Literaturepoche
Biedermeier
Deutschportfolio
7a
November
2014
Inhaltsangabe
1.
Die Epoche Biedermeier
3
1.1.
Begriffsursprung 3
1.2.
Historischer Hintergrund 4
2.
Lebensgefühl, Kunst und Kultur im Biedermeier
5
2.1.
Lebensgefühl und Kultur 5
2.2.
Architektur und Möbel 6
2.3. Kunst
7
3.
Literatur
8
3.1.
Eduard Mörike und Lyrik 9
3.2. Franz
Grillparzer und die Bühnenwelt 9
3.3.
Annette von Droste-Hülshoff und Naturdarstellung 11
3.4.
Stifter, u, Rückert und Grabbes 12
3.5.
Johann Nestroy 13
5.
Quellenverzeichnis 15
1.
Die Epoche Biedermeier
1.1.
Begriffsursprung
Der
Epochenbegriff Biedermeier
führt auf die spöttischen Gedichte von Ludwig Eichrodt und Adolf
Kußmaul zurück, die in den Fliegenden
Blättern
die lyrischen Werke des fiktiven Schullehrers Gottlieb Biedermeier
zum Abdruck brachten (Abbildung 1). Ab 1855 wurden die
dilettantischen Gedichte in der Münchner Zeitschrift veröffentlicht.
Sinn und Absicht hinter den biederen Versen des Lehrers waren, die
Spießbürger und ihre Perspektiven sowie Lebensweisen zu parodieren.
Herr Biedermeier ist die Räpresentation und Verspöttung eines Teils
des Bürgertums, indem er Biederkeit, Kleingeistigkeit und
unpolitische Haltungen verkörpert. Dadurch verwendeten Leute dieser
Zeit die Bezeichnung Biedermeier
als einen negativ konnotierten Begriff, der für kleinbürgerliche
Kultur der Häuslichkeit und der Betonung des Privaten steht.
Abb.
1: Gedichte des Gottlieb Biedermeier in den Fliegenden Blätttern
Als
Biedermeier wird heute die Epoche des 19. Jahrhunderts zwischen 1815
und 1848 bezeichnet, in der Werke der Musik, Kunst, Mode, Literatur
und Architektur ein konservatives Lebensgefühl verliehen wurde. Die
Nutzung als Epochenbezeichnung entwickelte sich ab Ende des
19.Jahrhunderts, als man begann, das Biedermeier mit
"guter, alter Zeit" gleichzusetzen, ein Ausdruck für
Behaglichkeit, Häuslichkeit, Geselligkeit in Familie und im
Freundeskreis und für den (auch geistigen) Rückzug ins Private. Der
Begriff wird vor allem für Literatur und Kunst verwendet.
1.2.
Historischer Hintergrund
Die
Zeitspanne des Beidermeier ist ziemlich genau zwischen dem Wiener
Kongress 1815 und der deutschen bürgerlichen Revolution 1848
eingebettet. Die Biedermeierzeit ist als ein künstlerisches
Sprachrohr der Restauration zu verstehen. Nach Jahrzehnten unter dem
Eindruck der Französischen Revolution und der Napoleonischen Kriege
gestanden, waren die Jahre des Biedermeier durch eine größere
innen- und außenpolitische Stabilität geprägt.
Die
politische Situation zum Epcochenbeginn wurde ausgelöst durch die
Niederlage Napoleons in der Schlacht
bei Waterloo und seiner Verbannung. Auf diese Ereignisse
erfolgte der Wiener Kongress, bei dem die Ordnung Europas im
Mittelpunkt stand, mit dem Ziel einer Wiederherstellung jener
Verhältnisse, die vor der Französischen
Revolution Europa geprägt hatten. Zu diesem Zweck gingen
die konservativen Monarchen Kaiser Franz I.
von Österreich, der russische Zar Alexander I. und
der preußische König Friedrich
Wilhelm III. die „Heilige
Allianz“ ein.
