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Interpretation

Inter­pre­ta­tion: Leise Beglei­tung von Rainer Maria Rilke

1.867 Wörter / ~4 Seiten sternsternsternsternstern_0.75 Autor Adam M. im Mrz. 2016
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Interpretation
Deutsch

Universität, Schule

Friedrich-Gymnasium Wien

Note, Lehrer, Jahr

2019

Autor / Copyright
Adam M. ©
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Ohne Kopierschutz
Bewertung
sternsternsternsternstern_0.75
ID# 54289







Hausübung – Friedrich Gymnasium Wien

 

Rainer Maria Rilke - „Leise Begleitung“
Interpretation

 

Rilke gehört zu den bekanntesten deutschsprachigen Dichtern der literarischen Moderne. Geboren wurde er 1875 in Prag, später lebte er in Paris, Triest, München und zu seinem Lebensende in der Schweiz. Die hier analysierte Kurzgeschichte stammt aus seinem frühen Schaffenswerken, seine erste Geschichte veröffentlichte er 1894. Rilke starb 1926 bei Montreux in der Schweiz.

 „Leise Begleitung“ ist eine Kurzgeschichte von Rainer Maria Rilke (1898), und der Epoche des Expressionismus zuzuordnen. Sie handelt von einer Mutter-Sohn Beziehung, die Mutter hat dabei Angst ihren Sohn zu verlieren, da dieser nach Freiheit strebt, weshalb die Mutter ihm dies verbieten will.

Hauptprotagonist der Geschichte ist der Sohn Miroslav, der auch „Miro“ genannt wird. Er ist ein blonder, 18-jähriger Mann, der sich nach Freiheit sehnt und nun von seiner Mutter unabhängig ein eigenes Leben möchte. Im Gegensatz hierzu ist die Mutter eine ruhige und ängstliche aber zugleich geschickte Frau, denn sie erzählt ihrem Sohn im Handlungsablauf eine fiktive Geschichte.

Der blonde Junge sucht Freiheit vor einer sorgenvollen Mutter im expressionistischen Wien.
Der blonde Junge sucht Freiheit vor einer sorgenvollen Mutter im expressionistischen Wien.

Die Mutter sitzt am Anfang der Geschichte an einem Fenster und stickt. „Gestern und heute und morgen und auch alle Tage.“ (Z.1). An dieser Stelle wird bereits deutlich gemacht, dass die Mutter eine typische, alltägliche Lebensroutine führt. „Der Läufer ist noch kaum zur Hälfte fertig und schon welk.“ (siehe Z.1f). Die Arbeit der Mutter scheint, wenn sie auch noch sehr unvollständig ist, bereits jetzt schon zu verwelken. Bei dieser Metapher wird sehr früh ein Bezug zur Mutter-Sohn Beziehung hergestellt, zwar ist die Beziehung zwischen Ihnen noch nicht komplett ausgereift, aber bereits am verwelken. Dies wird im Verlauf der Geschichte zunehmend verdeutlicht.

 „Aber die Hände sind einfach müd und bleiben liegen mitten im Weg.“ (Z.3f). Die Hände der Mutter stehen hier für das harte Leben allgemein und die Beziehung der Mutter zu ihrem Sohn: die Mutter ist nun müde und das Heranwachsen der Beziehung zu ihrem Sohn blieb mitten im Weg stehen. Der Satz „Und Schiffe sollten doch in Freiheit fahren über die vielen Flüsse, ins Meer, in alle Meere.“ (Z.5f) veranschaulicht, dass die Mutter nun denkt, ihr Sohn möchte in die Freiheit segeln. Sie weiß auch, dass Schiffe, so wie ihr Sohn, in die Freiheit segeln sollten, hinaus in das große weite Meer. Das Meer steht hierbei als ein Symbol für das Ungewisse.

Die bereits entstandene Distanz zwischen Mutter und Sohn wird im weiteren Verlauf verdeutlicht an folgenden Sätzen: „Sie sieht auch nicht auf, als ihr Sohn eintritt.“ (Z.9) oder „Man kann nicht zu ihr flüchten, man läuft an ihr vorbei.“ (Z.12f).

Miro erklärt uns hier schon, dass er nicht zu seiner Mutter flüchten kann, er kann nicht mit ihr reden, weder über seine Probleme und erst recht nicht über seine Gefühle. „Es gibt also keine Aussprache mit ihr.“ (Z.14). Miro verlässt daraufhin das Zimmer. (siehe Z.16). Die Mutter erschrickt in diesem Moment und „breitet schnell ihre Seele aus“. (Z.17). Nur dies bemerkt Miro gar nicht mehr, denn er geht hinaus und denkt sich: „Ich bin frei, ich bin frei...“ (Z.19)

Die Mutter denkt in diesem Moment noch, dass Miro immer noch im Zimmer sei und mit ihr reden würde. Bis zu diesem Zeitpunkt der Geschichte (Z.21) wird diese von einem auktorialen Erzähler erzählt, aber nun ändert sich die Erzählperspektive zum personalen Erzähler und wir lesen weiter aus der Sicht der Mutter.

