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Abiturvorbereitung / Maturavorbereitung

Jacobus de Voragine, Legenda aurea - Über­set­zung: Spezi­al­ge­biet Latein

3.977 Wörter / ~18 Seiten sternsternsternsternstern_0.2 Autorin Hanna A. im Apr. 2014
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Abiturvorbereitung
Latein

Universität, Schule

Wien Gymnasium GRG17

Note, Lehrer, Jahr

1,Ganser,2013

Autor / Copyright
Hanna A. ©
Metadaten
Format: pdf
Größe: 0.44 Mb
Ohne Kopierschutz
Bewertung
sternsternsternsternstern_0.2
ID# 39372







 „Jacobus de Voragine - Legenda aurea“

Spezialgebiet

Jacobus de Voragine

„Legenda aurea

De sancto Silvestro

Silvester bleibt sich und seinem Glauben treu

Gott straft Konstantin, den Christenverfolger

Silvester tauft Konstantin

Konstantin schützt und fördert die Christen

Silvester bekehrt auch die heidnischen Priester

De sancta Elisabeth

Elisabeth, ein ungewöhnliches Mädchen

Die unfreiwillige Heirat

Elisabeth bleibt treu

Hart mit sich selbst, großherzig mit anderen

Elisabeth findet Unterstützung in ihrem Mann

Glanz der Armut

Kein Zurück mehr

Der Herr erhört Elisabeths Bitten

Elisabeths Ende

Quellenverzeichnis

 

Allgemein

 

Jacobus de Voragine

Jacobus de Voragine wurde zwischen 1228 und 1230 in Varazze, nahe der italienischen Stadt Genua, geboren. Bereits im Alter von sechzehn Jahren entschloss er sich, sein Leben der Religion zu widmen, und wurde Mönch bei den Dominikanern. Er war Erzbischof von Genua und kirchenlateinischer Schriftsteller. Er verfasste die im Spätmittelalter weitverbreitete Sammlung von Heiligenleben Legenda aurea. In diesem Amt verfolgte Jacobus de Voragine im Besonderen zwei Ziele: Zum Einen hatte er es sich zur Aufgabe gemacht, den Klerus zu erneuern, zum Anderen setzte er alles daran, zwischen den Parteien Genuas Frieden zu gründen bzw. diesen zu erhalten. Eben deswegen starb Jacobus de Voragine auch am 14. Juli 1298.

„Legenda aurea“

Die Legenda aurea, eine Sammlung von etwa 150 Heiligenlegenden, wurde zwischen 1263 und 1273 verfasst. Es ist dies wohl Jacobus de Voragines berühmtestes Werk. Für diese Ausarbeitung bediente sich Jacobus zahlreicher Quellen, wie etwa die Werke Augustinus‘ oder Hieronymus‘, die in den Heiligenlegenden auch des Öfteren angeführt werden. Die Meisten Quellen bildeten sich jedoch anonyme Überlieferungen, die sich europaweit großer Beliebtheit erfreuten und die beispielsweise auch in Predigten eingebaut wurden. In ihrem Aufbau hielt sich Jacobus de Voragine streng an das Kirchenjahr, das im Advent einsetzt und bei der Kirchenweihe ein Ende findet, und verzichtete auf die Einhaltung einer Chronologie der Heiligen. Lange Zeit war dieses Werk, das mit mehr als 1000 Handschriften und Übersetzungen in alle abendländischen Sprachen eines der am meisten gelesenen und herausragendsten Werke des Mittelalters darstellt. Unter den Namen‚ „Nova legenda“, „Novum passionale“, „Historia Lombardica“‚ Vitae sanctorum a praedicatore quodam‘ bekannt. Letztlich wurde jedoch, wie wir alle wissen, der Name „Legenda aurea“ als Titel des Werks übernommen.

 


 

Übersetzungen von den lateinischen Texten

 

„De sancto Silvestro“

(T 1) Silvester bleibt sich und seinem Glauben treu

 

Silvester war der Sohn von Justa, die diesen Namen zu Recht trug, wurde vom Priester Cyrinus unterrichtet und pflegte in höchstem Ausmaß Gastfreundschaft.