Zur
Verteidigung dieser Ordnung griffen die Fürsten allerdings auch auf
Maßnahmen der Unterdrückung zurück. Vor allem mithilfe der
weitreichenden Karlsbader Beschlüsse (Verbot von Burschenschaften,
umfangreiche Zensur, Kontrolle von Universitäten etc.) wurden die
fortschrittlichen Ideen des Liberalismus konsequent bekämpft. Für
die Aussicht auf stabile Verhältnisse war ein Großteil der
Bevölkerung jedoch gern bereit, auf politische und intellektuelle
Freiheiten zu verzichten. Im Biedermeier wird folglich das kleine
Glück in der privaten Idylle in den Vordergrund gerückt. Ohne die
Karlsbader Beschlüsse ist die Biedermeierzeit nicht denkbar;
außerhalb Deutschlands, Österreichs und Skandinaviens existiert
daher auch der Begriff Biedermeier nicht,
da die gesellschaftliche Entwicklung in diesen Ländern anders
verlief.
Diese
politische und gesellschaftliche Situation führte in den Jahren
1848/49 jedoch zu bürgerlichen Revolutionen in ganz Europa. Im
Zentrum und auscchlaggebend das Ende des Biedermeiers steht die
deutsche Revolution 1848, auch Märzrevolution genannt. Sie erzwang
von Berlin bis Wien die Berufung liberaler Regierungen in den
Einzelstaaten und die Durchführung von Wahlen zu einer
verfassungsgebenden Nationalversammlung. Nach den sogenannten
Märzerrungenschaften
(wie zum Beispiel die Aufhebung der Pressezensur oder
Bauernbefreiung) begann die Revolution in die Defensive zu gehen mit
zunehmenden bürgerkriegsähnlichen Aufständen. Diese Tatsache
bedeutete auch das letztliche Scheitern der Revolution in Bezug auf
ihre wesentliche Kernforderung. Im Juli 1949 gab es den ersten
Versuch, einen einheitlichen deutschen Nationalstaat zu schaffen,
doch dieser wurde von überwiegend preußischen und österreichischen
Truppen niedergeschlagen.
Abb.
2: Märzzrevolution in Deutschland
2.
Lebensgefühl, Kunst und Kultur im Biedermeier
2.1.
Lebensgefühl und Kultur
Im
Biedermeier gilt die heile Welt der Ich-Bezogenheit Als Ideale eines
gelungenes Lebens gewinnen Tugenden wie Genügsamkeit. Ebenso gilt
das sich unterordnende Akzeptieren von politischen und
gesellschaftlichen Gegebenheiten sowie das bejahende Annehmen des
eigenen Schicksals als sicherer Weg zum kleinen Glück: Folgerichtig
sind viele Werke des Biedermeier von einer tiefen Religiosität
(Pietismus) geprägt.
Der
Fokus liegt auf bürgerlichen Kleinfamilien. Das Bürgertum
kultivierte das Privat- und Familienleben in ganz neuem Ausmaß.
Nicht die Repräsentation stand im Vordergrund, sondern das häusliche
Glück in den eigenen vier Wänden, die zum Rückzugsort wurden.
Bürgerliche Tugenden wie Fleiß, Ehrlichkeit, Treue, Pflichtgefühl,
Bescheidenheit wurden zu allgemeinen Prinzipien erhoben. Die
Biedermeier-Wohnstube war die Urform des heutigen Wohnzimmer, und man
nimmt außerdem an, dass damals der Ausrdruck der Gemütlichkeit
entstanden ist. Die Geselligkeit wurde in kleinem Rahmen gepflegt,
beim Kaffeekränzchen am Stammtisch, bei der Hausmusik, aber auch in
den Wiener Kaffeehäusern.
Die
bürgerliche Familienstruktur war patriarchalisch, der Mann das
Oberhaupt der Familie; der Wirkungskreis der Frau war der Haushalt.
Das wohlhabendere Bürgertum beschäftigte Personal, darunter eine
Köchin, einen Kutscher, eine Kinderfrau,
für Säuglinge auch eine Amme,
mitunter einen Hauslehrer. Die wichtigsten weiblichen
Freizeitbeschäftigungen waren Handarbeiten und das Klavierspiel, das
jede Bürgertochter zu lernen hatte. Wesentlich mehr Aufmerksamkeit
als vorher widmete man auch der Kindererziehung und dem Kinderzimmer,
es erschien entsprechende Literatur mit Anleitungen zur Erziehung.
