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Seminararbeit / Hausarbeit

`L’Amour plus fort que la nature` (Mme de Gomez)

3.840 Wörter / ~12 Seiten sternsternsternsternstern Autorin Helin L. im Jul. 2013
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Seminararbeit
Französisch

Universität, Schule

Julius-Maximilians-Universität Würzburg

Note, Lehrer, Jahr

3, Dr. Fajen, 2009

Autor / Copyright
Helin L. ©
Metadaten
Preis 5.30
Format: pdf
Größe: 0.34 Mb
Ohne Kopierschutz
Bewertung
sternsternsternsternstern
ID# 32796







„L’Amour plus fort que la nature“

Mme de Gomez

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung. 1

2. Literaturgeschichtliche Einordnung. 2

3. Analyse. 3

4. Interpretation. 5

5. Schluss12

1. Einleitung


Die Novelle „L’Amour plus fort que la nature“ stammt aus der Sammlung Les Cent Nouvelles nouvellesvonMme de Gomez und wurde im Jahre 1732 veröffentlicht. Es ist die zweite Novelle ihres Erzählwerks, welches von 1932 bis 1939 in 19 Bänden publiziert wurde. Der Titel ist allerdings keineswegs neu, sondern zeigt einen Rückgriff auf LesCent Nouvelles nouvelles von einem unbekannten Autor, die bereits im Spätmittelalter (1456 – 1467) erschienen.

Außerdem orientiert sich die Sammlung stark am Décameron, einer Sammlung von 100 Novellen von Giovanni Boccaccio, welche bereits von 1349 bis 1353 veröffentlicht wurde und häufig als Modell der Novelle allgemein angesehen wird.

Im Folgenden wird der Hintergrund der Novelle durch eine Einordnung in die Literaturgeschichte aufgezeigt. Anschließend wird sie anhand der Raumstruktur, des Aufbaus und der Zeitstruktur und der Erzählsituation analysiert. Daran schließt sich ein Interpretationsversuch, aufgeteilt in die individuelle Charakterisierung der Hauptfiguren sowie Schlüsselbegriffe und Oppositionelle Konzepte.

2. Literaturgeschichtliche Einordnung


Mit der Publikation im Jahr 1732 ist die Novelle L’Amour plus fort que la nature der Frühaufklärung zuzuordnen, die den Zeitraum von 1715 bis ungefähr 1750 beschreibt. Die Aufklärung in Frankreich bezeichnet die Epoche des grundlegenden Wandels in Gesellschaft und Kultur, die sich über fast ein Jahrhundert erstreckt, von 1715 bis 1804. Das aufklärerische Denken bildet und verbreitet sich in Frankreich.

Werte wie die Selbstbestimmung des Menschen werden zum zentralen Aspekt, die Vernunft wird in den Vordergrund gerückt und es kommt zu einer Emanzipation von der Kirche und anderen Obrigkeiten und Autoritäten. Die Literatur hilft bei der Verbreitung aufklärerischer Gedanken und regt weiterhin die Gesellschaft dazu an, althergebrachte und etablierte Denkweisen kritisch zu hinterfragen.

Oft wird die Epoche der Aufklärung metaphorisch Siècle des Lumières genannt, um die Erkenntnis und Erleuchtung zu demonstrieren, in Abgrenzung zu einer, „[…] durch Unwissenheit, Fanatismus, Vorurteile und Unterdrückung geprägte, ‚Dunkelheit’ vergangener Epochen.“[1]L’Amour plus fort que la nature erfüllt viele Merkmale einer typischen Erzählung des 18. Jahrhunderts.

Die in früheren Epochen angesehene Versform wird durch Prosa abgelöst, womit die Erzählung und somit Literatur im Allgemeinen einem breiteren Publikum verständlich gemacht wird. Es findet eine Abgrenzung zur Klassik statt, in der die Art poétique vorherrschend, und Literatur nur gebildeteren Kreisen zugänglich war. Auch die Verwendung einiger Begriffe, wie zum Beispiel „coquetterie“ (S. 155), „liaison“ (S. 153) und „galanterie“ (S. 154) werden der Thematik der Aufklärung zugewiesen.

