Kurzgeschichte
Die Frau in der
Metro - Zur falschen Zeit am falschen Ort
Sechs
Mal hat er auf ihn eingeschossen. Ich konnte nicht fassen, was ich da zu Augen
bekam. Sechs mal. Ich war eigentlich nur auf den Weg nach Hause, stattdessen
wurde ich Zeugin eines Mordes. Eines schrecklichen Mordes.
Ein
schwarzer Lieferwagen, fuhr über die Nebenstraße in der ich gerade langlief. Es
war etwa kurz vor Mitternacht. Keine gute Zeit für eine Frau allein in den
Straßen von Moskau, aber ich hatte noch lange im Büro zu tun. Als ich den
Lieferwagen in die Straße einfahren sah, versteckte ich mich sicherheitshalber
in der Dunkelheit der nächsten Einfahrt. Er fuhr die Straße langsam weiter. So
langsam, dass ich mich noch nicht traute aus meinem Versteck hervorzutreten.
Wohnte derjenige in dieser Gegend ? War er auf der Suche nach jemanden ? Oder
war es gar einer dieser Frauenmörder, vor denen mich meine Freundinnen gewarnt
hatten ? Ich wagte nicht mir noch weiter darüber Gedanken zu machen. Ich hatte
nur noch gut dreißig Meter vor mir. Das würde ich doch noch hinkriegen ohne
paranoid zu werden oder ? Der Lieferwagen bog in der nächsten Straße nach links
ab. Nachdem ich nun endlich am Ende der Straße angekommen war, bog ich in die
selbe Richtung ab. Ich sah meine Wohnung und ich war froh bald angekommen zu
sein. Doch dann geschah es: Die sechs Schüsse, deren Geräusch noch immer in
meinen Ohren liegt. Der zuckende Körper des Mannes. Sein Blut, dass sich neben
ihn auf der Straße verteilte...noch nie in meinem Leben sah ich soviel Blut.
Was
hatte er angestellt ? Warum taten sie ihn das an ? Die Täter waren alle schwarz
gekleidet. Ich stand etwa fünfzig Meter von ihnen entfernt, in zwanzig Metern
Entfernung lag meine Wohnung. Ich konnte nicht weiter gehen, sonst würden sie
mich sehen. Ich versteckte mich hinter einem parkenden Auto, duckte mich und
rief die Polizei an. Ich erzählte ihnen, dass ich Zeugin eines Mordes geworden
bin, daraufhin antwortete sie, ich solle dort bleiben wo ich bin. Sie würden in
fünf Minuten da sein.
Der
Lieferwagen ist noch nicht weggefahren. Doch da war was. Geräusche die immer
näher kamen. Schritte ! Ich drehte mich um. Einer der Mörder sah mich und fing
an hinter mir herzulaufen. Ich sprang so schnell wie möglich auf und rannte in
die Nebenstraße von der ich gekommen war. Dabei zog ich meine Schuhe aus, um
meine Geschwindigkeit zu erhöhen. Ich schaute mich um und er war nah an mir
dran. Wie könnte ich ihn bloß abhängen ? Ich sah eine enge dunkle Gasse, die in
etwa hundert Metern in eine lebendige Hauptstraße führte. Das müsste den Mörder
doch abschrecken oder ? Er kann es sich doch nicht leisten gesehen zu werden.
Es sei denn es ist ihm egal..
Ich
rannte auf diese Gasse zu, als ich mich umdrehte sah ich ihn nicht mehr.
Nirgendwo weit und breit eine Spur von ihm. Völlig außer Atem blieb ich stehen
und hielt mich an einer Hauswand fest. Wohin ist er verschwunden ? War das eine
Falle ?
Langsam
ging ich die Gasse entlang, ich packte mein Handy aus und versuchte mein Freund
zu erreichen, doch ich hatte kein Netz ! Ich versuchte es immer und immer
wieder, doch es funktionierte einfach nicht. Ich ging die Gasse mit schnellen
Schritten entlang. Ich wollte so schnell wir möglich auf die Hauptstraße
gelangen und möglichst ein Geschäft aufsuchen und erneut die Polizei anrufen.
Von weitem sah ich ein Mann auf mich zukommen. Ich kehrte sofort um und fing an
zu laufen. „Halt, Stop ! Ich bin von der Polizei.“ , rief er der Mann mir zu.
Ich hielt inne, drehte mich um und sah, während er immer weiter auf mich zukam,
seine Uniform. „Sind sie Frau Orekhova ? Die Zeugin des Mordes auf der
Sibirskastraße ?“ ,fragt er. „Ja..ja, genau die bin ich. Hören sie, einer der
Mörder ist hinter mir her. Er hat mich gesehen und mich verfolgt. Kurz bevor
ich in diese Gasse einbog, ist er verschwunden. Sie sind immer noch da draußen
und einer von ihnen hat mich gesehen. Bitte, bringen sie mich hier weg.
