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Zusammenfassung

Überblick über literarische Strömungen Teil 3

14.168 Wörter / ~46 Seiten sternsternsternstern_0.25stern_0.3 Autorin Madlen P. im Jun. 2009
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Deutsch

Universität, Schule

Karl-Franzens-Universität Graz - KFU

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Madlen P. ©
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ID# 709







Literarische Traditionen III 1848 – 1918

 

Österreichische Komödie vor und nach 1848

Die Epochalisierung der Literatur ist typisch deutsch. Österreich weicht jedoch in vielem ab (Wirtschafts- und sozialgeschichtliche Abweichung). Die österreichische Entwicklung ist anders und wird z. T. als mindere Qualität gehandelt. Ästhetischer Maßstab ist die Klassik.

Dies gilt v. a. für die österreichische Komödie.

Vertreter: Raimund, Nestroy, Kleist, Gleich, Bäuerle, Meisl, Bauernfeld

 

Das österreichische Spaßtheater im 18. Jh. – Altwiener Volkskomödie

Entwickelte sich unter einem bestimmten Aufklärungsmodell, das sich vom dt. unterschied. Von Joseph II. sollte die Aufklärung per Erlass verordnet werden in Österreich vom Kaiser verordnet, detruierte Aufklärung von Joseph II. und Beamten gegen Adel und Klerus, ordnungspolitische Zwecke.  In Deutschland von den bürgerlichen Schichten getragen.

Die Traditionen des Altwiener Spaßtheaters sollten verboten werden (ab 1750). Das Spaßtheater ist nicht staatskritisch und wird ab diesem Zeitpunkt staatskritisch.

 

Das Anti-Aufklärerische am Spaßtheater

Joseph von Sonnenfels war die rechte Hand von Joseph II und Maria Theresia. Das Theater wurde als (Abend-) Schule des Volkes gesehen – im Spaßtheater ging es um die reine Unvernunft, um puren Spaß. Es ist für heutige Begriffe obszön, Körperlichkeit, Sex,…

Ziel: der anständige Bürger, vernunftgeleitete Untertan; deshalb soll das Spaßtheater verboten werden. Es hatte aber viele Anhänger, deshalb ließ man es sich nicht einfach verbieten.

Das Theaterpublikum in Österreich veränderte dann aber den Geschmack in Bezug auf das Spaßtheater (anders als in DL). Österreich hält länger am Spaßtheater fest. Das Volk wollte ‚action’ auf der Bühne. Der Hanswurst ist als alte obszöne Figur zu betrachten. Die neuere Figur (weniger obszön) ist der Kasperl. Er ist eine lustige Figur; Motiv des Geldes; Motiv des Mannes, der nur an Geld, Essen und Frauen denkt. Die Kasperl-Tradition wuchert in Wien weiter und führt zu Raimund und Nestroy und dem neueren Volkstheater.

 

Österreich vor 1848: Josephinismus (= von Joseph bestimmte Aufklärung) war von langer Dauer; antiklerikal, vernunftbetont.

Nach den napoleonischen Kriegen herrscht Friedhofsruhe, keine Parteien, keine Diskussionen.

Joseph Gottfried Säumer: Reiseschriftsteller; lebte zu Beginn des 19. Jh. Über die öffentlichen Anliegen wird in Wien nichts geäußert ® keiner spricht über die Politik. Der Alltag ist geprägt von sozialem Elende (Hungersnot, Taglöhner, Kinderarbeit, Vorzensur).

 

Vorzensur (zu dieser Zeit)

Nachzensur (heute)

Man legt einer öffentlichen/staatlichen Stelle das, was gedruckt werden soll, vor.

Man kann alles schreiben, wenn es gegen Gesetze verstößt, kann man es ändern.

 

Vorzensur im Bildungswesen:

-       Verboten ist alles, was gegen den Kaiser, die Dynastie oder fremde Staatsverwaltungen ist (Missvergnügen und Unruhe).

-       Die christliche Religion durfte nicht untergraben werden ® der Aberglaube wurde gefördert (Aberglaube als Relikt des Josephinismus).

-       Bei jeder Aufführung gab es einen Zensor.

-       Es gibt Unterschiede zwischen vorgelegter und gespielter Fassung. So konnte man Zensur umgehen (von Nestroy wurde ein Stück verboten). Ex tempore (= Stehgreifspiel). Die Musik konnte, wenn es damals geschickt inszeniert wurde, kritisieren.

 

Formen des Theaters:

- Wandertheater: Die Form des Theaters im damaligen Österreich war das Wandertheater (® die alten, obszönen Traditionen wurden am ehesten dort erhalten).

- Burgtheater (damals: Hofburgtheater "Theater nächst der Burg"): Es war wie heute staatlich durchfinanziert, für höfische Kreise, Oberschicht.

Shakespeare – Spanisches Theater des goldenen Zeitalters – Weimarer Klassik. Dort musste nicht viel zensuriert werden. Vielfach wurde auch auf Französisch gespielt.

-     Kärntnertortheater: damals schon lange Tradition, kleinbürgerliches Publikum, Vergnügungstheater, Posse.

-     Vorstadtbühnen: in den 70er und 80er Jahren gegründetK & K privilegiert, von Krone genehmigt bzw. aufgeführt, , nach der Josephinischen Gewerbefreiheit, auf kommerziellen Gewinn aus; übrig ist das Theater in der Josephstadt, Theater in der Leopoldstadt ( war von 1820 bis 1840 am wichtigsten; wurde eine Zeit lang von Carl geleitet ® Carltheater), Theater an der Wieden (privat geführt und auf finanziellen Erfolg ausgerichtet; vor allem Rührstücke - man wollte die Menschen rühren ® Liebesgeschichten - und Schaustücke - zielen darauf ab, das Auge und das Ohr zu befriedigen ® Maschinenkomödie: viel Musik, Gesang und Tanz).

Salondramen (= Konversationslustspiel ® Dramensprache, Entfaltung von Esprit), Nestroy baut darauf auf.

 

Maschinenkunst: vor allem bei Raimund; Märchentradition, mythische Tradition (mytholog. Figuren – z. B. Fortuna = Glücksgöttin), Vanitas – aus dem Arsenal des Barocktheaters, Prinzip: "deus ex machina" ® eigentlich ein Prinzip, kann auch eine Figur sein; verfahrene Situation, (Götter-)Figur erscheint plötzlich und löst alles auf, ausgeprägt im 19. Jh. im Liebesroman.

 

Wiener Komödie:

Dramaturgie beruht auf Typen (bei Eduard von Bauernfeld)

Posse: Possenautoren – die großen Drei (Gleich, Meisl, Bäuerle). Bei den Possenautoren werden die Figuren nicht sehr stark individualisiert.

Zauberstück und Lokalstück (Schwerpunkt der Komik: Wiedererkennungseffekt der Lokalitäten)

Besserungsstück: komödiantische Analogie zum Bildungs- und Entwicklungsroman, moralische Katharsis einer Person (vgl. „Lumpazivagabundus“).

Mythologische Karikatur

 

Ferdinand Jakob Raimund

eigentlich Raimann; nur 46 Jahre alt geworden; unglücklicher Mensch; konnte sich seine Wünsche nie erfüllen ® hypochondrisch; Selbstmord: vorher wurde er von einem tollwütigen Hund gebissen

 

"Der Bauer als Millionär", romantisches Originalzaubermärchen, wurde mit Gesang 1826 uraufgeführt

Das Besondere an Raimund:

-     Gattungsbezeichnung! R. mischt die unterschiedlichen Gattungen des Volkstheaters durcheinander – Zauberstück, Posse,…

-     er legt sein moral. Engagement in die Stücke hinein

 

Kern des Stücks:

-     Allegorie der Zufriedenheit

-     Ausdruck biedermeierlicher Sozialutopie

-     Appell an die Bescheidenheit und Zufriedenheit

-     Kernfigur: Waldbauer Fortunatus Wurzel, Fee Lacrimosa

-     spielt zum Teil im Reich der Zufriedenheit

-     Allegorie des Alters – der Jugend ® "Brüderlein fein"

Motive: moralisch aufgeladene Kontrastierung von Armut (= Zufriedenheit) und Reichtum (= Zuchtlosigkeit, Unmenschlichkeit)

-     moral. Grundsätze des Bürgertums, kämpft gegen Adel

-     es geht immer ums Geld und wie es wirkt; fixe Figur: der Spekulant

Innerhalb Österreichs gab es in den 1840-er Jahren die erste große Kapitalisierung ® zum ersten Mal floriert der Spekulationskapitalismus. Dies wird als Vordringen eines stark materiellen Prinzips ins Leben betrachtet.

Raimund ist ein großer Gegner des Materialismus. Bei ihm sind ein individuell-ethischer Appell und biedermeierliche Resignationsethik vorherrschend.

 

Der Alpenkönig und der Menschenfeind":

1829 uraufgeführt im Carltheater; das erfolgreichste Stück von Raimund

Thematische Vorbilder waren Shakespeare und Molières "Der Menschenfeind".

Stellt Typus dar: Menschenfeind, lebenswahre Beobachtungen ® zwei Krankheiten: Hypochondrie und Misanthropie; die Geisterwelt tritt in den Hintergrund

Der Alpenkönig ist nicht mehr "deus ex machina" sondern "zweites Ich" und  somit sozusagen Spiegel des Menschenfeindes; Rappelkopf: Misanthrop (Argwohn, Verfolgungswahn; wittert nur Verfolgung, flieht in Einsamkeit des Waldes); Alpenkönig verwandelt sich in Rappelkopf und zeigt sein Verhalten auf; inszeniert die Spiegelung des Ich und bewirkt dadurch Selbsterkenntnis und Katharsis; Selbsterkenntnis Heilung Psychoanalyse; auch ein Besserungsstück; Gemütskrankheit wird gezeigt

 

Nach einigen Misserfolgen wandte Raimund sich wieder dem Besserungsstück zu:

"Der Verschwender": 1834

moral. Aspekt, Tugendideal, das verwirklicht werden muss, um individuellen Seelenfrieden und soziale Harmonie zu erreichen; das Geld steht wieder im Mittelpunkt; die Bescheidenheit wird gefeiert ("Hobellied"; Metapher: Schicksal hobelt alle gleich, biedermeierliche Ethik; Resignationsethik!)

 

Johann Nepomuk Nestroy

 

1862 in Graz gestorben; "der erste deutsche Satiriker, in dem sich die Sprache über die Dinge Gedanken macht", so Carl Kraus; Sprachwitz, Esprit, Sprachspiel.

Nestroy hat die "Sprachmaske" angewandt ® Individualität eines Menschen erstarrt dazu (bestimmtes Vokabular wird verwendet); die Sprachmaske entlarvt schließlich die Figur, verrät etwas, das der Sprecher gar nicht sagen will; Grunderfahrungstatsache: Das, was gesagt wird, wird nicht gemeint; über die Sprachmaske erfährt man viel von den Manipulationsmechanismen, die die Menschen geprägt haben [Handke "Kasperl"]

Nestroy ist auch ein Ironiker und Skeptiker, nicht nur Satiriker

Die Handlung ist sekundär (Künstler sahen sich damals als Handwerker, die Stücke mussten gewinnträchtig sein); Handlungen: schematisch und ohne jede Originalität (® Wort- und Situationskomik, aggressiv desillusionierender Sprachwitz); Figuren oft Karikaturen ihrer selbst.

"Der böse Geist Lumpazivagabundus"

1835, Zauberposse mit Gesang

Hauptdarsteller: Wenzel und Adolph Müller; Nestroy spielte Knieriem

Vorspiel im Feenreich (Streiterei, Wette, Anspielung auf Faust!: Im Himmel wird eine Wette geschlossen - aus dem Barockstück; Amorosa = Liebe gewinnt die Wette)

3 Typen:

- Schuster Knieriem (betrunken, schicksalsgläubig, Fatalist)

- Tischler Leim (Bürger)

- Schneider Zwirn (klassischer Sozialaufsteiger; versucht, das zu tun, was Reiche immer getan haben, gelingt ihm aber nicht, weil er keine Übung hat)

Träumen von Lottogewinn

Am Ende gibt es Wendung: Knieriem und Zwirn wollen auf Vagabundenleben verzichten

Zauberapparat ist nur noch Folie

Lumpazivagabundus: kommt nur einmal vor, Schützer der Spieler u. Trinker

 

"Der Talismann"

reißbrettartig; Wirkung der Vorurteile (über Rothaarige); Verlierer greift zur Perücke, alle Vorurteile weg; Titus Feuerfuchs kann allen nach dem Mund reden; er begreift und imitiert die Sprachmasken der anderen ® soziolinguistisches Cameläon

Gesellschafts- und Bildungssatire

Deus ex machina: ferner Onkel hat Geld

 

"Einen Jux will er sich machen"

"Der Zerrissene"

„Judith u. Holofernes“

 

Nestroy hatte einen antinationalistischen Zug. Die edelste Nation ist laut Nestroy die Resignation.

 

Vormärzliteratur in Deutschland (Literatur vor 1848)

 

Sie ist emanzipatorisch. Die Literatur des Jungen Deutschland ist demokratisch, sozialrevolutionär, nationalistisch. Die politischen/sozialen/ökonomischen Verhältnisse sind andere.

Es gibt zwei unterschiedliche Kulturen: Österreich ist ein multikulturelles Großreich, Vielvölkerstaat. Spezifisch österreichisch im 18. bis Mitte des 19. Jh. sind Traditionen des Komischen, der Komödie ® unterscheidet sich von den deutschen Komiktraditionen.

Unterschiedliche Konfession, unterschiedliche Aufklärung: hatte eine viel stärkere, auf das Individuum bezogene Stossrichtung in Deutschland. Im Beamtenstaat Österreich war sie von oben instruiert, ein ordnungspolitisches Projekt. Sie ist nach dem Tod Josephs wieder zurückgegangen.

Lustige Figuren dieser Zeit: Hanswurst, Bernadon, Kasperl

Breite Anhängerschaft, man kann ex tempore nicht verbieten. Komödie der 1840erJahre ist stark verbunden mit den Vorstadttheatern.

Raimund (= Repräsentant des Zauberspiels und des moralischen Kerns) und Grillparzer gelten als die Antipoden des Theaters.

Gottsched, Lessing: nichts Sexuelles, Fäkales, lehrreiche Geschichte, man muss lachen können (über Tabubrüche)


Raimund ist Repräsentant des alten, bildbarocken Theaterspiels; gegen protestantisch.

 

Wortbarock ≠ Bildbarock:

-     Vielfalt, Buntheit

-     Sinnlichkeit; man versuchte alle Sinne anzusprechen

-     katholische Barocktraditionen versuchen Auge und Ohr anzusprechen

-     Lustspiele: alle Komödien haben Musik, zum Teil wird auch getanzt, Akrobatik

-     Besserungsstücke, biedermeierl. Moralität

 

Nestroy: der Satiriker, Wortspieler, Zyniker – böser, zynischer Blick

Raimund hatte einen traurigen Blick auf die Menschen; sein eigenes Leben war stark von Melancholie geprägt. Raimund arbeitet mit Vorlagen. Das Postulat der Originalität und Innovation hat sich noch lange nicht durchgesetzt.

 

Franz Grillparzer

 

Problem der Epochalisierung – er wird oft als der österreichische Klassiker bezeichnet

Seine Theaterkonzepte beziehen sich auf das Barock, aber er ist Josephiner, war stark im Josephinismus verwurzelt (= rationalistische Aufklärung, antiklerikal, liberale Haltung in Konfessionsdingen).

G. ist widersprüchlich in seinen Tagebüchern (Vertrauen der Juden in die habsburgerischen Herrscher). Er schreibt für das Hofburgtheater. Sozial unterscheidet er sich von Nestroy und den anderen durch sein Beamtendasein.

Er benutzt die Formtraditionen (Barocktheater), um die eigene Lebensproblematik dichterisch zu gestalten. Barocktheater: Maschinenzauber und Musiktheater, Komik – gibt es bei G. nicht. Memento Mori – Fixiertheit aufs Jenseits – G. war Agnostiker. Das Barocke an ihm: das Leben wird als Symbol aufgefasst, als Gleichnis, als Traum ® "Der Traum ein Leben" ist eine der wesentlichsten barocken Metaphern.

Er sieht den Menschen als Marionette seiner Triebe, Impulse und seines Egoismus; typisiertes Menschenbild. Der Pessimismus Grillparzers ist barock (es gab politisch, sozial, ökonomisch wenig Anlass zum Optimismus).  Der Mensch ist destruktiv organisiert (siehe  spätromantisches Schicksalsdrama "Die Ahnfrau"). Die griech./röm. Mythologie ist lange in Österreich erhalten geblieben, viel länger erhalten als in Deutschland. Künstlertragödie "Sappho".  Eigene Gattungsbezeichnung: "Mythologische Karikatur"

Die Oper ist resistent von den Stoffen.

 

Zum Werk:

- „Die Ahnfrau“, „Sappho“, "Das goldene Vlies"

-     Das erste Geschichtsdrama "König Ottokars Glück und Ende"

1885 im Burgtheater aufgeführt; G. hatte regelmäßig Probleme mit der Zensur; über Habsburger; Rudolf auch Dramenfigur; es war verboten, Herrscherpersönlichkeiten zu verhöhnen.

