<
>
Download

Seminararbeit
Kulturwissenschaften

Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg

1.0, Prof. Dr. Gudrun Goes, 2013

Sophie V. ©
5.50

0.50 Mb
sternsternsternsternstern
ID# 31196







Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg - Fakultät für Humanwissenschaften

Seminar: Ausgewählte Probleme einer europäischen Kulturgeschichte


Die Stadt im Mittelalter

Inwieweit wurde die mittelalterliche Stadt durch die Pistis als Leitkodierung geprägt?

1. Einleitung 3

2. Terminologie 4

3. Kurze Geschichte der Stadt Freiburg 5

4. Die mittelalterliche Stadt als „Abbild“ Jerusalems? 7

5.  Die gotische Kathedrale als Sinnbild mittelalterlicher Architektur
     am Beispiel des Freiburger Münsters 10

6. Die Gründung von Universitäten 14

7. Schlussfolgerung 15

8. Bibliographie 17


1. Einleitung

Im frühen 12. Jahrhundert kam es in Mitteleuropa zu einer Welle von Stadtgründungen aufgrund eines erhöhten Bevölkerungswachstums, begünstigt durch ein milderes Klima. Viele Menschen suchten Arbeit und Wohnplätzte abseits ihrer ländlichen Siedlungen. Durch höhere Steuereinnahmen waren viele Adlige in der Lage sich eine Burg zu leisten.

Außerdem stieg demzufolge die Nachfrage nach Fernhandelsgütern. Neue Entwicklungen in der Landwirtschaft, die die Erträge steigen ließen, sowie der Übergang von der Naturalwirtschaft zur Geldwirtschaft begünstigten diese Entwicklungen. An strategisch günstig gelegenen Knotenpunkten von Fernhandelsrouten wurden also gezielt neue Städte gegründet.

Diese Arbeit befasst sich mit der Frage, in welchem Maß die Pistis als Leitkodierung des Mittelalters das Stadtbild, die Entwicklungen in der mittelalterlichen Stadt, sowie die mittelalterliche Architektur geprägt hat. Ferner soll untersucht werden, inwieweit der Stadtbau im Mittelalter am Beispiel Jerusalems orientiert ist.

Es gibt zahlreiche Bücher die sich mit Teilbereichen dieser Fragestellung befassen; wie etwa der gotischen Architektur, den mittelalterlichen Stadtgründungen, dem mittelalterlichen Grundriss von Städten oder diversen Aspekten christlicher Kulturgeschichte. Ziel dieses Aufsatzes ist es, diese Bereiche zusammenzufassen und zu verknüpfen. Die Bearbeitung der Fragestellung soll anhand des Beispiels der zähringischen Gründungsstadt Freiburg im Breisgau veranschaulicht werden.

Die Zeitspanne, die in dieser Arbeit betrachtet wird erstreckt sich von der Gründung des Marktes Freiburg, vermutlich im Jahr 1120, bis zum Ende des 15. Jahrhunderts, in dem die Universität Freiburg entstand.

Zunächst wird summarisch die im Mittelalter vorherrschende Leitkodierung der Pistis dargestellt, sowie mit wenigen Worten der Stadtbegriff definiert und der Unterschied zwischen gegründeten und gewachsenen Städten dargestellt. Im nächten Teil soll eine kurze Zusammenfassung der Freiburger Geschichte im Mittelalter dazu dienen, die Teilaspekte dieser Arbeit in den zeitlichen Zusammenhang einzuordnen.

Ferner folgt ein Kapitel über den typischen Grundriss der mittelalterlichen Stadt (soweit sich ein solcher  erkennen lässt), im Vergleich mit dem der Stadt Jerusalem. Dem folgt eine Passage zur gotischen Kathedrale, veranschaulicht am Beispiel des Freiburger Münsters. Der letzte Abschnitt befasst sich mit der Gründung von Universitäten im Mittelalter, gefolgt vom einem zusammenfassenden Schlussteil.


2. Terminologie


Es gibt keine allgemeingültige Definition des Stadtbegriffes. Vielmehr ist eine Stadt „durch eine Vielzahl von siedlungs- und verfassungsgeschichtlichen, baulichen, topografischen, funktionalen, namenskundlichen, wirtschaftlichen, kulturellen, rechtlichen und religiösen Kriterien definiert.“[1] In historischen Schriften tauchen die Begriffe burgus und suburbium auf, die präurbane gewerbliche Siedlungen im Umfeld einer Burg bezeichnen.