Damals entstand auch erstmals eine eigene Kindermode, die nicht nur
eine Kopie der Erwachsenenmode war. Außerdem erlebte die
Spielzeugindustrie ihre erste Blüte. 1840 gründete Friedrich
Fröbel in Bad
Blankenburg den ersten Kindergarten.
In der Biedermeierzeit wurde auch das häusliche Weihnachtsfest in
der Form ausgebildet, wie sie heute bekannt ist,
mitWeihnachtsbaum, Weihnachtsliedern und Bescherung.
2.2.
Architektur und Möbel
Möbel sind
in der Biedermeier Epoche funktionell und dienen in erster Linie
nicht mehr repräsentativen Zwecken, sondern vor allem der
Gemütlichkeit des eigenen Heims. Biedermeier
Möbel haben
klare Formen mit wenigen, schlichten Zierelementen; welche die
Schönheit des Materials zur Geltung kommen lassen. Die
Möbelformen sind
stark vereinfachte klassizistische Formen mit wenig bis keinem Dekor,
wodurch die Maserung des Holzes zur Geltung kommt. Sie sind
praktisch, schlicht, harmonisch in den Proportionen und meist
handwerklich gut gearbeitet. Entwürfe des Biedermeier sind wie
zurückgenommene, vereinfachte Formen des Empire; oft aber auch von
den Entwürfen des englischen Möbeltischlers Thomas Sheraton
beeinflusst.
Dieser Stil
prägte auch die Architektur und somit alle Monumentalbauten dieser
Zeit. Vor allem bürgerliche Wohnviertel wurden stark nach diesen
Vorstellungen angelegt. Der bedeutenste Architekt des
Biedermeier-Stils war Joseph Kornhäusel, der vor allem in Wien tätig
war. In Baden bei Wien errichtete er die Sommerresidenz des
österreichischen Kaisers.
2.3.
Kunst
In der
Malerei kann das Biedermeier nicht als eigenständiger Stil gewertet
werden. Vielmehr handelt es sich um inhaltliche Charakteristiken, die
mit "Biedermeiermalerei" bezeichnet werden können: Immer
wird eine heile bürgerliche Welt geschildert, sei es in der
bürgerlichen Wohnstube, in der deutschen Kleinstadt oder in der
Natur, teilweise mit rührseligem Einschlag. Charakteristisch ist die
Abwendung vom großformatigen Historienbild des Klassizismus.
Verstärkt traten die Dinge des täglichen Lebens und die nächste
Umgebung in das Blickfeld der Maler. Eine Blütezeit erlebte die
Genre- und Landschaftsmalerei, aber auch das miniaturhafte Porträt.
Daneben erfreute sich auch die Landschaftsdarstellung großer
Beliebtheit. Das Bürgertum, das zu Geld und Ansehen gelangt war,
trat verstärkt als Sammler und Mäzen auf. Nicht zuletzt daraus ist
die Neigung zu kleinformatigen "Sammlerstücken" in der
Malerei zu erklären.
Religiöse
und historische Motive fehlen fast völlig. Der Stil war realistisch,
die Bilder ähnelten oft einer fotografischen Abbildung. Vorbild war
die niederländische Malerei des 17. Jahrhunderts. Allerdings
war das angestrebte Ergebnis ein Pseudo-Realismus, denn die
Wirklichkeit wurde gern idealisiert und übersteigert, mitunter
überschneidet sich die Malerei mit der Spätromantik.
Die Aquarelltechnik erreichte ein sehr hohes Niveau; für
Buchillustrationen wurde nun zunehmend die Lithografie eingesetzt.
