Kurzgeschichteninterpretation
Taubers Sammlung
Die Kurzgeschichte „Taubers Sammlung“ von Karl
Olsberg wurde 2005 geschrieben. Sie behandelt die Geschichte eines Mannes, der
auf tragische Weise seine Familie verloren hat und nun versucht sein Glück
wiederzufinden.
Die Kurzgeschichte beginnt, indem Tauber ein
Kaugummipapier einsteckt, das zuvor ein Mädchen wegschmiss, das gerade glückselig
dabei war ihren Freund zu küssen. Danach geht Tauber in seine Wohnung, wo er
das Kaugummipapier in eine ganze Sammlung von Gegenständen stellt, die etwas
mit Glück zutun haben. Als Tauber in der Nacht einen beunruhigenden Traum hat,
beschließt er, seine glückvolle Sammlung mit anderen Menschen zu teilen. Zuerst
lädt er Frau Schneider ein, die die Sammlung rührend um einen Liebesbrief ihres
Mannes erweitert. Mit der Zeit kommen immer mehr Menschen, die die Sammlung
sehen oder erweitern möchten. Dadurch fühlt sich Tauber gestärkt, das Fotoalbum
seiner verstorbenen Familie aus der Abstellkammer zu holen und dies in seine
glückbeladene Sammlung dazuzustellen.
Ein mittelalterlicher Mann betrachtet hoffnungsvoll die glückbringende Sammlung in seinem Wohnzimmer, während ein lächelndes Mädchen begeistert einen funkelnden Beitrag leistet.
Die Kurzgeschichte ist in einer Er-Erzählung
geschrieben, wodurch der Autor eine objektive Haltung zur Geschichte einnimmt. Die
Darstellungsform des Autors ist eine szenische Darstellung, da eine breite
Erzählweise stattfindet. Der Autor gibt Schauplätze, wie der Bahnhof oder seine
eigene Wohnung an und auch direkte Reden zwischen Hauptperson und Nebenperson
(Zeile 70-71) sind vorzufinden.
Der Autor lässt seinen Erzähler durch ein personales
Erzählverhalten sprechen. Dadurch übernimmt der Erzähler eine
Figurenperspektive und erzählt aus deren Sicht. Der Leser bekommt jedoch oft
den Eindruck als wäre eine neutrale Schreibweise vorhanden doch manchmal
tauchen Gefühle Taubers auf, wie beispielsweise in Textstelle 73-74: „Es war
ein ungewohntes Gefühlt.“
Die Hauptfigur ist Tauber, ein alleinlebender Mann,
der eine Familie durch einen Unfall verloren hat. Durch die Kurzgeschichte
bekommt der Leser den Eindruck, als wäre der Mann an diesem Vorfall zerbrochen,
was auch erklärt, warum er das Glück anderer sucht und nicht sein eigenes.
Trotzdem gibt es den Anschein als wäre Tauber gar besessen vom Glück, denn er
versucht jede Gegenstände mitzunehmen, die mit Glück behaftet sind. Die
Hauptperson beobachtet gerne, was man in der Textstelle: „Tauber hatte ihn von
seinem Fenster aus beobachtet.“ (Zeile 20-21) Dadurch lässt sich schließen,
dass Tauber mehr in sich gekehrt ist und lieber die Menschen beobachtet als mit
ihnen spricht. Dass Tauber gerne alleine ist und ungern Nähe zu anderen zulässt
kann man auch aus der Textstelle: „ Immer häufiger ertönte Taubers
elektronischer Gong, der so lange unbenutzt gewesen war“ (Zeile 77)
interpretieren. Tauber bekommt mit Laufe der Geschichte immer mehr Besuch, was
für ihn etwas Ungewöhnliches ist. Außerdem übermittelt der Autor Tauber als
freudlos, gar grimmig, denn für ihn war es ein ungewohntes Gefühl zu Lachen
(Zeile 73-74) Einen weiteren Hinweis auf Taubers Charaktereigenschaften wird
übermittelt, als Tauber die Aldi-Tüten von Frau Schneider die Treppe
hinaufträgt (48-49). Die folgende Textstelle: „Er hatte das noch nie getan“
(Zeile 49), verrät, dass Tauber nicht hilfsbereit und offen zu anderen Menschen
ist.
