Deutsch Frau Hillebrand
Übungsaufsatz Lyrik Jenny Wunschik
Gedichtinterpretation
“Winternacht” von Joseph von Eichendorff
Das Gedicht
“Winternacht” von Joseph von Eichendorff entstammt der Epoche der
Romantik und gehört dem Genre der Naturlyrik an. Das Gedicht
beschreibt die Sehnsucht des lyrischen Ichs nach einem Neuanfang, die
aus der Einsamkeit des lyrischen Ichs entspringt.
Das Foto zeigt eine nachdenkliche Frau in winterlicher Landschaft beim Betrachten eines Baumes.
Das
Gedicht beschreibt zunächst eine verschneite Winternacht, in der das
lyrische Ich verlassen und freudlos (V. 2) einen Baum betrachtet. Das
lyrische Ich projiziert in den darauffolgenden Versen seine Gefühle
auf den Baum, welcher nun das lyrische Ich personifiziert. Dies
erkennt man an der Änderung der Personalpronomen von “Ich” (V.
2) zu “Er” (V. 7,9,11). Der Baum wird darauf vom Wind gerüttelt
(vgl. V. 6f), worauf dieser “wie im Traume” (V.8) spricht und von
“künft’ger Frühlingszeit” (V.9) träumt, die ihm ein neues
“Blütenkleid” (V. 11) verleihen soll.
Das Gedicht kann in
drei Strophen mit jeweils vier Versen aufgeteilt werden. Die Verse
wechseln zwischen einem vierhebigen Vers und einem dreihebigen Vers.
Das Reimschema weist einen durchgehenden Kreuzreim mit dem Schema
abab, cdcd und efef auf. Gemäß dem Reimschema wird auch zwischen
männlichen (a, c, e) und weiblichen (b, d, f) Kadenzen abgewechselt.
Die verschiedenen Wechsel von vierhebigen und dreihebigen Versen,
sowie das Reimschema des Kreuzreims und das Wechseln zwischen
männlichen und weiblichen Kadenzen, spiegeln den Übergang vom
Winter zum Frühling wieder, den sich das lyrische Ich wünscht. Das
Metrum ist der Jambus.
Die
erste Strophe zeugt von einer einsamen und getrübten Stimmung, die
eine gewisse Leere ausstrahlt. Dies wir erstmal klar, als das
lyrische Ich von sich sagt, es habe nichts was es freut (vgl. V. 2).
Dieser Vers endet dazu mit einer weiblichen Kadenz, also einer
Tonlosigkeit am Ende, die zusätzlich auch für die Leere und das
Einsame spricht. Nun werden die Emotionen des lyrischen Ichs auf
einen Baum übertragen, der jetzt das lyrische Ich repräsentiert.
Dieser Baum steht verlassen in einem Feld (vgl. V. 3), was wiederum
die Einsamkeit des lyrischen Ichs darstellt, und “hat längst sein
Laub verstreuet” (V.4). Letzteres deutet darauf hin, dass das
lyrische Ich von einer Leere umgeben ist, die sich nicht nur in Form
der verlorenen Blätter zeigt, sondern auch in der verschneiten
Landschaft (V.1), die von nichts als Schnee bedeckt ist.
Die
Leere der Landschaft und die daraus resultierende Einsamkeit des
lyrischen Ichs wird nicht nur anhand der Wortwahl des Dichters und
der weiblichen Kadenzen auffällig, sondern auch an den
Personalpronomen. Das lyrische Ich spricht nur zu Beginn von sich
selbst im ersten Personalpronomen Singular (V. 2 “Ich”) und
ersten Personalpronomen Singular Akkusativ (V. 2 “mich”), wobei
diese Silben unbetont bleiben. Dies soll nochmals aufzeigen, dass das
lyrische Ich sich einsam und verlassen fühlt. Wenn das lyrische Ich
von sich als Baum spricht, also im zweiten Personalpronomen Singular,
bleiben diese Silben zunächst auch unbetont (V. 7, V. 9) und
behalten die Wirkung eines einsamen lyrischen Ichs bei. Im dritten
Teil des Gedichts folgt allerdings ein Umschwung, der das Gefühl von
Hoffnung mit sich bringt. Im Klimax des Gedichts (V. 11f), spricht
das lyrische Ich immer noch von sich als Baum und es wird erneut das
zweite Personalpronomen im Singular verwendet, jedoch wird dieses
betont (V. 11). Diese Wandlung spiegelt auch den Wechsel der Stimmung
des lyrischen Ichs wieder, die sich zum Positiven hin wendet.