Die Mutter fragt nun ihren Sohn, ob er „Ihr“ schon in die Seele geschaut habe (siehe Z.23). Das „Ihr“ lässt den Leser jetzt erstmals vermuten, dass Miro eine Geliebte hat. Sie erzählt Miro jetzt, dass es so sein wird, wie die viele Male zuvor. „Erst werden sie durch die Gassen gehen, mit Frohsinn und Übermut, bis sich ihre Augen fragen: „Wann?“ Und sie wissen beide „nicht hier.“ (Z.24 ff). Die Mutter bestätigt unsere vorherige Annahme, da sie nun klar ausspricht, dass Miro eine Freundin hat: Die beiden gehen zu zweit durch die Gassen, und fragen sich wann ihre Zeit gekommen ist.

Sie finden aber noch keine Antwort darauf, denn sie wissen, dass der Zeitpunkt als auch der Ort für diesen Augenblick nicht stimmen. Nun ändert sich das Szenario, das junge Paar befindet sich zuerst in einem Gasthausgarten, und gleich daraufhin wiederum in einer Kirche, in welcher der Weihrauchduft welk wird und das Paar sich erneut frägt „Wann?“ (Z.24ff).

Die beiden können weder den richtigen Ort noch die richtige Zeit für sich finden. Die Mutter erzählt uns eine traurige Liebesgeschichte, die jedoch zugleich fiktiv ist. Die Liebe zwischen dem Paar ist darin unmöglich, da die Mutter selbst die Liebesgeschichte kontrolliert.

Der Rezipient kann daraus schließen, dass die Mutter sehr an ihrem Sohn hängt, obwohl ihr nun schon bewusst ist, dass Miro inzwischen alt genug ist, um sein eigenes Leben zu führen. Sie möchte ihn nicht hergeben und versucht vor falschen Entscheidungen zu warnen.

 

Ein Symbol für die Beziehung zwischen dem Sohn und seiner Geliebten ist der welke Weihrauchduft. Die Mutter projiziert das Welken ihrer eigenen Beziehung zum Sohn auf die Liebesbeziehung zwischen dem Sohn und seiner Geliebten. Dadurch wird deutlich, wie bereits schon etwas früher erwähnt, dass die Mutter sich weigert vonm Sohn verlassen zu werden. Die Frau klammert sich im wahrsten Sinne des Wortes an ihn und versucht dem in der Geschichte fiktiven Sohn die Liebhaberin auszureden.

Nun folgend ändert sich wieder das Szenario in der Geschichte: „Da ist der Wind bald vor euch, bald hinter euch und nimmt euren Worten den Glanz.“ (Z.28f). Der Wind ist eine starke Naturgewalt, er stellt sich hier zwischen das Liebespaar und hindert diese daran, sich richtig zu verstehen. Im Anschluss fragen die beiden sich „Was?“ und „Hast du etwas gesagt?“ (Z.29).

 An dieser Stelle wird verdeutlicht, dass die Mutter ihre eigenen,persönlichen Kommunikationsprobleme mit dem Sohn, auf die Probleme des Liebespaares projiziert. Sie gibt dem fiktiven Miro zu verstehen, dass die Kommunikation zwischen den beiden Menschen sehr schwierig ist, und später zu einem Teufelskreis werden könnte. Sie meint, die Zeit ist nicht die Richtige, denn beide kommen von unterschiedlichen Orten und werden sich mit der Zeit hassen (siehe Z.33f).

Der letzte Teil der Kurzgeschichte findet auf einem Kirchhof statt. Beide, der fiktive Miro und die fiktive Freundin finden es plötzlich ganz angenehm. Dies wird dem Leser durch den Satz „Denn [sie] wollen nichts mehr, als irgendwo ruhig sitzen dürfen vor lauter Müdigkeit.“ (Z. ) veranschaulicht. Der Kirchhof ist ein Symbol für den Tod, denn beide sind nach diesem Leben damit einverstanden und haben keine Angst mehr von dem Tod. Sie sind einfach nur noch müde.

„Und alles was noch dort ist, ist der Wind“ (siehe Z.30). Ein zweites Mal wird der Wind erwähnt, ein wichtiges Symbol der Geschichte: Schnell wie die Zeit, verändert der Wind alles und trägt die Liebenden davon. Er steht für die Kälte und Veränderung in dieser Beziehung. Der Wind trägt den Liebenden die Zeit davon, so lange bis sie sich zuletzt im „dunklen Haustor vielleicht noch einmal atemlos fragen: „Wann?“ (Z.43f). Wie früher gibt es auch dieses Mal wieder keine ausreichende Antwort, sondern nur ein „Nicht Hier und Angst und Abschied.

