Literaturwissenschaftliche Textanalyse
4.3.2009
Gattungen: Lyrik, Epik Drama = generische Trias
Literearische Gattungen sind wichtig für die Einteilung der Literatur, um einen besseren Vergleich zu erlangen, für die Charakteristik etc.
Gattungen sind einerseit eine Übergruppe für Untergruppen (Epik, Lyrik, Drama), andererseits wird der Gattungsbegriff auch für Untergruppen verwendet (Bsp.: Roman, Sonett etc.).
Problem:
- Richtige Merkmale zu finden → Merkmale aufdecken, aufstellen um Zuordnung zu schaffen
- Frage der Wiedererkennens der Merkmale durch unterschiedliche Rezipienten
Bsp.: Sonett: muss wissen, was ein Sonett ist, damit ich es erkennen kann
Bestimmungen literarischer Gattungen:
1. normativer Zugang:
Betont anthropologische/geschichtsphilosophische Aspekte und teilt in die Gattungen Epik, Lyrik und Drama ein.
In diesen Theorie-Entwürfen werden Gattungen über ihre unveränderlichen Wesenszüge definiert. Diese wiederum legitimieren sich durch die Berufung auf geschichtsphilosophische oder anthropologische Axiome und Gewissheiten, die letztlich aber als leitende Normen fungieren. Als Vertreter wären neben Goethe (1749-1832) Autoren wie der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831), der Begründer der Geisteswissenschaften Wilhelm Dilthey (1833-1911) oder der Zürcher Germanist Emil Staiger (1908-1987) zu nennen.
Bis ins 18.Jh dominiert die „Regelpoetik“, die genau festlegte, wie Gattungen auszusehen haben.Ein Beispiel dafür ist das „Buch von der deutschen Poeterey“ ( 1624) von Martin Oppitz.
In der 2. Hälfte des 18. Jh. verlieren Regelpoetiken an Bedeutung → nicht mehr genaue (technische) Regeln, sondern systematische Einteilungen, die auf allgemeinen Merkmalen und Funktionen basieren => TRIAS
Im 18.Jh. wurde die Lyrik zum Überbegriff für alle Gedichtformen. Erst damit wurde die triadische Teilung in Lyrik, Epik, Drama und somit eine Abwendung von der Regelpoetik möglich.
Goethe bezeichnete die 3 Gattungen 1819 in seinem Werk „der westöstliche Diwan“ noch als „Naturformen der Dichtung“ und teilte sie wie folgt ein:
- Lyrik: die enthusiastisch aufregende Kunst
- Epik: die erzählende Kunst
- Drama: die persönlich handelnde Kunst
Friedrich Schlegel 1799: Epos = objektive Poesie
Lyrik = subjektive Poesie
Drama = objektiv-subjektive Poesie
Friedrich Schlegel 1800: Epos = subjektiv-objektive Poesie
Drama = objektive Poesie
Lyrik = subjektive Poesie
bei allen Theoretikern:
- subjektiv
- objektiv
- subjektiv-objektiv
auch bei Hegel:
~ 1800 → Ästhetik: philosophische Reflexion über das Schöne (also auch Reflexion über die Kunst)
- Geschichte der Kunstepochen
- Systematik der Künste des Schönen (siehe HO)
Subjektiv und objektiv spielen eine große Rolle
Epik = objektiv → Sichbegeben
Lyrik = subjektiv → Sichaussprechen
Drama = objektiv-subjektiv → Verknüpfung der beiden
Hegel ordnet die drei Grundformen des Dichtens dialektisch an, indem er die Gegensätze von lyrischer Subjektivität (These) und epischer Objektivität (Antithese) einander gegenüberstellt, um deren Vereinigung auf höherer Ebene zur Synthese einer “neuen Totalität” im Drama zu postulieren.