Gelegentlich waren diese in ihrer Größe schon mit Städten vergleichbar, allerdings waren sie, im Gegensatz zu diesen, an einen Grundherrn gebunden.

Ferner muss zwischen gegründeten und gewachsenen Städten unterschieden werden; gewachsene Städte zeichnen sich durch ein lang andauerndes Wachstum von Siedlungen mit römischen oder frühmittelalterlichen Anfängen aus. Sie sind von unregelmäßiger Gestalt, da sie sich bei ihrer Ausbreitung lediglich an den geologischen Bedingungen orientierten.

Im Gegensatz dazu entstanden gegründete Städte in kurzer Zeit, aufgrund des detailierten Plans eines Herrschers. Allerdings gibt es bereits seit den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts Kritik an dieser Unterteilung. Unter Städten, von denen man annahm sie seinen im Mittelalter gegründet worden, fanden Archäologen Reste von älteren Siedlungen. Mit dem Begriff „Stadtgründung“ ist also vielmehr eine in kurzer Zeit stattfindende Umstrukturierung präurbaner Siedlungen zu Städten gemeint, beispielsweise durch drastische Vergrößerung der bebauten Fläche, Ummauerungen usw.

Freiburg im Breisgau ist eine solche Stadt, die neben einer bereits bestehenden Siedlung errichtet wurde und gilt somit als gegründete Stadt.[2] Die Zähringer gelten als das erste Hochadelsgeschlecht, das die Städtegründung als politisches Instrument zur Verdichtung ihrer Herrschaft entdeckte.


Die Pistis (griech. Pistis=Glaube) als Leitkodierung des Mittelalters zeichnet sich durch gläubige Annahme einer Wahrheit aus. Sie bildet zusammen mit der griechischen Logos-Kodierung, welche die Wahrheit auf argumentative Weise sucht, ein die europäische Kulturgeschichte durchziehendes Gegensatzpaar.

Durch die Pistis-Kodierung wird die Religion zum dominanten Kultursystem des Mittelalters. Laut Silvio Vietta gibt es fünf zentrale Motive der Pistis; die Zentrierung auf Jesus als Messias, die Verweltlichung Gottes, eine Ausrichtung des menschlichen Lebens auf das Jenseits, eine soziale Einteilung der Menschen in Gläubige und Ungläubige, sowie eine moralische Diskreditierung alles Körperlichen. [3]

Dadurch, dass die Kirche im Mittelalter zu immer beträchtlicherer weltlicher Macht gelangte, andererseits aber auch der Kaiser, als religiös legitimierter Herrscher, Einfluss auf geistliche Belange ausüben wollte, kam es vermehrt zu Konflikten zwischen Kaisertum und Papsttum.

Die Kirche als religiös kodierte weltliche Macht hatte nur noch wenig mit der Idee des Christentums zu tun. Zwei zentrale Kulturgeschichtliche Errungenschaften des christlichen Mittelalters, die gotische Kathedrale und die Universität, die gleichzeitig auch Überschneidungen mit Merkmalen des antiken Logos aufweisen, sollen in dieser Arbeit näher betrachtet werden.[4]


3. Kurze Geschichte der Stadt Freiburg


Der Markt Freiburg wurde 1120 von Konrad von Zähringen, dem Bruder das amtierenden Herzogs Bertold III., auf seinem Besitz am Fuße des Schlossbergs gegründet. Die Bürger bekamen zahlreiche Rechte, die sie weitgehend aus der Abhängigkeit von einem Stadtherrn befreiten.

Es gab bereits einige Jahrzehnte zuvor vorstädtische Gebilde an dieser Stelle, an der sich wichtige historische Handelsrouten kreuzen. Diese, sowie der Silberbergbau und die dazugehörigen Verhüttungsanlagen, trugen in der Folgezeit maßgeblich zum Wachstum der Stadt bei.

1122 übernimmt Konrad von Zähringen nach dem Tod seines Bruders die Herrschaft. 1152, nach dem Tod Konrads von Zähringen, erneuert König Konrad III., der sich zusammen mit dem späteren Kaiser Friedrich Barbarossa in Freiburg aufhält, das Freiburger Stadtrecht. Konrads Sohn Bertold IV. und sein Enkel Bertold V. treten, nach dessen Tod, seine Nachfolge an. 1191 wird Berthold V. von Gegnern der Staufer sogar für die Wahl zur Nachfolge Kaisers Heinrich IV. vorgeschlagen, zu der er aber nach einem Arrangement mit Phillipp von Schwaben nicht erscheint.

