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Aufsatz
Musikwissenschaften

Evangelisches Kreuzgymnasium, Dresden

1.0, 2013

Burak L. ©
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ID# 36017







Antonio Salieri – zu Vita und Werken

Antonio Salieri, heutzutage hauptsächlich als mittelmäßiger Neider Mozarts (1756-1791) im kollektiven Gedächtnis verankert, galt zu seiner Zeit als der wohl erfolgreichste und berühmteste Komponist Europas.

Er wurde 1750 in der Festungsstadt Legnago  (bei  Verona) als Sohn eines wohlhabenden Kaufmanns geboren.  Schon früh bekam er  -  wohl von seinem älteren Bruder Francesco (einem Schüler Tartinis) - Unterricht im Geigenspiel, sowie von Giuseppe Simoni, dem örtlichen Organisten, im Klavierspiel und im Gesang. Über eventuelle frühe Kompositionen ist jedoch nichts bekannt.[1]

In Salieris sechzehntem Lebensjahr starben seine Eltern und er wurde von einem venezianischen Adligen, Giovanni Mocenigo, einem Freund des Vaters und Verwandter des amtierenden Dogen Alvise Mocenigo  IV. (1663-1778)[2], in dessen Palast aufgenommen. Salieri setzte seine musikalische Ausbildung in Venedig fort und sollte zum weiteren Studium nach Neapel geschickt werden.

Allerdings machte Salieri die Bekanntschaft mit Florian Leopold Gassmann (1729-1774), dem Wiener Kammercompositeur und Hofkapellmeister, der gerade zur  Einstudierung seiner Oper „Achille in Sciro“  in Venedig weilte.[3] Offenbar von Salieris musikalischem Talent beeindruckt bot Gassmann sich an, ihn als sein Schüler mit nach Wien zu nehmen. Salieris genaue Motive letztendlich mit Gassmann nach Wien zu gehen und das sichere Stipendium für Neapel auszuschlagen kennen wir nicht. [4]

Jedenfalls scheint es zu seinem Vorteil gewesen zu sein, denn bereits kurz nach seiner Ankunft in Wien, konnte er den wohl einflussreichsten Librettisten des ausgehenden Barocks, Pietro Metastasio (1698-1782), kennenlernen,  sich als Musiker an Kaiser Josephs II. (1741-1790) Kammermusikrunde etablieren, sowie die (musikalisch bedeutendste) Bekanntschaft der Opernreformatoren Christoph Willibald Gluck (1714-1787) und Ranieri de‘ Calzabigi (1714-1795) machen.

Nach drei Jahren Unterricht bei Gassmann konnte Salieri erfolgreich seine erste Oper am Burgtheater aufführen: „Le Donne letterate“ (1769/70). Bereits in diesem Erstling versucht Salieri die Gattungsschemata der opera buffa zu durchbrechen und die konventionelle Nummernoper zugunsten größerer, durchkomponierter Szenenkomplexe  zu verlassen. Seinen ersten internationalen Erfolg feierte Salieri circa zwei Jahre später mit seiner vierten Oper „Armida“ (1771) auf ein Libretto von Marco Coltellini.

Als dritte Reformoper nach Gluckschem Modell überhaupt (nach Glucks „Alceste“ und „Paride ed Elena“) aber schon darüber hinausstrebend, wird Salieris erste Opera seria bald in ganz Europa nachgespielt.

Es folgen weitere erfolgreiche Buffo Opern darunter „La fiera di Venezia“ (1772), „La Locandiera“ (1773) und „La calamita de‘ cuori“, die am Wiener Burgtheater bald die Haupteinnahmequellen ausmachen.[5] Nennenswert ist weiterhin das erste dramma eroicomico „La secchia rapita“ (1772), eine Kreuzung aus opera seria und buffa und die erstmalige Verwendung von 3 statt 2 Pauken in der Musikgeschichte.[6]

Im Jahr 1774 stirbt Gassmann und Salieri wird aufgrund seiner großen Erfolge zum kaiserlichen Kammerkomponisten und Kapellmeister der italienischen Oper ernannt. Diese wird jedoch bereits zwei Jahre später durch das vom Kaiser injizierte Deutsche Nationalsingspiel ersetzt. Salieri macht infolgedessen eine neunmonatige  Italienreise (1778/79).

In Mailand wird mit seiner „L’Europa riconosciuta“ (1778) (auf eine Empfehlung Glucks, nach Gassmanns Tod sein wichtigster Mentor) die Mailänder Scala eröffnet. Für das Teatro San Moise in Venedig schreibt er „La Scuola de‘ gelosi“ (1779) – in der Wiener Fassung von 1783 einer der nachhaltigsten Erfolge seiner Laufbahn.[7] Weitere Opern werden Venedig, Neapel und Rom aufgeführt.

