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Seminararbeit / Hausarbeit

Körper­dys­morphe Störungen und die Verant­wor­tung des Sport­un­ter­richts

3.936 Wörter / ~15 Seiten sternsternsternsternstern Autor Lukas D. im Mrz. 2017
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Seminararbeit
Sportwissenschaft

Universität, Schule

Universität Bielefeld

Note, Lehrer, Jahr

unbenotet, Dr. Trümper, 2015

Autor / Copyright
Lukas D. ©
Metadaten
Preis 7.40
Format: pdf
Größe: 0.14 Mb
Ohne Kopierschutz
Bewertung
sternsternsternsternstern
ID# 63872







Universität Bielefeld

Fakultät für Psychologie und Sportwissenschaft

Abteilung Sportwissenschaft

 

 

Training und Prävention im Kindes- und Jugendalter

Sommersemester 2015

 

 

Hausarbeit zum Thema

Körperdysmorphe Störungen

und die Verantwortung des Sportunterrichts

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

Einleitung                                                                S. 1

  1. 1.Definition                                                                S. 2         

 

  1. 2.Risikofaktoren                                                        S. 4 

 

  1. 3.Lehrplanbezug                                                        S. 6 

 

  1. 4.Sportunterricht 

    1. 4.1Prävention durch Risikoprophylaxe                                S. 7 

    2. 4.2Prävention durch Krafttraining im Sportunterricht                S. 9 

 

  1. 5.Fazit                                                                S. 11 

 

  1. 6.Literaturverzeichnis 

Einleitung

Breit gebaut, braun gebrannt – 100 Kilo Hantelbank. Galten muskulöse Männerkörper im 20. Jahrhundert vorrangig als Anzeichen harter physischer Arbeit, so sind Waschbrettbauch und dicker Bizeps im Zeitalter von GQ und Men’s Health längst zum glorifizierten Männlichkeitsideal geworden. Waren bis vor einigen Jahren vor allem Mädchen und Frauen in ebendiesen medial vermittelten Körperidealen gefangen, so haben Internet, Fernsehen und Printmedien in naher Vergangenheit auch für einen aufkommenden Selbstzweifel und körperliche Unzufriedenheiten innerhalb der Männerwelt gesorgt, berichtet Barbara Mangweth-Matzek, Professorin für Psychologie an der Universität Innsbruck. Eine Studie im British Medical Journal belegt, dass sich die Anzahl der Jungen und Männer mit körperlichem Missfallen in den vergangenen 25 Jahren verdreifacht hat (vgl. Kraft, 2014).1 Besonders anfällig für die Wirkung ebendieser Männlichkeitsideale sind Teenager, und somit Schülerinnen und Schüler. Vor allem in den puberalen Phasen des Heranwachsens orientieren sich Jugendliche häufig an medialen Vorbildern wie Sportlern, Schauspielern und Werbefiguren und beginnen sich mit ihnen zu identifizieren. Sie vergleichen und  unterscheiden zwischen dem, wer sie sein möchten und wer sie tatsächlich sind. Ein solcher Prozess des Vergleichens kann Schülerinnen und Schülern bereits früh illusionieren und gilt als prädisponierender Risikofaktor für körperdysmorphe Störungen (vgl. Ritter & Stangier, 2010).2 Zusätzlich können Hänseleien und die Auseinandersetzung mit Peers mangels der Berücksichtigung von biologischem und kalendarischem Alter in der puberalen Phase vor allem bei retardierten Schülern zu einem solch gestörten Körperbild beitragen. Da wir als Mensch körperlich fundiert sind, spielt das körperliche Selbstbild auch bei der Bewältigung psychosozialer Aufgaben eine zentrale Rolle und sollte auch im schulischen Kontext nicht außer Acht gelassen werden (vgl. Brettschneider & Brandl-Bredenbeck, 1997).3