Die Forderungen Zelonides an ihren Geliebten Timante zu Beginn von L’Amour plus fort que la nature, auf die sie in ihrer Liebesbeziehung besteht, sind geradezu revolutionär und rücken Werte wie Freiheit, Gleichheit und die Selbstbestimmung des Menschen und Emanzipation der Frau in den Vordergrund. Sie verlangt von Timante zu tolerieren, dass sie neben ihm weitere Geliebte hat, gesteht ihm gleiches Handeln zu, aber betont, dass nur er es ist, den sie wirklich liebt: "[…] [S]oyez satisfait de posséder mon cœur tout entier; soyez assuré que mon amour comme je suis du vôtre, et vous embarrassez pas du reste.“ (S. 154)[2].

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Die „coquetterie“ (S.  155), das Verlangen weiblicher Promiskuität und danach, vielen Männern zu gefallen, steht im Kontrast zu den damalig vorherrschenden Gesellschaftsbildern und Vorstellungen einer tugendhaften Frau und ist ein Indikator für die Frühaufklärung. Es kommt zu einer Aufwertung des Gefühls und der Vorstellungskraft. Dennoch wird in der Erzählung auch das Erbe der Klassik deutlich: Bestimmte Begriffe wie zum Beispiel „bienséance“ (S.  152), „gloire“ (S. 171) und „raison“ (S. 158) deuten auf den noch starken Einfluss des 17. Jahrhunderts hin und ihre Verwendung erinnert stark an die Geisteswelt der vorangehenden Epoche. Gloire ist im Theater von Corneille ein zentraler Begriff und spielt auch noch in L’Amour plus fort que la nature eine große Rolle.

So setzt Herminie ihre Ehre aufs Spiel, indem sie Zelonides Kind als das ihre anerkennt. Ihre Ehrhaftigkeit wird allerdings nicht in Frage gestellt oder gar gefährdet und die Gemeinschaft der Stadt lobt sogar ihre Tugendhaftigkeit. Zelonide hingegen wird auf Grund ihres unehrenhaften Handelns bestraft, indem sie von der Gesellschaft ausgeschlossen wird und sich nicht mehr in die Stadt traut.

Da die Emanzipation Zelonides hier nicht gelingt und negative Konsequenzen nach sich zieht, werden in der Novelle genau genommen gleichermaßen stark gegenaufklärerische Züge deutlich. So dient die Novelle L’Amour plus fort que la nature rein thematisch semantisch gut als Nahtstelle zwischen Klassik und Aufklärung.

3. Analyse


3.1. Raumstruktur

Schauplatz der Erzählung ist Montpellier, eine der größten Städte Südfrankreichs gelegen in der Region Languedoc-Roussillon. Als Zelonide schwanger wird, zieht sie sich allerdings für mehrere Monate aus der Stadt zurück und wohnt in der Zeit in einem Landhaus, welches einige Orte von Montpellier entfernt liegt. Anfangs besucht Timante sie dort recht oft, bleibt jedoch im späteren Verlauf immer häufiger in Montpellier.

Weiterhin wird erwähnt, dass Timante aus Languedoc stammt und Herminie von Toulouse nach Montpellier zieht. Die Erwähnung dieser Städtenamen zeigt einen Bezug zur außersprachlichen Wirklichkeit. Demzufolge sind diese Elemente der Novelle keineswegs fiktional sondern real.


Die Novelle L’Amour plus fort que la nature beginnt mit einer narrativen Eröffnungsklausel. Über die ersten eineinhalb Seiten werden erst Timante, dann Zelonide und danach ihr Verhältnis zueinander beschrieben. Diese Darstellung der Personen wird durch den häufigen Gebrauch des Imparfait und des Participe présent grammatikalisch markiert.

Der Umschlagspunkt vom Zustand zur Handlung wird durch den Wechsel zum Passé simple deutlich: „[…], ils vinrent à s’aimer de l’ardeur la plus tendre.“ (S. 153). Der kurz darauf folgende Wechsel zur direkten Rede rückt Zelonides Monolog, in dem sie ihre Bedingungen für ein Liebesverhältnis an Timante stellt, in den Vordergrund und lässt sie sehr resolut und bestimmend erscheinen.