1218 stirbt Bertold V. und wir im bereits fertiggestellten Ostteil des Freiburger Münsters beigesetzt. Seine Nachfolge tritt sein Neffe Egino von Urach an (daraufhin „Graf von Freiburg“). Unter seiner Herrschaft kommt es zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit Kaiser Friedrich II., in deren Folge Egino durch den Staufer als Stadtherr von Freiburg bestätigt wird und die Häuser Staufen und Zähringen sich versöhnen. 1120 wird erstmals die Existenz von 24 Ratsherren erwähnt.

In den 1230er Jahren lassen sich Zisterzienserinnen und Dominikaner im Umfeld Freiburgs nieder und bekommen von Gräfin Adelheid, die seit dem Tod Eginos 1236 die Regentschaft für ihren Sohn Konrad übernommen hat, Besitzungen zur freien Nutzung zugesprochen. Später in diesem Jahrhundert lassen sich noch etliche andere Orden in Freiburg nieder, die mit ähnlichen Privilegien bedacht werden.

In diesem Zeitraum gründeten und verbreiteten sich europaweit Klöster. 1245 wir Graf Konrad I. offiziell Herrscher von Freiburg, nachdem er das Herrschaftsgebiet mit seinem Bruder Heinrich geteilt hatte.

1252 wird die Stadt nach Norden erweitert. Die Erweiterung Neuburg wird 1260 ummauert. 1265 wird das Schwabentor, ein weiteres Stadttor, gebaut.

1272 tritt Graf Egino II., nach einer erneuten Gebietsteilung, die Nachfolge seines Vaters an. Unter ihm entsteht eine neue Stadtverfassung, die die Rechte des Adels weiter einschränkt. Von 1275 bis 81 wird Freiburg mehrmals von den Habsburgern belagert. Es kommt zum Friedensschluss mit Rudolf von Habsburg (der 1273 zum deutschen König gewählt wurde).

Als es zum Streit um die Krone zwischen König Adolf von Nassau und Herzog Albrecht von Österreich kommt, steht Egino II. auf der Seite Albrechts, die Stadt allerdings auf der des Königs. Nach der Niederlage Adolfs von Nassau und der Belagerung der Stadt 1299 müssen sich die Bürger zu eheblichen Mehrleistungen gegenüber Egino II. verpflichten.

1316 setzt Konrad II. seinen Vater gefangen und kommt so selbst an die Macht. 1331 entsteht, nachdem Freiburg zum wiederholten Mal verpfändet wurde und sich selbst freikaufen musste, erstmals der Gedanke sich von den Grafen freizukaufen, um direkt dem Haus Habsburg zu unterstehen.

Nach Konrads Tod tritt sein Sohn Friedrich die Nachfolge an. Er bestimmte seine Tochter Klara zur Erbin. Nach seinem Tod wird allerdings seinem Halbbruder Egino III., nach Klage vor dem kaiserlichen Hofgericht, die Herrschaft zugesprochen. 1366 kommt es zu kriegerischen Auseinandersetzungen, in deren Folge Egino aus der Stadt vertrieben wird. Die Stadt kaufte sich aus der Herrschaft das Grafen frei und verkaufte diese 1368 an Habsburg.

Dieser wird allerdings 1424 von den Bürgern, durch einen Städtebund mit Basel und Breisach, besiegt. 1427 geht Freiburg an Friedrich IV. zurück. 1439 kommt Herzog Albrecht VI. von Österreich an die Macht, der als einziger Habsburger in Freiburg residiert. 1455 bittet er Papst Calixt III. um Unterstützung für eine Universität in Freiburg, in der Beamte ausgebildet werden sollen.

Die Universität wird 1460, unter seinem Nachfolger Herzog Sigmund von Tirol, eröffnet.[5]   


4. Die mittelalterliche Stadt als „Abbild“ Jerusalems?


Will man die mittelalterliche Stadt in Europa mit Jerusalem als Vorbild vergleichen, so ist es notwendig, zwischen der real existierenden Stadt Jerusalem und der metaphorischen Stadt, dem „himmlischen Jerusalem“, zu unterscheiden. Wichtig ist auch, dass die mittelalterliche Stadt in zweifacher Hinsicht als „locus theologicus“[6] betrachtet werden kann.

Einerseits als Ort, an dem Theologie betrieben wird und andererseits auch selbst als Gegenstand theologischer Allegorie und Sinnbild wechselnder Paradigmen.  