Nicht nur Schönheitsideale und mediale Bilderwelten gelten als Risikofaktoren für den Aufbau eines verzerrten Körperbildes im Jugendalter. Im Rahmen dieser Arbeit soll vor allem die häufigste Unterform körperdysmorpher Störungen, die Muskeldysmorphophobie, in den Mittelpunkt rücken. Im Folgenden soll es zunächst um die Definition und die klinische Symptomatik der Störung gehen, bevor im weiteren Verlauf auf der Basis verschiedener Risikofaktoren überlegt wird, welche Verantwortung dem Sportunterricht im Hinblick auf die Prävention körperdysmorpher Störungen, speziell der Muskeldysmorphophobie, im Jugendalter zukommen sollte.

  1. 1.Definition 

Allgemeine körperdysmorphe Störungen oder Dysmorphophobien bezeichnen „ein subjektives Gefühl der Hässlichkeit oder der körperlichen Missgestaltung trotz normalen Aussehens“4, schreibt Stefan Brunhoeber, Diplompsychologe aus Bonn angelehnt an Harrison Pope. Sobald die Sorge um das eigene Aussehen das Verhalten, das Denken, sowie das Empfinden bestimme und sich die betroffenen Personen zunehmend aus dem gesellschaftlichen Leben und ihren zwischenmenschlichen Beziehungen zurückzögen, dürfe von ebensolchen körperlichen Dysmorphophobien gesprochen werden, ergänzen Viktoria Ritter und Ulrich Stangier 2010.5 Prozentual sind Männer und Frauen in etwa gleichstark betroffen, wobei sich allgemeine körperdysmorphe Störungen zunächst auf alle möglichen Körperteile beziehen können (Nase, Haare, Brüste, Zähne, Bartwuchs etc.). Vor allem in der westlichen Welt hat sich die Unterform der Muskeldysmorphophobie weit verbreitet.

Muskeldysmorphophobien sind vorrangig bei Männern und Jungen zu beobachten – die Störung beschreibt die explizite Angst davor, zu klein oder zu wenig muskulös zu sein. Um den Muskelquerschnitt zur vergrößern betreiben die betroffenen Personen häufig ein exzessives Hypertrophie- und Maximalkrafttraining und verwenden zusätzlich viel Zeit und Geld darauf, muskelaufbauförderliche Diäten einzuhalten.

Harrison G. Pope, Professor an der Harvard Medical School und Autor des Buchs „Der Adonis-Komplex“ hat bereits 1997 versucht, Definitionskriterien für eine Muskeldysmorphophobie aufzustellen. So könne dann von einer solchen die Rede sein, wenn mindestens zwei der folgenden vier Kriterien erfüllt seien:

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  1. 1.Die Beschäftigung mit dem eigenen Aussehen, das Durchführen von Trainingseinheiten, sowie das Diätverhalten führen dazu, dass wichtige berufliche, soziale oder andere Aktivitäten vernachlässigt werden. 

  2. 2.Die Person vermeidet es, den eigenen Körper in der Öffentlichkeit zu zeigen und entwickelt in diesem Zusammenhang Angstgefühle bis hin zur Verzweiflung.  

  3. 3.Die Sorge um die eigene Statur oder den Umfang an Muskeln verursacht Leidenszustände oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen Funktionsbereichen.  

  4. 4.Potenziell schädliche physische oder psychische Konsequenzen halten die Person nicht davon ab, das Training, Diätverhalten oder die Einnahme leistungssteigernder Mittel weiter fortzuführen (vgl. Brunhoeber, 2009).6 

 

