Maria Stuart - Akt 3, Szene 4
Inhalt, Aufbau, dramaturgische Gestaltung
und sprachliche Besonderheiten
Gliederung
1 Auszug aus einem Brief Schillers an Goethe über
Entstehungsprozess von Maria Stuart
2 Erschließung des Auftritts Ⅲ, 4 unter Berücksichtigung des Kommunikationsverlaufes
2.1 Einordnung in den Gesamtaufbau
2.2 Inhalt und Aufbau unter Berücksichtigung der
Gesprächsführung
·
Erstmaliges
Aufeinandertreffen Elisabeths und Marias(V.2224-2244)
·
Unterwerfen Marias
und Überlegenheit Elisabeths (V.2245-2348)
·
Steigerung der
Arroganz Elisabeths (V.2349-2402)
·
Eskalation des
Gesprächs in einen Konfliktdialog (V.2403-2432)
·
Eingriff Leicesters
und Shrewsburys, Abgang Elisabeths (V. 2433-2451)
2.3 Dramaturgische Gestaltung
·
Gestaltung von Raum
und Zeit
·
Figurenkonstellation
und -konfiguration
·
Regieanweisungen und
ihre Funktion
·
Formen der
Figurenrede
2.4 Sprachlich-stilistische Gestaltung und ihre
Wirkungsabsicht
·
Rhetorische Fragen
(V.2233,2235)
·
Auffällige Anapher
(V.2245-2248)
·
Personifikation
(V.2312f)
·
Metaphern
3 Rückbezug auf Briefauszug
1. )
Auszug
"Ich fange jetzt an, bei
der Aufführung, mich von der eigentlich tragischen Qualität meines Stoffes
immer mehr zu überzeugen, und darunter gehört besonders, dass man die
Katastrophe gleich in den ersten Szenen sieht, und indem die Handlung des
Stückes sich davon wegzubewegen scheint, ihr immer näher und näher geführt wird."
Dieser Auszug aus einem Brief
Schillers an Johann W. Goethe vom 18. Juni 1799 zeigt, wie tief sich der Autor
des Trauerspiels „Maria Stuart“ in die tragischen Momente und die Gestaltung
seines Werks hineingearbeitet hat.
2.
Erschließung - Hauptteil
2.1.
Einordnung
In dieser großen Tragödie aus
dem Jahre 1800 geht es um Maria Stuart, Königin von Schottland, die von der
englischen Königin Elisabeth im England des 16. Jahrhunderts festgehalten wird.
Beide haben sich schuldig gemacht: Maria hat die Tötung ihres eigenen Gatten
veranlasst und sucht nun Schutz bei ihrer englischen Verwandten Elisabeth.
Diese nimmt sie aber gefangen und lässt sie schließlich hinrichten, weil sie
ihre eigene Machtposition durch die schottische Machthaberin bedroht sieht.
Bevor es soweit kommt, bittet
Maria um ein persönliches Gespräch mit Elisabeth, welches Schiller im Aufzug 3,
Auftritt 4 verkörpert.
Im Folgenden soll das
Aufeinandertreffen der Beiden näher betrachtet und schließlich mit besonderer
Betrachtung des Kommunikationsverlaufs analysiert werden.
2.2.
Inhalt
Der dritte Aufzug ist der
mittlere des Dramas, der vierte Auftritt bildet den Wendepunkt des Stücks. Die
Szene stellt das Aufeinandertreffen der Hauptcharaktere Elisabeth und Maria
dar. Durch diese erstmalige Konfrontation der beiden Gegnerinnen ist die Handlung
auf dem Höhepunkt angekommen, es kommt zur Auseinandersetzung zwischen den
beiden Frauen. Marias anfänglicher Versuch, Gnade zu erlangen, scheitert, denn
Elisabeths Absicht war von vornherein nicht das Verzeihen, sondern die
Demütigung der Schottin. Die Peripetie des Dramas ist erreicht, weil Maria nun
nicht mehr auf die Rettung ihres Lebens durch Elisabeth hofft, sondern sich auf
ihr Schicksal einstellen und nur noch auf Hilfe von außerhalb hoffen kann.