Der Stadtbegriff war im Christentum lange Zeit negativ konnotiert, als unnatürlicher und entfremdeter Ort, an dem menschlicher Egoismus, Immoralität und Größenwahn vorherrschen, im Gegensatz zum asketischen ländlichen Leben. Dieses Bild entstand durch das Stadtparadigma des Alten Testaments, beruhend auf dem Schicksal von Sodom und Gomorra, zwei Städten die, aufgrund ihrer Sündhaftigkeit, von Gott zerstört wurden.

Aber auch das Neue Testament zeichnet sich durch ein gleichermaßen verneinendes Paradigma aus. Da es im Mittelmeerraum entstand, ist das Stadtbild, das es schildert, geprägt durch Großstädte wie Rom und Alexandria, Schmelztiegel unterschiedlichster Kulturen und Ort von Laster und Sünde. Diese Ablehnung der Stadt steht im Widerspruch dazu, dass das Christentum eigentlich zu Beginn vor allem eine städtische Religion ist, da die christliche Missionierung über die Städte stattfindet.

Ein solches Bild ist für die auf das jenseitige Leben ausgerichtete Pistis von essentieller Bedeutung. Diese Utopie ist anzustreben und irdische Städte sollen von Babylon in Jerusalem verwandelt werden. Im Galaterbrief wird deutlich, dass sich das irdische und das himmlische Jerusalem unterscheiden: Das irdische Jerusalem lebt in Knechtschaft, wohingegen das himmlische frei ist.  

Mit der gesteigerten Entwicklung von Städten im 12. Jahrhundert, werden diese allerdings erstmals wirklich zum Gegenstand theologischer Diskussion. Bernhard von Clairvaux war der Ansicht, die Städte seinen das neue Babylon und das himmlische Jerusalem sei nur in den Zisterzienserklöstern erreichbar.

Dies geschehe nicht durch Bauwerke, die der Vorstellung die man vom himmlischen Jerusalem habe entsprechen, sondern durch die Heiligkeit des Ortes. Ausgehend von dieser Perspektive muss man also zwischen einer monastischen und einer städtischen Theologie unterscheiden, wobei der Letzteren, wegen ihres intellektuellen Hochmuts, ein „babylonischer Beigeschmack“ anhafte (Clairvaux stellt hier den Vergleich mit Athen auf).

Andererseits eröffnen die neu entstandenen Städte völlig ungewohnte Möglichkeiten und eine neue theologische Infrastruktur, dadurch, dass herkömmliche, traditionelle Orientierungsmuster ersetzt wurden. In den Städten wird nun Theologie gelehrt und in einem neuen Umfeld diskutiert.[7]

Jerusalem steht zu dieser Zeit im Konflikt mit Rom, dem Sitz des Papstes. Allerdings wird Jerusalem durch die Kreuzzugsrhetorik (hervorgerufen durch die, die Pistis dominierende Unterteilung in Gläubige und Ungläubige) fortwährend ins Zentrum gerückt, da es, als vermuteter Schauplatz der Apokalypse, aus der Hand der Muslime befreit werden soll.

Auch in mittelalterlichen Stadttopographien lässt sich eine signifikante Prägung durch ein Idealbild feststellen. Für zahlreiche Stadtgründungen war Jerusalem, als der Mittelpunkt der Welt, welches in vielen Abbildungen als viereckig dargestellt wird ein Vorbild.

Allerdings ist es schwer, Elemente zu finden, die über diese grundlegende Übereinstimmung hinausgehen. Bereits in der Antike und in ägyptischen Hieroglyphen wird die Stadt als sich kreuzende Koordinaten oder Kreuz im Kreis dargestellt. In der mittelalterlichen Stadt, sowie in der Vorstellung von Jerusalem, wie sie in mittelalterlichen Karten erkennbar ist, ist dies auch deutlich sichtbar.

Meist sind im Mittelalter neu geründete Städte auf sich kreuzenden, alten Handelsrouten angelegt, welche dann auch als Hauptstraßen die Stadt durchkreuzen. Am Beispiel von Freiburg ist dies deutlich feststellbar. Die Stadt ist auf der Kreuzung von zwei wichtigen Handelsrouten gegründet, von denen die eine das Oberrheintal hinab bis Basel führt und die andere, die Schwarzwaldstraße, durch das Höllental vom Schwarzwald hinunter kommt und eine wichtige Verbindung mit dem Bodenseeraum darstellt.