Ende 1779 muss Salieri jedoch auf Befehl des Kaisers nach Wien zurück um dort ein deutsches Singspiel für das Nationaltheater zu schreiben. Mit „Der Rauchfangkehrer“ (1781) komponiert Salieri seine vorerst erste und letzte deutsche Oper. Trotz Salieris Problemen mit der deutschen Sprache und einem obendrein schlechten Libretto wird die Oper neben und Umlaufs „Die pücefarbnen Schuhe“ (1779) und später Mozarts „Entführung aus dem Serail“ (1782) zu einem der größten Erfolge des Nationalsingspiels.[8] Mozart hat den  „Rauchfangkehrer“ offensichtlich bewundert und sich sogar die Partitur gekauft.

Die Bewunderung spiegelt sich in den musikalischen Ähnlichkeiten zu seinen eigenen,  späteren Opern (vor allem zur „Entführung“ und zum „Figaro“ (1786)) wider.[9]

1784 springt Salieri als Ghostwriter für den kranken Gluck ein. „Les Danaides“  wird in Paris ein großer Erfolg und man preist das Werk als Krone Glucks Opernrevolution– bis zur sechsten Aufführung. Gluck lässt erst jetzt im „Journal de Paris“ eine Erklärung abdrucken, dass Salieri der Autor der „Danaiden“ sei. Prompt ist Salieri der gefeierte Komponist der Saison.[10] Nach seiner Rückkehr nach Wien erhält Salieri von dem Librettisten seiner „La Scuola de‘ gelosi“ einen Brief, in welchem er gebeten wird, sich eines bis dato unerfahrenen Dichters anzunehmen: Lorenzo da Ponte (1749-1838).

Im selben Jahr treten Mozart und Salieri zum ersten Mal explizit als Konkurrenten auf. Die italienische Opernkompanie tritt in eine Art vom Kaiser veranstalteten Opernwettstreit mit der Kurzoper „Prima la musica e poi le parole“ (1786) von Salieri und Casti gegen die deutsche Singspieltruppe mit Mozarts und Johann Gottlieb Stephanies „Der Schauspieldirektor“ an.

Das Publikum zieht Salieris Werk vor.[12] Infolgedessen kommt es zwischen Mozart und Salieri zu einer kleinen „Cabale“ um einige Einlagearien für eine Oper von Pasquale Anfossi (1727-1797). Der Streit ist schnell wieder vergessen und übrigens der einzige Beleg für eine wirkliche Feindschaft zwischen Mozart und Salieri.[13]

Kurz danach wird Salieri wiederum nach Paris bestellt um dem Triumph seiner Danaiden zwei weitere Opern folgen zu lassen. Die zweite dieser Opern – „Tarare“ – ist Salieris wahrscheinlich revolutionärste Oper und wird zum größten Erfolg der Pariser Oper. Erstmals müssen aufgrund des Besucherandrangs Barrikaden vor dem Operngebäude aufgestellt werden und in Folge der großen Popularität der Oper werden selbst Möbelstücke und andere Gebrauchsgegenstände mit Motiven aus dem „Tarare“ verziert.

Salieri schreibt zu dieser Handlung eine Musik, die weit über die Gluckschen Opern hinausgeht. Die Oper ist vollständig durchkomponiert, wobei die Musik die Handlung psychologisch ausdeutet, aber ihr niemals im Weg steht. Salieri antizipiert mit der „unendlichen Melodie“ des „Tarare“ die großen Musikdramen Meyerbeers und Wagners.[14]

Der Kaiser wünscht nun den „Tarare“ auch in Wien zu sehen und Salieri arbeitet die Oper mit Da Ponte zum fast völlig neuen italienischen dramma tragicomico „Axur, Re d’Ormus“ (1788) um – und „Axur“ wird erst die Lieblingsoper des Kaisers und der Wiener Bevölkerung und schließlich zur meistgespielten Oper des ausgehenden Jahrhunderts (bis ca. 1830).

Wahrscheinlich als Reaktion auf den unglaublichen Erfolg des „Axur“ wird Salieri noch 1788 zum Hofkapellmeister ernannt, der einflussreichsten und angesehensten Position im damaligen Musikleben. Nach dieser Ernennung fällt auf, wie steil die Menge an Kompositionen im Jahr abfällt, da Salieri mit administrativen Aufgaben, die dieses Amt mit sich brachte, beschäftigt war.

Er lässt hauptsächlich Bearbeitungen älterer Opern aufführen. Unter diesen ist „La Cifra“ (1789) die erfolgreichste. Es folgt eine regelrechte „Opernpause“ von 6 Jahren, in denen hauptsächlich Kirchenmusik entsteht. Dies ist wohl mit der brisanten politischen Lage zu begründen, so starb beispielsweise Kaiser Joseph kurz nach dem Krieg gegen die Türkei. Der neue Kaiser Leopold II. stand der Oper (und somit Salieri) sowieso kritisch gegenüber, starb jedoch auch kurze Zeit nach seiner Krönung, worauf Franz II. zu Kaiser Franz I. gekrönt wurde und sich die politische Situation allmählich stabilisieren konnte.[16]

In den Jahren 1796 bis 1804 entstehen nur  7 vollständige Opern, von denen jedoch nur „Falstaff“ (1799) und „Cesare in Farmacusa“ (1800) längerfristige Erfolge darstellen. In Salieris letzter Oper „Die Neger“ werden die Schwarzen in Amerika mit den Weißen gleichberechtigt auf eine Ebene gestellt. Die Oper ist bei der Uraufführung jedoch trotz der später (dann nur) konzertant erfolgreich aufgeführten Musik beim Publikum durchgefallen.[17] Auffallend ist, dass Salieri sein Opernwerk mit einer deutschen Oper abschließt.