In ihrem Werk „muscle dysmorphia“ ergänzen Jay Dawes und Tracy Mankin die von Pope aufgestellten Kriterien 2004 um weitere Symptome, wie z.B. ein stressiges Diätverhalten (in Form von besonders proteinreicher Nahrung), den Gebrauch von Diäthilfen (z.B. Creatin) und den Missbrauch von Pharmazeutika, wie z.B. Anabolika (vgl. Brunhoeber, 2009).7 Im Vergleich zu Bodybuildern ohne körperdysmorphe Störungen, fanden Olivardia, Pope und Hudson bei von der Störung betroffenen Männern ebendiese Essgewohnheiten in ausgeprägter Form, sowie eine höhere Prävalenz für den Gebrauch von Anabolika (vgl. ebd.).8

Häufig klammern sich von der Störung betroffene Personen an bestimmte Sicherheitsverhaltensweisen. Die erste Stufe (das „Kontrollieren“) beinhaltet hierbei die ständige Betrachtung im Spiegel, das Messen von Körperteilen (z.B. Bizeps) das Fotografieren des eigenen Körpers, sowie das Verlangen nach ständigen Rückversicherungen und Komplimenten.  Das „Kaschieren“ beschreibt die übermäßige Pflege des Aussehens (Körperhaarentfernung, Hautpflege, häufiges Wechseln der Kleidung), aber auch die permanente Informationssuche zur Verbesserung des eigenen Aussehens (z.B. YouTube-Videos über effektives Krafttraining etc.). Unter „Manipulieren“ ist neben dem Trainieren mit Gewichten auch das erwähnte Diätverhalten zu verstehen, während das „Vermeiden“ die letzte Stufe darstellt, in der sich die betroffenen Personen kaum noch in die Öffentlichkeit trauen.

Neben psychosozialen Auswirkungen haben Muskeldysmorphophobien häufig auch einen negativen Einfluss auf die schulische Entwicklung der Jugendlichen. Angefangen bei leichten Beeinträchtigungen (Verspätungen), bis hin zu  vollständigen Vermeidungsstrategien (Schulabsentismus) und Konzentrationsstörungen (nicht bestandene Prüfungen, geringere Qualifikationen, Schulabbrüche), beeinflussen körperdysmorphe Störungen teilweise den kompletten Lebenslauf der Betroffenen. Die institutionelle Verantwortung der Schule, vorrangig des Sportunterrichts, zeigt sich bei einem Blick auf die prozentualen Häufigkeiten des Beginns körperdysmorpher Störungen. Bei über 87% der Männer beginnen körperdysmorphe Störungen zwischen dem 10. und 19. Lebensjahr (vgl. ebd.).9 Dennoch darf nicht der Fehlschluss entstehen, dass Schülerinnen und Schüler, welche sich in der Pubertät intensiv mit ihrem Aussehen beschäftigen, Fitnessstudios besuchen oder Diäten halten automatisch unter körperdysmorphen Störungen leiden. Auf den folgenden Seiten soll versucht werden, anhand unterschiedlicher Risikofaktoren die Ursachen von Muskeldysmorphophobien zu erörtern und präventive Maßnahmen für den Sportunterricht aufzuzeigen.
  1. 2.Risikofaktoren 

Sie beschreibt 2005 ein multifaktorielles Modell, welches sich auf eine genetisch-biologische Grundlage stützt. Da dem Sportunterricht im Hinblick auf körperdysmorphe Störungen jedoch lediglich eine pädagogische und gesundheitsfördernde Präventionsaufgabe zukommt, welche keinesfalls mit einer therapeutischen Interventionsaufgabe verwechselt werden darf, soll auf die genetisch-biologischen Erklärungsmodelle an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden.

Vielmehr soll nachfolgend überlegt werden, inwiefern die Institution Schule an Präventionsmöglichkeiten in Bezug auf körperdysmorphe Störungen teilhaben kann und welche Aufgaben dem Sportunterricht zugesprochen werden (müssen).