Für Stücke hat G. historische Studien betrieben. Er wollte keine Psychologie betreiben (kaum Individualisierung); er möchte Allgemeinmenschliches darstellen (das Typische des menschlichen Handelns).

Die Geschichte wird als Wiederholung begriffen (typisch Barock), ist kein Geschichtsprozess als Prozess der Veränderung.

Inhalt: Mischung aus geschichtlichem Stoff, Moral, barockem Menschenbild

Gattung: nationales Geschichtsdrama

Grillparzer war ein fundamentalistischer Antinationalist. Er prägt die treffende Sentenz "von der Humanität über die Nationalität zur Bestialität".

 

 

- Märchen- und Mythendrama: "Der Traum ein Leben"

- Komödie "Weh dem, der lügt" ® steht nicht in der Altwiener Tradition; ist ein Lustspiel – es geht um den Widerspruch zwischen Wahrheitsanspruch und der Unmöglichkeit diesem gerecht zu werden: war ein kolossaler Misserfolg am Hofburgtheater ® Grillparzer war weit voraus weisend

-     "Der arme Spielmann"

Novelle; eine Erzählung, die anders als die meisten Dramen seine Gegenwart ins Auge fasst (das Wien der damaligen Zeit); plastischer Eindruck vom damaligen Wien der Handwerker und der Armen in den Vorstädten; in den sozialen Realitäten; Sohn aus verarmtem Hause endet als Bettelmusikant ® Portrait eines gutmütigen, schwachen, vertrauensseeligen Mannes (= Rahmenerzählung); andere Figuren stehen ihm gegenüber

Prototyp des damaligen "Losers": stammt aus gutem Hause – sackt sozial ab – verliebt sich in die Tochter eines Gemischtwarenhändlers – er will die Kunst Geige zu spielen betreiben – kann es aber nicht ® berührende Schilderung

Ich-Erzähler; geht auf Fest und trifft dort Spielmann; Binnenhandlung: Lebensgeschichte

Künstlermotiv: Missverhältnis von Kunstideal und tatsächlicher künstlerischer Begabung (will Kunst betreiben, kann es aber nicht)

Am Ende stirbt er bei Hochwasser. Erzähler trifft die Frau, die Spielmann verehrte.

Einzigartig: Figur des armen, scheiternden Mannes

-     Spätwerke: "Jüdin von Toledo", "Bruderzwist im Hause Habsburg"

 

Aus Grillparzers Tagebuch: "Das Tragische liegt darin, dass der Mensch das Nichtige als Irdisches erkennt."

 

 

 

 

 

Bürgerlicher Realismus und Gründerzeit in Österreich

 

Es gibt wieder Zuordnungsschwierigkeiten bei den Autoren.

Bsp.) Adalbert Stifter

·      biedermeierliche Tradition der Literatur und gleichzeitig auch realistische Traditionen, vor allem wegen der Landschaftsschilderungen

·      wenn man seine Werke mit Ruhe liest so entstehen Gemälde

 

Revolution 1848/49 in Österreich

Spielte sich auf unterschiedlichen Schauplätzen ab: Wien, Böhmen, Mähren, Serbien, …

Unterschiedliche Varianten:

·      liberale Revolution: zielt auf eine Liberalisierung des Geistesleben ab

·      konstitutionelle Revolution: Ziel ist eine Konstitution mit festgeschriebenen Rechten

·      soziale/agrarische Revolution

·      nationale Revolution (Wien, Ungarn, Böhmen, Serbien)

Auslöser dieser Revolution war die Februarrevolution in Frankreich, eine tiefgehende Wirtschaftskrise, Agitation der radikalen Liberalen auf dem ungarischen Reichstag (war damals in Pressburg, Poszoni).

 

Im Zentrum stehen:

-     Pressefreiheit

-     Geschworenengerichte als Ersatz für die Grundherrengerichtsbarkeit

-     Grund- und Freiheitsrechte

-     Befreiung der Bauern von Leibeigenschaft und Fron (unentgeltliche Arbeit f. Grundherrn)

 

Träger: städtische, gebildete Mittelschicht

Man versuchte von Herrscherseite aus die Revolution einzudämmen, indem man Metternich absetzte (Synonym für Unterdrückung, Zensur, Reaktion, abgelegte Werte). Die Verfassung wurde eingeführt, diese war aber oktroyiert (aufgezwungen, von oben eingeführt) ® Empörung.

In Ungarn forderte man auch eine eigene nationale Regierung und ein allgemeines Wahlrecht (der Männer). Steuerfreiheit der Grundbesitzer sollte abgeschafft werden ® hatte Joseph schon veranlasst, dann aber wieder zurückgezogen.

Kabinett: Lajos Battyány, Istvan Szechenyi (war Förderer für Kunst und Wissenschaften), Lajos Kossuth (Finanzen)

Der kaiserliche Hof ist von Wien nach Innsbruck geflohen. Stark eingebunden in das revolutionäre Lager war der steir. Erzherzog Johann.

In Ungarn beschließt man die Gründung einer eigenen Armee, einen getrennten Staatshaushalt und eigene Banknoten.

In Wien radikalisierte es sich ebenfalls – Fabrikarbeiter sind die treibende Kraft ®  proletarische Revolution. Die Habsburger schicken ihre Truppen, marschieren in Wien und Ungarn ein, Hinrichtungs- und Unterdrückungspolitik folgt. In Österreich war es nicht sehr bekannt, dass die ungarische Revolution stärker als die Wiener mit Hinrichtungen nieder geschlagen wurde und dort noch sehr stark im kollektiven Gedächtnis verankert ist. Budapest wurde eingenommen – Battyány wird hingerichtet, Szechenyi ist für den Rest seines Lebens auf der Flucht und hat sich schließlich selbst umgebracht.

 

 

Adalbert Stifter

Stifter war zu seiner Zeit als Autor etabliert; Spezialist für Landschaftsschilderungen ®  Höchstmaß an Realismus; Almanach – Novellist

Sein Weltbild ist vom Josephinismus (Rationalismus) geprägt.

Beruf: Lehrer und Schulinspektor, das Trinken führt schließlich zum Selbstmord

"Kunst hat sich einer sittlichen Aufgabe zu widmen …". Der Mensch ist ein Gefangener seiner Leidenschaften und Triebe.

„Studien“ - Erzählungssammlung

Bemüht sich um epische Integration im Sinne einer idealistischen Ästhetik, nicht an übersteigend Gefühltem. Die großen Gefühle müssen ja gedämpft werden; die Triebe, das Maßlose muss gemäßigt werden, überwunden. Ziel: Erkenntnis der sittlichen Schönheit („Brigitta“ – aus Studien; hässliche Frau)

 

"Bunte Steine“:

Ein sanftes Gesetz, das im scheinbar Kleinen sichtbar wird, bestimmt das Leben. Suspekt sind ihm das Individualistische und das Leidenschaftliche. Christl. Grundposition.

Daraus "Bergkristall":

  Natur scheint nur gewalttätig zu sein, wirkt aber nach sanften Gesetzen. Rettung als symbolisch.

 

„Nachsommer“:

·      Bildungsroman (rund 800 Seiten) – Bildung der Hauptperson durch Gespräche

·      Ende des Bildungsprozesses: Wesensschau und sorgsame Pflege der Dinge (eines In- sich ruhenden Menschen)

 

Ferdinand Kürnberger

Liberaler, Sympathisant der Revolution

Liberale Zeitkritik leistet er mit seinem Roman "Der Amerika-Müde":

Amerika galt damals als ersehnter Fluchtpunkt für Massen; auch aus politischen Gründen.

Kürnberger muss aus Wien flüchten, lernt in Hamburg Auswandererschicksale kennen. Er setzt dem damals grassierenden Amerika- Mythos ein kritisches Bild entgegen (bezieht sich auf Amerika-Leben des Lenau – flieht nach Amerika, kommt ernüchtert und tief enttäuscht über den "Krämergeist" und die stumpfsinnige Realität des Wirtschafts- und Soziallebens wieder zurück; damals gab es viele „Europa-Müde“, die auswanderderten)

Hauptfigur geht nach Amerika, erlebt es als Ort von Betrug und Geldgier und allgegenwärtigen Handels, die Menschen, die er kennen lernt, assimilieren sich sehr schnell, kommt desillusioniert zurück

 

Ludwig Anzengruber und Peter Rosegger

In der Tradition der volkstümlichen Literatur durch Stoffe und Ausdrucksweise charakterisiert. Beide stehen ideologisch im liberalen Lager. V. a. Anzengruber ist Kulturkämpfer (der Kulturkampf entsteht zwischen Liberalen und der katholischen Kirche; stark im letzten Drittel des 19. Jh. in Österreich ausgeprägt).

Rosegger ist sehr bekannt wegen seiner Themen, vor allem im bäuerl. Geschichten,  unterhaltsam. Seine Erzählweise ist stark volkskundig ausgerichtet, er bemüht sich um Genre-Malerei. Er schildert in „Jakob der Letzte“ das Vordringen der Industrie und die gleichzeitige Verarmung der Bergbauern.

"Erdsegen" schildert realistisch die bäuerliche Welt: das Bild des Bauern in diesen beiden Werken hat mit den Rosegger-Sentimentalitäten nichts zu tun [erinnert an den Realismus von Innerhofer].

 

Leopold Kompert

„Aus dem Ghetto“  1848, Sonderform der Dorfgeschichte

Ghettogeschichte: jüdische Lebensweise wird verklärt und idealisiert

 

Karl Emil Franzos

Ghettogeschichte erhält bei ihm gesellschaftskritische Note; verfolgt ein zivilisatorisches Konzept; aufgeklärt: zivilisatorisches Gesellschaftsmodell, Menschenrecht steht über den einzelnen konfessionellen, staatlichen, ideologischen Richtungen

Mit der Darstellung der Lebensverhältnisse in den östl. Randprovinzen der Donaumonarchie erobert F. der dt.-sprachigen Literatur ganz neue Stoffbereiche und stiftet eine Tradition, die Joseph Roth dann weiterführt.

 Höhepunkte:

Ein Kampf ums Recht“ (Ausbeutung ukrainischer Bauern durch die Großgrundbesitzer)

Der Pojaz“ (umgangssprachliche Bezeichnung für die „Bajazzo“, auf Russisch erschienen, knüpft an das Schema des deutschen Bildungsromans an, zeigt unglücklichen Weg eines schauspielerisch begabten galizischen Ghettojuden)

Milieus werden geschildert, Sozialanalyse – Kritik – Psychologie

 

Leopold von Sacher

 

Dorf- und Ghettogeschichten; schrieb „Galizische Geschichten“ und „Polnische Judengeschichten

Sozialkritischer Realismus zunehmend von patholog. Ausschweifender Erotik überdeckt; gab dem Masochismus literarische Gestalt (z.B.: „Masochismus“, „Venus im Pelz“; Vanda – so nannte er seine (Sexual-)Partnerin).

 

Marie von Ebner-Eschenbach

Sozialkritikerin, stammt aus mährischem Adel

Werke:

- „Dorf- und Schlossgeschichten“ 1883

- „Neue Dorf- und Schlossgeschichten“ 1886

Sie kannte die ländlichen Verhältnisse sehr gut, stammte aus adeligem Hause; scharfer Blick für Abhängigkeiten von Herr und Diener, Ausbeutung, Entrechtung, Armut und ihre Ursachen; realistisches Literaturkonzept.

Sozialminiaturen ihrer Zeit sind von sehr kritischem Potential; Spannungen zwischen Feudalaristokratie und den Landproletariat; ohne jegliche Sentimentalität.

Außergewöhnlich: ihre ironische Komponente

Ihre Lösung der sozialen Frage ist nicht sozialistisch sondern von einer allgemein karitativen Grundeinstellung geprägt

„Es gäbe keine soziale Frage, wenn die Reichen von jeher Menschenfreunde gewesen wären“

Gesellschaftsreform: sittlich-moralische Erneuerung, die bei den Besitzenden und Gebildeten beginnen soll und dann auf das ganze Volk übergehen

E.   hat erzählerisch eine Vorliebe für Außenseiter und Repräsentanten von niedrigen Schichten. Sie neigt aber nicht zu Idealisierungen.

- „Bozena“ 1876; Kurz-Roman

- „Er lasst die hand küssen“ aus der neuen Dichtungs- und Sprachgesellschaft

  Abhängigkeitsverhältnisse am Land – Züchtigungsrecht des Herrn

Rechtsprechung von Grundherrn ausgeübt; Erlaubnis/Verbot zu Heirat

Konservative Gräfin auf dem Land, die aus Weltfremdheit am Ruin eines Untertanen Schuld wird

 

Ferdinand von Saar

Jede meiner Novellen ist ein Stück österreichischer Zeitgeschichte

Novellen aus Österreich“, „Schloss Kostenitz“

Psychologische Analyse der Figuren und Zeitgeschichte durchdringen sich.

 

 

Bürgerlicher (poetischer) Realismus und Gründerzeit in Deutschland und in der Schweiz

 

Probleme mit den unterschiedlichen Stufen der Mimesis

Typisch für einen Mainstream des Schwerpunktes literarischer Äußerungen innerhalb der Erzählprosa.

Nach 1848: bürgerliche Revolution; Literatur dieser Form stammt aus dem Bürgertum; großteils werden bürgerliche Verhältnisse geschildert:

 

-     Bildungsbürgertum (Lehrer, Pastoren, Teile der Beamten)

-     Besitzbürgertum (Nicht-Adelige Unternehmer) (von Fontane aufgenommen)

-     Kleinbürger und Handwerkermilieu

 

Bürgerliche Revolution von 1848

Die Grundideen waren bürgerlich:

·      politische Freiheit (liberales Bürgertum)

·      festhalten am Prinzip der Monarchie, nationaler Einheit (jedoch unter konstitutionellen Bedingungen)

 

Die damaligen nationalen Bestrebungen waren nicht rassistisch oder faschistisch grundiert. Die „Kleinstaaterei“ sollte beendet werden – man meinte nichts Anderes als eine nationale Einheit. Rechtsradikale von heute greifen auf die damaligen Parolen zurück. Nach 1848 nahm das liberale Bürgertum eine nationalkonservative Wendung; Verschärfung der Zensur und der politischen Unterdrückung; ideeller Pakt zwischen Adel (politische Macht), Grundbesitzer und Bürgertum (ökonomische Macht, Philosophie, Geisteswesen, Lit.) – Macht wieder aufs Neue.

Es kam zum Aufschwung des kapitalistischen Wirtschaftens (wird staatlich gefördert), v. a. in Preußen. Realpolitik: man richtet politisches Handeln nicht nach ideellen Grundsätzen sondern nach Realitäten (Wirtschaft und Macht) – ging sehr offen vor sich [® in den USA wird Realpolitik heute verdeckt vollzogen].

Ziel Bismarcks: Absicherung der Macht durch Krone, Heer und Bürokratie

Stände: Adel, Klerus, Bürgertum;  Proletariat (4. Stand) spielt keine Rolle.

Linderung der materiellen Not galt allenfalls als moralische Frage. Die einzige europäische Demokratie im damaligen Europa war die Schweiz ® Verfassung erfüllt alle damaligen bürgerlichen Vorstellungen; zentralistisches Regierungsprinzip, demokrat. Grundrechte, amerikan. Modell.

Es kam zu einer Kapitalisierung des politischen Lebens, zu einer schrankenlosen, ökonomischen Ausbeutung der Arbeiterschicht.

2. Hälfte des 19. Jh.: in der Schweiz auch Elend unter den Bauern und Handwerkern ® Hunger; wurde zum Teil von der sozialen Gesetzgebung gemildert

 

 

 

Entwicklung des Buchhandels

-     Expansion des industriellen Kapitalismus veränderte das Kultursystem – weitgehende Kommerzialisierung

-     Mäzenatentum fällt weg

-     Autoren werden von Marktmechanismen (vom Publikum) und der Zahl der Käufer abhängig

-     potentielle Anzahl der Käufer steigt explosionsartig durch die Alphabethisierung an

-     Kaufkraft ist gering; Stückzahl des einzelnen Werks wird deshalb erhöht und Stück muss billiger werden

-     Angebot – Nachfrage

-     Autoren müssen viel mehr schreiben als unter den Mäzenen, hatten aber dadurch mehr Freiraum in Bezug auf den Inhalt

-     sie stehen der anonymen Masse des Kaufpublikums gegenüber

-     Roman und Novelle erleben einen unglaublichen Aufschwung, weil sie am leichtesten zu lesen sind (für die Lyrik brauchte man größere Lesekompetenz und –erfahrung)

-     wichtig wurden die Leihbibliotheken (1855 gab es rund 200 Leihbibliotheken in Deutschland ® 90% des literarischen Publikums bezog dort seine Werke)

-     schwache Auflagen waren damals das Problem von Fontane, Meyer und Keller (zwischen 500 und 2000 Stück), literarisch Wertvolles ist damals unbeliebt

-     damalige Erfolgsautoren waren Großverdiener mit Auflagen bis zu 30.000 in den ersten Wochen und Monaten

-     Zeitschriften garantierten großzügige Honorare: Familienzeitschrift – Prototyp war „Die Gartenlaube“; war sehr billig; 1 Exemplar – viele Leser (heute 1:3, früher viel größer)

·      1855: 380.000 Hefte ® Spitzenwert, rund 5 Millionen Leser

·      Romane in Fortsetzungen waren sehr beliebt in Familienzeitschriften

·      Erzählungen und Novellen

·      Kulturgeschichtliche Berichte und einige Rezensionen

-     Zentrum des Verlags- und Zeitschriftenwesens war Leipzig (® heute Frankfurt)

-     Lesesucht, Beliebtheit

-     Sammlung auserlesener Originalromane (® deutsche Romanbibliothek)

 

Trivialliteratur – Massenliteratur – Schemaliteratur

idealtypische Unterhaltungsliteratur

Friedrich Gerstäcker schrieb Abenteuerromane

Schema für Liebesromane und Frauenromane (® gab es auch in der Gartenlaube)

Erfolgreichste Autorin war Eugenie Marlitt (Pseudonym war John).