Dies ist ein bis heute existierendes Zeugnis der spezifisch zähringischen Stadtplanung und deren hoher technischer Professionalität. Auch ist unverkennbar, dass die Stadt geründet wurde um schnell möglichst viele Siedler und somit Investoren anzulocken. Es wurde sparsam mit Boden umgegangen und es existierte eine große Zahl baureifer Parzellen. Das Straßensystem liegt, wie bereits erwähnt, auf den Haupthandelsrouten sowie auf den kürzt möglichen Verbindungen zwischen den, schon vor der Stadtgründung existierenden, umliegenden Dörfern (die zu späterer Zeit nach und nach eingemeindet wurden).

Auffällig ist auch, dass die Baublöcke, sowie die meisten Straßen, die von Ost nach West verlaufen, in einer Wellenbogenform A konstruiert sind. Warum dies so ist lässt sich nur vermuten. Es könnte am wellenförmigen Verlauf einer wichtigen Straße (der Bertholdstraße) liegen, an der sich die restliche Baustruktur geometrisch orientierte.[8] Es lässt sich auch in einigen Darstellungen Jerusalems eine Wellenform der Straßen erkennen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass obwohl das Idealbild einer Stadt, das „himmlische Jerusalem“ für die mittelalterliche Theologie von großer Bedeutung war, bei Gründungsstädten praktische Überlegungen und bereits existente Wegsysteme ausschlaggebend für die Stadtplanung waren.


5.  Die gotische Kathedrale als Sinnbild mittelalterlicher Architektur,   am Beispiel des Freiburger Münsters


Kathedralen entstanden im neuen urbanen Umfeld der Städte. Sie waren nicht nur Bischofskirchen, sondern zugleich Kirchen der Bürgerschaft. Die Gotik entstand Mitte des 12. Jahrhunderts in Frankreich, von wo aus sie sich in ganz Europa verbreitete. Die Kirche von Saint-Denis in Paris (1140) gilt als erstes gotisches Bauwerk.

Der Magdeburger Dom (1209) ist ein Beispiel für den Übergang vom romanischen zum gotischen Baustil im Deutschen Reich, wobei die Liebfrauenkirche in Trier (1230) als erster rein gotischer Bau gilt. Mit dem Bau des spätromanischen Teils des Freiburger Münsters wurde bereits 1200 begonnen A. Nach dem Tod Bertolds V., der in der noch unfertigen Kirche beigesetzt wurde, begann man zwischen 1220 und 1230 mit dem Bau des gotischen Langhauses.

Der Turm wird von vielen Kulturhistorikern (unter anderem Jacob Burckhardt) als „der schönste Turm der Christenheit“ bezeichnet.[9] A Er besitzt den ersten durchbrochenen Turmhelm der Welt. Außerdem diente er als Vorbild für gotische Bauten, die erst in späteren Jahrhunderten fertiggestellt wurden (beispielsweise den Kölner Dom).

Der Bau gewaltiger Kathedralen, die alle bisher dagewesene Architektur buchstäblich in den Schatten stellten, war ein wichtiges Anliegen mittelalterlicher Frömmigkeit. Sie sollten die Gottesstadt, also das „himmlische Jerusalem“ darstellen. Dafür war eine Leichtigkeit der Architektur, Durchbrechung der Mauern, viel Lichteinfall sowie bunt verglaste Fenster, die wie die Edelsteine in Schilderungen des „himmlischen Jerusalems“ leuchteten („Das „neue Jerusalem“ wird sich vom Himmel herabsenken, von unzähligen Heiligen und Engeln bewohnt, wie Edelsteine glänzend, mit hohen Mauern und zwölf Toren, über den Toren zwölf Engel.“[10]), essentiell.

Dies löste die Schwere und den wehrhaften Charakter romanischer Bauten ab. Die gotische Kathedrale will nicht nur das Tageslicht, sondern auch die unsichtbare Wirklichkeit, das göttliche Licht, einlassen. Dies ist auch sinnbildlich für eine neue Intellektualität und Suche nach geistiger Erleuchtung. Die Lichtmetaphorik ist im Johannesevangelium begründet. Das Reich Gottes wird als „Reich des Lichts“ bezeichnet.