 

 

 

 

 

 

  1. 3.Lehrplanbezug 

Um dieser Frage nachzugehen, lässt sich der obligatorische Blick in die Lehrpläne des Landes Nordrhein-Westfalen nicht vermeiden. Wie bereits erläutert, lassen sich die Ursachen für den Beginn körperdysmorpher Störungen vorrangig im Alter zwischen 10 und 19 Jahren finden, sodass ein Blick in die Kernlehrpläne der Sekundarstufe ll nicht ausreicht. So ist unter den inhaltlichen Schwerpunkten des Inhaltsbereichs Gesundheit im Kernlehrplan Sport für die Sekundarstufe l in Nordrhein-Westfalen bereits von „unterschiedliche[n] Körperideale[n] und Verhaltensweisen unter gesundheitlicher Perspektive“17 zu lesen. Die Schülerinnen und Schüler sollen im Rahmen der Urteilskompetenz „gesundheitlich vertretbare und gesundheitlich fragwürdige Körperideale und Verhaltensweisen beurteilen.“18 Auch im selbigen Kernlehrplan für die Oberstufe lässt sich diese Anforderung im Wortlaut wiederfinden. Hinzukommen in der Sekundarstufe ll die Schwerpunkte „Gesundheitlicher Nutzen und Risiken des Sporttreibens“, sowie „Fitness als Basis für Gesundheit und Leistungsfähigkeit“ und „Wirkung und Risiken unphysiologischer Maßnahmen zur Leistungssteigerung im Leistungs- und Freizeitsport“.19 Hier fordert der Lehrplan: „Die Schülerinnen und Schüler können gesundheitliche Auswirkungen von Sporttreiben bezogen auf die eigene Fitness und das Wohlbefinden mithilfe von Erklärungsmodellen erläutern“20 und „gesundheitsfördernde und gesundheitsschädigende Faktoren (u. A. Doping) bezogen auf die körperliche Leistungsfähigkeit differenziert erläutern.“21

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sowohl in der Sekundarstufe l, als auch in der Oberstufe Präventionsmöglichkeiten im Hinblick auf körperdysmorphe Störungen integrierbar sind und vom Lehrplan legitimiert, zum Teil sogar gefordert werden. Als problematisch erweist sich hierbei jedoch, dass präventive Maßnahmen im Sportunterricht nicht immer nur in Praxisvorhaben einfließen können (wie z.B. Aufbau von Selbstwertgefühl über Wagnissituationen, Mannschaftspiele, Leistungsverbesserungen), sondern auch Theoriephasen beinhalten müssen, welche sich z.B. mit den medial vermittelten Körperidealen befassen.

 

  1. 4.Sportunterricht 

4.1 Prävention durch Risikoprophylaxe

Wie bereits erwähnt ist der Sportlehrer kein Therapeut – er hat somit nicht die Aufgabe, sich um die Intervention bzw. Behandlung von Schülerinnen und Schülern mit Anzeichen einer körperdysmorphen Störung zu kümmern. Es fehlt ihm nicht nur die Zeit, sondern auch die Qualifikation für jeglichen therapeutischen Ansatz. Dennoch sollte die Problematik im Sportunterricht keinesfalls ignoriert werden, ins Besondere da die Anzahl körperdysmorpher Störungen laut Forschern in den kommenden Jahren nicht weniger werden wird und das Verhältnis zum eigenen Körper in der puberalen Phase ein elementarer Bestandteil bei der Ausbildung eines gesunden Selbstkonzepts darstellt.