Als
Inbegriff biedermeierlicher Idylle gelten die kleinformatigen Bilder
von Karl
Spitzweg, die aber voller boshafter Kritik an seinen Zeitgenossen
stecken. Biedermeierhafte Züge finden sich in den Gemälden
von Peter
Fendi, Ferdinand
Georg Waldmüller, Ludwig
Richter und in den Märchen- und Sagenbildern Moritz
von Schwinds.
Außerdem
greift die Epoche mit ihrer Naturverbundenheit vereinzelt Motive der
Romantik auf. Aufgrund dieser losen Verwandtschaft werden in den
Werken der bedeutendsten Autoren durchaus auch Themen wie
Weltschmerz und Verzweiflung thematisiert. Die Literatur des
Biedermeier geht somit schließlich doch weit über die Beschreibung
einer idealisierten Welt hinaus – häufig schwelt unter der
Oberfläche die Erkenntnis, dass auch der weitgehende Rückzug ins
Private Wünsche, Leidenschaften und Neigungen nicht dauerhaft
bändigen kann.
3.
Literatur
In
der Literatur, begründet die durch die Zensur erzwungene politische
Enthaltsamkeit eine unpolitisch - sentimentale Geselligkeit. Man
schreibt einander Verse in Stammbücher und Poesiealben, trifft sich
in poetischen Lesezirkeln und konsumiert die zahlreichen
Taschenbücher und Almanache. Auch viele Erzählungen bedeutender
spätromantischer und biedermeierlicher Autoren erscheinen auf diese
Weise. Für eine kritische Öffentlichkeit hingegen schreiben die
oppositionellen Autoren in den Feuilletons der Zeitschriften; dabei
führen sie den politisch- literarischen Essay zur Blüte.
Die
biedermeierlichen Autoren ziehen sich häufig in ruhige Provinzorte
zurück und bleiben während ihres Lebens recht unbekannt und
erfolglos. Die oppositionellen Autoren dagegen treibt es in die
großen Städte, wo sie im Kreuzfeuer der öffentlichen Diskussion
stehen; die radikaleren unter ihnen arbeiten sogar mit politischen
Gruppen zusammen.
Grundsätzlich
bezeichnet man die Literatur dieser Epoche auch als
Restaurationsliteratur. Ihre Literarischen Schwerpunkte, sowie die
wichtigsten Schriftsteller ihrer Zeit sind in der unten angeführte
Graphik angegeben.
3.1.
Eduard Mörike und Lyrik
Einer,
dessen Name fast automatisch mit dem Biedermeier der
Beschaulichkeit assoziiert wird, ist Eduard Mörike. Daß er sich –
allerdings keineswegs ausschließlich – unspektakulären Themen
widmete und sich nicht zu schade war, auf einen Turmhahn oder eine
Lampe ein Gedicht zu schreiben, scheint ihm zum Verhängnis geworden
zu sein. Dabei steckt selbst in den eher idyllischen Texten stets
eine gute Portion Ironie, aber es überwiegen ohnehin solche, die
alles andere als betulich sind. Sein Roman Maler
Nolten (1832)
legt die seelischen Abgründe eines jungen Künstlers offen und ist
von geradezu anti-biedermeierlicher Zerrissenheit und Aufgewühltheit
gekennzeichnet. Mit formaler Strenge und leisen, eindringlichen Tönen
gibt dagegen die Novelle Mozart
auf der Reise nach Prag (1855)
eine scheinbar unbeschwerte Anekdote aus dem Leben des Komponisten
wieder – und doch wird dem Leser dabei ein beklemmender Einblick in
die Tragik des sich verzehrenden Genies gewährt.
Mörikes
Lyrik ist von einer erstaunlichen stilistischen und thematischen
Vielfalt. Texte von klassischer Strenge (darunter Auf
eine Lampe mit
der berühmten Schlußzeile: »Was aber schön ist, selig scheint es
in ihm selbst«) stehen neben anderen voller romantisch entfesselter
Leidenschaft (Peregrina-Zyklus,
Ein Stündlein wohl vor Tag);
mythisch-geheimnisvolle (Gesang Weylas) neben Liedern und Balladen im
echten Volkston (Er
ists[»Frühling
läßt sein blaues Band ...«], Der
Feuerreiter),
heiter-besinnliche (Scherz,
Jedem das Seine)
neben ausgesprochen modernen Nonsense-Texten
(den Wispeliaden oderSommersprossen
von Liebmund Maria Wispel, 1837).