Ein gewisser, sehr christlich gesinnter Timotheus nämlich wurde von ihm gastlich aufgenommen, der allerdings wegen Verfolgung von den anderen gemieden wurde. Dieser erlangte die Krone des Märtyrertodes, weil er äußerst beharrlich den Glauben an Christus verkündigte.

Der Statthalter Tarquinius aber, der glaubte, dass Timotheus an vielen Reichtümern Überfluss gehabt habe, forderte diese von Silvester ein, indem er ihn mit dem Tod bedrohte. Sobald er jedoch erfuhr, dass Timotheus derartige Reichtümer nicht besessen habe, befahl er Silvester den Standbildern der Götter zu opfern, andernfalls er am darauf folgenden Tag verschiedene Arten von Foltern erleiden sollte.

Zu ihm (sagte) Silvester:

„Du dummer (Mensch)! In dieser Nacht noch wirst du sterben und wirst ewige und immerwährende Foltern erleiden und wirst erkennen, ob du willst oder nicht, dass der, den wir verehren, der wahre Gott ist.“

Daraufhin wird Silvester dem Kerker übergeben und Tarquinius wird zum Essen eingeladen. Während er daher speist, bleibt in seinem Hals eine Fischgräte so stecken, dass er sie auf keine Weise ausspucken noch hinunterschlucken kann.

Und so stirbt er mitten in der Nacht und wird unter Trauer in ein Grab gelegt, und Silvester wird mit Freude aus dem Kerker befreit. Denn er wurde nicht nur von den Christen, sondern auch von den Heiden mit verwunderlicher Zuneigung geliebt,

Er war nämlich nach seinem Aussehen engelsgleich, an Sprachgewandtheit ausgezeichnet, bezüglich seines Körpers rein, heilig betreffend sein Wirken, groß als Ratgeber, rechtgläubig in seinem Glauben, durch Nächstenliebe weitherzig.

 


 

(T 2)Gott straft Konstantin, den Christenverfolger

 

Nur wenige Jahre später wurde Silvester nach dem Tod von Melchiades, dem Bischof der Stadt Rom, vom ganzen Volk trotz heftigstem Widerstand zum Bischof von Rom gewählt.

…….(deutscher Text)

Weil aber Konstantin die Christen verfolgte, verließ Silvester mit den Priestern die Stadt und blieb auf einem Berg. Selbst Konstantin jedoch befiel wegen der tyrannischen Verfolgung die unheilbare Leprakrankheit.

Schließlich wurden auf Anraten der heidnischen Priester 3000 Kinder herbeigebracht, damit er sie zu töten befehle und sich in ihrem frischen und noch warmen Blut bade.

Die Mütter der Kinder aber gingen ihm unter vielen Tränen entgegen, als er zu dem Ort hinausging, wo das Bad zubereitet werden sollte, und Konstantin befahl weinend den Wagen anzuhalten, und indem er sich aufrichtete, sagte er:

„Hört mich an, edle Herren und alle Leute, die ihr hier steht! Die Würde des römischen Volkes entspringt aus der Quelle der Gläubigkeit, die auch dieses Gesetz gegeben hat, dass jeder mit der Todesstrafe belegt wird, wer auch immer im Krieg ein Kind getötet hat.

Wie groß wird demnach die Grausamkeit sein, wenn wir dies unseren eigenen Kindern antun, was wir verboten haben, fremden Kindern anzutun?

Was nützt es uns, Barbaren besiegt zu haben, wenn wir selbst von Grausamkeit besiegt werden?

Denn der Sieg über fremde Nationen wird durch den gezielten Einsatz der Kräfte Krieg führender Völker errungen, der Sieg über Laster und Sünden jedoch durch die Tugend des Charakters.