→ Unterschied zu 18. Jh.: Bewusstsein und Geschichtlichkeit
Bei Staiger (20. Jh.) tritt historisches Bewusstsein in den Hintergrund:
Wichtigstes Werk: „Kunst der Interpretation“ → das BEgreifen, was uns ERgreift
→ allgemein-menschliche steht im Vordergrund
→ anthropologisch/ existentialistisch
→ Grundbefindlichkeiten des Menschen: das Epische, das Lyrische, das Dramatische
= normativ
Beiden Definitionsversuchen, Hegels wie Staigers, kann entgegengehalten werden, dass das gattungstheoretische Trias-Modell, auf das sie sich stützen, auf schwachen Füßen steht. Dieses Kernstück der neuzeitlichen Gattungsbeschreibungerscheint auch heute oft noch als quasi natürliche Entwicklung, als unhintergehbare Lehre, die sich durch die ältesten Autoritäten des abendländische.....[Volltext lesen]
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Bitte Dokument downloaden. Gerhard Rühm: „Sonett“
Erwartungshorizont des Lesers: jeder Leser hat bestimmte Erwartungshaltungen gegenüber Gattungen und literarischen Traditionen. Diese prägen Entstehung und Weiterentwicklung von literarischen Gattungen.
Gattungsgeschichte = Wechselspiel/ Zusammenspiel von unterschiedlichen Erwartungen und realisierten Möglichkeiten.
c) Systemtheorie/ systemtheoretischer Ansatz:
„Geistiger Vater“ ist der Soziologe Niklas Luhmann. Seine“ Theorie sozialer Systeme“, entstanden in den 1980er Jahren, geht der Frage nach, wie die Beschreibung sozialer Ordnung in der modernen Gesellschaft möglich ist.
Die Literatur beeinflusste Luhmann insofern, als dass seine Anhänger Literatur durch seine Ansätze als ein „soziales Phänomen“ betrachten.
Ein Systemtheoretiker sieht literarische Texte als Aussagen über gesellschaftliche Veränderungen oder als Vorbereiter derselben. Der gesellschaftliche Wandel wird oftmals erst durch die Sinnproduktion literarischer Texte ermöglicht. So finden Sie die Idee von der Freiheit des Menschen zunächst in Philosophie und Literatur, also in Texten, die im weitesten Sinne literarisch sind.
In Abgrenzung zur Empirischen Literaturwissenschaft, die sich häufig auf die Systemtheorie beruft, geht es der hier vorgestellten Richtung der Literaturwissenschaft nicht nur um die sozialen Handlungen im 'Literatursystem', sondern auch um die konkrete Gestalt der Texte.
Zwei der Fragen, die die Systemtheorie stellen, lauten:
- Wie hat sich Literatur über die Jahrhunderte / Jahrtausende im Kontext der sie umgebenden Gesellschaft entwickelt?
- Welche verschiedenen Funktionen hatte Literatur im historischen Prozeß inne?
Wenn man literarische Gattungen im Lichte dieser Theorie betrachtet, so sind sie „verwirklichte Selektionen“, deren Funktion sich nur historisch beantworten lässt.
Die Entwicklung einer Gattung durchläuft drei Phasen:
• Herauskristallisieren einer Gattung
• Stabilisierung der Gattung
• Institutionelles Festwerden/Fixieren der Gattung
Gattungen können auch als „geschichtliche Bedürfnissynthesen“ betrachtet werden, , die zum jew. historischen Zeitpunkt eine Funktion erfüllen/die Bedürfnisse der Leser erfüllen. Dies ist der Konnex zum rezeptionsgeschichtlichen Ansatz.
→ Frage nach Funktion ist wichtig. Gattung kann sich nur fixieren, wenn sie bestimmte Funktion hat → Funktion kann sich ändern/ worin Funktion liegt ist nur historisch beantwortbar.
ð sind geschichtliche Bedürfnissynthesen (es gibt keine Gattungen, die u bestimmten Zeitpunkt keine Funktion erfüllen) → bestimmte Probleme fließen in Gattung ein
ð ob Gattungen bestehen bleiben ist abhängig von Leser
ð Gattung kann mehrere Funktionen haben oder Funktion wechseln → Entwicklung dadurch beeinflusst
Weibliche Liebeslyrik:
Ob diese eine eigene Gattung ist, lässt sich auf den ersten Blick mit „Nein“ beantworten (→ umfasst Sonette, Elegien etc.). Inhaltlich kann die Frage aber mit „Ja“ beantwortet werden, denn das Thema ist immer die Liebe einer Frau. Insofern handelt es sich um einen ahistorischen (private Lektüre), inhaltlichen Zugang zu einer Gattung.
Liebe ist immer gleich, immer und überall verständlich → leicht verständlich, betroffen, ergriffen.