Der
Stimmungswechsel wird schon im zweiten Teil des Gedichts eingeleitet.
Hier geht ein Wind, der an dem Baum rüttelt (V. 5f). Der Wind
fungiert als eine Art Ankündigung, der eine Veränderung hervorrufen
wird. Das Rütteln verursacht eine Veränderung im lyrischen Ich,
denn es fängt an sich zu bewegen (vgl. V. 7) und “wie im Traume”
(V. 8) zu reden. Die zweite Strophe dient demnach als Übergang, der
den Neuanfang impliziert.
In
der dritten Strophe wird der Zukunftstraum des Baumes beschrieben
(vgl. V. 9). Die “künft’ge[r] Frühlingszeit” verkörpert den
Gedanken an einen Neuanfang, die hier als Metapher verwendet wird.
Die darauf folgende Beschreibung der Frühlingslandschaft (vgl. V.
10) ist von einer Wortwahl mit positiven Konnotationen geprägt. Das
Landschaftsbild ändert sich von einer schneebedeckten Winternacht
(V. 1), die das Landschaftsbild der Winternacht mit trüb klingenden
Worten wie “verschneit” (V.1), “verlassen” (V.3) und “Nacht”
(V.5) mit negativer Konnotation beschreiben, zu einer lebendigen und
farbigen Szenerie (vgl. V. 10 “Grün und Quellenrauschen”, V.11
“Blütenkleid”). Der Baum träumt außerdem davon ein “neue[s]
Blütenkleid” (V. 11) zu tragen. Das Blütenkleid symbolisiert
zusätzlich den Neuanfang, der den Baum von seinen kahlen Ästen
befreit und ihn erneut “rauschen” (V. 12) lässt, dieses
Geschehen spielt sich im Klimax des Gedichts ab und zeigt, dass der
Neuanfang für das lyrische Ich der Höhepunkt seinen Traumes ist und
diesen sehnsüchtig erwartet.
Auffällig
sind außerdem diverse klangliche Gestaltungsmittel, die die
Emotionen des lyrischen Ichs wiederspiegeln. Es werden in den ersten
zwei Strophen mehrere Assonanzen mit “au” (V. 3,4,6,8) verwendet,
die einen dunklen Klang vermitteln, der zur Einsamkeit in der ersten
Strophe und zur Sehnsucht in der zweiten Strophe passt. In der
dritten Strophe wird die Stimmung durch das viermalige Wiederholen
der Assonanzen mit “ü” (V. 9,10,11) aufgehellt. Dies stimmt
wiederum mit dem Befinden des lyrischen Ichs überein, das von
Neuanfang und Verbesserung träumt. Außerdem fällt eine
Alliteration auf “r” auf (vgl. V. 6 “rüttelt”, V. 7 “rührt”,
V. 8 “redet”).
Des
Weiteren unterstützt ein Wechsel im Tempus die Hypothese der
Sehnsucht nach eines Neuanfangs. Der Präsens überwiegt stark im
Gedicht, was die Unmittelbarkeit des Geschehens vermittelt. Das
Perfekt tritt auf, als das lyrische Ich auf den Herbst zurückblickt
(vgl. V. 4). Das Rückblicken auf den Herbst ruft eine Sehnsucht
hervor, die das lyrische Ich wehmütig erscheinen lässt. Das Futur
tritt im Klimax des Gedichts auf, bei dem das lyrische Ich den Wunsch
verspürt im neuen Blütenkleid zu “rauschen” (V. 11f). Die
Verwendung des Futurs agiert als Verkörperung des Neuanfangs und die
positive Emotion, die es beim lyrischen Ich auslöst.
“Winternacht”
von Joseph Eichendorff umfasst das Thema der Sehnsucht, die beim
lyrischen Ich den Wunsch eines Neuanfangs hervorruft. Das Thema wird
mit für die Epoche der Romantik typischen Motiven, wie Nacht,
Jahreszeiten, klanglichen Gestaltungsmitteln und Naturbildern,
vermittelt.