Auch am Beispiel des Freiburger Münsters ist diese Metaphorik des Lichts sehr deutlich erkennbar. Es ist nach Osten ausgerichtet, um in Richtung der aufgehenden Sonne zu blicken, „um damit Christus als das wahre „Licht der Welt“ (Lk 1,78) und die „Sonne des Heils“ (Mal 3,20) zu begrüßen.“[12]Wie die meisten Kirchengebäude, hat das Münster den Grundriss eines Kreuzes, als Abbild des Gekreuzigten Jesus als Messias, der Verbindung der Symbolik von Kreuz und Körper.

Die Schwerelosigkeit der Bauweise sollte dem vom Himmel herabkommenden „neuen Jerusalem“ nahe kommen, die Buntglasfenster das leuchten der Edelsteine nachahmen und die zwölf Engel, die in Freiburg den innersten Bogen über dem Hauptportal zieren, können als die zwölf Engel über den Toren der Himmelsstadt verstanden werden.

Die Trennung von Chor und Schiff in der Kirche, spiegelt die Zweiteilung der mittelalterlichen Welt in Geistliche und Laien wieder.

Die Außenseite des Münsters schmücken, wie bei den meisten gotischen Kathedralen, zahlreiche Dämonen und Fratzen, meist in der Form von Wasserspeiern, die einerseits auf heidnische Vorstellungen zurückzuführen sind (als Abwehr böser Geister) und andererseits im Gegensatz zu den Heiligen stehen sollen und deren Standhaftigkeit ihnen gegenüber hervorheben.

Wie bereits erwähnt, ist der Münsterturm der erste durchbrochene Turmhelm der Welt. Dies soll nochmals die Herrlichkeit betonen und dem „himmlischen Jerusalem“ durch die Lichtfülle nahekommen. Außerdem wurde in Freiburg die Turmkrönung erfunden. Dabei stellen Sonne und Mond an der Turmspitze die Herrschaft Christi dar.

Der Turm als solcher soll, zusammen mit seinen Glocken, ein Sinnbild für die Verkündigung der Wahrheit sein.[13] Natürlich lässt sich heute nicht mehr genau sagen, ob diese Symbolträchtigkeit der Hauptgrund für den Bau „des schönsten Turmes der Christenheit“ war, oder nicht vielmehr der Ehrgeiz der Bürger und eines talentierten Baumeisters ein großartiges Bauwerk für ihre Stadt zu schaffen.

Im Bauernrieg 1525 wollten die Bauern den Turm als Symbol städtischen Wohlstands und der Unterdrückung zusammenschießen, was allerdings misslang. In allen nachfolgenden Kriegen, auch bei der Bombardierung Freiburgs 1944, wurden das Münster und sein Turm immer absichtlich verschont. A

Die Verglasung der Fenster gotischer Kathedralen diente als Bilderschrift für Analphabeten, um biblische Geschichten zu erzählen und zu veranschaulichen. Die Radfenster können unterschiedlich interpretiert werden. Sie können als Abbild der Sonne und somit Symbol für Christus gesehen werden, als Glücksrad, das den Menschen emporheben oder hinab werfen kann,  oder aber als Verweis auf das Ordnungsgefüge der Welt.

Das mittelalterliche Bild vom Himmel als farbiger Stadt war dem Bild vom Himmel als lichtem Reich gewichen.

Der Leitgedanke des Hauptportals des Freiburger Münsters ist die Darstellung der Summe der Taten Gottes. Beginnend mit Adam und Eva über die 18 alttestamentlichen Patriarchen, 16 Könige des Alten Bundes, 14 Propheten, bis hin zum Stammbaum Christi. Aber nicht nur das Portal, sondern auch die Eingangshalle des Haupteinganges im untersten Turmgeschoss, ist bildhaft ausgestaltet.

Es sind unter anderem die sieben Wissenschaften (Grammatik, Dialektik, Rhetorik, Geometrie, Musik, Arithmetik und Astronomie) in Stein  abgebildet. Dies findet man in französischen Kirchen häufiger, in Deutschland ist diese Gruppe jedoch einmalig. Diesen folgen die fünf törichten Jungfrauen, denen gegenüber sich die fünf klugen Jungfrauen befinden. Diese Figuren erscheinen oft an romanischen und gotischen Portalen, weil in deren Geschichte eine Tür der Hauptschauplatz ist.

Es würde hier zu weit führen, die gesamte Geschichte zu erläutern. Grundsätzlich kann man jedoch sagen, dass diese Mädchen als Warnung gelten sollten, dass nicht das Auskosten des diesseitigen Lebens, sondern die Vorbereitung auf das jenseitige Leben im Vordergrund stehen sollte.


| | | | |
Tausche dein Hausarbeiten