Das
Musikalische seiner Gedichte – nicht umsonst ist Mörike einer der
meistvertonten deutschen Dichter – und die eigenständige, präzise
Handhabung des traditionsbeladenen Sprachmaterials verleihen seinem
poetischen Werk einen über das Epochale hinausweisenden Wert; Texte
wie Um
Mitternacht, An einem Wintermorgen, vor Sonnenaufgang, Ein Tännlein
grünet wo oder An
eine Äolsharfe gehören
zu den unumstrittenen Höhepunkten deutschsprachiger Lyrik.
3.2.
Franz Grillparzer und die Bühnenwelt
Mindestens
im gleichen Maße wie Mörike ist Franz Grillparzer mit dem
Biedermeier-Stigma belastet. Wegen seiner Formstrenge als Goethe-
und/oder Schiller-Epigone verkannt, wegen seiner
pessimistisch-resignativen Grundhaltung in der Behandlung der
Macht-Thematik zum Dichter der Metternich-Ära abgestempelt, trug
sicher sein Märchenspiel Der
Traum ein Leben(1834)
dazu bei, sein Werk als Aufruf zur tatenlosen Innerlichkeit zu
mißverstehen, vor allem durch die Zeilen:
Eines nur
ist Glück hienieden,
Eins: des Innern stiller Frieden
Und die
schuldbefreite Brust.
Und die Größe ist gefährlich,
Und der
Ruhm ein leeres Spiel,
Was sie gibt, sind nicht'ge Schatten,
Was
sie nimmt, es ist so viel.
Freilich,
aus dem Zusammenhang gerissen mag hieraus eine Aufforderung zu
stiller Häuslichkeit abgeleitet werden, aber Grillparzer deswegen
zum Vertreter biedermeierlicher Genügsamkeit auszurufen, grenzt an
üble Nachrede. Sein Fatalismus ist alles andere als ängstlicher
Schicksalsglaube, sondern rührt von seiner tiefen, gewiß auch
leidvollen Welterfahrung her. Grillparzer kannte die ungeheure Macht,
welche die – zumal verborgenen – seelischen Kräfte auf den
Menschen ausüben, und so hat er in seinen Dramen nicht das Fatum
walten lassen, sondern das Geschehen aus der – meisterhaft
gezeichneten – tiefenpsychologischen Struktur seiner Figuren
entwickelt.
Ob in König
Ottokars Glück und Ende (1825)
oder Ein
treuer Diener seines Herrn (1828):
es gibt in seiner Bühnenwelt ebenso wenig wirkliche Bösewichte wie
strahlende Helden; alle Personen agieren aus der inneren Logik ihrer
seelischen Beschaffenheit und geraten dadurch, gleichzeitig Opfer und
Verursacher, in tragischen Konflikt. Das ist sein Wesenszug seiner
den Schillerschen durchaus ebenbürtigen Geschichtsdramen, deren
sentenzhafte Sprache ebenfalls an den Klassiker erinnert, ohne ihn
jemals nachzuahmen (neben den schon erwähnten die Alterswerke Die
Jüdin von Toledo, 1850–1860
entstanden, 1872 uraufgeführt, und Ein
Bruderzwist in Habsburg, 1848/1872).
Aber ebenso werden uns in der Bearbeitung antik-mythischer Stoffe
(Sappho,
1818, die Trilogie Das
goldene Vlies, 1821, Des
Meeres und der Liebe Wellen, d.
i. die Sage von Hero und Leander, 1831, sowie Libussa,
1848/1874) stets Menschen vorgeführt, die, auf der Suche nach dem
persönlichen Glück, im Zwiespalt zwischen Erkenntnis und Tat an die
von innen wie von außen gesetzten Grenzen geraten.