In jenen Kämpfen also erweisen wir uns den Gegnern mutiger, in diesen (=den zuletzt genannten) aber wollen wir tapferer sein als wir selbst. Denn ein Sieger wird nach dem Sieg besiegt, wenn die Frömmigkeit durch Lasterhaftigkeit besiegt (überwunden )wird. Es möge daher die Gläubigkeit bei dieser Begegnung siegen! Wer sich nämlich als Diener der Gläubigkeit gezeigt hat, der zeigt, dass er der Herr über alle anderen ist. Es ist also besser, dass ich sterbe und das Leben Unschuldiger bleibt gesund (unangetastet), als durch deren Untergang ein grausames Leben zu erhalten.

Im Übrigen ist es ungewiss, ob es gerettet wird, während es dagegen sicher ist, dass es grausam ist, so gerettet worden zu sein.“

Er befahl daher, die Kinder den Müttern zurückzugeben und ihnen zahlreiche Geschenke und Wagen zur Verfügung zu stellen.

Und so kehrten die Mütter, die weinend gekommen waren, nach Hause zurück.

Der Kaiser selbst aber kehrte in seinen Palast zurück.

(T 3)Silvester tauft Konstantin

 

In der folgenden Nacht jedoch erschienen ihm Petrus und Paulus und sagten:

„Weil du davor zurückgeschreckt bist, das Blut Unschuldiger zu vergießen, hat uns der Herr Jesus Christus geschickt, damit wir dir den Rat geben, deine Gesundheit wiedergewinnen. Hole also den Bischof Silvester herbei, der sich beim Berg Siraptis versteckt hält! Dieser wird dir einen Brunnen zeigen; wenn du in diesem dreimal untertauchst, wirst du ganz von der Lepra geheilt werden.

Du aber sollst Christus folgende Gegenleistung erbringen, nämlich dass du die Tempel der (heidnischen) Götter zerstörst und die Kirchen von Christus wieder aufbaust und ihn verehrst.“

Als daher Konstantin aus dem Schlaf aufwachte, schickte er sofort Soldaten zu Silvester. Als Silvester die Soldaten sah, glaubte er, zum Märtyrertod gerufen zu werden. Im Vertrauen auf Gott und nach Ermutigung seiner Gefährten zeigte er sich dem Konstantin ohne jede Furcht.

Konstantin sagte zu ihm:

„Wir danken dir, dass du wohlbehalten hergekommen bist.“

Daraufhin wurde er von Silvester ebenfalls gegrüßt und erzählte ihm der Reihe nach die Erscheinung seines Traumes.

Auf die Frage Konstantins, wer denn jene zwei Götter seien, die ihm erschienen seien, antwortete er ihm, jene seien die Apostel (Abgesandten) Christi und keine Götter. Hierauf befahl Silvester auf Bitten des Kaisers, ihm die Bilder der Apostel zu bringen.

Sobald der Kaiser diese erblickte, rief er aus:

„Die mir erschienen sind, sind so beschaffen (sehen so aus).“

Silvester aber machte ihn zum Taufanwärter und erlegte ihm sieben Tage Fasten auf und ermahnte ihn, die Kerker zu öffnen.

Nachdem Konstantin in das Taufwasser gestiegen war, erstrahlte dort ein helles Licht und so stieg der Kaiser von dort rein heraus und verkündete, er habe Christus gesehen.

(T4)Konstantin schützt und fördert die Christen

 

Am ersten Tag seiner Taufe aber erließ er folgendes Gesetz, dass (nämlich) Christus in der römischen Stadt (=in der Stadt Rom) gleich wie der wahre Gott verehrt werden solle.

Am zweiten Tag, dass, wer Christus verspotte, bestraft werden solle.

Am dritten Tag, dass, wer auch immer Christus ein Unrecht antue, der Hälfte seiner Güter verlustig werden solle.

Am vierten Tag, dass der römische Bischof (der Bischof von Rom) von allen Bischöfen als Papst anerkannt werden solle.

Am fünften Tag, dass, wer auch immer sich in Kirchen flüchte, vor allen Gewalttaten geschützt bleiben solle.

Am sechsten Tag, dass niemand außer mit Erlaubnis des Papstes eine Kirche innerhalb der Mauern irgendeiner Stadt erbauen solle.

