17.10.2014
Kurzgeschichteninterpretation:
Streuselschnecke - Julia Franck
Die
Kurzgeschichte „Streuselschnecke“ von Julia Franck (*20.02.1970)
aus dem Jahr 2000, handelt von einer wachsenden Beziehung zwischen
Vater und Tochter, die nur sehr schleppen anläuft und jäh durch
andere Ereignisse unterbrochen wird
Man kann die
Kurgeschichte in 4 Abschnitte unterteilen. Im ersten Abschnitt
(Z.1-7) wird der Leser kurz in die Begebenheiten der Protagonistin
eingeführt. Es wird erzählt, dass sie bei Freunden in Berlin und
nicht mehr bei ihrer Mutter und ihren Schwestern wohnt, obwohl sie
erst 14 Jahre alt ist. Eines Tages bekommt sie einen Anruf von einem
Mann der sich mit ihr treffen will, was sie dann auch tut. Die
treffen mit diesem Mann werden in Abschnitt zwei (Z.8-20) erläutert.
Beim ersten treffen kommt er ihr gleich „nicht unsympatisch, eher
schüchtern“ (Z.10) vor. Sie gehen in ein Restaurant und ins Kino.
Außerdem stellt der Mann das Mädchen bei einem anderen treffen
seinen Freunden vor oder sie besucht ihn mehrmals bei seiner Arbeit.
Auch stellt sie sich die Frage, ob der Mann ihr Geld geben wird.
Diese Frage verwirft sie aber schnell wieder, da sie selbst arbeiten
will. Im dritten Abschnitt (Z. 21-36) offenbart der Mann der
Protagonistin, dass er strebenskrank ist. Er liegt ein Jahr lang im
sterben. In dieser Zeit kümmert sich die Protagonistin die ganze
Zeit um ihm, bringt ihm Blumen oder backt ihm Streuselschnecken. Die
einzige Bitte, die sie ihm ausschlägt ist, als er sie um Morphium
bittet um seine Schmerzen zu stillen. Außerdem betont er nochmal vor
ihr, wie gern er sie besser kennengelernt und mit ihr gelebt hätte.
Im letzten Abschnitt (Z.37-40) stirbt der Mann an seiner Krankheit
und wird beerdigt. Zu dieser Beerdigung kommt auch die Schwester des
Mädchens jedoch nicht ihr Mutter. Ganz am Schluss der Kurzgeschichte
wird nun die Identität des Mannes gelüftet. Es ist der Vater des
Mädchens.
Es handelt sich
bei dieser Kurzgeschichte um einen Personellen Ich-Erzähler. Das
besondere hier ist aber, dass die Erzählerin sehr Emotionsarm den
Sachverhalt wiedergibt und ihr eigenen Gefühle zur Situation fast
vollkommen versteckt. Auch ist die Kurzgeschichte sehr sachlich
geschrieben, was man überwiegen an den kurzen Sätzten erkennen
kann, z.B ( „Kurz nach meinem siebzehnten Geburtstag war er tot.“
Z.37). Es werden nur die grundlegendsten Dinge genannt, diese werden
aber nicht näher erläutert oder durch adjektive und ähnliches
ausgeschmückt.
Ebenfalls
auffällig ist, dass der Autor überwiegen die Personalpronomen „er“
und „sie“ verwendet und nur sehr selten das Personalpronomen Wir
auftaucht. Das lässt auf eine distanzierte Haltung der Protagonistin
gegenüber dem ganzen Geschehen schließen, denn wenn sie sich mehr
mit ihrem Vater identifizieren könnte und sich auch mit ihm
verbunden fühlen würde. Käme wohl öfters das Personalpronomen
„wir“ in der Kurzgeschichte vor, dass die Verbundenheit
ausdrücken würde. Ein weiterer Hinweis auf die Distanzierung der
Protagonistin ist, dass die gesamte Kurzgeschichte in der indirekten
Rede geschrieben ist, was die Erzählerin unbeteiligt am Geschehen
wirken lässt und so wieder die Distanz hergestellt ist. Außerdem
ist die Kurzgeschichte im Präteritum geschrieben. Daran erkennt man,
dass die Protagonistin das gesamte Geschehen schon vor einer gewissen
Zeit erlebt hat, was erklären kann warum sie eine distanzierte
Haltung gegenüber dem Geschehenen hat, denn sie hatte ja schon Zeit
das ganze zu verarbeiten und nocheinmal in ruhe über alles
nachzudenken. Warscheinlich hat sie aus diesem Grund eine etwas
neutralere Erzählhaltung, da sie mitllerweile zu einer anderen
Ansicht der Dinge gekommen ist. Eine weitere Auffälligkeit ist, dass
die Identität des Vaters erst am Ende der Kurzgeschichte geklärt
wird. Das zeigt die Distanz die zwischen den beiden trotz der langen
Kennenlernphase immer noch herschte. Es war ihr nicht wichtig den
Lesern zu zeigen, dass es ihr Vater was, da ihr Verhältniss
zueinander immer noch sehr vage war und sie noch keine enge Beziehung
zueinander hatten.