Wenn
Grillparzer »der Dichter der skeptischen Reflexion und der
resignierenden Weisheit« (Wolfgang Müller) genannt worden ist, so
heißt das nicht, daß in seinen Dramen der Handelnde sich schuldig
macht, während der Leidende seine Reinheit bewahrt. Das Zögern und
Zweifeln ist ein Charakteristikum aller Grillparzerschen
Figuren, durch die das Wissen des Autors um die Bedingtheit
menschlichen Tuns und Strebens zum Ausdruck kommt.
3.3.
Annette von Droste-Hülshoff und Naturdarstellung
Gefangen in
ihrer von Milieu, materieller Not und archaisch-triebhaftem Denken
und Fühlen bestimmten Welt, sind die Personen in Annette von
Droste-Hülshoffs Meisternovelle Die
Judenbuche. Ein Sittengemälde aus dem gebirgichten Westfalen (1842)
nur in geringem Maße wirklich Handelnde; vielmehr kann ihr Verhalten
als bloßes, fast instinktives Reagieren auf äußere, von
Gesellschaft und Natur gesetzte Umstände aufgefaßt werden. In
diesem Prosawerk nimmt die Autorin (eigentlich Anna Elisabeth Freiin
Droste zu Hülshoff) Züge des Naturalismus voraus, so wie sie auch
in anderen Erzählungen (Bei
uns zu Lande auf dem Lande, 1840, Bilder
aus Westfalen, 1842),
wenn auch nicht mit derselben Intensität, einen besonderen
Schwerpunkt auf die möglichst detaillierte und atmosphärisch dichte
Schilderung der Lebensumstände des Landadels wie des einfachen
Volkes legt.
Doch in die
um Objektivität bemühte Darstellungsweise der Judenbuche flicht
sich eine auf eigentümliche Art divergierende und doch organisch
verbundene Thematisierung von Natur, die über das rein Deskriptive
weit hinausgeht und Moor und Wald, Gewitter und Nebel etwas
Unheimliches und Bedrohliches verleiht. Dieser Aspekt, der in den
Versepen der Droste-Hülshoff überspitzt wirkt, läßt sich in ihrer
Lyrik reiner und 'stimmiger' wiederfinden.
Unter den
Begriff Naturlyrik,
zu der viele ihrer Gedichte zweifelsohne zu rechnen sind, lassen sich
im Prinzip alle Texte subsummieren, die eben Natur auf
die eine oder andere Weise zum Gegenstand haben – das
Kennzeichnende an Drostes Lyrik ist die magische Dimension, die
Bäume, Vögel, Wolken, vor allem auch Formen und Geräusche
erhalten. Ob düster oder freundlich: in Gedichten wie Der
Knabe im Moor, Der Weiher, Durchwachte Nacht oder Im
Grase ist
stets etwas Dämonisches zu spüren; die Erscheinungen der Natur sind
nie bloßer Hintergrund, nie bloße Träger von Stimmungen,
andererseits auch nie reine Symbole: sie sind wesenhaft, sind am
Weltgeschehen beteiligt, besitzen geheimnisvolle Macht.
3.4.
Stifter, u, Rückert und Grabbes
Eine
mindestens ebenso zentrale Rolle spielt die Natur auch bei Adalbert
Stifter, allerdings mit völlig anderer Funktion. Denn wenn bei einem
Autor tatsächlich und ganz wertfrei von Biedermeier im
Sinne von 'Rückzug ins Private, Abgewandheit von der (sozial
geprägten) Welt' gesprochen werden kann, dann ist dies bei ihm der
Fall. Stifter, dem das »Wehen der Luft, das Rieseln des Wassers«
mehr galten als der »Blitz, welcher Häuser spaltet« und der
»Sturm, der die Brandung treibt« hat die in seiner Prosa
allgegenwärtige Natur zum Zeugen und Mitbeteiligten am menschlichen
Schicksal gemacht. Im Grunde thematisieren alle seine Werke
(darunter Der
Hochwald, 1842, Brigitta, 1843, Der
Waldsteig, 1845, Bunte
Steine,1854, Nachsommer, 1857, Die
Mappe meines Urgroßvaters, vier
Fassungen von 1841 bis 1867) die Entsagung und die Zuwendung zum
Kleinen, Alltäglichen als Kern wahrer Humanität, die sich dem
»sanften Gesetz« der sittlichen Ordnung unterwirft.
