Friedrich
Schiller: Kabale und Liebe (1785)
Charakterisierung
der Millerin
Die
Millerin ist in Kabale und Liebe die Mutter der Protagonistin Luise und
die Ehefrau von Miller. Sie gehört dem Bürgertum an. In dem Drama wird sie
nicht beim Namen genannt, sondern einfach nur als >Frau< bezeichnet.
Indem Schiller ihr keine eigene Persönlichkeit gibt, tritt sie stellvertretend
für das Bürgertum auf.
Dies wird auch durch ihre Wortwahl
deutlich. Die Millerin verwendet Begriffe wie „disguschtüren“(I, 1), „Sekertare“(I,
2) oder „Bläsier“ (I, 2), um zu zeigen, wie „gut“ sie gebildet ist. Sie glaubt,
als etwas Besseres zu gelten, indem sie versucht sich vornehm auszudrücken.
Tatsächlich spricht sie die Worte aber falsch aus. Gleichzeitig wird deutlich,
dass Intelligenz nicht gerade ihre Stärke ist. Dies zeigen auch die
Regieanweisungen, in denen sie „bäurisch-stolz“ (I, 2) mit dem Sekretär Wurm
spricht oder ihn „dumm-vornehm“ (I, 2) anlächelt.
In der Familie spielt die Millerin
im Gegensatz zu ihrem Mann, der als Hausherr auftritt, nur eine untergeordnete
Rolle. Sie ist im Hinblick auf Luises
Beziehung zu Ferdinand anderer Meinung als Miller. Frau Miller fragt ihren Mann
in völliger Verkennung der Lage, was denn über sie kommen könne (I, 1), wenn
jeder über die Beziehung von Luise und Ferdinand informiert sei. Dies zeigt,
dass sie entweder zu dumm ist, die Situation richtig einzuschätzen oder von der
Möglichkeit, durch eine Heirat von Luise und Ferdinand in eine höhere Klasse
aufzusteigen, völlig geblendet ist. So sieht sie nicht die Probleme einer
ständeübergreifenden Beziehung. Von Miller wird sie, typisch für die damalige
Zeit, wie eine Untertanin behandelt, die seinen „roten plüschenen Rock
ausbürsten“ (I, 1) oder dem Sekretär Wurm einen Sessel (I, 2) bringen soll.
Außerdem wird die Millerin von ihrem Mann häufig mit Worten wie „alberne Gans“
(I, 2) beleidigt oder er droht ihr Gewalt an (I, 2). Außerdem wirkt sie nicht
nur durch ihre Aussagen und Regieanweisungen dumm, sie wird sogar von ihrem
Mann so bezeichnet (I, 2). Gegen solche Beleidigungen wehrt sie sich aber
nicht. Entweder nimmt sie Millers Drohungen und Beleidigungen nicht ernst, oder
sie hat zu viel Angst vor ihm, um sich zu verteidigen. Darüber hinaus
bezeichnet Miller sie auch als „infame Kupplerin“ (I, 1), weil er ihr die
Schuld an Luises und Ferdinands Beziehung gibt. Sie habe Luise an den Major
verkauft, um Kaffeetrinken und Rauchen zu können (I, 1). Kaffee und Tabak waren
damals Luxusgüter, die sich ein normaler bürgerlicher Haushalt nicht leisten konnte.
Dadurch wird nochmals deutlich, dass die Millerin mit ihrem Lebensstandard als
Bürgerliche nicht zufrieden ist und deshalb nach einem höheren sozialen Status
strebt. Dies wirft ihr Mann, der stolz ist, ein Bürger zu sein, ihr vor.
Gegenüber dem Sekretär Wurm tritt
sie arrogant und überlegen auf. Er hat ein Auge auf Luise geworfen, doch die
Millerin hält ihn für eine schlechte Partie, weil er ein Bürgerlicher und
Ferdinand ein Adliger ist. Sie begründet ihre Ablehnung Wurm gegenüber damit,
dass sie Luises Glück nicht im Wege stehen wolle (I, 2). Außerdem brüstet Frau
Miller sich ihm gegenüber damit, dass „eben halt der liebe Gott [ihre] Tochter
barrdu zu gnädigen Madam“ (I, 2) haben will. Sie benennt Gott als Urheber der
Liebesbeziehung. Dies macht deutlich, dass die Millerin an eine gemeinsame
Zukunft von Luise und Ferdinand glaubt, weil die Verbindung ihrer Tochter mit
dem Major „gottgewollt“ sei. Sie erscheint fast schon als naiv.
Von Ferdinands Herrlichkeit ist Frau
Miller sehr beeindruckt und hält ihn für eine >gute Partie< für ihre
Tochter. Außerdem ist sie der Meinung, dass
er einen guten Einfluss auf Luise habe, weil er ihr Bücher schenkt, aus denen
sie immer bete (I, 1). Als Miller droht, Ferdinand aus seinem Haus zu
schmeißen, hat die Millerin Angst, keine Geschenke mehr von Ferdinand zu
erhalten (I, 1). Daraus lässt sich schließen, dass sie „nach dem Profit“
schielt und vor allem ihr eigenes Wohlleben im Sinn hat. Diese Denke ist auch
eine typische Eigenschaft für damalige Bürger. Des Weiteren achtet Frau Miller
in Gegenwart Ferdinands sehr auf ihr Äußeres, denn sie macht sich um ihr
äußeres Erscheinungsbild Sorgen, als sie Ferdinand vor ihrem Haus erblickt (I,
3). Die Millerin scheint sehr eitel zu sein.
Als Miller seiner Frau die Schuld
daran gibt, dass der Präsident wegen der Liebesbeziehung zu ihnen nach Hause
kommt, bestreitet sie dies zunächst (II, 4). Sie ist naiv und glaubt, dass der
Präsident wegen einer anderen, unwichtigen Angelegenheit ihr Haus aufsuche.
Aber Miller macht ihr schnell klar, dass Wurm, dem Frau Miller von der
Beziehung zwischen Luise und Ferdinand erzählt hat, dem Präsidenten
wahrscheinlich ebenfalls von dem Verhältnis berichtet hat. Daraufhin wird sie
hysterisch, rennt jammernd durch das Zimmer und fragt Miller, was sie denn nun
tun könnten (II, 4). Nachdem sie selber die Katastrophe ausgelöst hat, ist sie
nicht in der Lage, anders als mit Gewinsel und Gejammere zu reagieren. Ebenso
verhält sie sich auch dem Präsidenten gegenüber. Sie wirft sich vor ihm zu
Boden und bettelt um Gnade (II, 7). Von ihrem Mann, der sich dem Präsidenten
stellen will, erwartet sie, dass er sich genauso erniedrigt, um seine und ihre
Haut zu retten.
Zusammenfassend lässt sich sagen,
dass die Millerin im Drama stellvertretend für das Bürgertum auftritt. Die
Frauen werden von den Männern nicht respektiert und für dumm gehalten. Durch
ihre Art der Sprechweise und ihre Handlungen versucht die Millerin diesem
Vorurteil entgegenzuwirken, merkt dabei aber nicht, dass sie genau diese Rolle
mit ihrem Verhalten widerspiegelt. Sie will sich über ihren Stand als
Bürgerliche erheben und sieht eine mögliche Hochzeit von Luise und Ferdinand
als Chance, einen höheren sozialen Status zu erreichen. Ihre Denkweise ist sehr
egoistisch, einfältig und materialistisch. Den Konsequenzen, die aus ihrem
Verhalten resultieren, kann sie sich nicht stellen und bettelt im Nachhinein
bei Höhergestellten um Erbarmen.