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Im ersten
Abschnitt kommt die Erzählerin auf ihre Wohnsituation zu sprechen („
Ich wohnte seit einem Jahr nicht mehr bei meiner Mutter und meinen
Schwestern“ Z.1f). Hier erkennt man gleich zu Anfang, dass die
Familiären Verhältnisse bei ihr sehr schwierig sind und sie keine
gute Beziehung zu ihrer Mutter hat. Dabei stellt sich dann die frage,
warum das Verhältnis so schlecht ist. Darauft erhält man im Text
selbst keine Antwort. Man kann aber auch daran erkennen, dass die
Protagonistin schon in ihren jungen Jahren sehr selbstständig ist
und wie gut sie auch mit ihrer Gesamtsituation umgehen kann. Als dann
der Anruf von einem Mann kam, der sich gerne mit ihr treffen würde
(„Der Anruf kam als ich 14 war......der Mann nannte mir seinen
Namen,...und fragte ob ich ihn kennen lernen wolle“ Z.1ff). Sie
regiert unsicher weis nicht was sie tun soll und wie sie sich fühlen
soll („Ich zögerte, war mir nicht sicher“ Z.4f). Man merk sie
hat zwar schon eine große Selbstständigkeit aber Charackterlich ist
sie eher ein schüchternes und zurückhaltenderes Mädchen, was eine
Elterlich stütze bräuchte die sie aber nicht hat.
Im zweiten
Abschnitt, kommt er nun zu treffen zwischen der Protagonistin und
ihrem Vater. Sie findet ihn recht sympatisch aber er aggiert eher
schüchtern gegenüber ihr („Unsympatisch war er nicht, eher
schüchtern“ Z.10). Hier merkt man, dass auch der Vater noch nicht
ganz weis, was er von der neuen Situation halten soll und er eher
unsicher ist wie er mit ihr umgehen soll. An der gesamten Situation
merkt man aber auch, dass dem Vater etwas daran gelegen ist seine
Tochter kennen zu lernen und auch eine gute Vater-Tochter Beziehung
auf den Weg zu bringen. Als sie zusammen im Restaurant sind und der
Vater die Protagonistin seinen Freunden vorstellt lächelt er auf
eine ironische weise, die die Erzählerin sofort durchschaut („Ein
feines ironisches Lächeln zog er zwischen sich und die anderen
Menschen“ Z.11f). Mit diesem Lächeln versteckt er sein
eigentliches wirkliches Ich hinter eine Fassade die keine - außer
seine Tochter – durchdringen kann. Es ist für ihn eine Art
Selbstschutz vor der Gesellschaft den er hat Angst mit seinem
wirklichen ich nicht dort hinein zu passen. Dass passt wieder zu
seiner Schüchternheit die er auch beim ersten Treffen mit seiner
Tochter gezeigt hatte. Nachdem sich die Protagonistin und ihr Vater
immer wieder getroffen haben kommt für die Erzählerin die Frage auf
ob er ihr Geld geben wird aber er gibt ihr nie Geld („Ich fragte
mich, ob er mir Geld geben würde, wenn wir uns treffen, aber er gab
mir keins,....Z.14f). Anhand dieser Situation kann man darauf
schließen, dass ihr der Vater aus bestimmten Gründen kein Geld
gibt. Entweder er möchte ihr kein Geld geben, weil er ihr nicht
zutrautm, dass sie damit richtig umgehen kann. Es könnte aber auch
sein, dass er ihr kein Geld gibt, weil er Angst haben könnte nachdem
er ihr das Geld gegeben hat, dass sie ihn dann sitzen lässt und
nichts mehr mit ihm zu tun haben möchte, weil sie jetzt Geld hat und
nicht mehr von ihm braucht.
Nachdem ihr
Vater ihr kein Geld geben will kommt sie zu dem Schluss, dass sie das
Geld ja eingentlich gar nicht braucht, da sie gute Chancen hat selbst
genug zu verdienen („Schlimm war das nicht, schließlich kann ich
ihn kaum, was sollte ich das schon velangen ? Außerdem konnte ich
für mich selbst sorgen,... Z.16f). Hier erkennt man einen weiteren
Charackterzug der Protagonistin, sie ist ein sehr aufgeschlossenes
und ehrgeiziges Mädchen, dass sich ihre Sachen selbst erarbeiten
möchte und sie nicht von anderen Leuten erschleichen möchte.
Außerdem ist sie sehr Zielstrebig und arbeitet auch auf eine bessere
Zukunft für selbst, was man am folgenden erkenn kann.(„ Außerdem
konnte ich für mich selbst sorgen, ich ging zur Schule und putzen
und arbeitete als Kindermädchen. Bald würde ich alt genung sein, um
als Kellnerin zu arbeiten, und vielleicht wurde ja auch eines Tages
etwas Richtiges aus mir“ Z.17ff).
Im dritten
Abschnitt offenbart ihr Vater ihr, dass er sterbenskrank ist.