Präventive Maßnahmen im Sportunterricht müssen somit an den bereits genannten Risikofaktoren, den prädisponierenden Einflussgrößen für körperdysmorphe Störungen, ansetzen. Wie bereits vorgeschlagen, sollte der Sportunterricht an dieser Stelle auch nicht davor zurückschrecken, sich in Theoriephasen mit den Wirkungsmechanismen von Massenmedien zu beschäftigen und den Schülerinnen und Schülern somit die Möglichkeit zu geben, eine Urteilskompetenz im Hinblick auf vermittelte Schönheitsideale zu entwickeln. So sollten die Jugendlichen so früh es geht lernen, dass Werbefirmen ein hohes Interesse daran haben, bei potenziellen Kunden Unzufriedenheiten zu schaffen (vgl. Brunhoeber, 2009)22. Nicht nur Fitnessstudios, sondern auch vermeintliche Lifestyle-Magazine wie Men’s Health, GQ, Brigitte oder Freundin arbeiten mit derartigen Wirkungsmechanismen und versuchen beim Konsumenten negative Empfindungen zu generieren, welche mit dem Kauf des Produkts vermeintlich gelindert werden können (Neue Diäten, innovative Krafttrainings etc.). „Die Industrieunternehmen verkaufen nicht nur Produkte, sie verkaufen Ideale“23,  schreibt Brunhoeber hierzu. Wenn Jugendlichen ständig suggeriert wird, ein schöner Körper und ein perfektes Aussehen seien die einzigen Eintrittskarten zu Spaß, Erfolg, Sex und Anerkennung, so beginnen sie irgendwann diese Botschaften zu glauben. Es ist unbestritten, dass solche Medienwirkungsmechanismen auch in Fächern wie Deutsch, Philosophie, Religion etc. thematisiert werden sollten – aufgrund des hohen Bezugs nur psychischen und physischen Gesundheit der Schülerinnen und Schüler, sollten ebendiese jedoch auch im Sportunterricht mit den Jugendlichen altersgerecht thematisiert werden, sodass die Heranwachsenden ein sensibles Gespür dafür bekommen, warum alle Männer in der Parfumwerbung einen Waschbrettbauch haben und alle Frauen im H&M-Katalog offenbar perfekte Göttinnen zu sein scheinen.

Auch wenn ein solcher theoretischer Inhalt im Sportunterricht eine Art Grauzone darstellt, lässt er sich mithilfe des Lehrplans legitimieren und sollte somit auch gemeinsam mit den Jugendlichen thematisiert werden.

Schülerinnen und Schüler sollten somit früh und altersgerecht über Begriffe wie Retardierung, Akzeleration und die Unterschiede zwischen biologischem und kalendarischem Alter aufgeklärt werden. Ein derartiges Hintergrundwissen über den menschlichen Körper kann im besten Fall dazu beitragen, dass  Hänseleien über das Aussehen des jeweils anderen (Body-Shaming) abnehmen.

Am dritten Risikofaktor für den Aufbau körperdysmorpher Störungen hingegen kann der Sportunterricht vor allem praxisbezogen arbeiten – in keinem anderen Schulfach kann das Selbstwertgefühl der Schülerinnen und Schüler so positiv (aber auch negativ) beeinflusst werden, wie im Sportunterricht. So gehöre nach Potreck-Rose und Jacob zu einem gesunden Selbstwertgefühl vor allem das Gefühl von Selbstvertrauen, übersetzt als eine positive Einstellung zu den eigenen Fähigkeiten und Leistungen.

Vor allem in herausfordernden Wagnissituationen oder Unterrichtsvorhaben zu Leistungserfahrungen und Leistungseinschätzungen kann das Selbstverstrauen der Schülerinnen und Schüler enorm gestärkt werden – Voraussetzung hierfür ist ein passendes Maß an Differenzierung, sodass jeder Schüler und jede Schülerin Erfolgserlebnisse mit aus dem Unterricht nehmen kann und Selbstwirksamkeit erfährt.

Mannschaftspiele, tänzerische Choreographien, sowie Gruppenakrobatik sind ebenfalls gut geeignet, um  die Kommunikation und die Kooperation innerhalb der Klasse zu fördern und jedem Jugendlichen den Aufbau eines gesunden Selbstwertgefühls zu ermöglichen. Dass der Sportunterricht kein Allerheilmittel gegen die prädisponierenden Risikofaktoren für eine körperdysmorphe Störung darstellt ist unbestritten, dennoch sollte er im Rahmen seiner Möglichkeiten keine Präventionsgelegenheit auslassen.