Und die Seelen der beiden jungen Menschen konnten sich nie fassen.“ (siehe Z.50). Genauso wie auch die Mutter die Seele des Sohnes nicht fassen kann, es noch nie konnte. Mit dem Satz „und das ist das Ende“ (Z.50) erzählt die Mutter der fiktiven Figur des Miro, wenn der Vater nicht wäre, sie einmal am Sonntag die Zimmer voll mit weißen Blumen stellen und fortgehen würde (siehe Z.53f). Die weißen Blumen symbolisieren vermutlich den Tod. Die Mutter Mutter stellt diese auf und geht fort, da sie es nicht ertragen kann für immer einsam zu sein. Sie will dem Tod nicht mehr ins Gesicht blicken müssen und geht fort, trotz der großen Schmerzen. Sie würde dann in die Kirchen gehen, und in die Landstraßen, und sich dem Wind stellen (Z.55) und es würde ihr nichts ausmachen, denn sie hat keine Angst. Falls der Sohn sie aber verlässt, würde ihr ein großer Teil ihres Lebens fehlen, sodass, wenn auch noch der Vater sie verlassen würde, sie nur noch den Schmerz hätte und ihrem Geliebten in den Tod folgen würde. In diesen Zeilen wird dem Leser deutlich, wie wichtig ihr Miro ist und wie schmerzhaft es für sie ist, ihn gehen zu lassen.

Die Mutter, Frau Beate, beginnt nun ihr Stickwerk wieder zu trennen, ein ganzes Stück Bordüre hat sie verdorben (Z.60). Sie träumt ununterbrochen, jedoch vergrault sie sich damit ihre eigene Arbeit. Immer tiefer dringt sie in ihre traurige Gedankenwelt ein, welche sich auch negativ auf ihre Beziehung zu ihrem Sohn auswirkt. Am Ende träumt sie nur noch „Und dass sie mich lieb haben könnte glaubst du?“ (Z.63). Sie träumt jetzt davon, dass der fiktive Miro den Wunsch hat, dass das Mädchen ihn liebt. Diese Frage beschreibt die Gewissheit der Mutter, dass Miros Traum nach Unabhängigkeit und Liebe unbegrenzt ist, und dass er die Hoffnung hat, dies alles in der Zukunft erreichen zu können.

Jedoch antwortet die Mutter nicht und hört auf zu träumen, sie „bleibt über den Läufer geneigt.“ (Z.65). Zu diesem Zeitpunkt ändert sich die Erzählperspektive wieder in die des auktorialen Erzählers. Die Mutter ist weiterhin traurig, während der Vater nun das Haus betritt und er Frau Beate auf ihre wunden Augen anspricht. Er ist sehr um seine Frau besorgt, sie versucht jetzt ihren Mann mit Blicken zu besänftigen (siehe Z.68f). Sie bringt hierzu ihre ganze Kraft und ihren ganzen Willen auf (siehe Z.70), da sie selber nach alldem was sie erlebt hat keine Kraft mehr besitzt. Nach längerer Zeit „nimmt der Vater die Zeitung und schreit hinein: „Wo ist denn der Bub?““ (Z.72f). Dieser Schrei stellt die Hoffnungslosigkeit des Vaters dar, denn er versteht die Mutter nicht mehr und versucht so die gestörte Kommunikation im Raum zu durchbrechen. Die Mutter wartet daraufhin im Treppenhaus auf den Sohn (siehe Z.75). Dies verdeutlicht die Flucht der Mutter vor dem Ehegatten, als auch der Kommunikation und der bevorstehenden Aussprache. Am Ende kommt Miro zusammen mit der Mutter die Treppe hinauf „als wären die beiden zusammen fortgewesen“ (Z.78). 

Die Mutter-Sohn Beziehung in dieser Kurzgeschichte ist zum größten Teil aus der Sicht der Mutter geschrieben. Sie träumt zumeist davon, dem Jungen zu gestehen, wie wichtig er ihr ist und wie schwer es für sie ist, ihren Sohn loszulassen. Sie weiß zwar, dass sie Miro irgendwann gehen lassen muss, da jeder Mensch einmal erwachsen wird, und sie vergleicht ihren Sohn mit einem Schiff, das irgendwann den Horizont erreichen wird. Zum anderen will sie dies jedoch nicht tun, da es sie an den Kirchhof erinnert, welcher für sie wohl den Tod symbolisiert, und an die daraufhin folgende Tatsache, dass sie am Ende allein bleiben wird.

Die Mutter kann sich einerseits in die Sichtweise von Miro hineinversetzen, da auch sie so wie ihr eigener Sohn in Freiheit und Unabhängigkeit leben möchte und neue Wege einschlagen will, aber sie versucht zugleich ihn fiktiv davon abzuhalten. Miro aber empfindet sein Familienhaus als sehr kühl, es wird nur wenig miteinander geredet. Das ist ihm sehr wohl bewusst und dies ist einer der Gründe, warum Miro seine Freiheit möchte. Er möchte ein neues Leben beginnen und dem Alltag seine Eltern entfliehen. Am Ende der Geschichte gehen die Mutter und Sohn beide zusammen die Treppe hinauf. Sie ist froh darüber ihren Sohn noch einen weiteren Tag bei sich zu haben. Dem Sohn bleiben die Schuldgefühle.


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