·      1866 „Goldelse“ erscheint in der Gartenlaube

·      das Erfolgsmodell des heutigen Liebesromans wurde von ihr entwickelt ® Liebesromanschema (heute: Rosamunde Pilcher)

Liebesromanschema:

·      zwei Menschen lernen sich kennen und verlieben sich

·      irgendetwas oder –wer stellt sich dazwischen

·      Happy End: Störfaktor wird behoben, die beiden kommen wieder zusammen

Marlitt: meist Aschenputtelschema (® Störfaktor ist meist der soziale Unterschied)

Liebesromanschema unterliegt der katholisch–mystischen Erbauungs- und Erweckungsgeschichte (Frau und Gott „lernen einander kennen“, Liebe zu Gott muss sie beweisen; Bewährung; Vereinigung im Tod)

Vertreterinnen des Liebesromanschemas: Wilhelmine Heinburg und Nathalie von Eschto

Marlitt hat erstaunlich kritische Seiten in den Geschichten eingebaut.

 

 

Ästhetische und weltanschauliche Begriffe des bürgerlichen Realismus

-     Politik und die Naturwissenschaften gewinnen Schwung ® sie werden Maßstäbe des Denkens (vorher war es die Philosophie)

-     Säkularisierung und Materialisierung des Lebens

-     Interesse vom Jenseits ins Diesseits

-     sehr einflussreich (auch heute noch aktuell) war der Philosoph Ludwig Feuerbach

 

Ludwig Feuerbach

F. gehört zu den großen „Säkularisatoren“ des 19. Jh. Er trat für die Auflösung der Religion in eine psychologische Anthropologie ein.

Das Wesen des Christentums“ 1841

Er untersuchte das Weltbild, die Schöpfungsmythen, das philosophische und religiöse System des Christentums. F. wies nach, dass die Vorstellungen des Jenseits und das Wirken des Jenseits auf das Diesseits streng in Analogie zu gesellschaftlichen Verhältnissen stehen.

Spiegel der Gesellschaft derer, die an der Auffassung der Bibel mitgewirkt haben z.B.: im Rechtssystem: ® wenn man etwas Böses tut, passiert etwas.

Der Mensch kann nicht aus den Grenzen seiner Vorstellungen hinaus und erschafft sich Gott als Vaterfigur, Herrschfigur; entwickelt von streng patriarchalischen Kulturen. Marienfigur wird mit der Mutterfigur gleichgesetzt ® entwickelt sich aus den Strukturen dieser Zeit.

Projektion: Mensch vergöttlicht das eigene System

Feuerbach hatte großen Einfluss auf das Geistesleben der damaligen Zeit. Sein oberstes Gebot: „homo homini deus est“.

 

Arthur Schopenhauer

Die Welt als Wille und Vorstellung“ (1819)

S. war Verächter der Politik, der Geschichte und der Zivilisation; Philosoph des enttäuschten, sich von Staat und Gesellschaft abwendenden Bürgertums

Geschichte ist ein Kreislauf; blinder, zerstörerischer, zielloser Wille; sinnloses Chaos;  Menschheit stürzt sich ständig in einen sinnlosen Kampf, jeder gegen jeden.

Feind der Schweiz; Frauenfeind; Feind des Menschen an und für sich; maßgeblicher Einfluss auf das politische Denken des Bürgertums

Hypochonder, er versteckte seine Besitztümer, war paranoid

1860 stirbt er an den Folgen einer Lungenentzündung

 

Charles Darwin

Wurde popularisiert, Auslese der Gattungen

Über den Ursprung der Gattungen“ 1849 ® Auslesetheorie

Seine Thesen beruhen darauf, dass die natürliche Auslese zusammenhängt mit einer bestimmten Geschicklichkeit in der Anpassung an Umweltbedingungen. D. bezieht sich auf das Tierreich. Die wird oft falsch verstanden, beziehungsweise 1:1 auf die Sozietät übertragen ® der Stärkere/ Bessere setzt sich durch (Sozialdarwinismus)

 

 

 

 

 

Realismus

 

= ästhetische Bewältigung des Spannungsverhältnisses zwischen subjektiver Deutung der Wirklichkeit und objektiver Spiegelung

 

Den Autoren ging es nicht um die Gleichsetzung von Dichtung und Wirklichkeit, sondern ums Spannungsverhältnis von subjektiver Deutung und objektiver Spiegelung der Wirklichkeit

-     Darstellung von Wahrscheinlichem, nicht Widerspiegelung

-     Autonomie des Kunstwerkes, Eigengesetzlichkeit der Dichtung

-     gegen das nur Subjektive (= Romantiker) und das nur Objektive (= Vormärzautoren und Naturalisten)

-     Konflikte der Wirklichkeit werden poetisch entschärft und ausgeglichen.

Postulate:

·      Realidealismus

·      Verklärungstheorie (Zeit- und Ortsdarstellung, psychologische und gesellschaftliche Kausalitäten ® Fontane schätzt Turgenjev nicht, lässt ihn nicht als Dichter gelten, weil dieser ganz unverklärt schreibt; wird im Vergleich zwischen Effi Briest und Anna Karenina deutlich ® zuviel Realismus bedeutet ein Ende des Poetischen (z. B.: Krankheit, Elend, ....) ® blenden fast alles Körperliche aus)

·      Kulturkampf: ideologieübergreifende Tendenz, gegen die Institutionen der Kirche und des dazugehörigen Menschenbildes zu kämpfen (wurde zum Teil von staatlichen Mächten (z.B.: Bismarck) betrieben; Unfehlbarkeitsdogma wird 1871 verkündet von Pius IX ® löst den Kulturkampf aus)

 

Friedrich Nietzsche

Widersprüchlich: Vertreter eines Herrenkultes, Ideenaristokratie; strenger Idealist, radikaler Staatsgegner; geißelt den Historismus (= idealisierende Vorstellung von Geschichte)

Kritiker der nationalen und rassischen Intoleranz, des Antisemitismus ® Nazis haben ihn trotzdem adaptiert

Künstlerische Tätigkeit gilt als absoluter Wert

·      Glaube an die Kunst

·      Glaube an die irrationale Virtualität des Menschen

 

Dramatik im bürgerlichen Realismus in Deutschland und der Schweiz

Dreiteilung Dramatik – Lyrik – Epik: stammt von Goethe ® drei Naturformen der Dichtung

Charakteristisch für Drama nach 1848 sind die Reflexionen von Arthur Schopenhauer, Friedrich Vischer und Gustav Freytag

 

Poetik – Poetologie ® bestimmte Normen einer Zeit

Im 19. Jh. in der Gattungspoetik (bestimmt den Status bestimmter Formen) rangiert das Drama an der Spitze.

Normpoetik (Normkatalog, Regelsystem) ≠ deskriptive Poetik (Typologie des Dichtens bzw. von Gattungen). Die meisten Poetiken sind Normpoetiken.

Poethologie: verfasst Normkatalog dessen, das von Dichtern, die anspruchsvoll sein wollen, eingehalten werden muss

 

Gustav Freytag:

 

"Die Technik des Dramas", 1863 ® klassische Normpoetik

Es gibt Schauspiel- und vor allen Tragödienpoetik.

Das klassische Drama nach Freytag:

-     symmetrischer Aufbau mit steigender Spannung bis zum Höhepunkt

-     Exposition – steigende Handlung und erregendes Moment – Höhepunkt – fallende Handlung und Moment der letzten Spannung

-     Katastrophe

-     Poetik ist rückwärts gewandt, lehnt sich an Weimarer Klassik an (im Theater hatten Klassikerdramen unglaublichen Erfolg ® Ideologie der Gründerzeit)

Einerseits dominierten historische und mythologische Dramen bis zum Naturalismus, andererseits gab es Lustspiele (Posse, Lokalstück und Schwank, kleine auf Unterhaltung abzielende Dramenformen)

Epigonales Bildunsdrama:

·      Mann und Frau im bürgerlichen Heim

·      Mann will "zur Seite springen", Frau will ihn halten

 

Vertreter der trivialen Tragödie

-     Friedrich Halm, Emanuel Geibel, Heyse (1910 ® Nobelpreis für sein Gesamtwerk; Vertreter der rückwärtsgewandten Trivialliteratur)

-     Adolf Wilbrandt (historische und mythologische Dramen)

-     Friedrich Hebbel

·      Poethologisch und philosophisch: versucht die Spitzenstellung des Dramas in der Gattungshierarchie einzuhalten

·      Politisch: zuerst sympathisierend, dann kritisch gegenüber der Revolution von 1848

·      Im Mittelpunkt seiner Dramen stehen große Individuen, viele Frauen.

·      Stoff: in der Tradition des Mythologischen

·      Werke: "Judith", "Agnes Bernauer", …

·      Differenzierte Darstellung der Individuen: Mischung aus differenzierender Psychologie und bombastische Überhöhung des Subjektiven

·      Konflikt: Einzelmenschen lehnen sich gegen ihre Mitwelt auf ® starker Schicksalsgedanke; am Ende immer der Untergang des Individuums (unterliegt immer der Mitwelt ® anachronistischer Schicksalsgedanke)

·      Hebbel fällt hinter die Vormärzautoren zurück

·      Literaturkritik reagierte zwiespältig auf seine Dramen (Vorwurf der historischen Willkür; er komme dem ästhetischen Bedürfnis des Publikums nicht nach ® überzeichnete Genialität)

Realismus in „Maria Magdalena

 

Otto Ludwig

Prinzip der Verklärung (idealtypisch bei ihm, Krankheit, Erotisches)

"Der Erbförster":

Romantische Schicksalstragödie, anachronistischer Schicksalsgedanke ® Unglücksfälle, Missverständnisse, Zufälle, Verwechslungen sind gehäuft und schaurige Umstände (Nacht, Sturm, Friedhof, verlassene Parks, ….)

 

Richard Wagner

Repräsentant des Musikdramas im 19. Jh. mythisiert bis in die heutige Zeit ® Musikrevolutionär; verdient aber auch literaturhistorische Beachtung

W. ist damals politisch repräsentativ. Er beginnt sehr weit links als Sympathisant der Revolution ® muss fliehen (1848); entwickelt seine Kunstphilosophie, endet in Beyreuth als Mittelpunkt eines Kreises seiner "Jüngerschaft", die ihn verehrt wie einen Gott ® bekommt Sympathie (und Geld) von Ludwig II (nach diesem war Bayern finanziell ruiniert)

 

Kultbetrieb um Kunst und Meister ® Wagner

-     von weit links nach weit rechts

-     aristokratischer Schmarotzer

 

Bakunin (russ. Anarchist)

kunsttheoretische Arbeiten von ihm

Konzepte hinter den kunsttheoretischen Schriften:

·      Konzepte von Gattungsästhetik und Sozialutopie

·      Kunst: Schlüsselstellung für die revolutionäre Veränderung der Gesellschaft ® Teil einer Kunstideologie die im Zuge des 18. Jhs. ausgebildet, im 19. Jh. differenziert wurde

·      Kunst innerhalb der Gesellschaft stimmt eine Sonderstellung ein – Kunst als Schlüssel für gesellschaftliche Veränderung

 

In „Oper und Drama“ versucht er die Trennung zwischen Drama und Theater durch eine Nationaloper aufzuheben. Sie soll Menschen im Sinne des Reinmenschlichen und des Mythos verbinden. Dies hat er versucht im "Ring der Nibelungen".

-     kunstphilosophisch beginnt Bakunin als Sozialrevolutionär

-     in seiner Frühzeit spricht er von sozialrevolutionärer Funktion der Kunst

-     am Ende: das Sakrale und der Mythos verklammert durch das Nationale und das "Reinmenschliche", Passion der Erlösung, der erlösenden Selbstzerstörung (Nibelungen)

„Parzifal“ – Mythenspiel / Mysterienspiel

 

Friedrich Nietzsche

-     Kunst ist für ihn der Schlüssel für die gesellschaftliche Erinnerung

-     Wendung zum Sakralen, zur kultischen Verehrung etc. war ihm ein Graus ® sprach mit Bakunin

-     Parzival, Nibelungen ® Ideologie der Zeit

-     elitäre und rassisch-biologische Auffassungen

 

 

Streifzug durch die Lyrik des Realismus

Politische Lyrik war nach 1848 aus Zensurgründen nicht mehr möglich (wie im Vormärz und bei den Jungdeutschen). Wer daran festhalten wollte, musste emigrieren. Hauptemigrationsziel war Paris.

Die Lyrik ist rückwärtsgewandt, poetologisch, formell ® bis hin zur Lyrik der Prosaisten (heller), die formell vorwärts gewandt waren. Rückgriff auf die Form des klassisch/ romantischen Seelen- und Erlebnisliedes; es gab keine neue Lyrikkonzeption.

 

 

 

C. F. Meyer

M. hat in der Praxis Neues produziert aber kein Konzept vorgelegt.

Propagiert wird das "ewig Schöne" (Abendlieder, Abschiedsgesänge, Herbstgesänge)

 

Hebbel

 

Hebbel legte Gedichte vor ® waren volkstümlich wirkende, strophische Liedformen

"An den Tod", "Nachlied", "Ich und Du" ® repräsentative Titel werden verwendet

 

Gottfried Keller

Keller fällt aus Massenproduktion heraus, kritische Töne. Er nahm Nicht-Lyrisches in die Gedichte auf. So betrachtet er die  Macht der Kirche und Gesellschaft kritisch (politische Tendenzlyrik, aber auch Natürliches)

 

Theodor Storm

Storm fühlte sich als Fortsetzer und Vollender der klassischen-romantischen Lyriktradition.

[Vertreter der klassisch-romantischen Lyriktradition sind Matthias Claudius, Ludwig Uhland, Eduard Mörike]

starke Nähe zum Volkslied

traditionelle Themen: Liebe, Tod, heimatliche Landschaft, Idyllen

 

Theodor Fontane

Traditionalist in der Lyrik; entwickelte einen Balladenstil mit englisch-schottischen Themen, meist historische Balladen

Patriot

Elemente der Ballade und historischer Stoff ist sein Erfolg (verbunden mit dem Erfolg der historischen Romane von Walther Scott)

Exotistische Wirkung: Themen aus fremden Ländern, um die Lust an Fremden zu befriedigen ® Übertreibungen; Sentimentalisierungen, nicht um zu nformieren

 

Emanuel Geibel

erfolgreichster Lyriker der Zeit

Schönheitsideal wird gepflegt und in den Mittelpunkt gestellt

kanonisierte Formen werden nachgeahmt

Großteil seiner Lyrik wurde vertont und in Hausmusik gepflegt, Manche Gedichte öfter als 100 Mal) ® Erfolgsfaktor, Multiplikator.

Geibel beherrscht souverän alle überlieferten Formen: Sonette, eleg. Distichon, Ballade

 

C. F. Meyer

renommierter Lyriker, auch heute noch

Ein Aussage oder ein Gegenstand wird zu Symbol verdichtet und überhöht. Aussage konzentriert sich auf das Bild. Erlebnis ist das symbolische Bild. M. ist der erste symbolistische Sprachartist im deutschen Raum.

Er begreift die Kunst als einen Bereich eigener Wahrheit ® Autonomieanspruch der Kunst (gesamteuropäisches Phänomen in der 2. Hälfte des 19. Jh. ).

In seiner sozialen Situation trefflich analysiert und beschrieben von Kunst-Soziologen Pierre Bourdieu [Bourdieu: „Die Regeln der Kunst“, „Die feinen Unterschiede“].

Kunst hat pseudo-religiöse und metaphysische Erlösungsfunktion.

Versepos

 

rückwärts gewandte Gattung ® war damals erfolgreich und sehr beliebt

 

Erzählprosa – Entwicklung des Romans, der Novelle und der Kurzgeschichte

Entwicklung der Gattungen innerhalb der Prosa hängen stark zusammen mit der Entwicklung des Bürgertums. Roman und Novelle wurden getragen und rezipiert vom Bürgertum.

 

Karl Wezel

Poetologe des 18. Jh.; hat Roman als bürgerliches Epopöe (Epos) bezeichnet ® in der Gattungshierarchie bis ins frühe 19. Jh. an der Spitze, dann Drama, dann Roman (im 20. Jh.). Seine Poetologie kehrt in Hegels Ästhetik wieder.