4.2 Prävention durch Krafttraining im Sportunterricht

Um abschließend zurückzukommen auf die angesprochene Unterform der Muskeldysmorphophobie ist es wichtig, die Schülerinnen und Schüler nicht nur vor den erwähnten Risikofaktoren zu schützen, sondern ihnen die Möglichkeit zu geben, das Krafttraining auch im schulischen Rahmen kennenzulernen, nicht zuletzt um mit verbreiteten Mythen und Irrtümern aufzuräumen.

Fakt ist, dass es zahlreiche Gründe für ein Krafttraining im Kindes- und Jugendalter gibt und dieses auch im Sportunterricht Einzug halten sollte. „Im Gegensatz zur früher verbreiteten Annahme ist ein altersgerechtes Muskelkrafttraining bei Kindern und Jugendlichen bei sorgfältiger Anleitung und Betreuung wirksam und gesundheitlich unbedenklich“, schreibt Jürgen Gießing hierzu.

Michael Sauer, Doping-Experte vom Manfred-Donike-Institut in Köln betreibt Präventionsunterricht an Schulen und beklagt, dass Jugendliche, die muskulöser werden möchten, in der Regel nur wenig Ahnung haben, wie sie ihr Ziel erreichen können. "Sie holen sich ihr Wissen von Freunden, aus dem Internet oder von Leuten in ihrer Muckibude. Wir wissen aber nicht, was die ihnen empfehlen - dort liegt die Schwachstelle"24, erzählt er in einem Spiegel-Interview. Dass ein Krafttraining mit Jugendlichen altersgerecht konzipiert sein muss und sich durch ein hohes Maß an Binnendifferenzierung auszeichnen sollte, ist unbestritten. Als genauso wichtig erweist sich jedoch die aufklärerische Arbeit von Sportunterricht, welche ein Vorhaben zum Thema Kraftsport in Theoriephasen begleiten sollte. Keinesfalls sollte den Schülerinnen und Schülern mit erhobenem Zeigefinger vermittelt werden, dass Krafttraining, neudeutsch „Pumpen“, etwas Schlechtes oder gar Verwerfliches sei – im Gegenteil. Dennoch sollten einige Faktoren im Hinblick auf die Prophylaxe körperdysmorpher Störungen (vor allem Muskeldysmorphophobie) mit den Jugendlichen thematisiert werden."Wenn wir alt genug sind und Kreatin keine gesundheitlichen Risiken hat, dann nehmen wir das auch zur Hilfe“25, erzählt der 15-jährige im selbigen Spiegel-Interview. Jugendliche sind für gewisse Ernährungsirrtümer besonders anfällig, vor allem weil sich auf diesem Gebiet offenbar jedermann als Experte versteht. „Das Interessante bei Diät-Gesprächen ist für mich stets das Verhalten von zufällig Anwesenden (…). Sie schalten sich spontan ein und reden mit. Natürlich mit eigenen (…) Rezepten und Tips. Aber es scheint eine gemeinsame, gleichsam axiomatische Ausgangsbasis vorhanden zu sein, die etwa lautet: Wir machen alles falsch“26, schreibt Werner Kieser zum Thema „Ernährung als Glaubensinhalt“. Vor allem das Thema Ernährung sollte somit im Rahmen eines schulischen Krafttrainings in Theoriephasen zur Geltung kommen. So gehen die meisten Jugendlichen davon aus, eine besonders hohe Proteinaufnahme unterstütze den Trainingseffekt. Der Organismus ist jedoch nur in der Lage, bis zu 2,5g Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht zu verarbeiten. Überdosierte, zumeist künstliche Proteinaufnahmen könnten sich unter Umständen sogar schädigend auswirken.