Zu Beginn des Auftritts (V.2224-2244)
dominiert Elisabeth das Geschehen. Sie trifft mit ihrem Jagdgefolge und dem
Grafen von Leicester auf das Schloss Fotheringhay und gibt ihrem Geleit zu
verstehen, dass es schon zurückreiten könne und sie noch in dem Schlossgarten
pausieren wolle, um der großen Verehrung des Volks für einen Moment zu
entkommen. Dabei redet sie nur mit ihren Anhängern, gibt einen triftigen Grund
zum Verweilen im Schlosspark und beachtet Maria nur geheim, als ob sie sie
nicht erkennen würde. Außerdem verdeutlicht Elisabeth, dass sie den
Herrschaftsanspruch hat, was auch vom Volk unterstützt wird. Maria, die bis
dahin noch an ihre Amme Hanna gestützt geschwiegen hat, sucht erstmals den
Blickkontakt mit der englischen Adelsfrau und spricht monologartig sofort ihre
Gedanken über die Kälte dieses Blicks aus. Doch Elisabeth gibt noch immer die
Unwissende und täuscht vor, nicht zu wissen, wer Maria ist. Nach Aufklärung
dieser peinlichen, gespielten Ahnungslosigkeit beschuldigt sie affektiert
Leicester, sie in eine solche Situation gebracht zu haben. Anschließend hört
die englische Königin die Ratschläge Leicesters und Shrewsburys an, Milde über
Maria walten zu lassen. Daraufhin tritt Maria vor, ihr Gesichtsausdruck
symbolisiert den Unmut über die nun erwartete Unterwerfung. Elisabeth ergreift
das Wort, wirft den Grafen eine Lüge vor, denn Marias Auftreten spricht nicht
für eine gebrochene demütig bittende Königin, sondern für eine stolze.
Infolgedessen erklärt Maria sich etwas widerwillig als unterwürfig, will ihre
eigene politische Stellung vergessen und sich ganz dem Bitten um Gnade
hingeben. Auffällig ist, dass sie ihre Worte erneut nicht an Elisabeth richtet,
sondern mehr mit sich selbst zu sprechen scheint.
Im folgenden Dialog (V.2245-2348)
übernimmt die unterwürfige Maria den meisten Redeanteil. Das erste Mal direkt
an Elisabeth gewandt, wirft sie sich vor ihr nieder und bittet die Königin,
gnädig über sie zu walten. Dabei gesteht sie der Engländerin auch den Sieg über
den Herrschaftsstreit zu. Diese jedoch findet die gegenwärtige Stellung der
Maria passend und verhöhnt die Schottin damit. Sich in ihre Bitte
hineinsteigernd appelliert Maria an Elisabeth, die gemeinsame Abstammung aus
dem Hause Tudor nicht zu vergessen, erkennt aber bald, dass sie trotz all ihrem
Flehen die Unbarmherzigkeit ihres Gegenübers nicht abwenden kann. Elisabeth
gibt zu verstehen, dass es bereits von äußerster Nachsicht zeugt, dass sie sich
auf das Niveau von Maria herablässt. Denn diese hat versucht, Elisabeth zu
ermorden und gehört damit zur untersten Schicht der Bevölkerung. Bevor sie ihr
Anliegen vorträgt, gibt Maria zu bedenken, dass sie das fast nicht ohne
Anschuldigungen gegen Elisabeth tun kann. Denn die Herrscherin Englands hält
sie ihrer Meinung nach in gegen das Völkerrecht verstoßenden und für eine Königin
unwürdigen Umständen. Die Schottin echauffiert sich immer mehr, ist zudem
bereit, alles als Schicksal anzusehen und die Schuld der Angehörigen zu
vergessen, und nähert sich derselben immer mehr. Elisabeth lässt sich aber
nicht beirren, wertet Maria weiterhin ab und macht ihre Machtgier und die
anscheinend von der Schottin angezettelten Volksunruhen verantwortlich für die
derzeitige Diskrepanz zwischen den beiden Frauen. Zynisch und überlegen fügt
sie an, dass nun Marias Untergang bevorsteht und nicht der ihre.
Nun (V.2349-2402) gibt
Elisabeth weiter zu verstehen, dass die Begnadigung Marias nicht in Aussicht
steht, da sie nicht riskieren will, von Maria hintergangen und vom Thron
gestoßen zu werden. Dabei bezieht sie sich auch auf die Familiengeschichte von
Maria, deren Vorgänger sich schon einmal trotz Blutsverwandtschaft gegen
England aufgelehnt haben. Immer arroganter und abgebrühter werden ihre
Kommentare. Die beschimpfte Schottin erklärt daraufhin, sich auch als
Thronerbin zufrieden zu stellen. Doch Elisabeth fürchtet mögliche Mordversuche,
woraufhin Maria ihren Thronanspruch sogar gänzlich fallen lassen will, um Gnade
zu erlangen. Auch gibt sie zu, eine gebrochene Königin zu sein und sich nur ein
freies Leben zu wünschen.