Am siebenten Tag, dass zur Errichtung von Kirchen ein Zehntel von öffentlichem Geld zugeteilt werden solle.

Am achten Tag kam der Kaiser zur Kirche des heiligen Petrus und klagte sich hart an betreffend seine Schuld (=schuldhaften Handlungen).

Dann nahm er eine Hacke und öffnete die Erde (=grub ein Loch in den Boden), um das Fundament für eine Basilika zu errichten.


 

(T 5) Silvester bekehrt auch die heidnischen Priester

Kurz danach kamen gewisse (heidnische) Priester zum Kaiser und sagten: „Hochheiliger Kaiser! Jener Drache, der in der Höhle ist, tötet, nachdem du den Glauben Christi angenommen hast, tagtäglich mehr als 300 Menschen mit seinem Gifthauch.“

Konstantin fragte Silvester um diesbezüglichen Rat und erhielt folgende Antwort:  „Durch die Wunderkraft Christi werde ich bewirken, dass er (der Drache) sich jeden Unrechtes sich enthält.“

Die (heidnischen) Priester versprachen zu glauben (=den christlichen Glauben anzunehmen), wenn er (Silvester) dies erreiche. Auf das Gebet des Silvesters erschien ihm der Heilige Geist und sagte:

„Steige sicher (in Sicherheit = ohne Angst)mit zwei Priestern  zu dem Drachen hinunter, und sobald du zu ihm gelangt bist, sprich ihn folgendermaßen an:

„Unser Herr Jesus Christus, geboren von einer Jungfrau, gekreuzigt und begraben, der wieder auferstanden ist und zur Rechten des Vaters sitzt, wird hierher kommen, um die Lebenden und die Toten zu richten. Du, Satan, sollst ihn in dieser Höhle erwarten, bis er kommt!“ Hierauf wirst du ihm (=dem Drachen) das Maul mit einem Bindfaden zubinden und mit einem Ring, der das Zeichen des Kreuzes trägt, ein Siegel aufdrücken. Danach werdet ihr heil und gesund zu mir kommen und das Brot essen, das ich euch zubereiten werde.“

Und so stieg Silvester mit zwei Priestern über 150 Stufen mit zwei Laternen in die Höhle hinunter. Dann sagte er dem Drachen die aufgetragenen Worte, und wie ihm befohlen worden war, band er ihm, obwohl er fauchte und zischte, das Maul mit einem Bindfaden zu und als er hinaufstieg, stieß er auf zwei (heidnische) Priester, die ihnen gefolgt waren, um zu sehen, ob sie bis zum Drachen hinunterstiegen, und die wegen des Gestankes des Drachen beinahe gestorben waren. Auch sie führte er gesund und unversehrt zurück.

Diese wurden unverzüglich mit einer übergroßen Menge bekehrt, und so wurde das Volk der Römer von zweifachem Tod befreit, nämlich von der Teufelsverehrung und vom Gift des Drachen. Schließlich ermahnte der heilige Silvester, der sich dem Tod näherte, den Klerus bezüglich dreier (Dinge), nämlich dass sie untereinander Nächstenliebe üben, ihre Kirchen sorgfältiger leiten und die Herde vor dem Biss der Wölfe schützen sollten.

Danach entschlief er glücklich im Herrn um das 320. Jahr des Herrn.

„De sancta Elisabeth“

(T1) Elisabeth, ein ungewöhnliches Mädchen

Elisabeth, die Tochter eines berühmten Königs von Ungarn, edel an Herkunft, doch durch Glaube und Religion noch edler, machte ihr so edles Geschlecht durch ihre Beispiele noch edler, verlieh ihm durch Wunder Glanz und zierte es durch Frömmigkeit.