Die Epopöe bietet die Totalität einer Welt und eines Lebens: einzelne Geschichte, die im Roman in einer Epopöe dargestellt ist, muss so dargestellt werden, dass es repräsentativ ist. Ein einzelner Fall (= Geschichte) steht für das große Ganze ® Totalität

 

Als Themen empfiehlt Hegel:

- Konflikte zwischen Individuen und der Gesellschaft, zwischen Poesie des Herzens und Prosa der Verhältnisse

- Lehrjahre des Individuums in denen der Mensch zur vorhandenen Wirklichkeit erzogen wird, sozialisiert wird

 

Bildungsroman

Sondergattung des Romans

mehrere Varianten, die vielfach geübt wurden

Neu im Repertoire des Romans:

·      Thema der bürgerlichen Arbeit

·      Geld gerät ins Blickfeld, Wert des Geldes für den bürgerlichen Menschen, Funktionsweise des Geldes in einem kapitalistischem System (früher dargestellt bei den französischen Realisten)

Vor allem gepflegt von: Julian Schmidt und Gustav Freytag (auch Romanautor)

Weitere Neuerung: einerseits wird das Realistische idealisiert und andererseits kapitalistisch ® es werden Kompromisse geschlossen (Otto Ludwig ist ein typischer Vertreter für die realistischen Kompromissformen)

Häufig: resignative Grundhaltung der Erzähler, die ihre Figuren auf eine desillusionierende Weise präsentieren ® Wilhelm Rabe, Theodor Fontane

Vorherrschend: Verklärungspostulat ® Realität muss verklärt werden

Die Autoren halten an einem allgemeinen Humanitätsideal fest, das weitgehend säkularisiert ist ® im Bürgertum verankert.

 

Zeit- und Geschichtsroman:

thematisch-motivisch enger Bezug zur Gegenwart

Poetische Realisten unterscheiden sich von den gängigen Typen des Geschichtsromans, indem sie die Geschichte nicht idealisieren. Der historische Roman (® keiner unter 400 Seiten, meist 2 bis 3 Bände) von Walther Scott ist Vorbild für Karl Gutzhow.

 

 

Karl Gutzhow "Die Ritter vom Geiste"

Formale Neuerung: Roman des Nebeneinander, Handlung wird aufgefächert, ist nicht mehr einsträngig, nicht mehr von einer Erzählperspektive zusammengehalten. Er versucht damit die zeitgenössische Gesellschaft in ihrer vielschichtigen Komplexität wieder zu spiegeln.

 

Traditionell erzählt: großer Zeitroman "Soll und Haben" von Gustav Freytag (1855)

·      als Motto dient Postulat von Julian Schmidt

·      ein Roman soll bei der Arbeit anknüpfen

Gustav Freytag versteht die bürgerliche Arbeit als Arbeit des bürgerlichen Kaufmannstandes, als eine Tätigkeit, die den Menschen die freie Gestaltung seiner ganzen Persönlichkeit gestattet. ® idealisierte, weltfremde Darstellung ® Verklärungsprinzip

Zusätzlich durchdrungen von:

·      anti-slawischen und antisemitischen Tendenzen

·      gefeiert wird ein schrankenloser Kapitalismus

·      nur ökonomischer Erfolg zählt – wird als Wertsteigerung des Menschen gesehen

·      zirkulierendes Geld ist weltbewegendes Prinzip im positiven Sinne

 

Zeit- und Geschichtsroman von Friedrich Fischer

-     parabolische Variante: Geschichte dient zur Illustration (Verständnis) der Gegenwart

-     vor allem nach der Reichsgründung 1871 - (germanische) Geschichte wird gefeiert

-     realistisch

-     "Romeo und Julia aus dem Dorfe"

 

Klausur: ® Anmeldung

Hauptfrage: ganze Sätze

Nebenfrage: Stichworte

 
 

 

 

 

 

 


Theodor Storm

S. war stark mit Nord-Deutschland und Dänemark verbunden – thematisch und von der Herkunft er. Er musste ins preußische Exil (Schleswig-Holstein); setzte sich stark für die Zugehörigkeit der Schleswig-Holsteiner zu Preußen ein; feudalistischer Demokrat, regionalpolit. tätig

Er schrieb vor allem Novellen, kennzeichnend für die frühen Novellen ist die sentimentale Verinnerlichung des dürftigen Alltagslebens ® biedermeierliche Lebensweise.

Themen: unerfüllte Liebe; Milieu: kleinstädtischer Mittelstand

 

"Immensee" 1850

Beispiel für einen Erinnerungsrahmen (Rahmen- u. Binnenhandlung)

Sozialpsychologie wird bei ihm stärker ® gewinnt an Realitätsnähe

·      Generationskonflikte

·     

 Erbbedingte Faktoren –

weisen auf Naturalismus voraus

 

 
Zerstörung von Ehe u. Familie

·      Spehnlaufentum

·      Krankheit

·      Alkoholismus

 

"Der Schimmelreiter“

letzte Novelle; doppelter Rahmen durch zwei Manuskripte

-     1. anonymer Ich-Erzähler

-     2. Schulmeister - Manuskript, in dem die Geschichte erzählt wird

Novelle eines gescheiterten, sozialen Aufstieges, Kleinknecht wird zu Deichgraf, bürgerliche Existenz, begabt, ehrgeizig, scheitert® am Ende bricht der Damm

Scheitern am eigenen Machtanspruch scharfsichtige, gesellschaftskritische Position: Jedes reformerische Werk muss misslingen, wenn man sich dabei den Mitmenschen entfremdet.

Gegen Kapitalistentyp: sozialer Idealtypus

 

Gottfried Keller

Schweizer (wie C.F. Meyer); seine Werke werden durchs Schweizer System beeinflusst; war später Beamter in Zürich

stark von Feuerbachs Philosophie geprägt

Bibel analysiert als Projektion des Menschen (Sozialstrukturen in der Bibel sind Abbild der Sozialisierung zur Bibel-Entstehungs-Anthropologisierung des Christentums, wirkte stark atheistisch)

 

"Der grüne Heinrich"

zwei Fassungen, die stark voneinander abweichen ® 1854/55 1. Fassung; 2. Fassung: 1879/80

bedeutendster deutscher Bildungsroman

Geschichte einer Desillusionierung ® individuelle Desillusionierung, individuelle Sehnsüchte entsprechen nicht der gesellschaftl. Wirklichkeit (altes Thema - war im Sturm und Drang der Mittelpunkt)

Detailrealismus - Schilderung des scheinbar Unbedeutenten, Unerheblichen und Banalen

 

„Heinrich Lee“

Maler aus kleinbürgerlichem Hause; hat hohe künstlerische Ambitionen, endet als Beamter und zufriedener Mensch (® autobiographische Elemente)

zweigeteilt:

·      Kindheit – Jugend; Ausbildung in der Fremde

·      Freude und Heimkehr

Als Kind: Fantasie wird wichtiger als die Wirklichkeit ® grundsätzlicher Konflikt

L. beginnt Landschaften zu malen (nicht nach der Natur sondern nach seiner Fantasie).

Zwei Frauentypen: Anna (= still, durchschnittlich, positiv geschildert) – Judith (= stolz, kräftig, sinnlich); er schwankt zwischen beiden; 3. Frau kommt ins Blickfeld.

Er verzichtet zweimal auf die Kunst – schwört seiner Fantasie ab

2. Fassung

-     Amt im Staatsdienst, Judith kommt für ihn aus Amerika zurück, gibt ihm Frieden und Freude

-     Keller streicht emotional aufgeladene Stellen, zeitkritische Ansichten, Urteile vor allem gegen die Schule, Staat und Kirche

-     Erzählstil: einheitliche Ich-Form

-     elegisch-lyrischer Künstlerroman

-     gegen die Kunst als Ausdruck subjektiven Willens

 

 

 

 

Die Leute von Seldwyla

 

(fiktives Schweizer Dorf); Novellensammlung

daraus:

 

"Romeo und Julia auf dem Dorfe"

Rahmenhandlung

An diesem Werk ist prototypisch abzulesen, was am poetischen Realismus realistisch ist und was nicht (unrealistisch, poetisch verklärend) ® Sozialpsychologischer Realismus.

Realistisch: Verarmung der Bauern, in der Stadt nimmt diese noch zu.

Menschen bei der (bäuerlichen) Tätigkeit – sehr realistische Auswirkungen der ökonomischen Verhältnisse auf den Charakter; Arbeit – sehr tragend (Eingangsbild ist ein pflügender Bauer) ® hoher Grad an Realismus; genaue Beschreibungen der Kleidung (klassen- und gruppenspezifisch), Beschreibung des Alltagslebens.

Arbeiter vs. Nichtarbeiter = soziale Randgruppe = Spielleute

Unrealistisch: Das Körperliche wird verklärt bzw. ausgeblendet (Leerstelle ® Sexuelles). Der Tod wird verklärt, poetisiert (Sterben im Wasser).

Geht stofflich einerseits auf Shakespeare, andererseits auf einen Zeitungsartikel zurück.

Die beiden jungen Hauptfiguren werden mit großer Sympathie und Anteilnahme geschildert. Sie lehnen es ab, zu Außenseitern zu werden, und gehen in den Tod.

 

"Die drei gerechten Kammmacher"

satirische Erzählung

Thema: Streben nach Wohlstand, Wunsch nach sozialem Aufstieg ® wird durch Sparen, Heirat, Arbeit und Fleiß betrieben

Grundsätzliche. bürgerliche Tugenden: Arbeit, Genügsamkeit, Fleiß und Sparsamkeit

Erzähler:

·      Handlungsführung

·      erzählerische Verfahrensweisen (sind hier: satirisch ® ironisch, widersprüchlich, überspitzte Darstellung, im Schlechten des Dargestellten wird das Gute sichtbar)

Kapitalistisches Gesetz: Angebot und Nachfrage:

Markt wird gesättigt ® Überproduktion ® alles wird billiger ® Produkt wird wertlos und damit auch die, die es produzieren; der, der gewinnt, gewinnt durch seine verbalen "erotischen Fähigkeiten"

 

C. F. Meyer

Außenseiter unter den Realisten ® Herkunft, sozialer Status, Themen

M. stammt aus Züricher Patrizierfamilie, musste keinen Beruf ergreifen ® Erbe und reiche Heirat ® finanziell abgesichert; elitär, aristokratisch, individualistische Geisteshaltung; war deutsch-patriotisch und protestantisch

3 Formen der Pest: Börse, Katholizismus, Neid des Proletariat

Denken und Handeln seiner Helden ist außerhalb der bürgerlichen Normen und Konventionen.

Er schreibt historische Novellen, die von Detailrealismus gekennzeichnet sind (die Schlösser, die Kleidung, etc.). Die Geschichte erscheint ihm als ein Exerzierfeld von genialen Einzelmenschen, die die trägen, willenlosen Massen regieren. M. verherrlicht den Kraftmenschen. Es kündigt sich bei ihm der Ästhetizismus der Jahrhundertwende an.

 

 

 

 

 

Wilhelm Raabe

Raabe galt lange als Heimatdichter und humoristischer Idylliker; heute schwierig zu lesen; Novellen, Kurzromane

Er zeichnet skurrile Figuren; elliptische, abschweifende Schilderung, krause Figuren, Originale im Mittelpunkt.

Gleichzeitig - Zeichen für seine formale Innovation: Handlung ist nicht motiviert und kausal begründet, ist aufgefächert, szenisch aufbereitet ® Zeichen der Moderne.

Politisch zählte er zu den deutschen Patrioten, Anhänger der Partei von Bismarck

Hauptthema: Selbstbehauptung des Individuums gegen als inhuman empfundene Zeitwirklichkeit; Aktivismus daran scheitern die Figuren

Raabes Figuren scheitern an diesen Tugenden, gewinnen aber eigene ® ziehen sich von er Gesellschaft zurück (Einöde, anderer Kontinent, etc.) und retten dadurch ein "Quäntchen ihres Ich"

Raabe musste von seinen Dichtungen leben bietet es Zeitschriften an.

 

"Die Chronik der Sperlingsgasse"

 

Roman, 1857

Chronist: alter Mann, Gelehrter, der sich erinnert, Geschichte einer Gasse ® viele Möglichkeiten die Handlung zu fächern

Ort: Berlin, Mitte des 19. Jh.

Aufzeichnungen, verschiedenste Erzählweisen, Auffächerung der Handlung, benutzt Briefe, Erzählungen, etc.

Vorbild: Lawrence Sterne "Tristram Shandy"

Mischung zweier Romantypen: Bildungs- und Zeitroman

 

"Stopfkuchen"

 

1891, Rahmen

Südafrika – Deutscher schreibt während einer Schiffsreise die Erlebnisse seines Heimaturlaubes; Stopfkuchen – gilt unter den Schulfreunden für abartig dumm, er frisst ununterbrochen; unglaubliche Masse, gescheitertes Leben; schwer depressive Menschen

Eduard hat es zu etwas gebracht (ging nach S-Afrika, Karriere).

Stopfkuchen nicht Versager, sondern Gewinner; sagt sich von allen Konventionen los,  emanzipiert sich von allen Werten (Arbeit, Fleiß, Sparsamkeit), die Eduard immer gelebt hat

eine Detektivgeschichte ist hinein gewoben; klärt Mord

Sittenbild des deutschen Spieß- und Kleinbürgertums ® der Versager wird zum positiven Gegenbild des eigentlichen Spießbürgers (Urteilsschemata werden im Laufe verkehrt).

 

Theodor Fontane

Er lässt seine Figuren dauernd ins Theater gehen und darüber Konversation betreiben.

Die Handlung ist aufgefächert, Zurücknahme des kontinuierlichen und kausalen Erzählens: sehr viele Dialoge ® zum Großteil Gesprächsroman ® szenisches Erzählen

Dialoge: oberflächlich ® Konversation, die ununterbrochen in den Mittelpunkt gestellt wird, wie die in den kleinadeligen- und großbürgerlichen Schichten dieser Zeit üblich war

4.    Stand (Proletariat) bleibt ausgeblendet; kleinadeliges, deutsches Junkertum, Landadelige sind im Mittelpunkt ® auf berührende Art und Weise geschildert in "Irrungen, Wirrungen" und "Shine"

Frauenroman, Zeitromane (Handlung hat einen unmittelbaren Bezug zur Wirklichkeit)

Zwei geschichtliche Romane: "Vor dem Sturm", "Schach von Wuthenow" ® Romane der guten Gesellschaft

Handlungshöhepunkte: sind meistens nur scheinbar solche, die eigentliche Handlung müssen die Leser erst entschlüsseln, den wahren Sinn der Konversation begreifen

Konzept des Vielheitsromans von Gutzhow wirkt nach.

Er formuliert gesellschaftskritisch; anhand von Ehe- und Liebesthemen; Zielpunkt: Duell, Ehrfrage („Effi Briest“).

Er war nicht auf der Seite der freien Herzensbestimmung ® Kritik am Bildungsbürgertum in:

 

"Frau Jenny Treibl":

Figuren, die zu Besitz gekommene Sozialaufsteiger darstellen, auf der anderen Seite Bildungsbürger geraten aneinander ® es geht um eine standesgemäße Hochzeit ® ironischer Roman; mit großem Einfühlungsvermögen wird ein schwacher Mann geschildert; er begeht Selbstmord, vergift sich (= Zeichen: vergiften galt als feige und unmännliche Art zu sterben; man sollte sich erschießen)

 

"Irrungen, Wirrungen"

Mann wird von seiner verarmten Familie genötigt eine reiche Cousine zu heiraten, führen eine Konventionsehe, keine Tragik, fügen sich in ihr Schicksal, er weiß schnell, dass seine Frau dumm, oberflächlich-intellektuell und emotional ist

 

„Effi Briest“

Auktoriale Stelle am Schluss; zentrale, auktoriale Stelle: Effi wird beinahe "Arme Effi" ® Mitleidsäußerung

Es gibt keine explizite Erzählerfigur, aber ein Erzählmedium, aus dessen Perspektive erzählt wird, wird beinahe als Autor greifbar, durch Wertungen und Kommentare über die Figuren und das Geschehen.

Ansonsten wird der Roman zum Dialogroman über weite Strecken (Dialog = neutral). Sehr wenige (eigentlich nur eine) emotionale Wertungen ® überwiegend Außensicht (weil neutral).

 

 

Entstehung des Konflikts : welche Frage steht im Mittelpunkt des Romanskonzepts?

·      Schuldfrage – Wer und woran?

·      Ist Effi schuldig? Wird freigesprochen (oft allein, jung verheiratet,…).

·      Fontane greift auf konkreten Ehebruchsfall und Duell zurück; alles, was Effi frei spricht, war nicht vorhanden!

·      Mit welchen Motiven wird die Frage illustriert? Welche Spur legt Fontane?