Ein weiterer Fokus des Sportunterrichts sollte auf den Gefahren anaboler Steroide liegen. Jugendliche mit einer Tendenz zur Muskeldysmorphophobie sind besonders anfällig für den Konsum ebensolcher Steroide, sodass dem Sportunterricht an dieser Stelle eine besonders hohe Verantwortung zukommt. Die enorme Brisanz des Themas „Doping“ zeigt sich auch darin, dass es in den vergangenen Jahren immer wieder elementarer Bestandteil des Sport-Zentralabiturs war.

Die Jugendlichen sollen spüren, dass ihnen der Sportunterricht auch in ihrem Alltag und in Hinblick auf ihre Ziele und Interessen helfen kann und nicht nur als nachmittägliche Freizeitbeschäftigung fungiert.

 

 

 

 

 

 

  1. 5.Fazit 

Festzuhalten bleibt, dass der Sportlehrkraft trotz aller Appelle zur Prävention körperdysmorpher Störungen keine therapeutische Funktion zukommt. Bereits betroffene Schülerinnen und Schüler bedürfen in der Regel einer kognitiven Verhaltenstherapie und können nicht vom Sportlehrer behandelt werden. Sollte die Lehrkraft bei einer Schülerin oder einem Schüler deutliche Anzeichen für eine KDS feststellen, so sollte sie in jedem Fall das Gespräch mit den Eltern suchen und diese über die Symptome informieren.

 An dieser Stelle muss noch einmal betont werden, dass lediglich 1-3% der Allgemeinbevölkerung unter einer körperdysmorphen Störung leiden und bestimmte Verhaltensweisen der Jugendlichen nicht sofort mit einer solchen in Verbindung gebracht werden sollten. Dass sich die Heranwachsenden mit dem eigenen und fremden Aussehen beschäftigen, sich mit anderen vergleichen und nicht selten unzufrieden mit dem eigenen Körper sind, gilt als vollkommen normaler Prozess der puberalen Phasen.

Die primäre Aufgabe des Sportunterrichts im Hinblick auf körperdysmorphe Störungen bleibt somit die Präventionsarbeit, welche sich auf die drei genannten prädisponierenden Risikofaktoren konzentrieren sollte. Die Schülerinnen und Schüler sollten sich somit im Sportunterricht mit den medial vermittelten Körperidealen auseinandersetzen und gleichzeitig lernen, dass Retardierung und Akzeleration im Kindes- und Jugendalter normale Prozesse sind, die keinen Platz für Body-Shaming lassen.

Der Sportunterricht sollte zusätzlich ständig versuchen, den Schülerinnen und Schülern Selbstwirksamkeitserfahrungen zu ermöglichen, Kommunikation und Kooperation zu fördern und das Eingebundensein in soziale Netze garantieren. Sport ist in der Lage, Jugendlichen ein gesundes Selbstwertgefühl zu vermitteln – ein wichtiger Schutzfaktor gegen den Aufbau körperdysmorpher Störungen.

Auch ein Unterrichtsvorhaben zum Thema Kraftsport, bei dem Irrtümer beseitigt und Gefahren des Kraftsports thematisiert werden, kann als Präventionsmaßnahme gegen eine KDS wirken. Dass die Prävention psychologischer Erkrankungen nicht die Primäraufgabe von Sportunterricht sein darf ist selbstverständlich – dennoch sollte jede Lehrkraft im Sportunterricht die Augen offen halten und sich der Symptome und Risikofaktoren für körperdysmorphe Störungen bewusst sein.  

 

 

  • --Brettschneider, Wolf-Dietrich & Brandl-Bredenbeck, Hans Peter: Sportkultur und jugendliches Selbstkonzept. Eine interkulturell vergleichende Studie über Deutschland und die USA. Weinheim und München: Juventa Verlag 1997. 

 

  • --Brunhoeber, Stefan: Kognitive Verhaltenstherapie bei Körperdysmorpher Störung. Ein Therapiemanual. Göttingen: Hogrefe Verlag 2009.  

