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Lanzelot

Die Entwicklung des Stoffes in der
Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart


510.207: KS Wissenschaftliches Arbeiten

(Stoffe und Motive der mittelalterlichen Literatur)

Mag. Helmut Klug, Mag. Bernd Steinbauer

SS2011


Proseminararbeit


Inhaltsverzeichnis

1Einleitung2

2Allgemeines. 2

2.1Ursprung. 2

2.2Wichtigste Überlieferungen und Inhalt2

3Bearbeitungen des Lanzelot-Stoffes im Mittelalter2

3.1Chrétiens de Troyes Le Chevalier de la Charette. 2

3.2Ulrich von Zatzikhovens Lanzelet2

3.3Der französische und der mittelhochdeutsche Prosa-Lanzelot2

3.4Weitere Traditionen im Mittelalter. 2

4Jüngere und zeitgenössische Rezeption in Literatur und anderen Medien2

5Zusammenfassung2

6Bibliographie2

1       Einleitung

Lanzelot – tugendhafter und mutiger Ritter der Tafelrunde von König Artus und viel geliebter Frauenheld. Dieser Held wuchs unter der Obhut einer Meerfrau in einem Feenreich auf, das ihm alles an Vergnügungen und Möglichkeiten des Zeitvertreibs bot. Dieses Leben ohne Lan­geweile und jeglicher Art von Bedrückung führt er auch im Reich der Sterblichen weiter: Ein Abenteuer folgt dem nächsten und Frauen können seiner Leidenschaft nicht standhalten.

In manchen Bearbeitungen gilt er als Inbegriff des ritterlichen Liebhabers und verdrängt dabei sogar Tristan von der Spitze. Doch auch dieser Verführer findet seine Herzensdame in Iblis – er erkämpft sich ihr Herz und auch ihr Reich. Die eigentlich zentrale Handlung aber ist die Ret­tung der Königin Guinevere, die Frau von König Artus, und die gemeinsame Liebesnacht.

Von der Beliebtheit des Lanzelot-Stoffes zeugen unzählige Bearbeitungen – wie zum Beispiel die des Chrétien de Troyes oder des Ulrich von Zatzikhoven, um nur zwei der wichtigsten zu nennen. Über die Jahrhunderte hinweg bis in die Gegenwart er­scheinen zahllose Neufassungen, in Literatur, anderen Medien und den unterschiedlichsten Ländern. Und ein Ende ist noch nicht abzusehen.

Diese Proseminararbeit beschäftigt sich mit den Inhalten, aus denen sich der Lanzelot-Stoff zusammensetzt und wo die Ursprünge des Stoffes zu suchen sind. Anhand einiger ausge­wählter Beispiele aus den unzähligen Lanzelot-Fassungen werden Veränderungen am Stoff und Inhalt, die von den einzelnen Dichtern vorgenommen wurden, wie zum Beispiel Kürzun­gen oder Erweiterungen, besprochen werden.

Der Schwerpunkt der Betrachtungen wird dabei auf den mittelalterlichen Bearbeitungen liegen, daneben werden aber auch spätere Gestaltun­gen und solche in anderen Medien, wie filmische Umsetzungen, kurz beleuchtet werden.

Ziel dieser Arbeit ist es also, einen Überblick über die Entstehung des Lanzelot-Stoffes, über seine Handlungskomplexe und über die wichtigsten Bearbeitungen zu geben. Dazu wird zu­nächst ein Blick auf die Ursprünge der Lanzelot-Thematik und der mit ihr verwobenen Artus-Epik geworfen werden müssen, um dann einen Abriss der wichtigsten Handlungen und Bear­beitungen zu geben.

Die weiteren Entwicklungen in der Literatur werden dann an Exempla, wie Chrétiens Chevalier de la Charette, dem altfranzösischen Prosa-Lanzelot oder Ulrich von Zatzikhovens Lanzelet, genauer betrachtet. Zu guter Letzt gibt es noch einen Ausflug in die jüngere europäische Literatur und in die Film- und Fernsehwelt.