Der Urheber der Natur (der Schöpfung) hob sie auf gewisse Weise über die Schöpfung hinaus, da das Mädchen jeden Schmuck entweder überhaupt missachtete oder für die Hingabe an Gott verwendete. Schon damals freilich begann sie, gute Bestrebungen lieb zu gewinnen, die Spielereien der Eitelkeit zu missachten, günstige Erfolge der Welt zu meiden und stets Fortschritte in der Verehrung Gottes zu machen. Als sie 5 Jahre alt war, verweilte sie mit so großem Eifer in der Kirche, um zu beten, dass ihre Familienangehörigen oder auch die Mägde sie kaum wegreißen konnten. Beim Eintreten in die Kirche beugte sie die Knie (=kniete sie sich nieder) oder legte sich ganz auf den Boden, und obwohl sie keine Kenntnis der Schrift hatte, breitete sie oft heilige Bücher vor sich aus, um gewissermaßen vorzutäuschen, dass sie lese, damit niemand sie hindere. Auch maß sie sich unter dem Anschein eines Spieles mit den Mädchen, als sie auf dem Boden lag, damit sie bei einer derartigen Gelegenheit Gott Verehrung erweise. Auch bei Spielen verlegte sie die ganze Hoffnung auf Gott. Und von dem, was sie als kleines Mädchen ersparte oder sonst noch besaß, schenkte sie armen Mädchen den zehnten Teil und leitete sie an, oftmals das Vaterunser und häufig das Ave Maria (=Begrüßet seist du, Maria) zu beten. Damit sie sich nicht allzu sehr an weltlichen Erfolgen erfreue, nahm sie sich tagtäglich bei (für sie) günstigen Gegebenheiten etwas weg. Denn sooft ihr bei irgendeinem Spiel das Glück hold gewesen war, sagte sie, indem sie den Rest (=das restliche Spiel) unterbrach: „Ich will nicht weitermachen (=weiterspielen), sondern unterbreche (höre auf) wegen Gott.“ Wenn sie, aufgerufen zu Reigentänzen mit den Mädchen, einen Kreis zurückgelegt ahhte, sagte sie: „Ein (einziger) Kreis soll für euch genug sein, um Gottes Willen lasst uns die anderen aufgeben!“; und so machte sie es (auch). Damit die Mädchen sich in den Eitelkeiten mäßigten. Stets scheute sie vor der Verwendung von aufreizenden Kleidern zurück und liebte in Bezug auf diese jeden Anstand. Auch auferlegte sie sich eine bestimmte Anzahl von Gebeten. Wenn sie aber diese (=Anzahl), weil sie mit irgendetwas beschäftigt war, nicht ausführen konnte und von den Dienerinnen gezwungen wurde, zu Bett zu gehen, verweilte sie mit dem himmlischen Bräutigam im nächtlichen Gebet. ....

 

(T2) Die Unfreiwillige Heirat

 

Sobald sie aber den jungfräulichen Stand klug geführt und unschuldig durchlaufen hatte, wurde sie von ihrem Vater dazu gezwungen, in den Ehestand einzutreten.

Sie stimmte daher, wenn auch gegen ihren Willen, zur Ehe zu, aber nicht, um der (sexuellen) Zügellosigkeit zuzustimmen, sondern um nicht dem Gebot ihres Vaters zu widersprechen und um Söhne (=Kinder) zu gebären, um sie zum Dienst an Gott zu erziehen.

Obwohl sie dem Gesetz des Ehebettes verpflichtet war, unterlag sie (empfand sie) keinerlei Vergnügen. Dies steht eindeutig fest, da sie ja im Beisein von ihrem Lehrer Conrad das Gelübde ablegte, dass, falls sie ihren Gatten überleben sollte, sie lebenslange Enthaltsamkeit üben werde.

So wurde sie also mit dem Landgrafen von Thüringen ehelich verbunden, gleichsam damit sie auf dieser Erde, so wie es ihr fürstlicher Stand erforderte und der göttliche Wille befahl, zahlreiche (Menschen) zur Gottesliebe hinführte und ungebildete Menschen ausbildete.

Obgleich sie ihren Stand verändert hatte, hatte sie ihre Gesinnung trotzdem nicht geändert.


 

(T3) Elisabeth bleibt sich treu

 

Wie groß aber ihre Hingabe und ihre Demut Gott gegenüber war, wie groß ihre Strenge und ihre Enthaltsamkeit gegen sich selbst, wie groß ihre Freigebigkeit und ihr Mitleid gegen Arme war, das zeigt sich aus dem, was unten angeführt ist.