In dem anschließenden Hauptteil handelt es sich um einen Récit, welcher nur durch einige Einschübe, teilweise autonomer, direkter Rede unterbrochen wird. Bei L’Amour plus fort que la nature handelt es sich um eine zeitraffende Erzählung. Das Verhältnis zwischen Erzählzeit und erzählter Zeit ist unausgeglichen, denn die Zeit, von der tatsächlich erzählt wird, überschreitet mit mehreren Monaten deutlich die, die sich der Erzähler für die Erzählung nimmt.


3.3. Erzählsituation

Nach Franz K. Stanzel (*1923) handelt es sich bei der Novelle um eine auktoriale Erzählsituation aus der Außenperspektive. Der Erzähler ist allwissend und kann frei über Personen, Raum und Zeit verfügen. Er kennt die Hintergründe, erzählt vom Elternhaus und der Vergangenheit der Figuren (Vgl. S. 156). Auch wenn er nicht am Geschehen beteiligt ist, wird er selbst als Persönlichkeit spürbar und kommentiert sich selbst, wie zum Beispiel schon in der Eröffnungsklausel deutlich wird: „[…]; mais comme je l’ai déjà dit, […].“ (S. 153).

Die Erzählung in der 3. Person beinhaltet darüber hinaus Einschübe wie „[…] (c’était une fille)   […]“ (S. 162). Der Erzähler verfügt über die Innen- und Außenperspektive der Figuren und hat somit Einblicke in ihr Seelenleben: „[…], qu’il [d. i. Timante] se sentit percer d’un trait dont il avait jusque-là ignoré le pouvoir.“ (S. 157).

Die Erzählinstanz steht außerhalb der dargestellten Welt, sie stellt keinen Teil des erzählten Universums dar und zeugt von größerer Distanz zum Erzählten. Dies lässt auf einen heterodiegetischen Erzähler schließen.

4. Interpretation


4.1. Charakterisierung der Hauptfiguren

Die Novelle L’Amour plus fort que la nature verfügt über ein sehr reduziertes Personeninventar. Die Hauptcharaktere sind Timante, seine Geliebte Zelonide, und Herminie, die neu in die Stadt kommt. Es handelt sich um drei junge, attraktive, wohlhabende Personen, deren Eltern bereits verstorben sind. Nebencharaktere sind Olimpe, eine Verwandte Herminies, die sich um sie kümmert und Damis, ein Freund von Timante, der nur kurz auftaucht, um ihm einen Rat zu geben.

Weiterhin kommt am Sterbebett Timantes ein Pfarrer hinzu. Auffällig ist, dass alle Figuren abstrakte griechische Kunstnamen haben, welche die Erzählung verfremden und idealisieren.


4.1.1. Timante

Timante stammt ursprünglich aus Languedoc und ist 22 Jahre alt. Er ist in Montpellier sehr angesehen, sowohl bei Männern als auch bei Frauen und gilt als „l’ornement de sa province“ (S. 152). Seine Eltern sind bereits verstorben und so verfügt er allein über ihren beträchtlichen Nachlass. Timante nutzt seine Begehrtheit bei jungen Frauen aus, um sich mit vielen von ihnen zu vergnügen, ohne die Absicht zu verfolgen sich festzulegen oder gar zu heiraten.

Obwohl seine Freunde ihn vom Gegenteil zu überzeugen versuchen, ist für ihn eine Ehe ohne Liebe für ihn nicht möglich und daher will er weiterhin seine Freiheit genießen. Als er Zelonide trifft, die seine Ansichten zu teilen scheint, geht er mit ihr eine Art polyamore Beziehung ein, in der sich zwar beide ihrer gegenseitigen aufrichtigen Liebe zueinander sicher sind, allerdings nicht auf weitere Partner und sexuelle Kontakte verzichten müssen.