 

  • --Kieser, Werner: Die Seele der Muskeln. Krafttraining jenseits von Sport und Show. Düsseldorf und Zürich: Walter Verlag 2002. 

  • --Kraft, Ulrich: Der Adonis-Komplex: Süchtig nach Muskeln. 2014. Abrufbar unter: (letzter Zugriff am 02.09.2015). 

  • --Lichtenegger, Franz: Was Body-Shaming mit uns Männern macht.2015. Abrufbar unter: (letzter Zugriff am 02.09.2015). 

  • --Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen: Kernlehrplan für das Gymnasium – Sekundarstufe l in Nordrhein-Westfalen – Sport. 2012. Abrufbar unter:   (letzter Zugriff am 02.09.2015).  

  • --Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen: Kernlehrplan für das Gymnasium – Sekundarstufe ll in Nordrhein-Westfalen – Sport. 2014. Abrufbar unter: (letzter Zugriff am 02.09.2015). 

  • --Simpson, Mark: The metrosexual is dead. Long live the 'spornosexual'. 2014. Abrufbar unter: (letzter Zugriff am 02.09.2015).  

  •  

    • --Timtschenko, Maria: Jugendliche im Fitnessstudio: Ich pumpe, also bin ich. 2013. Abrufbar unter: (letzter Zugriff am 02.09.2015). 

     

    Titelblatt Bildquelle: Rainer Sturm  / pixelio.de

    1        Kraft, Ulrich: Der Adonis-Komplex: Süchtig nach Muskeln (2014)

    2        Ritter, Viktoria & Stangier, Ulrich: Wenn das Spiegelbild zur Qual wird (2010), S. 34

    3        Brettschneider, Wolf-Dietrich & Brandl-Bredenbeck, Hans Peter: Sportkultur und jugendliches Selbstkonzept (1997), S. 160

    4        Brunhoeber, Stefan: Kognitive Verhaltenstherapie bei Körperdysmorpher Störung (2009), S. 11

    5        Ritter, Viktoria & Stangier, Ulrich: Wenn das Spiegelbild zur Qual wird (2010), S. 9

    6        Brunhoeber, Stefan: Kognitive Verhaltenstherapie bei Körperdysmorpher Störung (2009), S. 13

    7        Brunhoeber, Stefan: Kognitive Verhaltenstherapie bei Körperdysmorpher Störung (2009), S. 35

    8        Ebd., S. 35

    9        Ebd., S. 51

    10        Ritter, Viktoria & Stangier, Ulrich: Wenn das Spiegelbild zur Qual wird (2010), S. 9

    12        Lichtenegger, Franz: Was Body-Shaming mit uns Männern macht (2015)

    13        Simpson, Mark: The metrosexual is dead. Long live the 'spornosexual' (2014)

    14        Lichtenegger, Franz: Was Body-Shaming mit uns Männern macht (2015)

    15        Ritter, Viktoria & Stangier, Ulrich: Wenn das Spiegelbild zur Qual wird (2010), S. 35

    16        Brunhoeber, Stefan: Kognitive Verhaltenstherapie bei Körperdysmorpher Störung (2009), S. 68

    17        Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen: Kernlehrplan für das Gymnasium – Sekundarstufe l in Nordrhein-Westfalen – Sport (2012), S. 18

    18        Ebd., S. 29

    19        Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen: Kernlehrplan für das Gymnasium – Sekundarstufe ll in Nordrhein-Westfalen – Sport (2014), S. 48

    20        Ebd., S. 48

    21        Ebd., S. 48

    22        Brunhoeber, Stefan: Kognitive Verhaltenstherapie bei Körperdysmorpher Störung (2009), S. 71

    23        Ebd., S. 71

    24        Timtschenko, Maria: Jugendliche im Fitnessstudio (2013)

    25        Ebd.

    26        Kieser, Werner: Die Seele der Muskeln (2002), S. 149

    Quellen & Links

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