Daraufhin nimmt das Gespräch
eine Wendung (V.2403-2432): Elisabeth kostet ihren Triumph über Maria aus,
sowohl in Hinsicht auf die Machtverhältnisse als auch in Bezug auf Marias
männeranziehende Schönheit, die nun verschwunden ist. Sie lässt ihrer Abneigung
freien Lauf und bezeichnet sie als Prosituierte, woraufhin auch Maria ihre
Rolle der demütig Bittenden verlässt. Wütend, aber trotzdem ihre Würde
bewahrend, redet sie wieder von Angesicht zu Angesicht zu Elisabeth, verteidigt
sich und spricht noch dazu aus, dass Elisabeths Mutter genau wegen Ehebruch hingerichtet
wurde.
Im nächsten Abschnitt (V.2433-2451)
wird der ausartende Dialog der beiden Königinnen unterbrochen, indem Shrewsbury
seiner Wut über Marias Ausbruch Luft macht. Aber Maria braust noch mehr auf,
klagt über ihre Leiden und bezeichnet Elisabeth als hinterhältig und unehelich.
Damit hat sie all ihren Gefühlen Luft gemacht und behält auch das letzte Wort,
denn Elisabeth wird von den beiden Grafen weggeführt, die versuchen, das Aufbrausen
Marias zu beschwichtigen.
2.3.
Dramaturgische Gestaltung
Dass dieses Aufeinandertreffen
der beiden Königinnen einen besonderen Stellenwert in Schillers Drama hat,
zeigt sich auch in der Gestaltung von Raum und Zeit. Anders als in den beiden
vorausgegangenen und auch den zwei folgenden Aufzügen spielt die Handlung nicht
im Palast von Westminster und auch nicht in den gefängnisähnlichen
Schlossgemächern der Maria, sondern im Park von Fotheringhay. Damit ergibt sich
eine Neuerung für die schottische Gefangene, die bis zum jetzigen Zeitpunkt das
Schloss nicht verlassen durfte. Die Wahl des Ortes, welche Leicester (vgl. V.
2059ff) getroffen hatte, dient aber nicht Stuarts Vergnügen: Es ist
gewährleistet, dass Elisabeths Zusammenkunft mit der anderen Königin wie
zufällig wirken kann, weil sie an diesem Tag eine Jagd in der Gegend um
Fotheringhay veranstaltet. Auch der Zeitpunkt ist nicht von ungefähr: Das
gesamte Drama umfasst drei Tage, der zweite wird aus Aufzug zwei, drei und vier
gebildet. Somit ist der dritte Aufzug der zeitliche Mittelpunkt. Dies spiegelt
sich auch in der Handlung wieder. Vor dem dritten Akt hat Maria noch Hoffnung
auf Gnade, danach schöpft sie Zuversicht aus den geplanten Rettungsversuchen.
Elisabeth ist vor diesem Aufzug unerschlossen über das Schicksal Marias, später
ist sie zwar ebenfalls beunruhigt über die Hinrichtung, der Rückblick auf das
Gespräch ist aber der ausschlaggebende Punkt zum Unterschreiben der Todesstrafe
(V.3239-3248).
Der mittlere Dramabestandteil stellt
insofern örtliche Neuerungen und zeitliche Zentrierungen dar.
Noch dazu bringt die
Figurenkonstellation und -konfiguration ein Novum, weil erstmalig Maria und
Elisabeth zusammen in einer Szene agieren. Die anderen auftretenden Personen
lassen sich in das Gefolge der jeweiligen Königin unterteilen.
Elisabeth, die den Großteil
ihrer Eskorte bereits nach Westminster zurückgeschickt hat, wird nur von
Leicester begleitet. Der Graf, der sich im vorangegangen Geschehen auch zu
einem gewissen Teil auf Marias Seite gestellt hat, übt hier seine Rolle als
Berater der Elisabeth aus. Dadurch wird klar, dass er sich nicht wirklich für
eine der beiden Frauen entschieden hat, sondern immer egoistisch nach seinem
eigenen Vorteil entscheidet. In der vierten Szene des dritten Aufzugs stellt er
unverblümt seine Unterwürfigkeit gegenüber Elisabeth und damit seine noch nicht
erloschene Hoffnung auf einen Thronanspruch dar: „Es ist geschehen, Königin – Und
nun / Der Himmel deinen Schritt hiehergelenkt, / So laß die Großmut und das
Mitleid siegen“ (V.2236-2238). Gleichzeitig verbildlicht dieser Ausspruch seine
Zwiegespaltenheit, denn er ist auch für eine Anhörung Marias und wünscht ihren
Straferlass. Auch am Ende des Auftritts wird das offensichtlich: „(in der
heftigsten Unruhe, sucht die Elisa- / beth hinwegzuführen). / Die Wütende nicht
an! Hinweg, hinweg / Von diesem unglücksel’gen Ort!“ (V.2245f). Einerseits wird
durch den Wortlaut ausdrücklich seine Sorge um Elisabeth offengelegt,
andererseits rettet er Maria auch davor, ihren Eindruck bei Elisabeth durch
mehr Beleidigungen zu verschlechtern.