Unser Lyrikverständnis geht auf das 18.Jhdt. zurück. Jemand spricht in einem lyrischen Werk von sich, seinen persönlichen Empfindungen.
Zwei Dichterinnen vor dieser Zeit, die diese Kriterien nicht erfüllten, waren die Barockdichterin Sibylle Schwarz und die antike griechische Dichterin Sappho.
S. Schwarz: schrieb u.a. aus der Perspektive eines Mannes. Ihr ging es in ihren Werken vorwiegend darum, zu zeigen, wie gut sie das Handwerk der Liebeslyrik beherrscht und dass sie sich an die von M. Oppitz aufgestellten Regeln hält, sie war also Anhängerin der „Regelpoetik“ (Siehe Kapitel 1.1) .
Sappho lässt in ihren Werken nicht erkennen, ob sie von ihren eigenen Empfindungen ausgeht und an wen sie sich in ihren Werken wendet. In „Gebet an Aphrodite (Handout!), das zur Gattung des Gebets/ der Beschwörung gehört, lässt sie aber die eigene Person einfließen („…wer, Sappho, tut dir ein Unrecht?“ ) und geht damit weg vom fi.....
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Bitte Dokument downloaden. ABER: verpflichtend ist das gebundene Sprechen (oration ligato vs. oratio soluta)
Gebundene Rede (Poesie):
Verstärkt Gliederungsprinzipien, die in der alltäglichen Sprache vorhanden sind:
Sprechphasen und Betonung
Sprechphasen: Syntaktische Unterscheidung durch pausen getrennt; im Schriftbild durch Satzzeichen verdeutlicht
Betonung: phonetische Unterscheidung → Silben unterschiedlich betont
Bei einem Gedicht entspricht einer Sprechphase einem Vers (Verslänge ist festgelegt durch Hebungen und Senkungen), Verteilung der Silben ist festgelegt/ gezählt → Bsp.: 3 oder 4 hebiger Jambus
Fixe Unterteilung = Zäsur
Hierarchie: Kolon
Vers
Versgruppe
Strophe
Strophengruppe
Gedicht
→ Vers und Strophe fallen druckgraphisch auf.
Bsp.: Heidenröslein
Freie Rede (Prosa): (HO Märchen)
Sprechphasen sind ungleich lang
Reim wird in prosa nicht bemerkt
Satzzeichen und Pausen müssen nicht übereinstimmen (Beistrich überlesen etc.)
Sprechphasen nicht eindeutig abgrenzbar
→ für Leser: nicht festgelegt Pausen → Sprechtempo anpassen
Sprechphase, die unterteilt ist = Kolon
Hierarchie: Kolon (Teil einer Sprechphase)
Teilsätze (Sprechphase)
Sätze
Abschnitte
Kapitel
Buch
Gestaltung der Versgrenzen
Merkmale um Versgrenzen zu markieren:
Versgrenzen bei lyrischen Texten = Phasengrenzen
- Druckbild: jeder Vers in einer eigenen Zeile
- Endreim: markiert Ende eines Verses
- Sinneinschnitt
Merkmale um Sprechphasengrenze zu markieren:
- Hebnungsprall: zwei betonte Silben stoßen aufeinander
Distichon = Verspaar bestehend aus einem Hexameter und einem Pentameter
„Im Hexameter steigt des Springquells flüssige Säule
Im Pentameter drauf fällt sie melodisch herab.....
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Bitte Dokument downloaden. - Reimbrechung = nicht sinnmäßig zusammengehörige Verse reimen sich, sondern andere
Tonbeugung und schwebende Betonung:
Opitz: Identität von Vers- und Sinnakzent
→ im lyrischen Text muss so betont werden, wie in der alltäglichen Sprachen (entgegen der Betonung = nicht üblich in der Sprache) → Sinnakzent = Versakzent
ABER: in Lyrik auch Ausnahmen:
Tonbeugung:
Die natürliche Betonung eines Wortes bzw. der Silbe eines Wortes in einem Gedicht stimmt nicht mit dem ansonsten in dem Gedicht vorherrschenden Versmaß (Metrum) des Gedichts überein.
(Keine Betonung, schwächere Betonung, stärkere Betonung etc.)