·      Effi schuldig? ® das Erzählmedium geht in die Richtung, dass Effi frei gesprochen wird ® Charakter von Instetten: er will sie erziehen, ist Pädagoge, nährt ihre Angst, beruhigt sie nicht (Crampas: erfahrener Mann), Instetten baut Angstapparat aus Obhut um Effi

·      Effi: als Liebender wie ein Vater; er war so liebevoll wie jemand, der ohne rechte Liebe ist

·      Instetten kommt immer nach Hause und schenkt Effi ein paar "müde Zärtlichkeiten"

·      es bleibt alles an der Oberfläche was die Konversation betrifft

·      auch die Beziehung mit Crampas ® Fontane hält sich hier an Tabugrenzen, Affäre ist nur indirekt zu erschließen (wie Instetten auf die Briefe reagiert)

·      Instettens Schuld: soll er verzeihen oder Duell führen? Entscheidung fürs Duell aus gesellschaftlichen Gründen ® Erzählmedium

·      Andeutungstechnik: etwas passiert, erzählerisch kommt es zu einem Zeitsprung ® Leerstelle (z.B.: "Reigen" von Schnitzler)

 

 

3 Formen der Erzählsituation: auktorial, personal, neutral

Dialogroman

typische, spezifische Mischung dieser For-

men des Erzählens ® kommt häufig vor

 

neutrale Erzählform

-     personale Erzählsituation

-     zwei Varianten

·      Außensicht

·      Innensicht: in die Figur wird hineingeschaut – Handlung wird damit geschildert ® innerer Monolog "Leutnant Gustl"; versucht Brüche in der Kohärenz und Kontinuität wieder zu geben

 

"Der Stechlin"

1897 erschienen in einer Zeitschrift, 1890 als Buch

See Stechlin in Mark Brandenburg und Adeliger mit dessen Namen steht im Mittelpunkt

Fontane erzählt einen Roman, verzichtet fast zur Gänze auf Handlung ® steht für damals modernen Roman, "…dass am Ende ein Alter stirbt und zwei Junge heiraten…"

Es wird versucht, das Milieu des modischen Landadels zu schildern, das schon im Aussterben ist. Fontane muss wohl der alten Welt des Landadels nachgetrauert haben.

Durchgängiges Motiv ist mit dem See verbunden: ununterbrochene Konversation, Landpartien,…; es wird unter anderem über eine Sage gesprochen: wenn irgendwo auf der Welt eine Naturkatastrophe geschieht, gibt der Stechlinsee eine Fontaine ab

Adelsfamilie lebt von großen Ereignissen in der Welt, leben abgeschieden, sind dennoch mit den Städten verbunden.

Der alte Stechlin weiß, dass er einer untergehenden Schicht angehört.

Fontane schildert dessen ausgeprägte Humanität:

·      Großzügigkeit und Toleranz gegenüber allem und jedem

·      auch resignierter Zweifler

·      in der Konversation: Wenn ich das Gegenteil gesagt hätte, wäre es auch wichtig gewesen (wie in "Mann ohne Eigenschaften")

Thematisiert wird der Unterschied zwischen alt und neu, ironische Haltung.

Dubslav von Stechlin repräsentiert die alte Welt, wie sie sein hätte sollen

Frau: alles Alte, soweit es Anspruch darauf hat, sollen wir lieben, aber für das Neue sollen wir Leben ® Leben für die Zukunft

 

 

 

 

 

 

 

Der Naturalismus und sein Umkreis

 

Folgende Kontexte erklären den Naturalismus:

-     1871 - Reichsgründung und Kaiserproklamation

-     Industrialisierung beschleunigt sich immer mehr ® beschleunigte Kapitalskonzentration ® Verschärfung der Klassenunterschiede zwischen Bürgertum (bleibt die kulturelle Trägerschicht) und Proletariat

-     Außenpolitik ist imperialistisch

-     Naturalismus ist vordergründig ein deutsches Phänomen, in Österreich abgeschwächt

-     Bismarck ist ein eiserner Kanzler, der die Politik trägt.

-     1890 bis 1918 - Wilhelm II (äußerliche Prachtentfaltung, repräsentationsbedürftig, protzig, soldatisch)

-     Politisches Leben bestimmt die Aristokratie, die Wirtschaft bestimmt das Bürgertum.

-     Unglaublich wichtig ist die Armee, das Soldatische.

-     Die Lebensbedingungen der Arbeiterschaft verschlechtern sich, Verelendung in den industriellen Ballungsgebieten.

-     Sozialismus ist ein Hoffnungsträger. Nach Aufhebung der Sozialistengesetze 1891 kommt es zur Unterdrückung der sozialen Bewegung. die Sozialdemokratie ging von einer grundsätzlichen Änderung des Staatswesens aus ® wird zu einer bürgerlichen Reformpartei. Sie hat die Kriegshetze seit 1914 aktiv mitgetragen ® hätte den Krieg verhindern können, war stärkste Partei.

-     Massenquartiere, Mietskasernen, Elendswelt,…

-     Staatliche Ideologie in Deutschland beschwört nationale Interessen, nationale Größe und das Vaterländische.

-     Antisemitismus: war damals nicht rassistisch, sondern Sündenbockstrategie.

-     Bildungssystem auf die nationale Ideologie abgestimmt ® Ablenkungen von den Mühen des Alltages

 

Begriffsbestimmung „Naturalismus“

Der Begriff stammt von Schiller. 1803 wendet er sich gegen den "naturalism" in der Kunst (® Tragödie). Genaue Wiedergabe des Lebens im Drama. Naturalismus kann nicht den Geist der Natur erfassen, das ist aber die Aufgabe der Kunst (nach Goethe). „naturalism“ ist polemisch und disqualifizierend.

Die Kunstrichtung um 1900 wird als positive Selbstbezeichnung übernommen.

 

"Die Ratten" von Gerhard Hauptmann

Die formale und eine thematisch-inhaltliche sind zwei Grundtendenzen des Naturalismus. Die dargestellten Personen werden egalisiert: König, Großbürger gleich wie Bettler, Arbeitsloser und Trinker. Alle Menschen sollen gleich sein vor der Dramenpoetik, wie vor dem Gesetz.

Formal: streng mimetischer Stil - Naturalisten versuchen möglichst genau zu sein und das tatsächliche kommunikative Verhalten von Personen zu erfassen und zu schildern. Man spricht nicht immer in ganzen Sätzen, oft Ellipsen, Hyperbeln, nicht nach den Prinzipien der Kausalität,…

Naturalisten wollen das "Abschildern". Wenn alle Menschen literaturfähig, dramenfähig sind, sind es auch zugehörige Themen (Arbeitswelt des Kleinbürgertums, Elend des Proletariats). Krankheit wird miteinbezogen (werden in Form von ihren Symptomen geschildert). Sexualität wird weniger verklärt, idealisiert und ausgespart, tritt viel stärker in den Vordergrund. Ebenso der Tod, das Sterben. Der Naturalismus will weniger Nachahmung der Gegenstände als der Gesetze der Natur sein.

Durch die neuen Themen wollte man eine neue Leserschicht erreichen. Der berühmteste europäische Naturalist, dem es als einzigen gelungen ist, breite Leserschichten zu erreichen, ist Émile Zola.

 

Émile Zola

Zola versuchte, private Theatervereine zu gründen, um der Zensur zu entgehen (Nachzensur war überaus streng, viele Klagen und Verurteilungen führten zur Festungshaft [=leichte Form der Haft ® Ausgangssperre].

Freie Bühne und vor allem freie Volksbühnen; jede Bewegung, die sich abgrenzen möchte und literaturpolitische Ziele verfolgte, veröffentliche Zeitschriften.

Höhere Töchter, alte Weiber beiderlei Geschlechts: für die alten Konventionen ® Romanliteratur und Familienzeitschriften wurden viel häufiger von Frauen gelesen.

Zola: ein Roman soll das Ergebnis eines (praktisch, naturwissenschaftlichen) Experimentes sein, "ich erfasse das sinnlich Gegebene".

"Les Rougons-Macquarts": Menschenbild, das stark auf drei Kategorien beruht

 

Hippolyte Taine

Hat drei Schlagworte geprägt, die das individuelle Leben prägen:

·      der geschichtliche Zeitpunkt "moment histoire"

·      die Gesellschaft "race" (das Kulturelle, Ethnische)

·      das Milieu "milieu" (wird sehr genau geschildert in einer konkreten Zeit und an einem konkreten Ort)

Der Einfluss von Ibsen ist unglaublich stark. Auch der Einfluss der Naturwissenschaften (Darwin, Mill, Spenzer) ist gegeben.

Oft: Motiv von der Vererbbarkeit bestimmter charakterlicher Dispositionen (z.B.: zum Alkoholismus).

Poetische Praxis: Man versuchte sich zuerst an lyrischen Ausdrucksweisen ® an dieser Lyrik ist wenig von der Umsetzung naturalistischer Programmatik zu finden ® es gibt war neue Motive, dennoch sind lyrische Formen traditionell.

 

John Henry Mackay

Er ist als Ausnahme anzusehen. Mackay ist Wiederentdecker von Max Stirners "Der Einzelne  und sein Eigentum". Er hat als Individualanarchist diese Ideen weitergegeben. Mackays Gedichte wurden gleich danach verboten.   

 

Erzählprosa

Naturalismus: Erzählen, Drama und Theater

Karl Bleibtreu: "Revolution der Literatur" (Naturalisten fühlen sich Revolutionäre)

Die höchste Gattung des Realismus ist der soziale Roman. Die Naturalisten haben zwar Romane geschrieben, hatten aber viel weniger Erfolg damit als mit den Dramen.

Max Kretzer

Conrad Alberti "Der Kampf ums Dasein" ® Vorbild war Darwin

Naturalistische Neuerungen innerhalb der Dichtung: Kurzprosa (Vertrete: Hauptmann, Holz, Schlaf)

 

 

"Bahnwärter Thiel"

1888, Novelle; bekanntester Prosatext

Bahnwärter rangierten damals auf der sozialen Skala ganz unten. Desolate Beziehungen im untersten sozialen Milieu, mit Gewalt angereichert (Frau misshandelt das Kind).  Er ist sexuell abhängig von Frau (war in der Literatur des 19. Jh. kein Thema).

Symbol der Bahnstrecke entspricht nicht der naturalistischen Programmatik, weil die Naturalisten generell Symbole ablehnen. Die Bahnstrecke steht für das Leben des Bahnwärters Thiel. Das Irrenhaus als Themenkomplex. Verfall eines Charakters wird geschildert mit einer Kette von Symbolen. Weiteres Symbol: Netz schließt sich um ihn ® Begriff von Holz und Schlag verwendet er selbst

 

"Papa Hamlet“

Der konsequente Realismus wird erfasst in "Papa Hamlet". Die skandinavische Literatur ist von enormer Bedeutung für die Naturalisten (z.B.) Ibsen).

Basiert stofflich auf "Dachstubenidyll" von Schlaf (ironisch gemeint, ist in Wirklichkeit eine Dachstubenkatastrophe). In engsten Verhältnissen leben ein älterer, trinkender Schauspieler und seine Familie mit der schwindsüchtigen Frau; er rezitiert aus Hamlet; er erwürgt sein Kind und geht am Alkohol zugrunde; Schmutz, Hunger, Kälte.

Fast alles dialogisiert: Erzählung läuft ab wie ein kleiner Film, ein kleines Theaterstück;  Alltagssprache wiedergegeben; nichtkohärent, er zitiert immer wieder abgerissene Hamlet-Zitate; im Dialog: Interjektionen, Wortfetzen. Die Naturalisten wollen zudem Gesten, Bewegungen einfangen.

Erzählte Zeit und Erzählzeit sind weitgehend identisch (Kennzeichen des Naturalismus). Erzählzeit: nicht messbar, meint die Zeit, die für das Erzählen oder die Lektüre benötigt wird; die naturalistische Erzählung ist annähernd zeitdeckend oder sogar zeitdehnend (dreiseitige Präsentation einer Hand); naturalistischer Sekundenstil (Zeit und Raum werden Sekunde für Sekunde erzählt), Zeitlupentechnik

 

Zu Wahrheit in der Kunst:

Wahrheit als gesellschaftliche Realität. Naturalisten kann man parteipolitisch nicht zuordnen, konnten mit Parteipolitik nichts anfangen. „Kunst hat die Tendenz, wieder die Natur zu sein“ (Schlaf) ® Kunst hat so realistisch zu sein, dass es schon wieder Realität ist.

 

Naturalistisches Drama

Gerhart Hauptmann

Hauptmann war einerseits ein naturalistischer Dramatiker, andererseits deren Überwinder. Er selbst hat sich nie als konsequenter Naturalist verstanden ® die genaue Nachahmung sei niemals Zweck der Kunst (wie Schiller argumentiert "naturalism dringen nicht zum Eigentlichen des Lebens vor"), die Nachahmung sei eigentlich nie erreichbar.

 

"Vor Sonnenaufgang"

soziales Drama in fünf Akten

Uraufführung durch den "Verein freie Bühne" ® Skandal; von Fontane und Arno Holz gefeiert

Handlungsverlauf:

·      krasser sozialer Aufstieg des Bauern Krause

·      gescheitert am Alkoholismus (® in fast jedem naturalistischen Drama gibt es das Problem des Alkohols, teilweise auch Prostituierte)

·      ältere Tochter verheiratet mit Ingenieur Hoffmann; Ingenieur Hoffmann: Opportunismus ® auch Trinker, hat seine sozialistischen Jugendideale aufgegeben

·      Krause wird von seiner zweiten Frau betrogen; er selbst stellt seinen Töchtern nach

·      Hoffmann (Jugendfreund) stellt der jüngeren Krause Tochter Helene (= Leidende und Duldende) nach

·      Alfred Loth – verkommener Intellektueller (Satire auf Intellektuellen), schreibt eine sozialkritische Studie

·      Helene hofft auf Befreiung aus ihrer Familie ® Loth verliebt sich zwar in sie, verlässt sie aber, als er erfährt, aus welcher Familie sie kommt ® sie ersticht sich

Naturalistisch: Anordnung der Motive in Kombination mit der Familienproblematik

Markant: Mischung von Dialekt und Hochsprache; wahrheitsgetreu; Mimesis von Sprache und Sprechen; Figuren sprechen auch im Dialekt nicht in ganzen Sätzen ® Gebärde und das stumme Spiel.

Regieanweisungen (Nebentext): genaue Platzierung von Requisiten, seitenlang wird beschreiben, wie eine Figur zu sein hat ® Bedeutung des Dialogs tritt zurück, an die Stelle kommen genaue Angaben über Bühnenbild, Choreographie,…

 

"Die Weber"

soziales Drama, 1893; private Veranstaltung der freien Bühne

Es gibt schlesische Dialektfassung "De Waber".

Weberaufstand im Juni 1844 (auch Gedicht von Heine); spontane Revolte der von ihren Arbeitgebern ausgebeuteten Weber; unglaubliche Arbeitsbedingen ® Elend; wird mit militärischer Gewalt niedergeschlagen ® Historisches Drama

Hauptmann hat vor Ort sehr genau recherchiert; hat dort genau dieses Elend noch kennen gelernt ® Recherche war 50 Jahre später

Traditionelle fünf Akte des Dramas behält er bei, aber die Spannungskurve mit Exposition udgl. lässt er weg. Hauptmann gewährt Einblick in fünf Stationen in das Elend einer Schicht, wie es zustande kommt, wie es aufrecht erhalten wird.

Naturalisten sind nicht zu verwechseln mit sozialhistorischen Programmatikern. Die meisten standen dem Politisch-Sozialen fern ® Hauptmann ist nicht marxistisch, sozialistisch!

Die Naturalisten denken in moralisch-charakterlichen Kategorien. Es geht um die charakterliche Verkommenheit der Unternehmer.

Neu: Signum des offenen, modernen Dramas: Handlung wird nicht durch Spannungsbogen, sondern durch einige, wenige, zentrale Figuren zusammengehalten. Die Masse, eine Gruppe – die Weber – wird zur zentralen Figur, die einzelnen hervortretenden Figuren sind Repräsentanten, Typen.

Keine eindeutige politische Haltung ist aus dem Schluss herauslesbar. Hauptmann: kein sozialrevolutionäres Tendenzstück!

Politisch: traditionell, christliche Mitleidsethik ® Motivation für dieses Drama

H. schrieb auch einige Dramen, die dem naturalistischen Schema gar nicht mehr entsprechen. In allen seinen Dramen erscheint das menschliche Leid als elementares und unausweichliches Schicksal (Schicksalsdramen). Die sozialen Verhältnisse werden nur peripher als veränderbar gesehen.

 

[1933: Hauptmann hat das Wort gegen die Nazis nicht erhoben ® er war damals einer der bekanntesten Autoren ® wurde von den Nazis vereinnahmt; hat auch im ersten Weltkrieg schon geschwiegen

1914: Avantgarde war generell kriegsbegeistert

Stefan Zweig hat mit französischen Autoren versucht eine Intellektuellen-Friedenskonferenz der verfeindeten Nationen zusammen zu bringen ® Hauptmann hat nicht einmal reagiert]

 

 

Erfolgreiche naturalistische Dramatiker neben Hauptmann

Hermann Sudermann

galt schnell als trivial

verbindet Elemente des alten Intrigendramas mit naturalistischen Präsentationsformen

"Die Ehre": 1889 ® schlagartig berühmt

bürgerlicher Ehrbegriff (in Militärkreisen; innerhalb der bürgerlichen Familie), Absurdität und Menschenunwürdigkeit

 

Satire – Oskar Panizza

1921 gestorben; einer der radikalen Kritiker des Katholizismus dieser Zeit

 

"Das Liebeskonzil" 1894

Panizza ist sehr plastisch in der Umsetzung dieser Kritik; Werk ist durchdrungen von scharfsinnigem Witz, Zielpunkte: katholische Kirche, wilhelminisches Kaiserreich.