Als Zelonide von ihm schwanger wird, beweist er anfangs seine Liebe, indem er sie oft an ihrem Rückzugsort besucht. Die Tatsache, dass ihm dies mit der Zeit immer schwerer fällt und er häufiger in Montpellier bleibt, deutet bereits auf eine Verminderung seiner Liebe hin. Der Auftritt Herminies führt noch zu einer weiteren emotionalen Distanzierung Timantes zu seiner schwangeren Geliebten.

Er ist von Anfang an hingerissen, verliebt sich auf den ersten Blick in sie und Zelonide gerät schnell in Vergessenheit. Anstelle seines üblichen selbstbewussten Auftretens gegenüber Frauen, ist er nervös, schüchtern und beeindruckt von der Persönlichkeit Herminies. Seine gesamte Auffassung von Liebe wandelt sich:
„[…]; enfin l’amour raisonnable, l’amour épuré, l’amour véritable et discret chassa de son cœur l’amour inconstant, volage et libertin, dont il avait été si longtemps l’esclave.“
(S. 157).

Für Herminie ist er bereit auf seine Freiheit zu verzichten und zeigt sich nur von seiner besten Seite. Durch deren Keuschheit und Anstand zwingt er sich, seine Leidenschaft zu zügeln und sich darauf zu beschränken, sie zu schätzen und zu bewundern. Er gesteht ihr seine Liebe, seinen Willen sie zu heiraten und sich somit für immer zur Treue zu verpflichten. Dies ist ein großer Schritt für den sonst sehr sprunghaften Timante, was wiederum seine aufrichtige Liebe zu Herminie beweist (Vgl.

S. 163 – 165). Aufgrund seiner innerlichen Zerrissenheit, ohne Hoffnungsschimmer auf eine Lösung, wird Timante todkrank. Der Körper hält der psychischen Belastung nicht stand, diese Entscheidung zu treffen. Auf dem Sterbebett, in Hinblick auf den baldigen Tod, ist es für Timante als honnête homme besonders wichtig als wahrer Christ zu sterben, was die Eheschließung mit Herminie unmöglich macht und die Heirat mit Zelonide erfordert.

Dies verdeutlicht, dass Timante eine sehr ambivalente Figur ist. Er handelt mit der Absicht, ehrenhaft und christlich zu sterben, indem er eine Frau heiraten will, die er nicht liebt, um seiner Tochter ein erfülltes Leben zu ermöglichen. Dass dies bedeutet, seine wahre Liebe Herminie aufzugeben, lässt ihn verzweifeln. Ungeachtet dessen muss er seine Gefühle vernachlässigen (Vgl.

S. 165 – 167). Durch die so getroffene Entscheidung steht Timante nicht mehr unter dem vorherigen Druck und genest. Er erklärt Herminie, warum er sich trotz seiner bedingungslosen Liebe zu ihr selbstlos verhalten muss und zeigt sich erneut beeindruckt von ihrem Verständnis. Im Gespräch mit Zelonide begründet er seinen Wunsch zu heiraten mit der Sorge um ihre Ehre und die des Kindes: „[…]; et c’est pour sa gloire, pour la vôtre, et même pour la mienne, que je viens voux prier de recevoir ma foi, et de me donner la vôtre.“ (S. 172).

S. 172 – 175). Verzweifelt und voller Zorn findet Timante schließlich heraus, dass Zelonide in den Taufpapieren Herminie als Mutter des Kindes eintragen lassen hat, woraufhin er zunächst rachsüchtig reagiert. Er wendet sich jedoch aufrichtigerweise an Herminie und entschuldigt sich für diese Tat und die damit auf sie zukommenden Konsequenzen. Ihr Verständnis und der damit einhergehende Liebesbeweis rühren Timante zutiefst und er beweist seine Liebe durch seine beständige Treue zu ihr (Vgl.

S. 176 f.).


4.1.2. Zelonide

Zelonide ist eine junge, hübsche Frau nobler Herkunft aus Montpellier, deren Eltern früh gestorben sind und die von dem ebenfalls schon verstorbenen Mann ihrer Tante erzogen wurde. Sie teilt viele Ansichten mit Timante und ist als „ennemi de toute contrainte“ (S. 153) ebenfalls gegen Monogamie und Heirat. Diese Gemeinsamkeit vereint die beiden zu einer leidenschaftlichen Liebesbeziehung.