Die englische Königin
Elisabeth ist die Antagonistin in Schillers Drama. Zu Beginn der Szene gibt sie
sich sehr überheblich, scheint Maria nicht zu erkennen (vgl. V.2233). Das
pompöse Auftreten und auch ihre Überheblichkeit zeigen sich in mehreren
Ausdrücken: „(zurücktretend)“ (V.2256), „Ich vergesse / Die Königin, die schwer
beleidigte, / (…) / Und meines Anblicks Trost gewähr ich Euch“ (V.2280-2283).
Sie behandelt Maria wie eine Aussätzige, präsentiert sich selbst als gütige
Herrscherin, die sich herablässt. Ihre Rücksichtslosigkeit ist Ursache der von
Maria oft erwähnten Gefühlskälte, mit der sich Elisabeth vor persönlichen
Angriffen Marias schützt. Vor allem die Regieanweisungen „(kalt und streng),
(sieht sie lange mit einem Blick stolzer / Verachtung an), (Höhnisch lachend)“
(Regieanweisungen) bestätigen ihre Kühle, es scheint fast, als würde sich
Elisabeth im Verlaufe des Dialogs immer kühler geben, um dem Flehen der Maria
nicht nachzugeben. Ein richtiges Triumphgefühl verspürt sie jedoch nicht nur
durch die politische Überlegenheit, sondern vor allem dann, als sie auch Marias
Schönheit übertrifft: „Ihr habt das Äußerste an mir / Getan, habt mich zerstört
in meiner Blüte!“ (V.2384f). Als Maria sie jedoch am Ende als „Bastard“
(V.2447) bezeichnet, antwortet sie nichts mehr, ihr Stolz und ihre
Überlegenheit sind nicht mehr zu spüren, stattdessen geht sie wortlos ab.
Während für die englische
Königin nur Leicester erscheint, stehen hinter Maria Stuart mehrere
Nebenpersonen. Ihre Amme Kennedy und auch der erste Hüter
Paulet haben keine große
Bedeutung für die Szene. Kennedy ist lediglich eine Art Stütze für die „halb ohnmächtig(e)“
(Regieanweisung zwischen V. 2231-2232).
Shrewsbury hingegen, der sich
auch in dem dritten Auftritt des zweiten Aufzugs für die Gerechtigkeit im Falle
der Maria Stuart stark gemacht hatte (vgl. V.1316f), bittet Elisabeth, ihr
„Aug‘ auf die Unglückliche zu richten“ (V.2240), sich also auf ein Gespräch
einzulassen. Damit verstärkt sich seine Stellung im Drama als der strenge
Gerechtigkeitsmensch, der gleichzeitig auch Milde walten lassen will. Als
einstiger Hüter der Maria fühlt er sich auch beteiligt an dem Prozess und steht
hinter der Schottin, weil er von ihrer Unschuld überzeugt ist. Er erscheint,
wie Leicester auch, nur am Anfang des Auftritts und am Ende, als er mit dem
anderen Grafen zwischen die beiden Frauen geht und versucht, Elisabeth zu
beschwichtigen (vgl. V.2244).
Im Vergleich mit Leicester
tritt hervor, dass die Beiden - neben Gemeinsamkeiten wie dem Kontakt mit
beiden Königinnen – sehr unterschiedliche persönliche Interessen pflegen:
Leicester den Selbstzweck, Shrewsbury die Fairness.
Die Hauptperson des ganzen
Dramas, Maria Stuart, übernimmt einen Großteil des Dialogs zwischen ihr und der
Verwandten Elisabeth. Sie lässt anfangs sehr deutlich ihren Unmut über die
verlangte Unterwürfigkeit durchscheinen: „(ihre Gebärden drücken den heftigsten
Kampf aus)“ (Regieanweisung), „Ich will mich auch noch diesem unterwerfen. (…)
Ich will vergessen, wer ich bin, und was / Ich litt; ich will vor ihr mich
niederwerfen“ (V.2245-2248). Durch diese Ehrlichkeit und Offenheit demonstriert
sie ihre Selbstsicherheit, mit der sie selbst der Richterin über ihr Leben entgegentritt.