Oft stand sie in der Nacht zu Gebet auf, obwohl ihr Gatte sie bat, sich zu schonen und ihren Körper zur Ruhe kommen zu lassen. Sie aber befahl, dass eine bestimmte, ihr äußerst vertraute Dienerin sie am Fuß berühren und aufwecken solle, falls sie zufällig von Schlaf überwältigt sich nicht erhebe.

Einst jedoch wollte jene den Fuß ihrer Herrin berühren und stieß zufällig an den Fuß des Gatten. Dieser erwachte plötzlich und erkannte die Sachlage, wie sie war, und indem er sie geduldig ertrug, schwieg er klugerweise.

Die heilige Elisabeth unterwarf sich so großer Demut, dass sie wegen ihrer Liebe zu Gott Geringes nicht verachtete und dies mit allzu großer Hingabe ausübte.

Denn einen bestimmten, wegen des vom Kopf ausgehenden Gestankes abstoßenden Kranken ließ sie an ihre Brust anlehnen und säuberte (ihm) nach Abschneiden des struppigen Haares den Kopf unter Gelächter ihrer Dienerinnen.

An den Bitttagen folgte sie der Prozession immer mit bloßen Füßen und (bekleidet) mit Wollgewändern, und bei den Stationen der Lobpreisungen sah man sie gleichsam arm und einfach unter den armen Frauen.

 


 

(T4) Hart mit sich selbst, großherzig mit anderen

Auch erlegte sie sich so große Enthaltsamkeit und Härte auf, dass sie sich durch Nachtwachen, Züchtigungen und Fasten einschränkte. Denn oft hielt sie sich vom Ehebett fern und verbrachte die Nächte schlaflos, um im Dunkeln Gebete sprechen zu können; und wenn die Notwendigkeit des Schlafes (das Schlafbedürfnis) Einhalt gebot, schlief sie auf dem (nackten) Boden.

Wenn jedoch ihr Gatte abwesend war, verbrachte sie die Nächte mit dem himmlischen Bräutigam mit Gebeten. Oft auch ließ sie sich mit Hilfe der Hände ihrer Dienerinnen heftig auspeitschen, um ihr Fleisch vor jeglicher Ausschweifung zu zügeln.

Bei Speise und Trank aber zeigte sie so große Mäßigung, dass sie bei Tisch (beim Mahl) ihres Gatten während der verschiedenen Arten von Speisen bisweilen mit einfachem (=trockenem) Brot zufrieden war. Als sie einst von der Anstrengung einer langen Reise überwältigt war und ihrem Gatten und ihr verschiedene Speisen angeboten wurden, enthielt sie sich überhaupt (verweigerte sie alles), weil man nicht glaubte, dass sie (=die Speisen) durch Gerechte (=anständige, legale) Arbeiten erworben worden waren, und verspeiste geduldig mit ihren Dienerinnen schwarzes, hartes, in warmem Wasser aufgeweichtes Brot. Obwohl sie sich aber Enthaltsamkeit auferlegt hatte, war sie trotzdem von so großer Freizügigkeit gegenüber Armen, dass sie niemanden an irgendeinen Mangel  leiden ließ, sondern allen so großzügig Hilfe angedeihen ließ, dass alle sie Mutter der Armen nannten.

….(deutscher Text)

Auch sie selbst bot den an Hunger Leidenden Nahrungsmittel an, so, dass sie nach Abreise ihres Gatten an den Hof des Kaisers Friedrich, der sich damals in Cremona befand, alles Getreide von ihren Speichern sammelte und den Armen, die von überall her zusammen gekommen waren, tagtäglich das Notwendige austeilte, (und zwar) deshalb, weil eine Teuerung und eine harter Hungersnot drohte.