2       Allgemeines

2.1    Ursprung

Um nach den Ursprüngen des Lanzelot-Stoffes suchen zu können, muss man erst einen Blick auf die Artus-Epik und ihre Herkunft und Entwicklung werfen. Die beiden Stoffe sind sowohl in ihren Anfängen und ihrer Entfaltung, wie auch in ihren Inhalten manchmal stärker, manchmal schwächer miteinander verwoben und sind somit schwer voneinander zu trennen. Auch wenn der Lanzelot-Stoff vom Artus-Stoff unabhän­gige Bearbeitungen erlebt hat, muss man ihn also dennoch auch immer im Zusammenhang mit der Ar­tus-Epik betrachten.

Es deutet vieles darauf hin, dass König Artus ein historisches Vorbild hatte, nämlich einen römischen Feldherrn. Der englische Historiker Geoffrey Ashe betrachtete im Zuge seiner Ar­beit Überlieferungen aus Gallien, dem heutigen Frankreich und auch aus der wali­sischen Region, in der die Artussage angesiedelt ist. Er kam zu dem Schluss, dass es sich bei dem römischen Feldherrn Riotimus, der in den Überlieferungen genannt wird und der die britannische Provinz des römischen Reiches vor den Barbaren beschützte, um König Artus handeln muss.[1]

Gemeinsam mit der Aufnahme der Artus-Figur in die Literatur und Weiterentwicklung zum mythischen Helden, kommt es nun auch zur Geburt der Tafelrunde und folglich auch zu Lan­zelots Auftauchen. Anzunehmen ist, dass auch die Lanzelot-Figur ein Vorbild in der Ge­schichte hat, möglicherweise sogar einer Reihe großer Könige, die über Schottland herrsch­ten, entstammte.

Der Name Lanzelot ist auf den altfranzösischen Namen Ancelot zurückzu­führen und dieser wiederum auf den lateinischen Namen Anguselus, wie er bei Geoffrey von Monmouth in seiner „Historia Regum Brittanniae“ aus dem 12. Jahrhundert erwähnt wird. Die verwandte Form „The Angus“ wiederum bezeichnet das Oberhaupt eines schottischen Clans und diese Ähnlichkeiten liefern realistische Anhaltspunkte für eine historische Persönlichkeit, die als Vorlage für den heroischen Ritter der Tafelrunde diente.

Dieser königliche Lanzelot nahm an der Seite König Artus am Feldzug gegen die Barbaren am europäischen Festland teil.[2]

Eine weitere Theorie liefern Webster und Loomis, ihnen gelang es viele Motivparallelen nachzuweisen, die für eine Entstehung des Lanzelot-Stoffes aus den keltischen Mythen sprach. Nach Loomis gehe der Titelheld auf den irischen Gott Lug zurück, und auch geogra­phische Parallelen hatte er feststellen können: so verortete er den Stoff in der heutigen Region Snow­don in Wales, die zu Feldherr Artus‛ Zeiten Caer Seint hieß. [3]

Dies sind nun beides plausible Annahmen über die Entstehung der Lanzelot-Figur, eine end­gültige Lösung der Frage gibt es allerdings nicht. Viel wahrscheinlicher ist eine Mischung aus den beiden Theorien – der Entwicklung anhand einer historischen Persönlichkeit und den kelti­schen Mythen – und natürlich darf die Fantasie der Dichter, die den Stoff bear­beitet haben, auch nicht außer Acht gelassen werden.


2.2    Wichtigste Überlieferungen und Inhalt

Chrétien de Troyes war der erste, der Lanzelot zu einer literarischen Figur werden ließ. Er versuchte mit ihm, die Tristan-Problematik, also die Problematik einer unerlaubten Liebe, auf den Artus-Stoff zu übertragen und sie mit dieser neuen Struktur zu bewältigen. [4] Chrétien und natürlich auch die anderen Dichter, behandelten bei den unter­schiedlichen Fassungen Inhalte, die von den keltischen Mythen angeregt worden und zu großen Teilen mit de­nen der Artus-Traditionen verflochten sind.

Von einer Bearbeitung zur nächsten werden die Inhalte umgeformt und erweitert. Hier wird nun nur ein inhaltliches Grundgerüst dargestellt, auf Ab­weichungen wird später eingegangen.

Lanzelot ist ein starker und tugendhafter Minneritter und ein „wîpsæliger“, also ein von Frauen viel geliebter Held. Er wurde von einer Meerfrau, die ihn nach dem Tod seines Vaters König Pant, geraubt und in einem Feenreich erzogen. In seiner Jugendzeit in diesem Reich kennt er keine Trübsal oder Langeweile. Als er das Feen­reich dann verlässt, führt er sein Leben gleich weiter wie zuvor: er stürzt sich von einer Mut­probe in die nächste und auch keine Frau ist vor ihm sicher.