Daraufhin besucht sie ihn oft im Krankenhaus und kümmert sich um
ihn. Hier merk man, dass sich mit der Zeit doch eine gewisse
Beziehung zwischen ihnen gebildet hat, denn die Erzählerin möchte
das es ihrem Vater gut geht, was man ja nicht machen würde, wenn
nicht eine gewisse Verbundenheit bestehen würde.
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Doch als der
Vater sie um Morphium bittet, um seine Schmerzen zu stillen. Lässt
sie diese Bitte einfach Stillschweigen in die Vergessenheit geraten
(„Er fragte mich ob ich ihm Morphium besorgen könne. Z.24f ) und
(„Ich vergaß seine Bitte“ Z.28). Sie möchte ihm das Morphium
nicht geben, weil Morphium würde ihn so Betäuben, dass er nicht
mehr wirklich wach währe und mit ihr reden könnte. Die
Protagonistin möchte die Beziehung die sich zwischen ihnen aufgebaut
hat nicht von Morphium zerstören lassen, sondern sich möchte an dem
festhalten was sie an ihrem Vater gewonnen hat. Stattdessen verwöhnt
sie ihn mit Kuchen und bringt ihm Blumen mit. Doch „ihm [sind] die
einfachsten Dinge jetzt die liebsten“ (Z.31). Also backt sie ihm
Streuselschnecken und bringt sie ihm ins Krankenhaus, direkt nachdem
sie sie fertigt gebacken hat. Die Streuselschnecke ist das
Hauptsymbol dieser Kurzgeschichte. Man sieht daran, dass die
Protagonistin die Steuselschnecken zu ihrem Vater ins Krankenhaus
bringt, direkt nachdem sie fertig war mit backen, und sie noch schön
warm sind, dass ihr Vater ihr mitllerweile sehr wichtig ist, denn sie
macht ihm Geschenke in Form der Streuselschnecken, was ein Zeichen
dafür ist wie wichtig er ihr ist und wie sie sich um ihn sorgt. Denn
backt ihm diese Streuselschnecken ja, damit er sich besser fühlt.
Die Schnecke selbst kann man hier auch als Symbol nehmen. Eine
Schnecke kriecht langsam kommt aber stetig ein Stück vorwärts. So
ist es auch hier mit der Beziehung zwischen der Erzählerin und ihrem
Vater. Ihre Vater-Tochter Beziehung wird langsam aber stetig immer
ein Stückchen inniger. Die Form des Schneckenhauses dreht sich immer
weiter nach innen, immer weiter wie die Unendlichkeit. Die Liebe die
sich hier Entwickelt hat, so klein sie auch ist bleibt auch nach dem
Tod des Vaters bestehen. Auch die Reaktionen des Vaters in
Situationen, wie z.B wenn er wieder eine Mauer um sich gegen den Rest
der Welt innerlich aufbaut kann man gut mit einer Schnecke
vergleichen, denn auch die Schnecke kann sich wann immer sie will in
ihr Schneckenhaus zurück ziehen und dort auch bleiben, bis sie
entscheidet wieder nach draußen zu kommen. So macht es auch der
Vater in der oben genannten Situation, aber auch in manch anderen. So
auch, als seine Tochter sich im Krankenhaus um ihn kümmern will und
er aber nur die „einfachen Dinge“(Z.31) möchte. Dort blockt er
alles ab und errichtet wieder eine Mauer um sich.
Im letzten
Abschnitt stirbt der Vater an seiner Krankheit. Zur Beerdigung kommt
die kleine Schwester der Protagonistin, die Mutter hingegen kommt
nicht mit („Meine Mutter kam nicht“ Z.38). Das zeigt wie kaputt
das Verhältniss einmal zwischen der Mutter und dem Vater der
Protagonistin sein muss. Auf der anderen Seite zeigt es aber auch die
Haltung der Mutter gegenüber ihrer Töchter. Sie kommt nicht mit zur
Beerdigung um ihren Töchtern in dieser Zeit beizustehen und sie zu
trösten und sie aufzufangen. Dabei kommt -durch die Reaktion der
Mutter- die Frage ob die Erzählerin überhaupt ein gewolltes Kinde
war, denn die Protagonistin sagt selbt, dass ihre Mutter ihren Vater
nicht geliebt hatte.(„Meine Mutter kam nicht....., außerdem hatte
sie meinen Vater zu wenig gekannt und nicht geliebt“ Z.38ff). Aus
dieser Aussage könnte man nämlich schließen, dass die Erzählerin
auch gut aus einer kurzen Affäre oder Ähnlichem hervor gegangen
sein könnte.
Schlussendlich
kann man über die Kurzgeschichte sagen, dass sie sehr passend
beschreibt wie es innerhalb einer Familie aussehen kann, wenn sich
z.B die Elternteile zerstritten haben und wie die Kinder darunter
leiden. Kritisch an dieser Kurzgeschichte sehe ich aber persönlich,
dass durch das späte aufklären über die Identität des Mannes als
der Vater der Protagonistin leicht der Eindruck entsteht, es handle
sich bei dieser Geschichte nicht um Vater und Tochter, sonder um eine
Protstituierte und einen ihrer Kunden, den sie dann besser kennen
lernt.
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