„Eine Himmeltragödie“ ® Untertitel

1894: Panizza kommt wegen Gotteslästerung ein Jahr ins Gefängnis, er hat sich psychisch nie mehr erholt, massive Form der Paranoia

Zeitgenossen haben das Stück als gigantisch blasphemisch eingestuft.

Thema:

·      Auftauchen der Syphilis am Ende des 15. Jh.: Panizza geht satirisch davon aus, dass sie im 15. und 16. Jh. Syphilis als eine Strafe Gottes für die Unzucht der Menschen ist.

·      Gott Vater tritt auf (immenser Tabubruch!) – alter, übel gelaunter Mann; Engel: dumme Dienstmädchen; Bote: Orgien in Neapel, Gott will alle Menschen vernichten, Himmelskonzil wird einberufen (® wie bei den germanischen Göttern – ständig irgendwelche himmlischen Besprechungen); auch Christus (hüstelnd und dümmlich) und Maria (bauernschlau, aber gewöhnlich) treten auf;

·      Unzucht am päpstlichen Hof; der Teufel wird gefragt, was zu tun sein ® hat eine Idee: eine Krankheit macht die Menschen erlösungsbedürftig; dazu ist er allein nicht fähig; schickt Salome zum Papst, Salome und Teufel verbinden sich, durch sie wird die Syphilis verbreitet ® Teufel gewinnt an Macht

Satire: herabwürdigende Kritik an Doppelmoral der Renaissance-Päpste und generell der katholischen Kirche

Zuerst überhaupt keine Abnehmer für das Buch ® dann verklagt jemand Panizza ® geht ins Gefängnis; Fontane hält es für ein sehr bedeutendes Buch; Conrad schrieb ein positives Gutachten – vergeblich; Panizza emigrierte danach in die Schweiz ® Paranoia und pathologischer Hass auf Deutschland.

 

Frank Wedekind

Einzelgänger; empfand sich als Antipode von Gerhard Hauptmann

kommt aus Zirkus- und Varieté-Subkultur (hat er in Paris kennen gelernt)

Er war ein mitreißender Kabarettsänger; er dichtete für die satirische Zeitschrift "Simplicissimus"; sieben Monate Haftwegen Majestätsbeleidigung

Seine Maxime auch: Natürlichkeit, aber anders als im Naturalismus; höhere Natürlichkeit (Kraus)

 

"Frühlingserwachen"

Pubertätsnöte von Jugendlichen ® sehr aktuell, lockere Szenenfolge; Autor greift auf persönliche Erlebnisse zurück

Jugendliche werden von den Eltern mit ihren Nöten allein gelassen; im Ungewissen in Bezug auf Sexualität gehalten ® eine wird schwanger, treibt Kind ab und bringt sich um

Milieuschilderungen des Klein- und Mittelbürgertums, Folgen der Tabuisierung der Sexualität

Letzte Szene: Begegnung am Grab - sehr symbolhaft: es begegnen einander ein junger Mann und der Tote mit seinem Kopf unterm Arm (vermummter Herr = Inkarnation des unzerstörbaren Lebens); vermummter Herr zieht ihn wieder ins Leben zurück.

 

Das Episodische im Drama und die typenhafte Gestaltung der Figur führen zum Expressionismus. Wedekind hat scharfen psychologischen Blick, aber malt es nicht naturalistisch aus, sondern pathetisch und grotesk.

Vorbilder: Lenz, Grabbe, Büchner

Erste Buchausgabe wurde als unerhört aufgefasst!

 

Lulu

Trieb und Sexualität

Lulu = wahre, natürliche Frau; Konzept dieser Figur wird im Prolog zum Erdgeist von Lulu selbst ausgeführt; sie ist die Inkarnation der sexuellen Verlockung; Dämonisierung,  Vamp, femme fatale; sie ist undefinierbar; ein mythisch-kreatives Wesen.

Die Männer projizieren ihre Sehnsüchte und Ängste auf sie! Sie ruinieren sich selbst – dies wird plastisch dargestellt ® Lulu wird umgebracht.

 

 

Wiener Moderne 1880 – 1930

 

-     Epochengrenzen sehr schwierig zu ziehen

-     Literatur des "fin de siècle"

-     Gebiet des Habsburgerreiches (multinationales Großreich, politisch relativ labil; zusammengehalten von Kaiser Franz Joseph seit 1848 bis 1916; Kriege dazu)

-     Man spricht vielfach von einer "Epoche des Friedens" ® Blödsinn (® alle Kriege werden im Roman „Die Waffen nieder“ von Berta von Suttner geschildert). Es ist die Zeit der wachsenden Spannungen und Krisen

-     Politik: Kette von Kompromissen und Notlösungen

-     konstitutionelle Monarchie bzw. Doppelmonarchie Österreich – Ungarn; angesichts der nationalistischen Tendenzen innerhalb Europas ein unzeitgemäßes Staatswesen

-     Agrarland: in den 1860er und 70er: erster, massiver kapitaler Schwung ® Gründerzeit

-     Bauten: Prachtpalais an der Ringstraße

-     Technisierte Formen, Industrialisierungsprozess erfasst Manufakturen

-     krasse soziale und ökonomische Unterschiede zwischen Stadt – Land ® Romane von Josef Roth

-     Nationale Tendenzen: deutschnationale und großdeutsche Tendenzen im D/Ö-Bürgertum (nicht im jüdischen Bürgertum); gegen Überfremdung und Zuzug von ostjüdischen Ghettojuden

 

Antisemitismus – massive großdeutsche Tendenzen

War um die Jahrhundertwende im Reichsrat sehr stark.

1908: die ersten Wahlen auf Grund des neuen, allgemeinen Wahlrechts ® danach Sozialdemokratie eine der stärksten Parteien

Christlich-Sozialen: nicht viel mehr ® war aber Allianz.

Sozialdemokratie hat die Kriegspolitik vollständig unterstützt ® waren vorher immer als pazifistische Partei aufgetreten

Prügeleien waren im Reichsrat an der Tagesordnung

Festhalten an feudalen Formen und Gebärden

 

Wien: absoluter Mittelpunkt des Großreiches, exklusive kulturelle Rolle

Seit 1848: massives Ansteigen der Bevölkerung (Zuwanderung: Tschechen ® Anteil der jüdischen Bevölkerung rund 10% - Kraus, Schnitzler, Zweig, Altenberg, Satter, Freud, Mahler,…)

antisemitisches Argument: Juden wollen "uns" überfremden

Jüdischer Charakter: wollen eine Weltmacht werden (durch Kunst, Wissenschaft)

Anteil der Juden innerhalb der Kunst, Kultur und Wissenschaft sehr hoch, waren besser gebildet; Juden waren von bestimmten Berufen ausgeschlossen ® nicht: vom Händlertum und von Bildungsberufen

Innerhalb der Wirtschaft wurden die Juden als Sündenböcke des Kapitalismus hingestellt.

Wien um 1900: jüd. Künstler und Wissenschaftler waren zum Großteil assimiliert! – also keine orthodoxen Juden

 

Das literarische Leben

-     Verlagswesen war damals schon auf Deutschland ausgerichtet ® klassische Vertreter der Wiener Moderne erschienen in Berlin und München

-     Deutsche Verlage: Insel-Verlag und Samuel-Fischer-Verlag (Schnitzler, Hoffmannsthal wurden da verlegt)

-     von großer Bedeutung war die traditionsreiche Wiener Bühne ® im Mittelpunkt waren Schauspieler, nicht Konzepte und Autoren

-     Schnitzler war Burgtheaterautor (einer der am meisten gespielt wurde)

-     Musik: Wiener Schule "fin-de-siècle“-Avantgarde ® Schönberg, Alban Berg, Anton von Weber

-     künstlerische Kompromisslosigkeit galt als deren höchstes Ziel

-     Architektur und Wohnkultur: heftige Auflehnung gegen den Jugendstil, kunsthandwerklichen Zierrat ® Otto Wagner, Adolf Loos

-     Psychoanalyse wird entwickelt (Freud) "Die Traumdeutung"

·      1900 ® ein Schlüsselwerk

·      neue Einsichten in die Psyche

-     Gruppenbildungen: ‚Sezession’ wird gebildet  (Maler ab Klimt und Moser); keine verbindlichen Gruppenbildungen

-     Jungwien: Kreis von Freunden und Bekannten, Kaffeehausgeher

 

Kaffeehauskultur:

-     Café als geistiges Zentrum (wie im französischen Raum der "Salon")

-     inoffizielle Institution künstlerischer Öffentlichkeit

-     Ort, an dem krasse Außenseiter miteinbezogen wurden ® Hermann Bahr, Altenberg, Hofmannsthal, Stefan Zweig (Hofmannsthal hat schon als Gymnasiast dort verkehrt)

-     Blüte erleben Kleingattungen für Zeitungen und Zeitschriften: Witz, Anekdote und Essay

-     im Zusammenhang mit den neuen Sichten auf die Seele des Menschen entstehen neue, kleine Gattungen, die man dann impressionistisch nennt (gefühlsmäßige Reaktionen auf Wahrnehmungen von Einzelheit, Flüchtigkeit des Augenblicks wird thematisiert ® v.a. von Altenberg)

-     Autorensoziologisch gibt es eine Gemeinsamkeit: da Milieu - gehobenes Bürgertum (die meisten waren nicht auf den Verdienst angewiesen, Söhne aus bürgerlichem Hause) ® Zweig war erfolgreich, man verdiente viel; Schnitzler war Arztsohn; Hofmannsthal war aus adeligen Hause

 

Jakob Wassermann

-     am Rande der Wiener Moderne ® war aber eng befreundet

-     stammt aus armen Hause

-     produzierte ständig, alle 2-3 Jahre neuer Roman ® Schnitzler, Hofmannsthal, etc. hatten das nicht nötig

-     Wassermann war gezwungen viel Geld zu verdienen ® Rücksicht aufs Massenpublikum

 

Stefan Zweig

kalkuliert nicht aufs Publikum, hatte unglaubliche Auflagen vor allem mit seinen historischen Romanen, sehr viele Übersetzungen

 

Impressionistische Kultur und Literatur Wiener Moderne

-     höchst verfeinerte Sensibilität

-     gesteigerte Wahrnehmungs- und Reizempfindlichkeit

-     Konzept: aus optisch nicht zusammenhängenden Details aus Farbtupfern setzen sich je nach Standort unterschiedliche Bilder im Gehirn des Betrachters zusammen

 

Literarische Eindruckskunst

-     Theorie des Impressionismus wurde in Wien von H. Bahr nachgeliefert

-     Wichtig: neue Erkenntnisse der Naturwissenschaften und der Psychologie

·      Ernst Mach "Die Analyse…"

·      H. Bahr "Das unrettbare Ich" ® Essay, knüpft an eine Entdeckung von Mach an ® Philosophie des Impressionismus

-     relativ beständige Komplexe von Farben, Tönen und kaptischen Eigenschaften ® Definition von Mach für Gegenstände ® das antike "Alles fließt" wird radikalisiert, Körper und Gegenstände wechseln ihre Beschaffenheit ständig; auch das menschliche Ich – Mensch wechselt beständig Eigenschaften (Farbe, Temperatur) – nur relativ beständig

-     Angriff auf traditionelle Identitätskonzeptionen ® Ich: Komplex von Erinnerungen und Gefühlen ® das Ich ist unrettbar

-     Wahrnehmungsinstanz: beobachtendes und auf Reize reagierendes Ich

-     am deutlichsten bei Peter Altenberg abzulesen ® Meister der literarischen Stimmungen

-     Stimmung ist zentrale Kategorie impressionistischer Kunst

-     Mimesis ist verbindliches Prinzip, realistische Mimesis ohne Kausalität (keine Identität = keine Kausalität)

-     Logisches Textprinzip: die Kürze

-     allgemeiner Trend der Gattungen hin zur

·      Prosaskizze

·      Prosagedicht

·      Einakter

·      Dramulett

-     berühmtestes Beispiel für die Errungenschaften impressionistischer Verfahrensweisen ist der innere Monolog

 

Die Jung-Wiener

-     Jung-Wiener bemühen sich um Andeutungen und Zwischentöne, um stimmungshafte Nuancen

-     Mimesis – Darstellung der Wirklichkeit – verbinden des Prinzips

-     im weitesten Sinne legen sie realistische Literatur vor ® Mimesis ohne Kausalität

-     versuchen aus der Perspektive einer Wirklichkeit, die zerfällt, Momentaufnahmen einzufangen

-     da die Dinge und die Menschen keine Identität mehr besitzen, kann man keine Kausalitäten mehr herstellen ® sind keine Geschichtenerzähler

 

Hermann Bahr (gestorben 1934)

-     Regisseur, Theaterkritiker

-     literarisches, philosophisches und religiöses Chamäleon

-     macht alle Strömungen mit, die gerade en Vogue sind

-     schrieb sehr viel – 100 Buchveröffentlichungen ® "Das Konzert" wird noch gespielt

-     das Drama ist als Gattung dominant

-     in Anknüpfung an alte Gattungshierarchien: bis zur Wiener Moderne hatte innerhalb der Normpoetiken das Drama die höchste Form inne; nun nicht das große Drama, sondern das „Dramlett“ ® das kleinste Drama – sehr beliebt

-     Mosaik von einzelnen, losen Szenen (Schnitzler)

 

Schnitzler

-     melancholischer Sittenschilderer als Wiener „fin-de-siècle ® Ensemble aus Stimmungen und Einschätzungen (® man empfindet die Welt als eine zum Untergang verurteilte)

-     Charakteristisch: Verknüpfung von Liebe und Tod

·      Grundkonzept: Mensch ist beherrscht von flüchtigen Stimmungen

·      es wird nicht ausgesprochen, was wirklich gemeint ist ® Protagonisten/innen sprechen in Andeutungen und Ironie miteinander

-     sein Theater ist realistisch, naturrealistisch

-     kommt aus dem Großbürgertum, schildert vertrautes Milieu (Wien der Gegenwart)

-     das Theaterpublikum hört die gewohnte Alltagssprache

-     Tradition des französischen Konversationsstücks und Ibsens

 

„Anatol“ ® Einakterzyklus

dramaturgische Besonderheiten

-     einzelne, unabhängige Szenen

-     durchgehende Handlung fehlt ® durchgehend ist nur die Figur des Anatol (= das zentrale ICH)

-     offenes Drama (Signum der Moderne!): Szenen werden nicht mehr integriert und strukturiert durch eine kausale, durchgehende Handlung, sondern durch eine Person (® von Werner Schwab im „Reigen“ genau übernommen; Figurenkette im ‚Reigen’ – eine Figur wechselt in nächste Szene)

-     Konzept des Dramas: Anatol ist melancholischer Lebemensch, naiv, pubertierend, eitel, selbsttrügerisch, sentimental

-     er sucht in anderen Reize und Anreize; er ist schwermütig, oberflächlich; Beziehungen sieht er als Spiele – nicht ernst gemeint, sein Gefühl ist gespielt; er spielt sie auch sich selbst vor, weiß aber, dass es gespielt ist

-     verbirgt sich: unendliche Angst und Traurigkeit, Orientierungslosigkeit

 

„Reigen“

-     zehn Dialoge

-     erste Aufführung war ein Skandal ® 1971: Prozess wegen Unzucht und Erregung öffentlichen Ärgernisses

-     als Privatdruck 1900 entstanden, öffentl. Druck 1903

-     Stück wurde einerseits pornographisch gelesen

-     Prinzip der Figurenketten

-     Typen (soziale Typen)

-     Auseinanderdriften zwischen Begehren und Sprache und bestimmte Beziehung (Geschlechtsverkehr)

-     Sprachmasken werden vorgeführt

·      Sprache = Verlogenheit

·      Maske wird soziologisch grundiert

·      Figuren haben keine Namen

-     Sexualkarrussel: Figuren sind Marionetten ihrer Begierden und der typenhaften Sprachen; Reigen mit einem mittelalterlichem Totentanz vergleichbar

-     Sexualität war ein bestimmendes Thema um die Jahrhundertwende: Otto Weininger, Richard von Krafft-Ebing

-     Freud hat die Ähnlichkeit zwischen seinem Bild der Sexualität und Schnitzlers erkannt

 

„Liebelei“

-     erfolgreichstes Stück

-     uraufgeführt am Burgtheater

-     Schnitzler erster und größter Bühnenerfolg

-     Sozialpsychologisches Drama und gemütliches Wiener Volksstück

-     Schluss in der Schwebe

-     Christine ist die Personifikation des „süßen Mädels“

-     politische Selbstpositionierung hat Schnitzler selten vollzogen, außer in „Professor Bernhardi“ ® Antisemitismus der Zeit, Vorfall in einer Klinik (S. selbst Assistenz-Arzt), Antisemitismus als Kalkül (wegen soz. Aufstieg)

-     Wahrheit und Schein – großes Schnitzler Thema

·      er stellt den Schein dar, Wahrheit muss vom Rezipienten erschlossen werden

 

Hugo von Hofmannsthal

-     Wassermann hat um dessen Freundschaft „gebuhlt“

-     virtuose Vielfalt in der Beherrschung der Stoffe und Mittel

-     charakteristisch: verkörpert wie kein Anderer um die Jahrhundertwende – ästhetische Raffinement der großbürgerlichen Luxuswelt