Bitte..“. „Beruhigen sie sich, wir bringen sie in Sicher...“ , sagte der
Polizist doch er wurde unterbrochen. Ein lautes Knallen. Dann ein zweites.
Plötzlich fiel er vor mir in die Knie. Ich fing an zu schreien. Als ich nach
vorne sah, blickte ich in das Gesicht des Mörders. Von Narben durchzogen. Am
Hals ein Tattoo. Es hatte eine Bedeutung, doch mir fiel nicht mehr ein welche.
Ich hatte nicht viel Zeit, vor allem keinen großen Vorsprung. Ich musste weg
hier. Ich rannte in die andere Richtung aus der Gasse raus, zurück in die
Nebenstraße aus der ich gekommen war. Ich rannte um mein Leben. „Du entkommst
mir nicht, Kleine !“ rief er mir noch lachend hinter her. Ich versuchte seine
bedrohliche Stimme aus meinem Kopf zu schlagen.
Ich
lief kreuz und quer, von Straße zu Straße, bog immer wieder in verschiedenen
Richtungen ab. Aber ohne mich umzudrehen. Ich hatte jeden Moment das Gefühl,
dass er mich von hinten packen würde.
Inzwischen
ist es schon hell geworden. Es müssen etwa sechs Stunden vergangen sein. Sechs
Stunden, in denen ich auf der Flucht war und mich nirgends sicher fühlte. Nicht
einmal die Polizei konnte mir dieses Gefühl geben. Immer wieder versuchte ich
mein Freund zu erreichen, sein Handy war aus. Wie konnte er mir das antun? Ich
versuchte es bei meiner besten Freundin, doch dann merkte ich, das sie gar nicht
in Moskau war, sondern auf einer Geschäftsreise in St. Petersburg ist. Sie
konnte mir also auch nicht helfen. Auch Menschen denen ich auf der Straße
begegnete, bat ich um Hilfe, doch sie waren abgeneigt. Eine Frau ohne Schuhe,
verdreckte Füße. Sie hielten mich für jemanden aus der Gosse. In etwa zehn
Meter Entfernung sah ich eine Metro Station. Ich überlegte mir wo ich hinfahren
könnte, wo mich der Mörder nicht erwartet. Nachhause gehen, kam für mich nicht
in Frage. Immerhin passierte der Mord auf derselben Straße in der ich wohne.
Der Mörder kann sich also denken, was ich dort um die Uhrzeit zu suchen hatte.
Zum Glück kannte er nicht meinen Namen.
Ich
verbrachte eine lange Zeit in der Metro, hin und her fahrend. Ich war am
überlegen was ich machen sollte. Ich wollte zur Polizei, doch war ich wirklich
bei ihnen sicher ? Der Mörder hat den Polizist gnadenlos umgebracht, ohne
jegliche Reue. Das war es ! Das Tattoo, das er am Hals trug, war ein Merkmal
der russischen Mafia. Sie haben gestern jemanden umgebracht, ich habe es
gesehen und ich könnte sie verraten. Doch das wollen sie mit Sicherheit
verhindern. Ich muss mit einem Staatsanwalt sprechen ! Ich stieg aus der Metro
aus und stieg in eine andere Linie ein. Ich setzte mich hin und versuchte
weiterhin mein Freund zu erreichen. Erfolglos. Plötzlich bemerkte ich gegenüber
von mir ein Mann der mich anstarrte. Was hatte er für ein Problem ? Schon die
ganze Zeit bat ich Menschen um Hilfe, doch sie wiesen mich ab. Aber anstarren
ist in Ordnung ? Ich warf ihm einen giftigen Blick zu. Das bemerkte er und
wendete sein Blick von mir ab. Doch seine Neugier ließ ihn nicht los. Man
konnte es ihn förmlich anmerken. Ich schaute auf mich herunter: Meine Füße
waren schmutzig, meine Nylonstrümpfe zerrissen. Ich gebe zu, ich sah nicht
gerade ansehnlich aus. Aber das war mir egal. An der nächsten Station stieg ich
aus und ging zur Staatsanwaltschaft. Auf dem Weg dorthin holte ich mein Handy
aus der Handtasche um meinen Freund anzurufen. Doch mein Akku war leer. Als ich
es wieder einpacken wollte bemerkte ich, dass irgendetwas fehlte. Ich
durchwühlte meine Tasche und fand es nicht. Mein Portemonnaie..es war weg !