Tatsächlich war Salieri zu einem österreichischen Patrioten geworden, wie die vielen nationalistischen Kantaten („DerTyroler Landsturm“; „Habsburg“ etc.) und Chöre („Der Vorsicht Gunst beschütze, beglücktes Österreich, dich“; Schauspielmusik und Chöre zu Kotzebues „Die Hussiten vor Naumburg“) belegen.[18]

Zu Salieris Schülern zählten unter anderem Beethoven, Schubert, Meyerbeer, Czerny, Reißiger und Süßmayr, sowie Mozarts Sohn Franz Xaver Wolfgang. Selbst Liszt war stolz darauf, in jungen Jahren bei Salieri Unterricht genossen zu haben.[19] Zu Salieris Verehrern gehörten neben seinen Schülern auch Berlioz (der durch eine Aufführung von Salieris „Les Danaides“ im Jahr 1821 zum Kompositionsstudium angeregt worden war), Wagner (der ebenfalls vor allem die „Danaiden“ bewunderte), Rossini (er soll immer wenn er froh war Melodien aus Salieris „La Grotta di Trofonio“ gepfiffen haben) sowie diverse Dichter und Autoren, darunter neben den bereits Genannten auch  Schiller (der als Salieris literarisches Pendant angesehen wurde)[20] , Körner[21],  Klopstock und Gerstenberg.[22]

Die Anschuldigungen, er sei der Mörder Mozarts, sind heutzutage unhaltbar. Es gibt keine gesicherte zeitgenössische Quelle, dass Salieri sich selbst als Mozarts Mörder bezichtigt hätte. Allerdings hielt das Puschkin (und später Peter Shaffer und Milos Forman) nicht davon ab, diese „Legende“ künstlerisch umzusetzen.  Desweiteren gab es für Salieri kaum einen Grund neidisch auf Mozart zu sein: er war wesentlich erfolgreicher und hatte eine hohe Position im Wiener Musikleben inne, gleichzeitig war das Verhältnis Salieri-Mozart  von gegenseitiger Bewunderung  geprägt, wie Salieris Lob von Mozarts Instrumentalmusik oder die Inspiration Mozarts durch Salieris Opern, belegen.[23]



[2]       

[3]        Gustav Donath, Florian Haas; „Florian Leopold Gassmann als Opernkomponist“; Breitkopf & Härtel, 1914

[4]        Volkmar Braunbehrens; „Salieri: Ein Musiker im Schatten Mozarts“; Piper, 1989

[5]        John A. Rice; „Antonio Salieri and Viennese Opera“; University of Chicago Press, 1998

[6]        David Charlton; „Salieri’s Timpani“; Musical Times, 1971

[7]        Rudolph Angermüller; „Antonio Salieri. Sein Leben und seine weltlichen Werke unter besonderer Berücksichtigung seiner „großen“ Opern“, Band 1-3; Katzbichler, 1971-74

[8]        John A. Rice; „Antonio Salieri and Viennese Opera“; University of Chicago Press, 1998

[9]        Albert von Hermann; „Antonio Salieri. Eine Studie zur Geschichte seines künstlerischen Wirkens“; Robitschek, 1897

[11]      Volkmar Braunbehrens; „Salieri: Ein Musiker im Schatten Mozarts“; Piper, 1989

[12]      Paolo Budroni (Hrsg.); „Mozart und Salieri – Partner oder Rivalen? – Das Fest in der Orangerie zu Schönbrunn vom 7. Februar 1786“; Vienna University Press, 2008

[13]      Volkmar Braunbehrens; „Salieri: Ein Musiker im Schatten Mozarts“; Piper, 1989

[14]      Volkmar Braunbehrens; „Salieri: Ein Musiker im Schatten Mozarts“; Piper, 1989

[15]     

[16]      Alexander W. Thayer; „Salieri. Rival of Mozart.“; Philharmonia of Greater Kansas City, 1989

[17]      Werner Bollert; „Salieri e l’opera tedesca“; Musica d’oggi, 1938

[18]      Volkmar Braunbehrens; „Salieri: Ein Musiker im Schatten Mozarts“; Piper, 1989

[20]      Walther Dürr; „Zeichen Setzung“; Bärenreiter, 1992

[21]      Karl Goedeke (Hrsg.); „Schillers Briefwechsel mit Körner“; Verlag von Veit & Comp., 1874

[22]      Rudolph Angermüller; „Antonio Salieri – Dokumente seines Lebens“, Band 1-3; K. Bock, 2000

[23]      Ignaz Franz Edler von Mosel; „Ueber das Leben und die Werke des Anton Salieri“; Wallishausser, 1827


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