Als Lanzelot die Königin dann endlich gerettet hatte, verbringen er und Gui­nevere eine Nacht miteinander.

Man kann davon ausgehen, dass Chrétien Werk die Basis für den altfranzösischen Prosa-Lanzelot ist und dieser wiederrum die Quelle für das mittelhochdeutsche Prosawerk darstellt. [6] Ulrichs von Zatzikhoven Lanzelet hingegen beruht auf einer anderen verloren gegangenen altfranzösischen Vorlage und hat nur wenige Berührungspunkte mit der restlichen Lanzelot-Tradition.[7]


3       Bearbeitungen des Lanzelot-Stoffes im Mittelalter

3.1    Chrétiens de Troyes Le Chevalier de la Charette

Wie schon zuvor erwähnt, war Chrétien der erste, der die Artuslegende und damit auch die des Lanzelots in eine literarische Form brachte und dies schon um 1180.[8] Ursprünglich war es in der keltischen Sage vom Raub der Königin ein anderer Ritter der Tafelrunde, Gawan, der mit der Suche nach der Königin beauftragt wurde. Chrétiens nahm in seinem Werk eine Zweiteilung der Suche vor: er führte neben Gawan den tugendhaften Ritter Lancelot ein und ließ ihn zur eigentlichen Hauptperson des französischen Epos werden.

Man muss möglicher­weise davon ausgehen, dass Chrétien das Werk nicht freiwillig verfasst hat, sondern im Auf­trag seiner Mäzenin Marie de Champagne handelte. Dafür spricht die Aussage, die er selbst im Prolog macht (er spricht davon, dass seine Herrin ihm „matière“ und „san“ gab und er nur noch „painne“ und „atancion“ hinzugegeben hat) und die Tatsache, dass Chrétien sein Werk nicht beendet hat, die Vollendung ließ er seinem Schüler Godefrei zu Teil werden. [9]

Inhaltlich beschränkt sich Chrétiens auf den zentralen Handlungskomplex und verzichtet auf die Darstellung von Jugend und Alter des Helden, er erscheint sozusagen aus dem Nichts und man erfährt auch erst in der Mitte der Handlung seinen Namen. Mittelpunkt des Werkes ist das Thema von der Entführung der Königin Guinevere durch Meleagant in das Jenseitsland Gorre.

Chrétiens verwebt dieses mythische Motiv mit der Artus-Epik, aber er entschärft die Ehe­bruchs-Thematik. Auch ein zentrales Thema ist der Karrenritt vor der Rettung der Köni­gin: Lanzelot muss auf einen Karren steigen, auf dem man sonst nur Verbrecher herumfährt. Durch diesen Ritt wird Lanzelot mit einer peinigenden Schande belegt. Schließlich gipfelt die Rettung der Königin in einer einzigen Liebesnacht von Lan­zelot und Guinevere, die in Gorre stattfindet und somit in der realen Welt von Camelot kei­nerlei gesellschaftliche Folgen hat. [10] Chrétiens lässt Lanzelot nach der Rückkehr in die wirkli­che Welt in einen Turm einkerkern, um so den Ehe­bruch nicht weiter behandeln zu müssen und bricht seine Dichtung hier ab.

3.2    Ulrichs von Zatzikhoven Lanzelet

Ulrichs Bearbeitung des Lanzelot-Stoffes um 1200 weicht von Chrétiens de Troyes Fassung deutlich ab. Die über 9000 Verse beruhen vermutlich auf einer französischen Vorlage – das welsche buoch – die allerdings verloren gegangen ist. Ulrich wurde dieser Roman durch Hugo von Morville zugänglich gemacht, der von Richard Löwenherz als Geisel für seine eigene Freilassung aus österreichischer Gefangenschaft gestellt wurde und deshalb bei Kaiser Heinrich VI lebte. [12] Chrétiens Werk und das welsche buoch dürften in zeitlicher Nähe entstanden sein, sind voneinander aber völlig unabhängig.[13]

Ulrich erzählt, anders als Chrétiens, auch von Lanzelets Jugend, die er in einem Wunderland unter der Obhut einer Meerfrau verbringt. Seine Pflegemutter erzieht ihn höfisch, aber das ritterliche Handwerk lernt er von ihr nicht und auch Auskunft über seinen Namen und seine Herkunft verweigert sie ihm. Lanzelet zieht aus um Ritter zu werden und seinen Namen zu erfahren. [14] Im Laufe seiner Reise heiratet er dreimal, vollbringt viele große ritterliche Taten und im Kampf gegen Iweret, den Feind seiner Ziehmutter, erfährt er auch seinen Namen.