-     in seinen Themen und Gattungen – Historismus: literarisch-ästhetische Formen benutzt er ausgeprägt historistisch

-     er repräsentiert den literarischen Ästheten der Jahrhundertwende, aber auch Kritiker des Ästhetizismus

-     bevorzugte Dramengattung war Dramulett

-     Der Tor und der Tod“: historistisch; der Tod tritt auf, Rückgriff auf MA, ästhetische Problematik wird in einer alten allegorischen Hauptfigur dargestellt ® das Künstliche war Lebensersatz ® Erkenntnis, kein eigenes Leben gehabt zu haben, ist tödlich

-     Der Tod des Tizian“: Thema ist historisch; Welt als Theater Gottes, ist säkularisiert

-     Jedermann“: barocke Allegorie, barocke Traditionen

-     Das Märchen in der 672. Nacht® Anspielung auf die „Märchen aus 1001 Nacht“

·      Erwartungshaltung: märchenhaft, exotisch

·      Einstieg: Scheherazade erzählt Leben; Mann lässt sie hinrichten, wenn Nacht aus ist, sie zögert es hinaus

·      Zentrumsfigur junger Mann aus reichem Hause (Kaufmannssohn)

·      Traumstruktur – mangelnde Kausalität der einzelnen Bilder

·      Überraschungsstruktur – etwas, das in der Realität nicht angsterregend ist, wird so verfremdet es; Verfremdung von Alltäglichem; Überraschung wird als etwas Selbstverständliches hingenommen

·      Hofmannsthal möchte die Märchenhaftigkeit des Alltäglichen darstellen

Übliches Motiv in der internationalen Moderne: Motiv des Treibhauses

Erzählung ist Darstellung eines ästhetischen Lebens und die Kritik daran

Er tut nichts (Beobachtung als Zeitvertreib)

Ästhetik: im „Schauen“ ® er erfreut sich an schönen Dingen, ästhetische Daseinsweise

Letzte Station: schmutziger Kasernenhof mit Tieren ® realistische Station

·      wird von Pferd getreten und getötet ® gänzlich unästhetisch; erbärmliches Sterben in Schmutz und Gestank

·      in dem letzten Augenblick erkennt er, dass sein Leben nutzlos war; verflucht sein ästhetisches Leben

 

„Ein Brief“ (genannt der „Chandos Brief“)

-     Rahmen, Ort und zeit sind historistisch

-     englischer Adeliger des 17. Jh. schreibt einen Brief

-     sprachkritischer Traktat

-     Psychogramm von Hofmannsthal und allgem. Schaffenskrise

-     Briefschreiber kann niemanden mehr besuchen; Begründung: allg. Krise; Skepsis gegenüber Sprache; Sprachekel; Sprache für Wirklichkeitserfassung

-     Sprache: Lügen der Tradition, der Wissenschaft

-     Diskursanalyse: jeder professionelle Bereich hat andere Form zu sprechen

-     Wenn es fixiert ist = hohl; kann nicht mehr Wirklichkeit erfassen, sondern nur nach Diskursen

 

Hofmannsthal später: Konservativ politisch

Opernlibretti geschrieben, rückwärtsgewandt

„Der Schwierige“ – sehr bekannt; Charakterkomödie geschildert, Typen, Stück der Restauration; Trauer über Zerfall dieser Welt

 

„Leutnant Gustl“

-     Erzählung um 1900

-     Technik ist innerer Monolog

-     Form der konsequenten Innensicht, die versucht Denk- und Wahrnehmungsprozesse im Inneren einer Figur so realistisch wie möglich darzustellen (® Realismus: Erkenntnis, dass Wahrnehmungs- und Denkprozesse nicht so kohärent verlaufen, wie man bisher angenommen hat)

-     Gedankensplitter lenken ab, unterbrechen Wahrnehmung

 

Inhalt

-     junger Offizier ist in einem Konzert

-     es kommt in der Garderobe zu einer Auseinandersetzung mit Bäckermeister ® nach traditionellen Ehrbegriffen der damaligen Zeit musste er ihn zu Duell fordern

-     Versucht, das Innere des Leutnant Gustl von Konzert an bis zum nächsten Morgen einzufangen

-     Für den Leser wird mehr Erkenntnis sichtbar, als für den Protogonisten

-     beißende Kritik an der Figur

-     Gustl ist Figur ohne Selbsterkenntnis

-     Charakter der Figur wird Leser durch Erzählung klar (Leser hat Informationsvorsprung)

 

„Fräulein Else“

-     ähnlich geschrieben wie Leutnant Gustl, auch innerer Monolog

-     junge, schöne Tochter eines bankrotten Spielers, der gemeinsam mit Mutter die Tochter auffordert, sich jemanden, von dem man sich viel Geld leihen könnte, anzubieten ® die Tochter vergiftet sich und stirbt

 

„Casanovas Heimfahrt“

„Der Weg ins Feie“ (Roman)

-     Roman

-     Sittenbild der Gesellschaft zur damaligen Zeit in Wien

-     erregte sehr viel Aufruhr, da sich Freunde, und Bekannte im Roman wieder erkannten

 

 

Ästhetizistische Strömungen um 1900

Ästhetizismus

-     Hofmannsthal galt als Ästhetizist ® ist Ästhet und Kritiker zugleich

-     Literatur schrieb sich als Avantgarde® Ästhetizismus ist stärker ausgeprägt vom Weltbild her wie unter den Dichtern der Wiener Moderne

-     Absage an der Realität als Maßstab der Dichtung ® galt bis dahin immer auch als ein Fluchtpunkt der Dichtung (Symbolismus, Neuromantik)

-     Realität ist ein Angelpunkt der Dichtung - im Ästhetizismus wird diese Position radikal abgelehnt

 

Von großem Einfluss waren die französischen Symbolisten mit der neuen „reinen Kunst“

·      Charles Baudelaire

·      Stephan Mallarmé

-     Schlagwort der poésie pure (der ‚reinen Dichtung’) ® Dichtung bezieht sich auf das radikale Andere und vor allem auf sich selbst, Kunst sei eine reine Schöpfung (keine Natur, Realität)

-     französische Symbolisten: „dichterische Sprache habe nichts abzubilden, sondern eine absolute Dichtung in absoluter Sprachlehre zu sein“

-     esoterische Kunstlehre: Kunst ist reine Schöpfung, durch nichts bedingt und zu nichts verpflichtet außer sich sich selbst

-     Parnassiens ® Dichtergruppe

·      Parnas = (in der Antike) in der antiken griechischen Mythologie der Berg, auf den die besten griechischen Dichter miteinander Umgang pflegen

-     Mallarmé: „die Idee, das Thema und der Stoff sind unerheblich“ totale Metaphorisierung der Sprache mit absoluten Metaphern; absolute Metapher: Vergleich fehlt = Metaphern, die keine Metaphern mehr sind, nicht ausgeführter Vergleich ohne ein gemeinsames Drittes ® absolute Metapher nennt man auch Chiffre; chiffrenhaftes Sprechen

-     Kunst wird der Lebenspraxis entgegengesetzt (Ideologie und Kunstautonomie ® führt zur autonomischen Zeit, Idee der Autonomität des Künstlers, dass Künstler nichts verpflichtet sei, außer seiner Kunst

französ. Symbolismus und dt. Ästhetizismus (um George)

 

Im Kreis um Stefan George (gest. 1933)

-     exklusiver Zirkel, quasi-religiös organisiert (Meister Stefan George und seine Jünger)

-     Titel: Gedichte ® „Hymnen“ 1890: berühmtes Gedicht daraus: ‚Im Park’

-     Titel ist ein Programm

·      stark dekorativer Zug

·      Ausbreitung von schönen Dingen (Perlen, Fontänen, Teppichen) und Ausbreitung von Mosaiken und Farben; schöne Dinge mit schönen kräftigen Farben, träumende Dichter

-     Zeitschrift „Blätter für die Kunst“ (1892-1919): Männer aus höherer Schicht, mussten kein Geld verdienen

-     Weitere Sammlungen: ‚Die Jahre des Lebens’, ‚Der Teppich des Lebens’ (wertvolle Teppiche aus arab. Raum als Motiv)

-     entwickelt eine eigene Typokratie (eigentlich typisch), eigener Schrifttypus; pflegt die konsequente Kleinschreibung und eigentümliche Interpunktion

-     das Schöne, das immer als absolut begriffen wird, wird gefeiert

-     auch guter Wert: die Führerschaft ® nicht zu verwechseln mit dem Nationalsozialismus, Führerschaft aber Führerkult allemal verhehlt wird ein konsequenter Irrationalismus

 

Christian Morgenstein

Dehmel, Liliencron, Bierbaum, Dauthendey

Rainer Maria Rilke

-     Vertreter der Prager-Deutschen Literatur

-     in Prag geboren; Werfel und Kafka waren Prager Literaten

-     hieß getauft René ® wird einer der eigentlichen Dichter des 20. Jh.

-     beginnt als Epigone

-     ästhetizistische Positionen

 

[Oskar Wilde

-     war für ästhetische Positionen dieser Zeit sehr prägend

-     „Dandytum“

-     Feuerwerk von Rhetorik

-     seine Dramen sind nicht ästhetisch, was die Dialoge in seinen Werken anlangt

-     Utopie des Sozialismus]

 

„Mir zur Feier“ (1899)

 Sammlung von Gedichten

 Sprache ist abstrakt und intellektualisiert

-     „Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke“ ® Massenerfolg

-     abstrakte Figuren

-     Sprache ist sehr abstrakt und ästhetiziert

-     historische Novelle in Versen

-     entscheidende innere Wende durch seine beiden Russlandreisen um 1899 und 1900: Rilke sah das soziale Elend nicht, sondern den naturnahen Menschen „Eingreifender Bilderbogen der nachmachenden Menschen“ ® Poetisierung des Elends, Poetisierung der Armut, beeinflusst auch durch den Parisaufenthalt

-     war ein Freund von großzügigen Frauen

-     Rilke ist ein sehr geschickter Handwerker, spielt mit Reimen, beherrscht die Tradition

-     „Das Stundenbuch“, „Das Buch der Bilder“, „Neue Gedichte

·      gemeinsam ist ihnen: die Ferne von Sozialem, die Ferne von Historischem und Zuwendung zu den so genannten Dingen

 

„Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge“ (1910)

-     die fiktive Tagebuchaufzeichnungen sind das Besondere an diesem Roman: sehr locker verfasst

-     historisch und soziale Aspekte rücken wieder in den Vordergrund

-     sehr lose und aufgefächerte Form (NEU)

-     ästhetische Position besteht auch darin, Umwelt mit geschärften Sinnen wahrzunehmen, dieser Mensch in Paris nimmt das Elend, die Armut,... wahr

·      nicht kontinuierliche, teils nicht narrative Form

·      nicht psychologisierende Wahrnehmung des Elends, Elend wird nur registriert, nicht psychologisiert

 

-     „Tonio Kröger“

-     „Der Prozess“

-     „Auszüge aus Robert Musil“

 

Expressionismus & Dadaismus

Expressionismus (1910-20)

 

Eigenheiten des Expressionismus:

-     Neigung zur bewussten Provokation

-     Konventionelle ästhetische Begriffe werden provoziert

-     Generation von jungen Rebellen, die die Generation der Väter, die Bürgerwelt/Spießerwelt und deren Ansichten abgelehnt, anderseits Kritik an der Wirklichkeit überhaupt übt

-     sozialer Utopismus – ganz unkonkret

-     Kritik am Bestehenden, Entwurf von Neuwelten ist ebenso abstrakt wie heute

-     Politisierung der Literatur gefordert durch Abkehr von Staat und Zivilisation (Heinrich Mann)

-     generelle Humanwerte ® Dichtung ist sehr appellativ ® drückt sich oft in Form von Satiren und Grotesken aus

-     Darstellungsformen: verfremdet und grotesk (Nietzsche stark rezitiert ® Lebensphilosoph, Vitalist ® vitalist. Pathos und Groteske sind Grundzüge des Expressionismus): Satire und Groteske

-     gegen den Naturalismus, da durch Sprache die Wirklichkeit nicht abbildbar ist; Mimesis ist unerwünscht ® Sprache habe die Aufgabe, dass sie eine expressive und appellative Funktion hat

-     vor allem Gruppenbildung (Vereine, Künstlerverbindungen) sind typisch für den Expressionismus, vor allem in der Malerei, der bildenden Kunst, und Dichtung

-     kunstübergreifend. Bildende Kunst + Dichtung

 

Bsp.)  „Der Blaue Reiter“ = Künstlergemeinschaft

·      bezieht sich auf das blaue Pferd (= Gemälde) ® ein Pferd ist nicht blau, das heißt das Nicht-Mimetische kommt hier zum Ausdruck

·      somit programmatischer Reiter (Nicht-Mimetisches wird sinnfähig)

 

„Der neue Club“ = Dichterkreis

Dichter haben bürgerlichen Lebenslauf, aber Antibürgerlichkeit als Thema

Widerspruch zwischen Rebell und bürgerlichem Auftreten prägt den Expressionismus ® Antibürgerlichkeit: Expressionisten wollten Bürgerschreck sein und schrieben so, dass es das Publikum als Skandal sah: Aufstände gegen die Welt der Väter, gegen die Generationen

 

Franz Pfemfert

Herausgeber der Zeitung „Die Aktion“ ® schreibt, dass die Vaterwelt nur lästig ist

Allgemeiner Humanismus wird thematisiert.

 

Formal herrscht das Abstrakte vor, das oft als Pathos bezeichnet wird

Expressionisten versuchen in ihrer Dichtung, vor allem in der Lyrik, das neue Lebensgefühl, das durch den technischen Fortschritt hochkam, zu beschreiben, sowohl in Russland, als auch in Italien (® Futurismus).

Filippo Marso Marinetti (ital. Futurist): Geschwindigkeit der Technik, Kult der Bewegung, blinde Verherrlichung des technischen Fortschritts

Im deutschen Expressionismus versucht man die Geschwindigkeit an die neue Kinotechnik anzulehnen ® Versuch, in Lyrik und Prosa das Bild des Filmschnittes zu übernehmen und Simultanprinzip in der Literatur zu simulieren Szenen auf der Straße – sekündliche Veränderung

Auto als Zeichen für Bewegung und Tempo, Überwindung der Zeiteinteilung

DIE E. VERSUCHTEN, BEWEGUNG UND TEMPO UMZUSETZEN

 

„Fahrt über die Kölner Rheinbrücke bei Nacht“

-     von Erst Stadler

-     beschreibt, wie Häuser und Ähnliches an ihm vorbeirauschen, Lichter der Großstadt, Dämpfe der Industrie ® Eindrücke

-     ein serieller REIHUNGSSTIL ist typisch für Expressionisten (Themen, Motive werden aneinandergereiht)

-      in der Dramatik durch STATIONENTECHNIK verwirklicht

 

Zeitschriften:

-     „Die Aktion“

-     „Der Sturm“

Großstadtlyrik, sozialkrit. Aufsätze

Absicht, provozierend und Aufregung erzeugend zu erscheinen

 

Expressionismus in der Dichtung (Kasimir Edschmidt)

Welt soll aus dem Inneren, dem Individuellen des Künstlers entstehen; Verwandlung der Welt durch die Individualität und den Expressionismus des Künstlers

Tatsachen haben Bedeutung, weil sie durch den  Künstler die inneren Schichten freilegen

Der E. ist antideterministisch, gegen Stilisierung des Lebens.

Er lässt sich ideologisch nicht einordnen – weites Spektrum.

 

Expressionistische Lyriker

-     „Menschheitsdämmerung“ von Kurt Pinthus (1920, Anthologie)

-     Georg Heym

-     Franz Werfel

-     Ernst Stadler

-     Gottfried Benn

 

Einige mussten 1933 flüchten – streng antifaschistisch. G. Benn passte sich dem NS an.