Selbst nachdem sie, wie sie unterwürfig um Gnade bat, von Elisabeth verhöhnt
wurde, behält sie ihre edle Würde (vgl. Regieanweisung nach V.2420) bei. Diese
beiden Merkmale ihrer Persönlichkeit, Selbstsicherheit und Charakterstärke,
sind schon im ersten Auftritt begreifbar gemacht worden („Diese Flitter machen
/ Die Königin nicht aus. Man kann uns niedrig / Behandeln, nicht erniedrigen“
(V.154ff)) und werden in dem dritten Akt nur noch intensiviert. Aber ihre
Ehrlichkeit wird auch in einem schlechten Bild dargestellt: Indem sie Elisabeth
als „Bastard“ (V.2447) charakterisiert, behält sie zwar historisch gesehen
Recht, macht aber keinen positiven Eindruck auf die Engländerin.
Insgesamt betrachtet geht
Elisabeth zwar als politische Siegerin hervor, durch ihre Herzlosigkeit wirkt
sie aber grausam und auch rachsüchtig, während Maria trotz sichtbarere
Niederlage ihr stolzes Herz bewahrt und damit als der edlere Charakter aus der
Auseinandersetzung hervorgeht.
Die Aussagen der auftretenden
Personen und auch die Regieanweisungen formieren zusammen die Figurenrede. Das
Gespräch, das hauptsächlich zwischen Maria und Elisabeth stattfindet, wird nur
zu Anfang und Ende unterbrochen, ansonsten ist es ein zweiseitiger Dialog.
Zuerst lässt er sich als Überredungsdialog von Maria bezeichnen (V.2245-2403),
anschließend als Konfliktdialog (V.2404-2432). Durch die direkte Rede ist das
Geschehen zeitdeckend wiedergegeben, der Leser fühlt sich also wie ein
unsichtbarer Betrachter in der Szene.
2.4.
Sprachlich-stilistische Gestaltung und ihre
Wirkungsabsicht
Neben der dramaturgischen
Gestaltung ist auch die sprachlich-stilistische von großer Bedeutung. Die
rhetorische Frage „Wer ist diese Lady?“ (V. 2233), auf die auch Elisabeth
selbst die Antwort kennt, veranschaulicht ihre gespielte Unwissenheit am
Anfang. Außerdem wirkt es sehr überheblich, dass sie Maria nicht erkennen will.
Eine weitere rhetorische Frage über den Verursacher des Zusammentreffens (vgl.
V.2235) legt ihr listiges Wesen dar.
Eine auffällige Anapher benutzt
daraufhin Maria: „Ich will mich auch noch diesem unterwerfen. / (…) / Ich will
vergessen, wer ich bin, und was / Ich litt (…)“ (V.2245-2248). Damit verstärkt
sie das Ausmaß ihrer Leiden, die sie durch Elisabeth ertragen musste.
Die Schottin gebraucht auch ein
Bild und eine Metapher, um ihre guten Absichten zu betonen: „Die Worte klüglich
stellen, daß sie Euch / Das Herz ergreifen, aber nicht verletzen!“ (V.2289f), „nimm
/ Ihr jeden Stachel, der verwunden könnte!“ (V.2291f).
Außerdem personifiziert sie
den Hass zwischen den beiden Rivalinnen, der mit ihnen „Wuchs“ (V.2312) und
dessen unglückselige Flamme von bösen Menschen mit Atem angefacht wurde (vgl.
V.2312f). Damit veranschaulicht sie die Entwicklung der Diskrepanz zwischen den
Königinnen.
Elisabeth hingegen nutzt eine
Metapher, um Maria als Schlange zu beschreiben (vgl. V. 2329) und sie weiter schlechtzumachen.
Die doppelte Wiederholung
„Schwester! Schwester! / O Gott! Gott!“ (V.2412) von Maria betont ihre
Aufgebrachtheit, nachdem sie den puren Hass Elisabeths erfahren hat.
3.
Rückbezug
Der vierte Auftritt des
dritten Aufzugs des Dramas „Maria Stuart“ gilt zu Recht als Höhepunkt, denn mit
dem Aufeinandertreffen der beiden Königinnen geht viel Spannung einher.
Unterstrichen durch dramaturgische und sprachlich-stilistische
Gestaltungsmittel werden neue Charakterzüge der zwei Frauen aufgezeigt, alte
noch präzisiert. Dieser tragische Moment hat Schiller damals schon sehr
ergriffen, und auch den heutigen Lesern ergeht es nicht anders. Denn wer liebt
es nicht, über Intrigen, Machtspiele und Kämpfe um die Würde zu lesen?