Zelonide besteht auf ihre Unabhängigkeit und Freiheit erwidert Timantes Liebesschwüre mit einigen Forderungen, die sie an ihn stellt (Vgl. S. 153). Sie verdeutlicht ihrem Geliebten, dass sie sich nur ohne jegliche Zwänge oder Herablassungen auf die Beziehung mit ihm einlassen, und nicht auf weitere Geliebte verzichten möchte. In ihrem ersten Monolog charakterisiert sich Zelonide insofern selbst, dass ihr Eigensinn, ihre Freiheitsliebe und ihr Wunsch nach Aufmerksamkeit hervorgehoben werden.

S. 155). Nachdem Zelonide an seinen raren Besuchen und an seiner Schreibweise in Briefen merkt, dass sich Timantes Gefühle ihr gegenüber verändert haben, hofft sie darauf seine Vatergefühle zu wecken, indem sie ihm ihre Tochter sendet. Aus Neugier und weil Timante sie so selten besucht lässt sie Nachforschungen über ihn anstellen und erfährt so von ihrer Rivalin Herminie.

Obwohl sie Timante durchaus kurze Liebschaften gönnt, weckt diese ernstzunehmende Zuneigung ihre Eifersucht: „[…]; mais un attachement véritable, […], lui donnait des mouvements de haine et de dépit […].“ (S.163). Um der Rolle eines Opfers zu entgehen, schmiedet sie Rachepläne. Dies zeugt von einer gewissen charakterlichen Bosheit. Sie lässt sich von Timante nichts anmerken, damit ihre Rachgelüste erfüllt werden
(Vgl.

S.164) und erscheint erst zu Beginn von Timantes Krankheit wieder in Montpellier. Damit sie weiterhin nicht als Leidtragende gilt, gibt sie sich bezüglich Timante betont gleichgültig. Ihre Liebe zu ihm ist längst erloschen: „Zelonide avait retiré son cœur aussi facilement qu’elle l’avait donné; […].“ (S. 167). An dieser Haltung zeigt sich ihr immer noch sehr volatiles Verhalten; sie hat sich nicht verändert, während Timante eine Wandlung durchging.

Dieser Charakterzug deutet auf ihre Emanzipation hin. (S. 173). Die Tatsache, dass Zelonide ihr eigenes Kind ablehnt und jemand anderem überlässt, macht ihren Egoismus deutlich. Ihre Rache, ihr eigenes Vergnügen, ihre Liebschaften und vor allem ihre Freiheit sind ihr wichtiger, als für ihre Tochter zu sorgen. Aus Feigheit, sich Timante zu stellen, flieht sie aus der Stadt.

Da ihre Tat in Montpellier bekannt gemacht und ihr Ruf damit zerstört wird, kann sie sich nicht mehr zurücktrauen
(Vgl. S. 177).


4.1.3. Herminie

„Herminie […] parut à Montpellier comme un astre naissant devant lequel les autres sont forcés de se cacher.“ (S.157). Dieses Zitat macht das Erscheinen der jungen Frau wohl am deutlichsten.

Herminie ist schätzungsweise 18 Jahre alt und stammt ursprünglich aus Toulouse. Sie hat beide Elternteile verloren, ihre Mutter starb bereits im Kinderbett und der kürzliche Tod des Vaters, der ein angesehenes Amt in Toulouse beschäftigte, lässt ihr keine andere Wahl, als sich in Montpellier in die Obhut von Olimpe, einer Verwandten ihrer Mutter, zurückzuziehen.

Das Mädchen wird als überdurchschnittlich gebildet dargestellt, da ihr Vater sie umfassend unterrichtete und sie sich in Musik, im Cembalo und im Tanz auszeichnet. Ihr Charakter wird als gefestigt, aufrichtig und weichherzig bezeichnet und ihr Verhalten ist ausschließlich von der Vernunft geprägt – Tugenden, die im 18. Jahrhundert bei Frauen sehr angesehen sind (Vgl.