Sein Ruf war ihm an den Artus-Hof vorausgeeilt und König Artus lädt ihn zu sich ein. Lanzelet wird Mitglied der Tafelrunde und besteht drei große Aventiuren. [15] Auch bei Ulrich ist der Raub der Königin en wichtiges Thema der Handlung, allerding entsteht zwischen Lanzelet und Guinevere keine Liebesbeziehung, Lanzelet bleibt seiner dritten Frau Iblis treu. Am Ende wird er im Land seines Vaters zum König gekrönt und auch das Land Iwerets fällt ihm zu. [16] Ulrichs Werk ist progressiv strukturiert, das heißt eine inhaltliche Einheit setzt die vorhergehende voraus, die Geschehnisse sind nicht zufällig angeordnet, sondern in einer logischen Reihenfolge.

In Ulrichs Werk findet sich also eine neue Möglichkeit im Umgang mit dem Lanzelot-Stoff, die sich sehr von Chrétiens und der Bearbeitung in den Prosaversionen, die ich im nächsten Abschnitt behandeln werde, abhebt.


3.3    Der altfranzösische und der mittelhochdeutsche Prosa-Lanzelot

Chrétiens de Troyes Chevalier de la Charette dürfte die direkte Quelle für die altfranzösische Prosa-Version des Lanzelot-Stoffes sein, die in einem Zeitraum von 1215 bis 1230 entstanden sein dürfte. Diese altfranzösische Fassung wiederum ist die Basis für den um 1250 entstandene mittelhochdeutschen Prosa-Lanzelot. Alle drei Werke sind inhaltlich sehr ähnlich konzipiert, allerdings fügen die Prosa-Versionen eine Episode hinzu, in der die Schande, die Lanzelot während der Karrenfahrt erleidet, aufgehoben wird.

Der altfranzösische Prosa-Zyk­lus widmet auch der – zwar erfolglosen – Gawan-Suche eine Passage, der Übersetzer der mittelhochdeutschen Variante verzichtet auf dieses Detail. Ebenso unterscheiden sich die Prosa-Versionen in ihrer Minnekonzeption von der Chrétien’schen Quelle: Chrétiens bejaht in seinem Werk die Liebe zwischen Guinevere und Lanzelot und sie bleibt ein einmaliges Ereig­nis.

Der Prosa-Zyklus aus Frankreich besteht aus drei eigenständigen Komplexen: (1) LancelotPropre, hierbei handelt es sich um den eigentlichen Lancelot, der auf dem Vorbild Chrétiens beruht, (2) La Queste de Saint Graal und (3) La Mort le Roi Artu. Dieser Einteilung folgte auch der Erzähler der mittelhochdeutschen Prosa-Erzählung, so ist sein Werk in Lancelot I, II (beinhalten den Lancelot propre) und III (enthält den zweiten und dritten Teil des altfranzösischen Romans) eingeteilt.

Die Prosa-Romane erzählen Lanzelots Lebensgeschichte von seiner Kindheit und Jugend bis zu seinem Tod, eingeschoben sind Erzählung über Guine­vere, König Arthur und viele der Ritter der Tafelrunde. Die Werke sind nach Aventi­uren strukturiert, zwischen denen Hoffeste und Turniere am königlichen Hof für Ruhe sorgen. Die Liebe zu Guinevere ist zentral, alle Taten von Lanzelot sind auf sie zurückzuführen, sie bleibt durchgehendes Thema bis zum Ende des Romans und führt schlussendlich sogar zu einem Krieg, den die Ritter unter Artus gegen Lanzelot führen.

