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Literarische Kultur des Mittelalters - Analyse von Handschriften bei Minneliedern



Inhalt des Liedes


In der ersten Strophe wird das Lied durch eine Liebesbekundung eingeleitet, die sich direkt an das besungene vrouwelîn richtet. Der Sänger spricht dabei seine guten Absichten aus, indem er seiner Angebeteten sowohl heute als auch für alle Ewigkeiten Heil wünscht.

Gleichzeitig endet aber die Strophe damit, dass er Angst vor dem Ausgang dieser Liebesangelegenheit befürchtet (owê, dâ von is mir vil wê! 49, 30). Strophe zwei führt die Missstimmung dann eine Ebene weiter, indem der Sänger darüber klagt, dass ihm vorgeworfen wird, seine Liebe an eine unwürdige Frau zu adressieren, da das besungene Mädchen, wie auch aus dem Lied herauslesbar ist, aus der niederen Schicht zu stammen scheint.

Daraufhin verwünscht er seine Kritiker, da sie nicht begreifen, was Minne sei. Die nächste Strophe setzt sich dann mit den beiden Begriffen Liebe und Schönheit auseinander. Aus dem Kontrast der beiden Begriffe geht hervor, dass die Liebe in der Hierarchie über der Schönheit steht.

Denn die Liebe bewirke erst, dass die Frauen schön werden, heißt es im letzten Absatz der Strophe. Weiters mache nur die Liebe das Leben angenehm, denn die Schönheit vermöge dies nicht zu tun. In der vierten Strophe offenbart der Sänger dem besungenen vrouwelîn erneut seine Liebe und setzt sie einer Königin gleich.

Die Meinung seiner Kritiker wird erneut angesprochen und für nichtig erklärt. Letztendlich werden dann Kriterien genannt, die zur Erfüllung der Liebe der Minnepartner begünstigen und das Lied endet mit einem letzten Verzweiflungssatz, der erneut die Angst vor einem schlechten Ausgang unterstreicht.


Aufbau und Metrik

Im nächsten Schritt soll nun der Aufbau des Liedes diskutiert werden und die dahinterliegende Metrik kommentiert. Die Literaturwissenschaft ordnet das Werk der „niederen Minne“1 zu, die sich charakteristisch von der sonst damals üblichen hohen Minne unterscheidet.

Spezifischer betrachtet handelt es sich beim besagten Werk um ein „Mädchenlied“, bei dem die höfischen Eigenschaften der Begriffe frouwe und wîp auf das niederständische frouwelîn bzw. die maget verlagert wurden2. Inhaltlich betrachtet, entwickelte sich die niedere Minne als Kontrastprogramm zur hohen Minne und zeichnet sich dadurch aus, dass ihr ein erweitertes Ständemilieu und die Schilderung von Körperlichkeit innewohnt3.

Die niedere Minne hat auch im Vergleich zur hohen Minne eine Befriedigung des Liebestriebes als Ziel und beruht auf gegenseitiger Zuneigung der Liebespartner, die als gleichberechtigt zu betrachten sind.4 Für Spannung sorgt dabei oft eine gefährlich angedeutete Situation, wie sie auch in Herzeliebez frouwelîn gegeben ist.

Das Minnekonzept der niederen Minne hat allgemein den Anschein viel einfacher aufgebaut zu sein, als die idealisierte Form der hohen Minne. Zumindest schließt sich diese Vermutung aus der Syntax und auch aus dem Vokabular von Walthers Mädchenliedern.5. Betrachtet man das Werk Herzeliebez frouwelîn als Gesamtkonzeption, fällt vor allem der einfache Bau auf, der sich aus Kanzonen im Zweisilbentakt zusammensetzt.

Den Aufgesang bilden dabei vier Verse mit entsprechend vielen Hebungen, die sich im Reim (= Kreuzreimschema abab) in Stollenform kreuzen. Auf den Stollen folgt der Abgesang, der die dritte Strophe abschließt und aus einem Vers mit vier Hebungen und einem Langvers aus acht gleichgeordneten Hebungen mit Zäsur besteht.