→ Silben „falsch“ (anders) zu betonen
Nachteil: Bestimmung der Silben ist schwer, Versmaß
Vorteil: Gedichte wirken weniger monoton
Schwebende Betonung: schwächere Form der Tonbeugung → betonte Silbe wird weniger betont (nicht gar nicht)
=> Rainer Maria Rilke, Hugo von Hoffmannstal
Tonbeugung und schweende Betonung lösen Versmaß nicht auf, sondern lockern es auf
Warum möglich? → Betonung ist nicht im Vornhinein klar/ festgelegt
Andreas Heusler → 3teilung:
- Hebungsfordernde Silben
Tragen hauptbetonung in einem (längeren) Wort
Bsp.: .....
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Bitte Dokument downloaden. Vgl. HO 3:
Gottfried Benn: Ein Wort → viele Lexemwörter
B. Brecht → Relationswörter
[in Musik: dargestellt durch längere Tonwerte; schwache werden nicht so hervorgehoben.
Problem: wenn Verteilung nicht ganz gleich ist (bei mehreren Strophen) Bsp.: Beethoven → Vertonung von Schillers „Ode an die Freude“]
Versmaß
- Deutsch-germanischer Kulturkreis: Betont durch Stärke, Nachdruck (xX)
a. Stabreimvers: Alliterationen
Charakteristika:
- Beginnen mit Gleichen Anfangsbuchstaben
- Langvers aus 2 Halbzeilen durch Zäsur getrennt
Langvers: 4 Hebungen, beliebig viele Senkungen (füllungsfreie Senkung)
- Hebungen 1-3 beginnen mit gleichen Konsonanten → staben miteinander (=Stabreim)
- Vgl.: HO3 „Nibelungenlied“
b. Knittelvers:
Charakteristika:
- Anzahl der Hebungen muss gleich sein, Anzahl der Senkungen kann variieren
- Beliebtes Versmaß des Meistergesanges z.B.: Hans Sachs, Schiller (Wallenstein), Goethe (Faust – Monolog)
- Hauptsächlich im Drama verwendet
c. Freie Rhythmen:
Im 18. Jh. entstanden durch Friedrich Gottfreid Klopstock (1724 – 1803) [Theologie, Schriftsteller, „Der Messias“ (1748) → neues in dt. Literatur eingebracht: gefühlvolle, exaltierte Form der Lyrik; Lyrik dadurch verändert; 1748 erstmals publiziert (Bodmer/ Breitinger); → von Lessing kritisiert]
Von Goethe aufgenommen in frühen Hymnen der Sturm & Drang Zeit → .....
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Bitte Dokument downloaden. - Sapphische Strophe: ganz kurze 4. Zeile
- Alkäische Strophe: ansteigender Rhythmus → nimmt zu und fällt am Schluss ab
- Asklepiadische Strophe: in der Mitte = Hebungsprall
Alle drei:
- Immer 2 Strophen
- Die ersten beiden immer identisch (Sappho: die ersten drei)
- 3. und 4. Zeile etwas kürzer und eingerückte
Erst Klopstock legt durch Rückgriff die Ode wieder fest (auch inhaltlich → in ode geht es um große Gefühle)
Auch. Goethe; Hölderlin
Erst im 19./20. Jh. wird Ode immer mehr abgelehnt; im späten 20. Jh.: eher ironisch oder parodistisch
Wie bestimmte ich Versmaß?
- bestimme und zähle Hebungen
- betrachte Verhältnisse: Hebungen zu Senkungen
- betrachte Versgrenzen → männliche/ weibliche Kadenz
- Gibt es Reim? Gibt es eine fixe Zäsur?
- Romanischer Kulturkreis: Silben werden gezählt
(Frankreich, Italien)
Betonung spielt keine Rolle, nur die Länge
Betonung immer auf letzter Silbe einer Sprechphase
Man zählt Silben pro Vers (12-Silber, 10-Silber, 8-Silber…)
Vor 1550 war 8-Silber sehr beliebt → xxxxxxxX
6-hebige Versmaße:
a. Hexameter: beginnt mit Hebung, nicht alternierend
b. Askleopiadische Ode
c. Jambischer Trimeter: 6-hebiger Jambus → endet immer mit männlicher Kadenz; hat keinen Reim
Bsp.....
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Quellen & Links