Oft jedoch, wenn ihnen das Geld ausging, verkaufte sie Schmuckstücke, um den Armen zu helfen. Sie hatte es sich angewöhnt, sich und ihren Dienerinnen vieles zu entziehen und für die Armen zurückzulegen. Sie selbst nahm Hospiz und Pilger gastlich auf, denn sie hatte unter der äußerst hohen Burg eine riesige Behausung errichten lassen, in der sie eine große Anzahl von Kranken pflegte. In derselben Behausung ließ sie auch die Kinder armer Frauen mit größter Sorgfalt ernähren, denen sie sie sich so mildtätig und demütig erwies, dass alle sie Mutter nannten und ihr, wenn sie das Haus betrat, so wie Kinder ihrer Mutter folgten. ….

(T5) Elisabeth findet Unterstützung in ihrem Mann

 

Bei all dem muss die Hingabe ihres Gatten gelobt werden, der, obwohl er in viele Tätigkeiten eingebunden war, trotzdem fromm gegenüber Gott war, und weil er selbst sich solchen Dingen nicht widmen konnte, seiner Gattin die Möglichkeit zugestanden hatte, alles auszuführen, was die Ehre Gottes betraf und ihrer Seele Heil erwirkte.

In dem Wunsch, ihr Gatte solle die Waffen seiner Macht (=die ihm zur Verfügung stehenden Waffen) auf die Verteidigung des Glaubens richten, veranlasste die heilige Elisabeth ihn dazu aufzubrechen, um das Heilige Land zu besuchen.

Jener Landgraf, berühmt durch unbescholtene Treue und aufrichtige Hingabe, gab auf der Reise Gott sein Leben hin und empfing für seine Werke den Lohn des ewigen Ruhmes. Und so erhielt sie selbst den Witwenstand mit Hingabe.

 


 

(T6) Glanz der Armut

 

Obwohl jedoch der Tod ihres Gatten in ganz Thüringen bekannt gemacht worden war, wurde sie selbst gleichsam als Verschwenderin von gewissen Lehnsleuten ihres Gatten in Schande und zur Gänze aus der Heimat vertrieben. Dadurch erstrahlte ihre Genügsamkeit umso mehr und ihr Streben nach Armut, das sich lange zuvor gezeigt hatte, wurde erfüllt. Als daher die Nacht anbrach, zog sie sich in das Haus eines (gewissen) Wirtes an einen Ort zurück, wo Schweine gelegen waren, indem sie sich Gott äußerst dankbar zeigte. Bei der ersten Morgendämmerung aber begab sie sich zum Haus der Minoriten und bat, dass sie Gott für ihre Arbeit danken und das „Te Deum“ singen sollten.

Am nächsten Tag befahl man ihr, mit ihren Kindern das Haus ihres Neiders zu betreten. Als Wirt und Gastgeberin schlecht mit ihr verfuhren, verabschiedete sie sich von den Wänden, indem sie sagte: „Gern würde ich mich von Menschen verabschieden, wenn ich sie wohltätig befinden würde.

Aus Not kehrte sie daher an den früheren Ort zurück und ließ ihre Kinder an verschiedenen Orten aufziehen.

….(deutscher Text)

Sie selbst aber legte ein religiöses Gewand an, sozusagen schäbige Kleider, und hielt sich nach dem Tod ihres Gatten an lebenslange Enthaltsamkeit, leistete vollkommenen Gehorsam und nahm freiwillige Armut auf sich. Sogar betteln wollte sie gehen, aber Meister Konrad erlaubte es nicht.

 


 

(T7) Kein Zurück mehr

 

Als aber ihr Vater, der König Ungarns, hörte, dass seine Tochter von so großem Mangel bedrückt werde, schickte er einen Grafen zu ihr, um sie in die Heimat zurückzubringen. Als dieser sie mit solchem Gewand geschmückt sah und bemerkte, dass sie demütig dasaß und Wolle spann, rief er vor Verwirrung und Bewunderung aus: „ Niemals erschien eine Königstochter in so schäbigem Gewand und wurde dabei gesehen, wie sie Wolle spann.“ Als er aber die hl. Elisabeth eindringlich bat, in die Heimat zurückzukehren, stimmte jene nicht zu und wollte lieber mit Armen in Armut leben als mit Reichen an vielerlei Reichtümern Überfluss zu haben.

