einer gewissen sozialen Distanz.49
Grenzen sich Jugendliche gemeinsam von anderen Gruppen, wie z.B. den
Eltern ab, fördert dies zusätzlich das Gefühl zusammenzugehören.50
Augenstein
unterscheidet hierbei zwischen Ingroup-Dialogen und
intergenerationellen Output-Dialogen. Die Ingroup-Kommunikation
findet in den jugendlichen Peer-groups statt, denn in keinem
Lebensalter ist der Einfluss Gleichaltriger bzw. der Peer-groups so
ausgeprägt wie in der Jugendphase. In den sozialen Gruppen haben
Jugendliche anfangs keinen fest zugeordneten Charakter, sondern
müssen sich diesen erst erwerben oder aber ihren bereits erkämpften
Status verteidigen. Die Kommunikation unter Jugendlichen kann deshalb
durch kompetitive Rollenaushandlung gekennzeichnet sein. Um in der
Gruppenhierarchie aufzusteigen ist es vonnöten die Aufmerksamkeit
und vor allem die Anerkennung der Gruppe zu gewinnen. Dieser
Hierarchiekampf kann sich auf den Sprachgebrauch auswirken, d. h.
Jugendliche entwickeln neue Sprachformen, um auf sich selbst
aufmerksam zu machen.51
Henne prägte für diesen Vorgang den Begriff der
‚Sprachprofilierung‘.52
Eine weitere Aufgabe der Peer-group ist die Sozialisation. Sie stellt
den Jugendlichen ein erstes Wir-Muster bereit, weshalb auch über den
Sprachgebrauch Gemeinsamkeiten hergestellt werden. Es zeigt sich das
Beziehungsmuster in den Peer-groups äußerst zwiespältig sind, denn
es herrscht ein ständiges Hin und Her zwischen Selbstbehauptung und
‚Wir-Nähe-Bestätigung‘.53
In
den intergenerationellen Outgroup-Dialogen geben Jugendliche ihren
Gesprächspartner zu verstehen, dass sie sie, durch ein bestimmtes
divergierendes Sprachverhalten, ausgrenzen wollen. Durch dieses
Verhalten wird die sozial-symbolische Ausdrucksfunktion der
Jugendsprache als eine Ingroup-Sprache verdeutlicht.54
6 Conclusio
Die
Jugendsprache ist durchaus kein Produkt der Neuzeit. Bereits vor über
200 Jahren wurden Wörterbücher angefertigt um das Vorkommen
jugendsprachlicher Lexeme festzuhalten. Ende des 19. Jahrhunderts
nahm sich die Sondersprachforschung der Thematik an und erste
Untersuchungen wurden geführt. Ender der 1970er Jahre wurde die
Jugendsprache immer aktueller und regte zu unzähligen Diskussionen
an, wobei der Konsens der Gesellschaft eher negativ gefärbt war.
Nichtsdestotrotz entwickelte sich in den 1980er Jahren die
linguistische Jugendsprachforschung. Auch heute ist das Thema noch
sehr aktuell, wobei vor allem Analysen der schriftlichen
Kommunikation Jugendlicher untereinander ins Zentrum des Interesses
gerückt sind.
Die
Definition des Begriffs ‚Jugend‘ unterlag ebenfalls einer
Entwicklung. Heute wird der Begriff als eigene Lebensphase
klassifiziert, dies ist aber lediglich auf die Veränderung der
Gesellschaft zurückzuführen, denn der Begriff der Jugend war in
früherern Zeiten noch recht ‚unausgeprägt‘. Wann die Phase der
Jugend nun beginnt und endet ist auch heute nicht klar definierbar,
denn dieser Prozess hängt vom individuellen Bewusstsein des
Einzelnen ab.
Ein
für die Linguistik wichtiger Faktor stellen die Merkmale der
Jugendsprachforschung dar. Androutsopoulos teilte sie in drei
relevante Teilbereiche auf. Die korrelative Perspektive beschäftigt
sich vor allem mit dem Konzept des ‚Age-grading‘, welches besagt,
dass bestimmte Sprachvarianten bestimmten Altergruppen zugeordnet
werden bzw. häufiger anzutreffen sind. Die lexikologische
Perspektive hält Routineformeln fest, auf welche Jugendliche
vermehrt zurückgreifen. Der Wortschatz wird auf onomasiologische,
semasiologische, genetisch-etymologische, strukturelle und
pragmatische Kriterien untersucht. Die interaktionale Perspektive
befasst sich mit den persönlichen Kontexten, in welchen sprachliche
Äußerungen eingebettet sind. Eine zentrale Rolle spielt daher das
Konzept der ‚Bricolage‘.
Weiters
können jugendsprachliche Merkmale auf Basis der Sprachebenen
unterteilt werden. Dazu gehören die phonologisch/artikulatorische
Ebene, die morphologisch/phonologische Ebene, die Textebene, die
syntaktische Ebene und die lexikalische Ebene.
Die
Meinungen über die Kategorisierung der Funktionen von Jugendsprachen
ist umstritten. Augenstein orientierte sich an Karl Bühlers Modell
der Sprachfunktionen, nämlich Ausdrucks-, Darstellungs-, und
Appellfunktion. Die Ausdrucksfunktion stellt die Gefühlslage des
Sprechers dar. Durch die Kommunikation werden Informationen
preisgegeben, oft ohne explizite Intention. Weiters spricht sie von
Kommunikationsräumen der Jugendlichen. Neben dem Mikrokosmus der
‚peer-group‘, sind die ‚Szene‘ aber auch der
‚Generationensoziolekt‘ für die Entwicklung der Jugendlichen
fundamental. In der Darstellungsfunktion steht vor allem die
explizit-kommunikative Bedeutung der sprachlichen Äußerung im
Vordergrund, beziehungsweise der Jugendliche will etwas von seiner
Gefühlswelt preisgeben. Auf der Ebene der Appelfunktion liegen
Ingroup- und Outgroup-Dialogen, d.h. Jugendliche schließen
Außensstehende entweder bewusst aus und auf der Ebene der Ingoups
versuchen die Jugendlichen durch Sprachprofilierung einen höheren
Rang in der Gruppenhierarchie zu erreichen.
7 Literaturverzeichnis
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