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Ist der Umgang mit der Zeit ein Zukunftsproblem?

„Die Zeit verweilt lange genug für denjenigen, der sie nutzen will.“, sagte bereits Leonardo Da Vinci. Abgesehen davon, dass die Zeit ein vom Menschen geschaffener Begriff für etwas Unfassbares ist, beklagt sich eine breite Bevölkerungsschicht zunehmend über Zeitmangel.

Sich Zeit nehmen wird immer bedeutender in der modernen, hoch technologisierten Gesellschaft. Auf der anderen Seite scheint ebenso eine dauernde Erreichbarkeit und ständige Flexibilität zur Voraussetzung zu werden. Die besagten neuen Technologien schaffen zwar Zeit, wie wir diese Zeit jedoch nutzen, bleibt jedem selbst überlassen und hieraus ergibt sich immer wieder eine nicht pauschalisierbare Problematik.


Zeit, die wir als Gesellschaft durch fortschrittliche, technische Neuerungen im Alltag sparen, verbrauchen wir für neue Dinge. Ein Beispiel ist Facebook: Knapp 14 Millionen Nutzer gibt es alleine in Deutschland. Dabei neigen gerade junge Erwachsene zu einer zu ausgiebigen Benutzung von Facebook - sie „vergeuden“ augenscheinlich Zeit, welche sie im gleichen Atemzug durch Facebook sparen, indem Facebook zum Beispiel die Kommunikation rund um die Welt erleichtert.

Durch Social Networks, aber auch Handys und Laptops steht eine ununterbrochene Erreichbarkeit zu Verfügung, welche mittlerweile sogar häufig als selbstverständlich vorausgesetzt wird. Nehmen wir als Beispiel einen Manager in einem mittelgroßen Unternehmen: Je höher der Beschäftigungsgrad, desto kontinuierlichere Erreichbarkeit verlangt die Wirtschaft von diesem, so scheint es.

Schafft er es nicht, abends seine Email abzurufen, so läuft er in Gefahr, wichtige Infos zu spät zu erfahren – häuft sich dieses Ereignis, verliert er wohlmöglich seinen Job.

Die Fähigkeit zum Zeitmanagement mag ein Ausweg sein. Es bleibt einem scheinbar die freie Wahl - das Recht, selbst entscheiden zu können wann und für was man seine Zeit verbraucht. Aber ist es folglich auch richtig zu sagen, dass nur noch Menschen mit einem enorm hohen Belastungsgrad und einer gewissen Aufopferungsbereitschaft einen hohen Beschäftigungsgrad erreichen können? Ein Fehler im System möchte man meinen - so einfach ist diese Frage jedoch nicht zu beantworten.

Die Konsequenzen sind absehbar: Weniger Zeit für die Familie und Freunde und eine grundsätzliche Verschmelzung von Arbeit und Privatleben. Doch der Wunsch, diesen Voraussetzungen gerecht zu werden, steigt unablässig: Statussymbole nehmen einen immensen Stellenwert in der modernen Gesellschaft ein, der Druck, immer mehr Geld zu verdienen steigt als Konsequenz ebenso.

Aus diesem enormen Leistungsdruck resultieren wiederum neuartige psychosomatische Krankheiten wie „Burnout“. Erschreckend hierbei ist die Zahl der immer jünger werdenden Erkrankten: Bereits Studenten sowie Schüler leiden unter Burnout und die Anzahl der Betroffenen steigt unweigerlich an.

Denn nicht nur der Druck auf die Chefetagen steigt, bereits Schüler werden auf eine Leistungsgesellschaft hin getrimmt. „Immer schneller, immer besser“, heißt hier das Motto, welches sich beispielsweise in der Einführung des achtjährigen Gymnasiums manifestiert. Drei Klausuren in einer Woche sind keine Seltenheit und vervollständigen den zunehmenden Leistungsdruck auf die, oft noch minderjährigen Schutzbefohlenen.

Ein Entschuldigungszettel, welcher sämtliche Fehlstunden der Schüler dokumentiert und von dem Schüler selbst legitimiert werden muss, lässt auf eine ebenso steigende Kontrollsucht schließen. Was passieren wird, wenn der Staat den Druck auf Schüler weiter erhöht, lässt sich am Beispiel Nordkorea in Augenschein nehmen: Neben Ganztagsschulen und Lernsessions in den Ferien, liegt nirgendwo die Selbstmordrate unter Schülern höher als in diesem militär-diktatorisch geführten Land.

Auch die Kirche nimmt diese Warnsignale ernst und erinnert immer wieder daran, die Freizeit für Familie und/oder sich selbst zu verwenden. Zeit ist ein Geschenk Gottes, so argumentieren die Geistlichen. Wie man seine Freizeit verbringt, lässt sich dabei jedoch nicht pauschalisieren: Familie mag für den ein oder anderen Stress bedeuten und er widmet sich lieber der Pflege seiner Fußnägel.

Für den anderen mag der Besuch bei der Kosmetikerin mehr Qual und Notwendigkeit sein, als entspannte Freizeitgestaltung. Nichtsdestotrotz erinnert uns die Kirche an vermeintlich „alte“ Werte, wie den Sonntag als „freien“ Tag zu zelebrieren. Doch wen erreicht die Kirche mit ihrer Argumentation noch? Die Kirchengänger werden immer rarer, niemand scheint mehr Zeit zu haben für Religion.

Ein Manager wird seinen, wenn überhaupt, freien Sonntag wohlmöglich mit, für ihn, sinnvolleren Aktivitäten verbringen, vielleicht wird er seine Steuererklärung machen oder einfach Ausschlafen. Ähnlich geht es dem Schüler: Wenn er nicht am Sonntag arbeiten muss, um sich aktuelle Statussymbole wie ein neues IPhone leisten zu können, wird er froh sein auch mal ausschlafen zu können oder die freie Zeit mit Lerneinheiten besetzten - denn ein gutes Abitur ist heutzutage bereits maßgebend, um überhaupt den gewünschten Studiengang besuchen zu können.


Wissenschaftler, Lehrer sowie Priester warnen vor dem steigenden Leistungsdruck und den unweigerlichen Konsequenzen. Der Umgang mit der Zeit wird damit zu einem Zukunftsproblem. Die einzigen Gesellschaftsgruppen, bei denen diese Warnung noch nicht angekommen zu sein scheint sind die Wirtschaft wie auch die Politik, die einen immer weiter steigenden Leistungsdruck fordern, zum Wohl der Globalisierung sowie dem Profit.

Und somit endet dieser Artikel mit einem weiteren, kritischen, sowohl in dieser Beziehung wahren, Zitat des bewundernswerten Albert Einstein: „Es gibt zwei Dinge die sind unendlich: Das eine ist das Universum, das andere die menschliche Dummheit; Aber beim Universum bin ich mir noch nicht sicher.“




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