Und noch
bei einem weiteren Autor, der allerdings eher aus Mangel an
Gegenbeweisen dem Biedermeier zugeordnet wird, steht die Natur im
Vordergrund seines vorwiegend lyrischen Schaffens: Nikolaus u
(eigentlich Nikolaus Franz Niembsch, Edler von Strehu). In seiner
von Melancholie geprägten, äußerst melodiösen Lyrik spiegelt die
Landschaft – oft die Steppen seiner ungarischen Heimat – die
düsteren Stimmungen der Seele. Zerrissenheit ist auch formal und
thematisch das Kennzeichen seiner Verserzählungen und -dramen
(Faust,
1836/40, Savonarola,
1837, Die
Albigenser,
1840 und Don
Juan,
ein Fragment aus dem Nachlaß).
Als
bedeutender Lyriker dieser Zeit muß auch Friedrich Rückert genannt
werden. Die große Anzahl seiner Gedichte, deren ästhetischer Rang
fast zwangsläufig sehr unterschiedlich ausfällt, hat zu einer
pauschalen Unterschätzung seines Werks geführt. Möge ihm –
durchaus nicht unberechtigt – virtuose Oberflächlichkeit in vielen
seiner Texte vorgeworfen werden, so weist sein Œuvre doch Aspekte
auf, die Rückert große Aktualität verleihen. Nicht nur
dieKindertotenlieder (1872,
aus dem Nachlaß), die Gustav Mahler zur genialen Vertonung bewegten,
sind ein Beispiel hierfür; auch seine Hinwendung zum
Gegenständlichen und zu manchmal skurrilen Motiven enthält
Parallelen zur Lyrik des 20. Jahrhunderts (z. B. Günter Eich).
Darüber hinaus ist Rückert der bedeutendste deutschsprachige
Übersetzer und Nachdichter orientalischer Poesie: er übertrug Texte
u. a. aus dem Arabischen, Hebräischen, Persischen und Sanskrit und
verwendete zahlreiche fremde Strophenformen (Ghaselen, Makamen etc.)
zum ersten Mal in der deutschen Lyrik.
Wenn
von Zerrissenheit die Rede war, so kann dieses Attribut wohl selten
treffender verwendet werden als in bezug auf das Leben und Werk
Christian Dietrich Grabbes. Aus seiner nihilistischen Perspektive war
die Welt nichts als ein »mittelmäßiges Lustspiel«; entsprechend
dieser Grundhaltung gestaltete er historische Dramen (Napoleon
oder die hundert Tage, 1831, Hannibal,
1835) als groteske Bilderbücher, in denen das Scheitern alles Großen
an der Übermacht des Gemeinen und Banalen zynisch dargestellt wird.
Grabbes radikale Skepsis und Illusionslosigkeit rückt ihn in die
Nähe moderner Dramatiker wie Valle-Inclán, Ionesco und Beckett. Als
frühes Werk des absurden Theaters kann seine Komödie Scherz,
Satire, Ironie und tiefere Bedeutung (1827)
angesehen werden; eine erste Ahnung der Postmoderne vermittelt der
gigantische Versuch, in Don
Juan und Faust (1829)
zwei Stoffe der Weltliteratur mit einer eigenwilligen Zitat-Technik
zu einer aus dem Widerspruch generierten Synthese zusammenzuführen.
3.5.
Johann Nestroy
Johann
Nepomuk Nestroy, ein österreichischer Dramatiker, Schauspieler und
Opernsänger wurde 1801 in Wien geboren und ist zweigellos der
bedeutendste Lustspieldichter aus Österreich. Die Tradition von
Stranitzky, Hafner und Raimund konsequent weiterentwickelnd,
begleitet und dominiert Nestroy das Wiener Theaterleben vom
Biedermeier über den Vormärz bis zur Revolution und prägt auch
noch die Jahre nach 1848.