 

August Stramm

konsequenter Expressionist

 

„Sturmangriff“

versucht einen Sturmangriff literarisch darzustellen, Wahrnehmungsweise im Krieg literar. Umzusetzen; versucht das Chaos der Wahrnehmungen wiederzugeben

Wörter – bringen Optisches, Akustisches, Sinnliches zum Ausdruck und Chaos

 Morphologie wird aufgebrochen

 

Kennzeichen der expressionistischen Literatur

-     Wortmagie soll entfaltet werden: Appelle

-     Gegen trad. Metaphorik

-     Stilmischung

-     Metaphern

 

Themen expressionistischer Literatur

-     Großstadt

-     Spirituell-Religiöses, aber nicht Konventionelles

-     stilistisch geprägt von Pathos

 

Jakob von Hoddis

 

Dramatik im Expressionismus (Kopie)

-     Dramatiker: Kokoschka, Sorge, Hasenclever…

-     Themen: Aufbruch, Bewegung, Aktion, Sturm als Themen

-     Formal: Stationendrama (zentrales Ich, aber keine zentrale Handlung, Ich hält die Szenen zusammen)

-     nicht mimetisch

-     Figuren: großteils typologisiert (Bettler, Sohn, Vater,...) [Hasenclever: „Der Sohn“, Kokoschka: „Mörder, Hoffnung der Frauen“)

-     Expressionisten verzichten auf Psychologie, abrupte, unmotivierte Handlungen

-     Schauplätze oft abstrakt und mythiziert

 

„Von morgens bis mitternachts“ (Georg Kaiser, 1916)

-     zentrales Ich ist ein Bankbeamter

-     ethische Angelpunkte: allg. Menschliches, Religiöses, radikal Humanistisches

-     Syntax oft aufgelöst: es kommt auf den Ausdruck an ohne Rücksicht auf kommunikative Konventionen

 

Dadaismus

-     Wort wurde 1916 in Zürich geprägt; Bedeutung ist unbekannt

-     Dadaisten schufen mehrere Mythen zur Findung des Begriffs

-     Franz.: Steckenpferd, russ.: jaja sehr international (Wort umfasst weiten Anspielungsraum)

-     Kunstideologie des Expressionismus wird zu Ende geführt

-     Begriff ist schnellt zum Schlagwort geworden und verbreitete sich schnell

-     Ausgangspunkt: DADA-BEWEGUNG in Zürich (kein Krieg) ® „Cabaret Voltaire“; stark pazifistische Ausrichtung

-     Gründergruppe: Hans Arp, Hugo Ball, R. Hülsenbeck, Marcel Janko, Tristran Tzara

-     Arp und Ball begannen als Expressionisten und vertraten eine Antikunst: traditionelle Formen werden abgelegt, Grenze zwischen Kunst und Realität aufgehoben; Nonsense- Collage erfunden; Wörter und Texte in Collagen

 

Cabaret Voltaire“

Groteske Form des Gesamtkunstwerkes als Zerstörung der Kunst

Kostüme sind grotesk (Anti-Kostüme)

konsequente Entwicklung von Lautgedichten (optophonet. Gedichten): Klang in Form von Gedichten dargestellt, Sinn/Semantik wird abgelehnt. Die Dadaisten wolle alle traditionellen Sinnlogiken zerstören, außerhalb der konsequenten Sinnkonstruktionen sein.

Feinde: die Expressionisten und die Naturalisten (Die D. erkennen in den E. verkappte Bürger – hohler Schein für D.)

-     Dadaismus wurde im 20. Jh. am häufigsten bearbeitet

-     Dadaismus ist plurimedial (Fotographie, Malerei, Graphik)

-     Dadaismus ist eine internationale Bewegung (Dada Berlin, Dada Zürich, Dada New York)

-     wollten sich nicht kategorisieren bzw. einengen lassen

-     predigten das Ende der Kunst

-     das ständige Experiment wird Postulat

-     die Verweigerung von Sinn ist Sinn

-     ideologisch weit links, in keine Parteien verankert: den Großteil der Dadaisten könnte man als radikal, pazifistisch bezeichnen ® Kriegsgegner

-     Dadaisten versuchen die Haltung der Expressionisten zu leben, gehen von der Lebenshaltung weiter

 

Darstellungsformen

-     das Groteske

-     das Simultanprinzip

-     in Kabaretts, Soirées, Musik, Tanz, Literatur Mischung

 

„Die Ursonate“ (Kurt Schwitters)

-     versucht Urlaute der Sonate sprachlich darzustellen

-     Nonsensegedicht vo. Arp wird als Motiv genommen – phonetisch umgesetzt v. Schauspieler

 

Montage- und Collageverfahren

-     Einführung des Zufallprinzips (machten Surrealisten zum Prinzip

-     alles was man in der Realität finden kann, ist prinzipiell kunstfähig

-     kindliches Nonsens-Prinzip: es ist sehr schwierig, dumme, unsinnige Sachen zu machen

 

Hauptfrage: Weltanschauliche Voraussetzungen und poetische Konzepte des                                                          Expressionismus an Hand von Beispielen

Nebenfrage:             Vertreter des Dadaismus, Kennzeichen des Inneren Monologs

 

 

Romane der klassischen Moderne

 

-     dominante Gattung (in Wahrnehmung und literarischer Praxis)

-     einzelne Romanschriftsteller beziehen sich auf ein bestimmtes Romankonzept und gegenseitig aufeinander

-     Romane sind textuelle Kommunikationsformen, die relativ unbestimmt sind (seit 18. Jh.)

-     Steigerung dieser Unbestimmtheit des Romans bis ins 20. Jh.

-     um 1900: Allgemeiner Stilpluralismus

-     Hegels Definition wurde als relativ bindend angesehen ® Roman = „Bürgerliche Epopöe“ (= Epos) ® umfassendes Bild der Welt/einer gesellschaftlichen Schicht soll gegeben werden; das Individuelle soll für das Allgemeine stehen

-     je größer die Thesen, desto leerer und aussageloser; große Thesen sind unwiderlegbar (z. B.) Psychoanalyse)

-     Auch bei Freuds Psychoanalyse-Theorien ® sind sehr vage

-     Roman ist bis heute eines der erfolgreichsten Genres überhaupt

 

Die Gattung Roman fächert sich immer weiter auf. Es gibt sehr wenige gattungsmäßige Gemeinsamkeiten (STILPLURALISMUS um 1900), bis auf das, dass der Erfahrungshorizont und die Perspektive der Autoren meist bürgerlich oder großbürgerlich sind (Thomas Mann, Ricarda Huch, Hermann Hesse, Robert Musil,...), selten proletarisch (Joseph Roth – schärfster Blick auf Individuen u. ihre Lebensformen)

 

narrative Kennzeichen der klassischen Moderne (Mann, Musil, Huch, Roth, Canetti):

[Kafka fällt aus Tendenzen der klassischen moderne, da es ihm nicht um Psychologie des Großbürgers geht ® steht eher in Tradition des Tschechischen Realismus]

 

-     Erzählformen: Gemisch von auktorialem Erzählen und innerem Monolog

-     Figuren und Handlung werden aufgebrochen (keine Einheit mehr)

 

Thomas Mann

-     Typisch repräsentativ für Roman-Hochliteratur

-     Mischung aus Traditionellem und Innovativem in seinen Romanen

-     Traditionell, weil er festhält am Geschichtenerzählen

-     keine zentrale Figur im Roman mehr, Handlungsstränge, aufgefächert in Episoden

-     kein klassischer Spannungsaufbau mehr

 

„Buddenbrocks“ (1901)

Verfall einer Familie ® Name ist stellvertretend für die Bürgerschicht (Nobelpreis)

vier Generationen einer Lübecker Kaufmannsfamilie ® Handlung erstreckt sich über 40 Jahre

die erste Generation hängt an pietistisch-strengem, protestantisches Ethos, das zum sozialen Aufstieg der Familie führt

in den anderen Generationen kommt das Selbstverständnis, wie man lebt, abhanden

Geschichte einer „Verkomplizierung“; 4 Kinder – verschiedene Formen des Verfalls

Verfallsmenschen - sind nicht mehr gesund, nervös, sie fühlen sich nicht mehr heimisch

Text ist Verquickung von biologischen und psychologischen Momenten

Verfall ist unaufhaltsam, Familie intellektualisiert sich, Verfremdung als psychologischer und biologischer Verfallsprozess

Kennzeichen von Thomas Mann: Künstler, sensibler Mensch, etc. sind bei ihm immer gekennzeichnet durch mangelnde Vitalität

-     Reflexive, expositorische Passage

-     Künstlermotiv

-     Biologistische Geschichtsphilosophie (in Anknüpfung an Schopenhauer denkt Mann zyklisch)

-     Mischung aus personaler Erzählweise und auktorialer Ironie (= ironisches Sprechen und Kommentieren der Figuren); auch bei:  „Tonio Kröger“, „Tod in Venedig“

-     Musik ist Inbegriff des Künstlerisch-Morbiden (v.a. Wagner); Musik als Chiffre für biolog. Schwächung und nervöse Überfeinerung)

-     in dieser Zeit begeisterte sich das Großbürgertum für die Musik Wagners ® auch Mann

 

„Tonio Kröger“

-     als Person repräsentativ für Motiv der Überfeinerung und des Verfalls

-     Tonio Kröger ist bereits Resultat eines Verfalls;

-     im 19. Jh. sind der Künstler und das Künstlerische ein Außenseiter der Ges. ® Verfall

-     Außenseiterrolle: notwendig unverstandene Rolle wird heute sehr kultiviert (auch schon im 19. Jh.)

-     Rollenverständnis des Künstlers als Unverstandener, Antipode der Gesellschaft voll ausgeprägt im 19. Jhdt.

-     Thomas Mann stellt den Endpunkt eines Verfalls dar

-     Elitarismus ist stark

-     Erzählerverfahren: das narrative Besondere ist die ausdifferenzierte Innensicht, personale Sichtweise vorherrschend

 

„Tod in Venedig“

-     die Konzepte werden durch den Verfall der Stadt dargestellt (Verfall einer schönen Stadt) ® der immer drohende Verfall

-     Verfall und Bedrohung waren im 19. Jh. mehr sichtbar als heute

-     Reichhaltige Venedig-Motiv-Tradition: Venedig gilt als prächtige Stadt, als Stadt der Schönheit (Motivtraditionen aus Venedig spielen in Malerei und Literatur in ganz Europa eine wichtige Rolle)

-     Venedig ist die einzige Stadt in Europa, die auf Wasser gebaut ist geheimnisvoll

-     Eigentümliches patrizisches Regierungssystem

-     Dosche: hat immer 2 Frauen ® Frau und Meer

-     Bleikammern: das sicherste Gefängnis der Welt

 

-     Thomas Mann signiert hier seine Novelle – seine Grundhaltung gegenüber der Welt:

-     das Schöne und das Künstlerische sind Grundkategorien der Daseinsform, kann Menschen in Abgrund treiben – das passiert mit Gustav Aschenbach, er wird durch das Schöne ruiniert ® Verfall holt den Bürger über den Verfall ein

-     Geschichten des Verfalls auch im „Zauberberg“

-      

„Der Zauberberg“ (1924)

abgelegener Ort, hochkomplexe Persönlichkeiten kurieren psychosomatische Krankheiten hier aus, Lungensanatorium

-     Südl. Bellezza: Gegenpol für den Zauberberg ® bedeutet Schönheit

-     Diskussion von politischen Entwicklungen und Einstellung sind hier am Programm

-     Thomas Mann hat sich 1918 gegen die parlamentarische Demokratie ausgesprochen; Schrift „Betrachtungen eines Unpolitischen“ (Grundeinstellungen Manns – elitäre Kultur von elitären Menschen); wurde „erzwungener“ Demokrat

-     Bruder Heinrich: Demokrat u. Sozialist; 1922 zu neuer parlamentar. Ordnung bekannt, aber keine Sinnesänderung

 

Heinrich Mann

-     traditioneller Autor, gemischt national, expression. Romane

-     am Beginn ähnliche Motive wie sein Bruder – künstlerische Übermenschen

-     er wendet sich nach seiner Romantrilogie „Die Göttinnen“ zum Realismus

 

„Prof. Unrat....“

-     nationalistisch

-     patriotisch

-     beschäftigt sich mit wilhelmin. Sittenbild (an der Regierung ist Kaiser Wilhelm I.)

-     Innensichten: Prof: Unrat repräsentiert wilhelmin. Untertan (ängstlich, elitär, nationalistisch, patriotisch)

-     Roman wird sozialpatholog. Studie

 

„Der Untertan“ (1916)

-     Privatdruck wegen Zensur

-     der Untertan ist konstruiert: duckmäulerisch, bewundert den Reichtum, ist opportunistisch ® „Untertan soll nach oben lecken und nach unten treten“

-     ein gefügiger Mensch ist einsetzbar für Ideologien

-     Hesslings Maxime sind „wer treten wollte, musste sich treten lassen

Hauptwerk der dt. Satire im 20. Jh.

 

Josef Roth

-     1939 im Pariser Exil gestorben an den Folgen von Verarmung und Trunksucht

-     hörte von Selbstmord von Ernst Holler (Autor der Weimarer Republik

-     fürchtete immer, elend zu sterben

-     Schicksal der Verzweiflung über die NS ® er ist elendig zusammengebrochen

 

„Die Legende vom heiligen Trinker“

-     längere Novelle, kürzerer Roman, einer seiner letzten Texte

-     trotz Alkoholismus blieb Roth bis zum Schluss am Höhepunkt seines Könnens

-     letzter Satz: „Gott gebe allen so einen leichten Tod“

-     am Ende: Trinker bricht zusammen

Inhalt:

-     Trinker wird von elegantem Herrn gebeten, eine Spende zu hinterlegen für Jungfrau Maria, er will das am nächsten Tag tun ® das Einlösen des Versprechens ist das zentrale Thema

-     es kommt immer etwas dazwischen, das mit dem Trinken zusammenhängt ® Trinken wird als Lebensform geschildert, nicht als Sucht oder Zwang

-     am Schluss: Vision von einer Frau ® Kind sagt „es macht nichts, wenn du nichts spendest“

-     Roth ist von jüdischer Herkunft, aus Gallizien (beliebte Schauplätze seiner Roman sind in Gallizien)

 

„Das Spinnennetz“

-     erst 1967 wieder entdeckt; zu seinen Lebzeiten in der sozialist. Wiener Arbeiterzeitung erschienen (1923)

-     Sozialpathologie eines ideologisch gefährdeten Untertans ist der Inhalt; der wild gewordene Kleinbürger Theodor Lose ® durch Innensicht führt Josef Roth in die Wahnwelt des Protagonisten; er ordnet seinem sozialen Aufstieg alles unter ® Freundschaften, Beziehungen, Gefühlswelt er gerät hinein; Soziografie eines Sozialaufsteigers

-     Männerbünde und Bruderschaften, homosexuelles Element (L. wird homosex. vergewaltigt) [Roth hat schon 1923 erfasst, welche psych. Verstümmelungen Missbrauch auslöst]

-     Figuren des Romans sind Exponenten gesellschaftlicher Kraftfelder ® Lose ist die Zentralfigur

-     Figur des Terroristen ist sehr interessant, schleicht sich in eine Bruderschaft ein und will diese Gruppierung zerstören;Theodor Lose schreckt auch vor Mord nicht zurück

-     Zeitroman

 

„Radetzkymarsch“ (1932)

-     der allmähliche Zerfall des Habsburgerreiches wird am Bild einer Familie mit vier Generationen dargestellt ® historischer Roman

-     Josef Roth denkt sozialgeschichtlich, psychologiegeschichtlich, mentalitätsgeschichtlich

-     Zusammenhänge zw. Herrschenden Ideologien und Psyche des Menschen

-     zentrale Figur ist Kaiser Franz Joseph

Inhalt

schildert die Generationen der Familie, die alle die Monarchie vertreten

eine Generation als Soldat (eigentlich aber ein slowenischer Bauer) – rettet Kaiser das Leben in der Schlacht von Solferino 1849 Held, geadelt

Roth ist multikulturell, schildert unterschiedliche kulturelle Milieus

Verbindung einer Familie mit der Weltgeschichte geschildert; der Verfall der Monarchie an Hand ihrer Vertreter  - der Familie Trotter – geschildert

Figuren wird erzählerisch große Sympathie entgegengebracht

Roth: strenger Monarchist am Ende seines Lebens; sah keine andere Alternative zum NS

Genaue Schilderungen des verkommenen politischen und sozialen Systems

Militär der K.u.K.-Monarchie – geschildert als Ansammlung gescheiterter, dubioser, gebrochener Menschen: System, das nur untergehen kann (Roth hatte Recht!)

 

Robert Musil – „Der Mann ohne Eigenschaften“

-     Fragment von über 1000 Seiten

-     Struktur ist dadurch gekennzeichnet durch einen vagen Haupthandlungsstrang

-     Ulrich: Sohn aus gutem Hause; Vater hat hohe Position bei Gericht; U. ist der Mann ohne Eigenschaften ® weiß nicht was er will, hat es aber auch nicht nötig, muss keinen Brotberuf erlernen ® nimmt sich ein Jahr Urlaub vom Leben

-     „ohne Eigenschaften“ ist eine Formel; beschreibt ein Phänomen: Zweifel an der möglichen Identitätsbildung ® Ich empfindet sich als gebrochen

-     Ulrich kann sich nicht überzeugen ® entfremdeter, anomischer Mensch ® hat eine Eigenheit: Er muss über die Eigenschaften nachdenken; kann sich aber mit nichts identifizieren; er nimmt sich eine Frau, überlegt sich seine Gefühle und meint, dass es auch eine andere sein könnte

-     „Die Welt ist voller Eigenschaften“ – ohne Mann; voll von Erlebnissen, ohne den, der sie erlebt

-     Knüpft an die Erkenntnisse von Mach an.

-     „Es ist eine Eigenschaft ohne Mann entstanden“

-     stark ist die Ironie des Erzählers ® was ist gemeint, das eine oder das andere

-     beziehungsreiches Feld von Handlungs- u. Personenkomplexen

-     Kakanien ist der zentrale Ort: eine Erfindung von Musil in Anknüpfung an die Formel K&K

-     Kapitel „Kakanien“: die Monarchie wird als sinnlos produzierender Leerlauf geschildert ® Figuren repräsentieren Welt, die aus den Fugen geraten ist

-     im ersten Teil: Szenen durch einen Handlungskonnex zusammengeführt (Parallelaktion) – Pläne zum 80-jährigen Thronjubiläum parallel zu dt. Feiern, Thronjub. kommt nie zustande

-     im zweiten Teil: Szenen um Inzestbeziehung von Ulrich zu einer Schwester Agathe gruppiert


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