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Geschichte / Historik

Friedrich-Schiller-Universität Jena - FSU

1,0 Franka Maubach, 2017

Erika S. ©
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ID# 62815







Friedrich-Schiller-Universität Jena – WS 16/17

Lese-und Schreibwerkstatt Nationalsozialismus

Frau Dr.


Rezension - Markus Roth „Ihr wisst, wollt es aber nicht wissen“


„Wir alle, die wir nicht auf dem sogenannten ‹nationalen› Boden stehen, d.h. nicht Nazis sind, sind von jetzt an vogelfrei“ (S.19f.) – Am 30. Januar 1933 wurde Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt. Fortan setzten die Nationalsozialisten – mithilfe von Terror, Verfolgung und Angst, ihren absoluten Führungsanspruch durch.

Opfer der Verfolgung sind vor allem die Menschen, welche nicht in das nationalsozialistische Bild passten, allen voran Juden, Homosexuelle, Sinti und Roma, „Asoziale“ und politische Gegner. Im Buch „Ihr wisst, wollt es aber nicht wissen“, welches aus der Buchreihe „ Die Deutschen und der Nationalsozialismus stammt, geht es um Verfolgung, Terror und Widerstand im Dritten Reich.

Das Buch wurde von Markus Roth, dem Stellvertretenden Leiter der Arbeitsstelle Holocaustliteratur an der Universität Gießen geschrieben. Es wurde 2015 vom C.H. Beck Verlag veröffentlicht und richtet sich an die jüngere Leserschaft. Markus Roth schildert hauptsächlich die Dynamiken der Gewalt, die sich im und aus dem Verhältnis von Verfolgern, Verfolgten und der breiten Masse ergibt.

Wie erlebten die Deutschen Hitlers Herrschaft? In wieweit haben sich die Deutschen mit dem Nationalsozialismus beschäftigt? Was wussten die Menschen? Wie wirkten Zustimmung, Ablehnung und Schweigen? Was haben die Menschen gefühlt? Waren sie regimetreu aus Angst? Markus Roth gliedert das Buch in 5 Kapitel mit jeweils mehreren Unterkapiteln.

Im ersten Kapitel „Warum macht man uns zu Parias?“ beginnt es mit den Anfängen des Terrors. Auslöser des Terrors ist die Einsetzung der Regierung Hitlers, dabei glaubte noch niemand an den kommenden Terror und die Verfolgung. Bei einigen Menschen löste der Regierungswechsel Freude aus, bei anderen eher die Vorahnung des Unheils.

Gerade sozialdemokratische und kommunistische Politiker wurden die ersten Opfer der Verfolgungen der Nationalsozialisten. Auch durch die Systematisierung der Gewalt kam es immer mehr zu Gewalt und Boykotten gegen Juden, worauf einige die Flucht ins Ausland ergriffen.

Im zweiten Kapitel „Wie ein langsames Sterben“ geht Markus Roth detaillierter auf die Isolation, Diskriminierung und Verfolgung der minderwertigen Gruppen im Alltag ein. Dabei wird deutlich, dass die Rassenhygiene schon ein fester Bestandteil des deutschen Alltags geworden war, da z.B. Beamte entlassen wurden oder jüdische Kinder in den Schulen so diskriminiert wurden, dass sie auf eine jüdische Schule gehen mussten.

Die Kluft zwischen minderwertigen Gruppen und dem ‹deutschen Volke› wuchs somit stetig weiter. Widerstand leistete kaum jemand. Im dritten Kapitel „ Von denen sitzt keiner zu Unrecht“ geht es zu Beginn um die Erbauung und Eröffnung von Konzentrationslagern und die damit verbundene Inhaftierung der Menschen.

Misshandlung und harte Arbeit waren an der Tagesordnung. Im vierten Kapitel „Antisemitismus – gut! Aber doch nicht so“ widmet sich Markus Roth hauptsächlich der Kristallnacht. Im November 1938 kam es zu von der Regierung organisierten Gewaltverbrechen gegen Juden im ganzen Deutschen Reich.

Damals wurden 1300 bis 1500 Juden getötet, in den Selbstmord getrieben oder verstarben kurz darauf in einem Konzentrationslager.Auch die Frage des Gehens oder Bleibens der Juden wird ausführlich dargelegt. Die ersten Gedanken zum Massenmord werden im vierten Kapitel deutlich.