Erst
Karl Kraus leitet eine Wiederentdeckung ein, befreit N. vom Klischee
des witzigen »Wiener Dialekt-Dichters« und erkennt in ihm den
großen Theaterdichter deutscher Sprache, dessen Werke – über das
Lokale weit hinausreichend - inhaltlich und formal zeitlose
Gültigkeit haben und deshalb auch heute zu den meistgespielten
Theaterstücken im deutschsprachigen Raum zählen.
Seine
Volksstücke, Possen, Travestien und Parodien (auf Grillparzer,
Meyerbeer, Holtei, Hebbel und Wagner) basieren fast durchwegs auf
fremdsprachigen Roman- oder Stückvorlagen, die inzwischen mit Recht
vergessen sind. Sie sind immer mehr oder weniger durchsetzt mit
Gesangseinlagen (Couplets, Chören, Duetten, Quodlibets), welche die
Handlung teils distanziert reflektieren, teils situationsbezogen
überhöhen.
Alle
seine Werke sind geprägt von desillusionierender, absoluter Skepsis
gegenüber menschlichem Verhalten und gesellschaftlichen
Entwicklungen jeglicher Art. Unerbittlich zeigt er menschliche
Abgründe und Schwächen, prangert sie an, doch ist stets Sympathie
für die kleinen Leute spürbar, letztlich auch eine tiefversteckte
moralische Utopie.
Das
raffinierte Wechselspiel von Dialekt und (meist aufgesetzter)
Hochsprache entlarvt nicht nur die Charaktere, bzw. deren soziale
Herkunft und Befindlichkeit, sondern vereinigt sich bei Nestroy zu
einer ungemein rhythmischen und präzisen Art von Kunstsprache, deren
stärkste Aphorismen und Wortbilder als Zitate wieder in den
Volksmund eingegangen sind.
Abb. 5 : Zu ebener
Erde und erster Stock
Dialektischer
Witz, scharfe Ironie, abgründige, subtile Satire stehen bei ihm
neben absurder, urwüchsiger Komik. Dabei arbeitet er oft mit
mehrdeutigen, indirekten Anspielungen verbaler oder gestischer Art,
um die Zensur zu umgehen.
Die
tradierten, bewährten Komödienschemata, auf die er mitunter
zurückgreift, erfüllt er mit neuem Leben, bringt sie formal auf den
Punkt und veredelt sie sprachlich unübertrefflich. Vorsichtig
erprobt er manchmal auch neue Spielformen, die ihrer Zeit oft weit
voraus sind, läßt aber schnell davon ab, wenn sie von seinem
Publikum nicht goutiert werden.
So
ist er in vielem Urvater und Wegbereiter der modernen
österreichischen Theaterdichtung (Anzengruber, Horvath, Soyfer,
Bauer, Jelinek).
5.
Quellenverzeichnis
Internet
Quellen
Literatur
Quellen
Joachim
Bark: Biedermeier
und Vormärz/Bürgerlicher Realismus.
Geschichte der deutschen Literatur, Bd. 3. Klett, Stuttgart
2001.
Marianne
Bernhard: Das
Biedermeier: Kultur zwischen Wiener Kongreß und Märzrevolution.
Econ, Düsseldorf/Wien 1983.
Helmut
Bock: Aufbruch
in die Bürgerwelt. Lebensbilder aus Vormärz und Biedermeier.
Münster 1994.
Manfred
Engel: Vormärz,
Frührealismus, Biedermeierzeit, Restaurationszeit? Komparatistische
Konturierungsversuche für eine konturlose Epoche.
In: Oxford
German Studies 40/2011,
S. 210–220.
Klaus D.
Füller: Erfolgreiche
Kinderbuchautoren des Biedermeier. Christoph von Schmid, Leopold
Chimani, Gustav Nieritz, Christian Gottlob Barth.
Frankfurt am Main 2005.
Georg
Hermann: Das
Biedermeier im Spiegel seiner Zeit: Briefe, Tagebücher, Memoiren,
Volksszenen und ähnliche Dokumente.
Berlin 1913.