Her –ze –lie –bez – frou –we

lin



1

4

a

mv


/ ẋ x / ẋ x / ẋ x

/ẋ ^/





got

gebe dir hiu-te und ie-mer

guot

2

4

b

mv


/ᴗ´ ᴗ ᴗ/ ᴗ´ ᴗ ᴗ / ẋ x

/ẋ ^/






kund ich baz ge-den-ken

dîn,


3

4

a

mv


/ ẋ x / ẋ x / ẋ x

/ẋ ^/





des

het ich will-ec-lîch-en

muot

4

4

b

mv


x́ x / x́ x / x́ x

/x́ ^ /






Waz mac ich nu sa-gen

me



5

4

c

mv


/ x́ x / x́ x / x́ x

/x́ ^ /






wan

daz dir nie nie-man hol-der ist. O-we, da-von ist mir viel

we


6

8


mv


/ x́ x / x́ x / x́ x / x` x / x́ x / x́ x / x́ x

/x́ ^ /


In der Tabelle wurde der Aufgesang nochmals zusätzlich unterteilt in 1. Stollen und 2. Stollen, um aufzuzeigen, dass sie metrisch ident sind und sich vom Abgesang unterscheiden. Zwar sagt die metrische Analyse nun näheres über den Sprachrhythmus des vorliegenden Textes aus, jedoch nichts über seine Wirkung als lesbaren Text.

Dafür soll der Text auch auf Stileffekte untersucht werden, die erstens für das Leseinteresse am Text verantwortlich sein können und weiters den vom Autor gewählten Worten Nachdruck verleihen können oder auch bei der Leserschaft eine gewisse Stimmung hervortreten lassen können.


Rhetorische Mitteln und ihre Wirkung

Walther von der Vogelweides Text weist einige rhetorische Stilmittel auf. Gleich am Anfang des Liedes findet sich ein Epitheton („herzeliebez vrouwelîn“ 49,26). Dadurch betont der Sprecher eine Eigenschaft der von ihm angesprochenen Person und die Leserschaft erfährt dadurch direkt in welchem Verhältnis der Sprecher zur angesprochenen Person steht.

Abschließend findet sich in der ersten Strophe auch eine Klageäußerung (owê, … 49,30) in Form eines Ausrufes (= Exklamation). Diese rhetorische Stilfigur wird später nochmals wiederholt (48, 59) und entfaltet primär beim oralen Vortrag des Textes ihre volle Wirkung.

Durch eine unvorhersehbare emotionale Entladung kann die Zuhörerschaft überrascht und emotional berührt werden. In Strophe zwei bedient sich Walther von der Vogelweide einem häufig vorkommenden Stilmittel in der Literatur, nämlich der Metapher. Darin steht im zweiten Vers das Lexem „nider“ (49,32) für den niederen Stand der angesprochenen Person, der zwar nie direkt angesprochen wird, aber bildlich umschrieben wird.

Dies geschieht auch in der vierten Strophe in der letzten Verszeile, indem für den Sprecher der Glasring denselben Wert trägt wie der Goldring einer Königin („und nim dîn glesin vingerlîn vür einer küneginne golt“, 50,12). Eine andere häufig vorkommende Stilfigur weist Walthers Text im letzten Vers der zweiten Strophe auf, die Anapher.

Strophe fünf schließt dann mit einer antithetischen Schlussfolgerung ab, die darauf hinausläuft, dass der Sprecher für das gegebene Problem Lösungen nennt (Hâst dû triuwe und staetigkeit, sô bin ich dîn âne angest gar, 50,13 […] Hâst aver dû der zweier niht, sô müezest dû mîn niemer werden, 50,18).

Diese Analyse bezieht jedoch nur auf die Lachman/Bein-Edition des Liedes, je nachdem welche Überlieferung man vor sich liegen hat, können sich Bedeutungsunterschiede in der Rezeption ergeben, da nicht alle Überlieferungen ident sind. Im nächsten Punkt soll deswegen auch auf andere Überlieferungen eingegangen werden, um vermeintliche Unterschiede in der Aussage des Liedes herauszuheben.

Für den Vergleich ziehe ich die Editionen von Lachmann/Kuhn, Kasten und die Edition von Schweikle hinzu.


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