Die gesamte Entwicklung steuert auf ein Ende des Artus-Reiches zu, das durch ein Ausbleiben der Aventiuren angezeigt wird. Die Aventiuren sind allgemein wegweisend für das Reich um König Artus. Durch diese Abenteuer definiert sich ein Ritter erst, sie müssen am Hof erzählt werden, um Anerkennung zu finden. [20]

Der mittelhochdeutsche Prosa-Roman steht im Gegensatz zur altfranzösischen Fassung sehr abgesondert in der von Versromanen dominierten Literatur. Mit nur 10 Handschriften steht er weit abgeschlagen zum altfranzösischen Epos mit über 100 Handschriften und anderen zeit­genössischen Werken, wie zum Beispiel dem Parzival (dieser wurde in 86 Handschriften zum Titelhelden).

Dies zeugt von großen Schwierigkeiten der Rezeption des Lanzelot-Stoffes in­nerhalb der deutschen Literatur des Mittelalters. Gründe dafür sind einmal in der deutlichen Domi­nanz der Werke Wolframs von Eschenbach (Parzival, Willehalm) in der deutschen Lite­ratur zu suchen. Ein weiterer Aspekt ist die Tatsache, dass alle Problemfälle, die der Lanzelot-Stoff in den ausländischen Traditionen behandelt, in der deutschen Literatur schon durch an­dere Figuren, Konzeptionen etc. reichlich ausgeschöpft sind.

3.4    Weitere Traditionen im Mittelalter

Es gab zwar Schwierigkeiten in der deutschen Rezeption, aber in anderen Ländern entstanden viele Übersetzungen und Bearbeitungen des Stoffes – die folgenden Informationen beziehen sich auf den Lexikonartikel Lancelot von Walter Haug in der Enzyklopädie des Märchens. So finden sich mindestens drei niederländische Übersetzungen, die sich auf den altfranzösischen Lanzelot beziehen.

Zwei davon sind Versfassungen – Lantsloot vander Haghedochte, eine fragmentarische Bear­beitung, die im 13. Jahrhundert entstand und eine Version aus den Anfängen des 14. Jahrhun­derts, bei der das erste Buch verloren gegangen ist. Daneben gibt es in der niederländischen Lanzelot-Tradition auch andere Artus-Dichtungen, wie zum Beispiel ein kurzes Gedicht na­mens Lanzeloet en het Hert met de Witte Voet. In diesem Gedicht wird die Jagd auf den wei­ßen Hirsch auf Lanzelot übertragen.

In der englischen Lanzelot-Dichtung ist die Bearbeitung von Thomas Malory Le Morte Darthur von größter Bedeutung. Sie wird zum Bestseller, nachdem sie 1489 zum ersten Mal gedruckt wird. Malory weiß von der selbstständigen englischen Tradition, sein Werk beruht aber in den wichtigsten Punkten auf dem altfranzösischen Prosa-Lanzelot. Früher als Malory finden sich schon zwei Bearbeitungen des Morte Arthur um 1400, eine in strophischer Form, die als Hauptquelle wie Malory den altfranzösischen Prosa-Roman heranzieht, und eine alliterierende Form, die unter­schiedliche Quellen verwendet.

Die portugiesischen und spanischen Traditionen sind in der europäischen Literatur weniger bedeutend. Es finden sich zwar Bearbeitungen der Queste und des Mort Artu, die auf der verlo­renen Übersetzung eines gewissen Juan Vivas zu Beginn des 14. Jahrhunderts beruhen. Dane­ben ist auch ein zwar nur fragmentarisch überlieferter Lanzarote de Lago überliefert.

In Italien kann man von einer regen Rezeption des Lanzelot-Stoffes sprechen – Bear­beitungen in Novellen, in epischen Werken und auch in Liedern gibt es in Hülle und Fülle, daneben finden sich auch in anderen Werken zahlreiche Anspielungen auf Lanzelot. [22]

Die umfangreichste, aber dennoch wenig bedeutende, deutsche Version ist die von Ulrich Fuetrer aus der zweiten Hälfe des 15. Jahrhunderts. Fuetrer setzte sich sogar zweimal mit dem Stoff auseinander – einmal in Prosa und zwanzig Jahre später in Titurelstrophen. Er nimmt Kürzungen vor, unterdrückt Charakterbeschreibungen und Emotionen und entschärft die Minnekonzeption. [23]

Die Lanzelot-Rezeption geht bis in die heutige Zeit weiter und allesamt kommen sie nicht ohne den strahlenden Helden aus. Aber diesem Thema widme ich mich nun ausführlicher im nächsten Kapitel.