Als aber ihr Geist ganz auf Gott überging und ihre eifrige Hingabe durch nichts behindert wurde, bat sie den Herrn, dass er ihr die Verachtung aller auf das Diesseits gerichteten (Dinge) eingebe und die Liebe zu ihren Söhnen (Kindern) aus ihrem Herzen reiße sowie Standhaftigkeit gegen alle Ungerechtigkeiten gebe.

 


 

(T8) Der Herr erhört Elisabeths Bitten

 

Nachdem dieses Gebet gesprochen war, hörte sie den Herrn zu sich sagen:

„Dein Gebet ist erhört worden.“

Sie sagte zu ihren Dienerinnen: „Der Herr hat meine Stimme erhört, weil ich sowohl alle auf das Diesseits ausgerichteten Dinge für nichts erachte als auch meine Söhne (Kinder) nicht mehr als die anderen mir Nahestehenden betreue und die Geringschätzung meiner Person und die Ungerechtigkeiten gering Schätze und weil ich offensichtlich nichts anderes Liebe als Gott.

….(deutscher Text)

Nachdem sie 2000 Mark als Witwengeld erhalten hatte, gab sie einen Teil den Armen und ließ vom Rest ein großes Spital errichten. Deswegen hielten alle sie für eine Verschwenderin und alle nannten sie wahnsinnig; und weil sie es verstand, alle Ungerechtigkeiten mit Freude zu ertragen, rechneten sie es ihr als Verbrechen an, dass sie, weil sie sich solcher Art freute, allzu rasch das Andenken an ihren Gatten aus ihrem Herzen vertrieben hatte.

Nachdem sie jedoch das Spital errichtet hatte, widmete sie sich so wie eine niedrige Magd den Diensten an den Armen, denn sie legte sie gebadet sogar in ihre Betten und deckte sie zu.

 


 

(T9) Elisabeths Ende

 

Als aber die Zeit herannahte, da der Herr seine geliebte Dienerin aus der Welt abzuberufen beschloss, damit sie, welche das Reich der Sterblichen gering geschätzt hatte, das Reich der Engel  genießen sollte, erschien ihr Christus und sagte:

„Komme, meine Geliebte Dienerin, in die für dich vorbereitete ewige Wohnung!“

Als sie daher an Fieber leidend im Bett lag und ihr Gesicht zur Wand hielt, hörten die Umstehenden sie eine unendlich süße Melodie singen. Als sie von einer der Mägde (Dienerinnen) gefragt wurde, was denn dies sei (bedeute), antwortete sie:

„Ein Vögelchen hat sich zwischen mich und die Wand gesetzt und hat so süß gesungen (gezwitschert), dass es mich gleichzeitig zum Singen veranlasst hat.“

Während ihrer Krankheit aber war sie stets fröhlich und ließ niemals ab vom Gebet, am letzten Tag jedoch vor ihrem Übergang sagte sie zu ihren Dienerinnen:

„Was würdet ihr tun, wenn jetzt der Teufel selbst zu euch käme?“

Gleich danach aber rief sie dreimal aus, indem sie mit lauter Stimme gleichsam den Teufel vertrieb: „Verschwinde!“ (= Flüchte!)

Hierauf sagte sie: „Seht, es nähert sich die Mitternacht, die Stunde, in der Christus geboren werden wollte und in der Krippe ruhte.“

Als sich aber die Stunde ihres Hinganges näherte, sagte sie:

„Schon steht die Zeit bevor, in der der allmächtige Gott diejenigen, die (seine) Freunde sind, zur himmlischen Hochzeit aufruft.“

Kurz darauf jedoch, im 1231. Jahr des Herrn, kam sie zur letzten Stunde (=kam ihre letzte Stunde) und sie entschlief in Frieden.

….(deutscher Text)


 

Quellen:

 

Literatur:

Jacobus de Voragine, Legenda aurea, lateinisch-deutsch, ausgewählt, übersetzt und herausgegeben von NICKEL, R., Stuttgart 1988.

 

 

Quellen & Links

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