Im Laufe der Geschichte merkt man eine deutliche
Veränderung des Ich-Erzählers. Am Anfang der Geschichte beobachtete Tauber nur
von weitem und setzt sich somit selbst in den Schatten. Am Ende begeht Tauber
eine Entwicklung seines Ichs indem er einen Weg findet mit dem Tod seiner
Familie, zurechtzukommen (Zeile 91-92) und somit auch sein einsames trauriges
Leben hinter sich zulassen, was man an dem vermehrten Kontakt mit anderen
Menschen erkennt. Tauber hat es selbst hinbekommen, sein Trauma von seinem
eigenen Unglück zu heilen und sich selbst in einen glücklicheren Menschen zu
verwandeln. (Zeile 83).
In der Kurzgeschichte gibt es eine Zentralfigur;
Tauber. Andere Figuren, wie das Kaugummikauende Mädchen mit ihrem Freund oder
der Junge mit dem Spielzeugauto und sein Vater werden durch angedeutete
Binnengeschichten erwähnt und verkörpern das Glück. Tauber selbst steht als
unglücklicher Kontrast zu den bunten Geschichten, wodurch seine Traurigkeit
mehr hervorgehoben wird. Eine Nebenfigur die mehrmals erwähnt wird ist Frau
Schneider (Zeile 47). Sie ist die Nachbarin von Tauber und hat ihren Mann
Herbert durch den Tod verloren. Dadurch stellt der Autor eine Verbindung
zwischen Tauber und Frau Schneider dar, denn sie haben beide geliebte Menschen
verloren. Des Weiteren kommt Frau Henke, eine weitere Nachbarin, in der
Kurzgeschichte vor und zudem weitere Personen, die Taubers Sammlung begutachten
möchten. Zum Schluss erwähnt der Autor noch Sophia und die Zwillinge (Zeile
88-89), welche dem Leser als Taubers verstorbene Familie vermittelt wird.
Auffällig in der Kurzgeschichte ist, dass viele Nebenfiguren vorkommen, doch
die zentrale Figur ist Tauber.
Die Gestaltung von Ort und Zeit werden in der
Geschichte manchmal klar deutlich. Am Anfang befindet sich Tauber auf einem
Bahnhof (Zeile 8), danach auf dem Nachhauseweg (Zeile 6) und später dann in
seiner kleinen Wohnung (Zeile 16). Tauber erwähnt außerdem eine Erinnerung
eines Jungen mit seinem Spielzeugauto, der sich „in der Sandkiste auf dem
Spielplatz der Wohnsiedlung“ (Zeile 20) befand. Bei dem weiteren Verlauf der
Geschichte findet sich der Ort des Geschehens nur noch in der Wohnung von
Tauber statt, denn die Menschen kamen ihn besuchen, was in Zeile 7 bewiesen
werden kann. Die Abstellkammer in Taubers Wohnung wird genauer erwähnt, als er
das Foto seiner Familie hervorholt (Zeile 85).
Auch Zeitangaben sind in der Geschichte nachzulesen.
Die Geschichte spielt über einen längeren ungenauen Zeitraum, was man auch an
der Entwicklung Taubers beweisen kann. Ein Mensch kann sein eigenes Ich nicht
innerhalb kurzer Zeit ändern. Dies braucht Zeit. In Zeile 84 kommt eine sehr
genaue Zeitangabe vor: „An einem Dienstag im Mai“. Dies war der Tag als Tauber
sein Trauma des Unfalls seiner Familie überwunden hat und das Familienfoto
hervorholt. Dies gibt dem Leser Aufschluss, warum diese Zeitangabe so präzise
formuliert wird. Für Tauber war dies ein besonders wichtiges Ereignis in seinem
Leben: Die überstandene Trauer und der Beginn eines neuen Lebensabschnitt.