Eine andere Möglichkeit der Bearbeitung der Traditionen rückt mehr und mehr Artus als milden und verzeihenden Beschützer der Ta­felrunde in den Mittelpunkt, hier sind vor allem O. Roquette und E. Stucken zu nennen. Iro­nisch interpretierte den Stoff zum Beispiel J. Erskine, indem er die Handlung in die heutige Zeit verlegt.

Daneben finden sich auch Bearbeitungen in jüngster Jugend- und Fantasy-Literatur. So findet sich Artus und seine Tafelrunde in der Comic-Reihe Prinz Eisenherz von Hal Foster wieder. Die Geschehnisse sind in diesem, im Jahre 1937 erstmals erschienen Comic, im Mittelalter angesiedelt und man trifft auf viele bekannte Gestalten der Artus-Sage. [25] Auch Erfolgsautor Wolfgang Hohlbein lieferte einen Beitrag zum Fortleben des Stoffes in seinem dreiteiligen Werk Die Legende von Camelot.

Wie in der Literatur ist König Artus auch immer wieder Bestandteil von Filmproduktionen. Filme wie Die Ritter der Tafelrunde (1953), Excalibur (1981) oder Der erste Ritter (1998)arbeiten vor allem die Ehebruchsproblematik des Prosa-Lanzelot heraus. Lustige Darstellung des Stoffes liefern z.B. die Filme Die Ritter der Kokosnuss (1975) von Monthy Python oder Ein Ritter in Camelot (1998) mit Whoopie Goldberg.

5       Zusammenfassung

Die erste Feststellung, die diese Arbeit macht, ist die, dass der Lanzelot-Stoff nicht isoliert von der Artus-Tradition betrachtet werden kann. Diese beiden Stoffstränge sind eng miteinander verwoben – Lanzelot taucht stets in Bearbeitungen des Artus-Stoffe, sowohl in der Literatur, wie auch in anderen Medien auf und umgekehrt. Meist wird dabei Lanzelot zum tugendhaften und ehrvollen Ritter erhoben, Artus hingegen werden Hörner aufgesetzt, er wird zum betrogenen Ehemann.

Die Ursprünge der beiden Traditionen sind sowohl in der realen Geschichte der britischen Provinz des römischen Reiches und auch in den keltischen Mythen zu suchen.

Inhaltlich gibt es in den behandelten mittelalterlichen Bearbeitungen des Lanzelot-Stoffes unterschiedliche Formen, so verzichtet Chrétiens de Troyes auf die Darstellung von Jugend und Alter des Helden und schwächt die Ehebruch-Thematik ab, er macht die Liebe zwischen Lanzelot und der Königin zu etwas Besonderem. Anders geht Ulrich von Zatzikhoven an die Sache heran: Er zeichnet auch ein Bild des jugendlichen Lanzelot und der Ehebruch findet bei ihm gar nicht erst statt.

Die Rezeption des Lanzelot-Stoffes beginnt also schon im 12. Jahrhundert mit Chrétiens de Troyes und erstreckt sich über das gesamte Mittelalter bis in die Neuzeit und fast alle europäischen Literaturen, wie auch die amerikanische befassen sich in irgendeiner Weise mit dem Stoff. In der deutschen Literatur sind allerdings einige Schwierigkeiten festzustellen – Artus stellt hier nicht den Nationalhelden dar, wie etwa für die englische Kultur, und die Minnekonzeption des Lanzelot wird schon im Tristan ausgearbeitet.

Daneben gehen die Lanzelot-Bearbeitungen allgemein neben der Dominanz der Werke von Wolfram von Eschenbach unter.

Neben der Literatur finden sich bis ins 21. Jahrhundert auch Bearbeitungen in anderen Medien – in Comics wie Prinz Eisenherz oder Filmen wie Der erste Ritter oder King Arthur wird der Artus-Stoff und gemeinsam mit ihm auch der Lanzelot-Stoff bis in die Gegenwart gerettet.


6       Bibliographie

Primärliteratur

Ulrich von Zatzikhoven: Lanzelet. Bd. 1. Text und Übersetzung. Hrsg. von Florian Kragl. Berlin, New York: De Gruyter 2006.



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