Ist ein
einheitliches Schulsystem in Deutschland sinnvoll?
Die seit Jahren immer wiederkehrende Diskussion über ein
einheitliches Schulsystem in Deutschland verdeutlicht die Relevanz dieses
Themas. Erste Schritte wie die Einführung zentraler Prüfungsaufgaben für die
verschiedenen Schulabschlüsse (z. B. Zentralabitur, zentrale Prüfungsaufgaben
für den Hauptschulabschluss und die Mittlere Reife) zeigen, welche Richtung
hier eingeschlagen werden soll.
Auch wenn Umfragen belegen, dass nicht nur Eltern und Schüler,
sondern auch die Wirtschaft und die Lehrkräfte zu einem hohen Prozentsatz
(zwischen 70 und 80% laut TNS Infratest) ein einheitliches Schulsystem in
Deutschland wünschen, gibt es dennoch Kritiker, die mit ihren Argumenten
versuchen, dieser Entwicklung entgegenzuwirken.
So führen Gegner eines einheitlichen Schulsystems vor allem die
enormen organisatorischen Schwierigkeiten an, die eine Umsetzung der
gewünschten Veränderung mit sich bringen würde. Es müsste nicht nur eine
Vielzahl neuer Gremien gebildet werden, die sich z.B. mit der Auswahl von
Lehrplänen, Lerninhalten, Schulbüchern und Gestaltung des Schulalltages
auseinandersetzen und miteinander abstimmen müssen, sondern die weit
schwierigeren Fragen eines zentralen Bildungsministeriums und Abschaffung der
entsprechenden Länderministerien sowie die Finanzierung einer solchen Maßnahme
müssten geklärt werden.
Im Hinblick auf einheitliches Lernmaterial und Schulbücher wird
argumentiert, dass damit die Gefahr einer Monopolisierung im Verlagswesen
entstehe, der Wettbewerb der Verlage untereinander quasi wegfalle und sich
damit möglicherweise auch die Qualität des Lernmaterials und der Schulbücher
verschlechtere.
In Zeiten wirtschaftlicher Knappheit wird vor allem von den
hauptsächlich CDU- regierten Bundesländern damit argumentiert, dass eine solche
Maßnahme den Föderalismus der einzelnen Länder stark begrenze, ihre
Eigenständigkeit und Selbstbestimmung immer weiter eingeschränkt werde. Dies
widerspreche dem historischen Hintergrund der BRD, bei dem die Aufteilung von
Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten auf einzelne Länder immer ein
zentraler Aspekt gewesen sei.
Eng damit verknüpft ist auch der Kostenaufwand, der aus Sicht
der Gegner des einheitlichen Schulsystems durch die Umsetzung eines solchen für
Bund und Länder entsteht. Wie bereits oben beschrieben müssten beispielsweise
eine Vielzahl von Gremien neu gebildet und Ministerien umgestaltet bzw. zusammengefasst,
neues Schul-und Lehrmaterial angeschafft und gegebenenfalls im Rahmen der
Lernmittelfreiheit, die es noch in einzelnen Bundesländern gibt, zur Verfügung
gestellt werden. Diese Sichtweise ist jedoch sehr einseitig, da alle
Möglichkeiten von langfristigen Einsparungen übersehen oder nicht zur
Diskussion gestellt werden, wie dies bei den Befürwortern eines einheitlichen
Schulsystems der Fall ist.
Sie führen an, dass ein einheitliches Schulsystem langfristig
enorme Einsparungen im Verwaltungssektor (nicht viele teure Einzelverwaltungen
auf Landes oder gar Kreisebene, sondern eine zentrale Verwaltung) zur Folge
hat und z. B. auch Schulbücher deutlich preisgünstiger produziert werden
könnten, da die Auflage der Bücher bei einem einheitlichen Schulsystem
deutlich höher wäre als heute, wo viele verschiedene Verlage die
unterschiedlichsten Schulbücher für die einzelnen Schuljahre anbieten. Der
„Gesamtbetrieb Schule“ wäre aus ihrer Sicht deutlich kostengünstiger zu
gestalten, da alles in großen Mengen angeschafft und beschafft müsste.
Auch seitens der Wirtschaft gibt es klare Argumente für ein
einheitliches Schulsystem in Deutschland. So wäre es einem Arbeitgeber eher
möglich, die Schulleistung eines Bewerbers unabhängig davon, in welchem
Bundesland dieser seinen Abschluss erreicht hat, mit der eines anderen zu
vergleichen. Weiter werde sicherlich der Wettbewerb zwischen den einzelnen
Bundesländern gefördert, wenn alle dasselbe Ausgangsmaterial hätten.
Heute, da vor allem seitens der Arbeitswelt eine erhöhte
Mobilität und Flexibilität von den Arbeitnehmern gefordert wird, ist es
wichtig, dass die Belastungen für die Familie im Rahmen eines Umzuges
verringert werden. Einheitliches Lernmaterial würde es einem Schüler, der von
einem Bundesland in ein anderes umziehen musste, erleichtern, schnell Anschluss
an den Schulalltag zu finden. Da er sein Lernmaterial weiter benutzen könnte,
wäre die Familie nicht zusätzlichen Kosten ausgesetzt, was in Zeiten
wirtschaftlicher Rezession wichtig ist.
Auch für Lehrkräfte, die von einem Bundesland in ein anderes
wechseln wollten oder müssten, wäre die Umstellung in schulischer Hinsicht
gleich Null, es wäre leichter „Lehrerpotenzial“ innerhalb Deutschlands
umzuverteilen, d.h. „Lehrer reiche“ Bundesländer könnten Lehrkräfte im
Bedarfsfall eher an andere abgeben.
Das stärkste Argument der Befürworter eines einheitlichen
Schulsystems sind die Ergebnisse der jährlichen Pisa-Studie, die deutlich
belegen, dass Nationen mit einem einheitlichen Schulsystem (z. B. Dänemark,
Schweden, Finnland) jeweils am besten abschnitten, d.h. die höchste
Bildungsqualität haben.
Angesichts aller diskutierten Argumente erscheint es mir
sinnvoll, auch in Deutschland ein einheitliches Schulsystem einzuführen. Dies
ist sicherlich mit Schwierigkeiten wie kurzfristigem Kostenaufwand und
verschiedenen Umstrukturierungen verbunden, doch wiegen die positiven Aspekte
eines einheitlichen Schulsystems diese aus meiner Sicht bei weitem auf.