S. 156 f.). Mit ihrer Keuschheit schüchtert sie Timante ein. Da Herminie noch nie wirkliche Liebe empfand, sind ihre Vorstellungen von einer gewissen Naivität gezeichnet. Sie hat Interesse an Timante, bleibt jedoch vorsichtig, da sie bereits von seinen bisherigen Liebschaften gehört hat. Für Herminie ist es unvorstellbar, dass sich eine Frau der Liebe hingibt, ohne den Bund der Ehe eingegangen zu sein und so ist sie davon überzeugt, dass Zelonide und Timante heimlich geheiratet haben.

Bedrückt von diesem Gedanken findet sie sich damit ab, dass es für Timante und sie keine Zukunft geben kann (Vgl. S. 158). Obwohl sie immer wieder ihre Gefühle für Timante unterdrückt, kann sie nicht anders, als ihn zu lieben: „Enfin l’amour, plus fort que tous ses raisonnements, triompha de son jeune cœur, […].“ (S. 160). Als er ihr schließlich seine Liebe gesteht, reagiert sie zunächst beleidigt aufgrund ihrer Annahme, er sei mit Zelonide vermählt.

S. 162). Ihre Liebe zu Timante ist so groß, dass sie, selbst als er ihr offenbart, er werde doch Zelonide heiraten, Mitgefühl mit ihm hat. Sie ist zwar unglücklich und betrübt, empfindet jedoch keinen Zorn und versucht ihm zu helfen. Völlig selbstlos rät sie ihm einerseits, zu Zelonide und seiner Tochter zurückzukehren, um seine Ehre zu retten. Allerdings bittet Herminie ihn andererseits darum, ihre eigene „gloire“ (S. 171) aufrechtzuerhalten, indem sie vorgibt ihre Beziehung beendet zu haben. (Vgl.

S. 171). Unter dieser Entscheidung leidet sie stark, aus ihrer Enttäuschung heraus zieht sie sich zurück und empfindet Ekel vor der Welt. Weiterhin fühlt Herminie sich, als habe sie den Schwur gebrochen, den sie ihrem Vater geleistet hat, ein religiöses Leben zu führen und überlegt ins Kloster zu gehen (Vgl. S. 174). Als Timante ihr schließlich eröffnet, dass Zelonide sie in den Taufpapieren als Mutter eintragen lassen hat, zeigt sie sich erneut selbstlos und mitfühlend, indem sie sich dem Kind annimmt und es erzieht als wäre es ihr eigenes.


4.2. Schlüsselbegriffe und Oppositionelle Konzepte

Wie so häufig in narrativen Texten lassen sich in der Novelle L’Amour plus fort que la nature Schlüsselbegriffe und übergeordnete Konzepte aufweisen, die zueinander in Opposition stehen. Das neue Leben, die Tochter Timantes und Zelonides steht symbolisch beispielsweise dem kurzzeitig bevorstehenden Tod von Timante gegenüber.

Alle anderen oppositionellen Konzepte lassen sich eindeutig den beiden Hauptfiguren Zelonide und Herminie zuordnen. Die beiden jungen Frauen sind sich zwar von außen betrachtet ähnlich – beide sind außergewöhnlich schön und wohlhabend – innerlich jedoch erweisen sie sich als völlig komplementär. So stehen Herminies Jungfräulichkeit, ihre „innocence“ (S. 161) und „pudeur“ (S. 170) ganz eindeutig der außerehelichen Mutterschaft, der „coquetterie“ und dem „desordre“ (S. 155) von Zelonide gegenüber.

Weitere Kontraste stellen die Begriffe „honnêteté“ und „sincérité“ (S. 157), die Herminie charakterisieren, zu den Ausdrücken „mensonges“ und „intrigue“ (S. 163) dar, welche von Zelonide ausgehen. Timante steht außerdem vor den gegensätzlichen Auffassungen der Liebe: der „amour des plasirs“ (S. 152) mit Zelonide und der „amour fondé“ (S. 163) gegenüber Herminie. Als charakteristische oppositionelle Begriffe lassen sich „vice“ und „vertu“ nennen, die beide am Ende der Novelle wieder aufgegriffen werden und zusammenfassend die gegensätzliche Sinnesart beider konkurrierender Frauen deutlich machen. (Vgl.


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