Durch das SS-Hetzblatt „Das Schwarze Korps“ wurde angedeutet die Juden auszurotten, also einen Völkermord zu begehen. Die damals noch vage Option wurde später zur bitteren Realität, auch die Art und Weise, nämlich mit Gas, war schon bekannt. Der Traum einer rassenreinen Gesellschaft brachte die Nationalsozialisten dazu, im Krieg, der schließlich die Vorrausetzungen schuf, vom Gedanken in die Tat zu schreiten.

Vor allem die Verfolgung von Kriminellen, Zigeunern und Juden ab Kriegsbeginn wird im fünften Kapitel dargestellt. Ein weiteres Thema ist die Euthanasie, also die Ermordung behinderter Menschen. Die Durchführung und die Reaktionen der Euthanasie hatten großen Einfluss auf die spätere Ermordung der Juden.

Markus Roth zeigt auf, dass während der Deportationsphase der Juden im Frühsommer 1942 langsam die Entscheidung zur Ausweitung des Massenmordes auf alle europäischen Juden fiel. Ab dem Jahre 1942 begann die Ermordung der Juden in Konzentrationslagern, wie z.B. im Vernichtungslager Kulmhof.

Der letzte Abschnitt des fünften Kapitels „Das Ende“ ist eine kleine Zusammenfassung des Geschehens bis zum Kriegsende. Nicht zu vergessen ist, dass die Bevölkerung, selbst im Krieg, noch im Großen und Ganzen dem Regime folgte. Das Erschreckende ist, dass im ganzen Reichsgebiet nur 15.000 deutsche Juden überlebten.

Roth versucht ebenso, den Menschen zu zeigen, wie das Leben unter dem NS-Regime und deren Verfolgungen empfunden wurde. Dabei stehen vor allem Erfahrungsberichte der Zeitgenossen im Vordergrund. Das Buch wird gerade durch diese Erfahrungsberichte und zeitgenössischen Quellen lebendig.

Somit schafft Markus Roth einen guten Rückblick ohne die Nachwelt belehren zu wollen. Roth schildert besonders ausführlich die nationalsozialistische Verfolgungspolitik, allen voran das Schicksal der Juden, aber auch andere verfolgte Gruppen kommen nicht zu kurz, ebenso wie die Deutschen, die nichts taten.

Roths Hauptthese zufolge war gerade das Schweigen und die Haltung der breiten Masse enorm wichtig für die Entwicklung der Verfolgungspolitik. Die überwiegende Akzeptanz der Gewalt, des Terrors und der Verfolgungen der breiten Masse, trug laut Markus Roth dazu bei, die Nationalsozialisten in Rassenhygiene und Verfolgungspolitik zu bestärken.

Ebenso zeigt das Buch, dass die Menschen wussten, dass es Konzentrationslager gab. Auch zeigten die Deutschen keinen Gemeinschaftssinn mit den Verfolgten, sondern waren dem NS-Regime treu. Roth gelingt die Nachzeichnung des Terrors und der Verfolgung durch Augenzeugenberichte sehr gut.

Ein weiterer Punkt, den Markus Roth deutlich zeigt, ist das Kapitel der Euthanasie, dort schildert er nicht nur die einzelnen Maßnahmen, sondern baut auch die Stimmen der Betroffenen ein. Hier wird deutlich, dass es eine große Mitwisserschaft über Euthanasie gab.

Das Thema Widerstand wird im Buch kurz aufgegriffen, dies geschieht, finde ich aber zu wenig. Im Buch beschreibt es Markus Roth als einen „Widerstand ohne Volk“. Das ist natürlich äußerst treffend, da es bestimmt einige unzufriedene Bürger gab, die dennoch Hitler treu waren.

Ebenso bedeutet Tatenlosigkeit nicht gleich, dass man für die Verfolgungen ist. Im Buch wird deutlich, dass Markus Roth die NS- Verfolgungspolitik anschaulich, nah an den Menschen und einfühlsam darstellt und ebenso die Perspektive der Opfer, als auch die Perspektive der Deutschen aufgreift.

Letztendlich ist Markus Roth ein sehr gutes Buch gelungen, welches ich jedem, der am Nationalsozialismus interessiert ist, nur empfehlen kann.



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