„Das
Leben des Galilei“
In dem Drama „Das Leben des Galilei,
welches 1955 von Bertolt Brecht verfasst wurde, geht es um den
italienischen Physiker und Mathematiker Galileo Galilei. Dieser
möchte das neue Weltsystem beweisen bei dem die Sonne im Mittelpunkt
steht und die Erde sie umkreist.
In Szene 4 (S.42-52) erkennt man zum
ersten Mal den Konflikt zwischen der alten Lehre des Aristoteles und
der neuen Lehre des Galileis.
Im Jahr 1610 in Florenz, die Gelehrten
und Cosmo betreten das Haus von Galilei. Cosmo geht in das
Arbeitszimmer des Galileis, wo er den Schüler Andrea Sarti
vorfindet. Die beiden diskutieren über das neue und alte Weltbild,
wobei Cosmo unbedingt durch das Fernrohr schauen möchte. Andrea,
welcher Galileis Entdeckungen und Forschungen unterstützt, möchte
Recht behalten und somit entsteht ein Streit zwischen den beiden
Jungen. Durch die Auseinandersetzung wird das Modell des alten
(ptolemäische) Weltbildes zerstört. Kurz darauf betreten die
Gelehrten mit Galilei und Federzoni das Zimmer. Es wird über das
Fernrohr diskutiert. Galilei fordert die Gelehrten auf hindurch zu
schauen, diese jedoch weigern sich und versuchen durch Philosophie
für Klarheit zu sorgen. Es entsteht eine Auseinandersetzung, wodurch
die Gelehrten das Haus des Galileis verlassen ohne sich von seiner
Entdeckung überzeugt zu haben.
In einem Florentiner Arbeitszimmer des Jahres 1610 streiten die jungen Männer Andrea und Cosmo neben dem zerstörten Weltmodell.
In Szene 4 gibt es zwei dominierende
Figurenkonstellationen, die erste besteht aus Galilei, dem Federzoni
und Andrea Sarti. Die Figuren stehen für die Wissenschaft ein.
Galilei ist von seiner Lehre überzeugt und möchte diese unbedingt
weitergeben, was ihm bis jetzt hauptsächlich bei Andrea und dem
Federzoni gelingt. Andrea steht hinter seinem Lehrer „[…]sehr
ähnlich seinem Lehrer:[…]“ (S. 43, Z. 26). Er
setzt sich für die Lehre des Galileis ein und versucht auch Zweifler
durch seine forsche Art zu überzeugen „Sie sind dumm.“ (S. 49,
Z. 28). Galilei ist es sehr wichtig, dass die Gelehrten sich
überzeugen und seine Wissenschaft für jeden zugänglich ist, daher
bittet er darum die geführten Gespräche so zu gestalten, dass jeder
der Beteiligten daran teilnehmen kann „Sollten wir nicht in der
Umgangssprache fortfahren? Mein Kollege, Herr Federzoni, versteht
Latein nicht.“ (S. 47, Z. 22-24). Eine wichtige Figur ist
in dieser Szene Federzoni, er ist überzeugt von Galileis Lehre und
unterstützt ihn in seiner Sichtweise. Auch er versucht den Gelehrten
die neue Lehre näherzubringen „Sie werden sich wundern: es gibt
keine Sphärenschale.“(S. 50, Z. 3-4); „Dann her mit neuen
Schulbüchern.“ (S.50, Z. 7)
Die zweite Konstellation besteht aus
den Gelehrten, welche sich gegen die neue Lehre des Galileis
aussprechen. Sie sind nicht davon überzeugt und möchten die Lehre
des Aristoteles nicht anzweifeln „[…]stützen uns auf die
Autorität keines Geringeren als des göttliches Aristoteles
selber.“ (S.50, Z.9-10). Die Gelehrten versuchen sich aus der
Situation heraus zu reden um nicht durch das Fernglas sehen zu
müssen, sie stützen sich immer wieder auf die alte Lehre des
Aristoteles und versuchen Galilei in Bedrängnis zu bringen in dem
sie triftige Gründe für seine Annahme verlangen „Gründe, Herr
Galilei, Gründe!“ (S.48, Z. 24). Die Gelehrten bemerken, dass sich
Galilei nicht von seiner Theorie abbringen lässt, somit unterstellen
sie ihm indirekt Betrug „[…]was in Ihrem Rohr ist und was am
Himmel ist, zweierlei sein kann.“ (S.48, Z.30-31). In dieser Szene
ist klar zu erkennen, dass die Kirche gegen die Wissenschaft
arbeitet. All die Gelehrten wirken in der Szene 4 starrsinnig und
lassen sich von ihrem vorhandenen Wissen nicht abbringen. Sie
verschließen sich gegenüber dem Neuen. Zu beachten ist, dass der
Großherzog Cosmo de Medici anfangs großes Interesse gegenüber
Galileis Lehre hat. Er ist zu Beginn der Szene aufgeweckt und sehr
neugierig „Was ist so?“ (S. 44, Z. 12); „Meinst du wirklich?“
(S. 44, Z. 16). Da der Großherzog aber noch jung ist und die Welt
nicht wirklich versteht, machen die Gelehrten es sich zunutze um so
zu verbleiben, dass Christopher Clavius, Hauptastronom am Päpstlichen
Collegium in Rom (S. 52, Z. 32 ff.), die Lehre des Galileis
untersuchen soll.
Die Sprache des Stückes ist ein
episches Element. Durch sogenannte „Regieanweisungen“, versucht
Brecht das Drama zu veranschaulichen und die zentrale Bedeutung des
Stückes hervorzuheben […]schaut in den Spion am Fenster[…](S.
42, Z.31); Der Knabe nickt, zeigt die Treppe hinauf, und auf ein
Nicken Frau Sartis läuft er hoch.(S.43, Z. 15-16). Die Sprache
des Dramas ist nicht direkt zuzuordnen, da diese sehr vielseitig ist.
Sie ist den jeweiligen Schichten und Herkünften der Protagonisten
zuzuordnen. Man kann sagen, dass Frau Sarti stellvertretend für das
arme und eher ungebildete Volk spricht. Sie macht Gebrauch von
einfachen Satzbauten, dennoch wirkt sie auf ihre eigene Weise
intelligent „Dem jungen Herrn kann nichts passieren. Mein Junge ist
droben.“ (S. 43, Z. 20-21). Die Gelehrten hingegen machen Gebrauch
von einer unbeweglichen Denkweise, welche sich in ihrer Sprache
wiedergibt. Sie nutzen Auszüge des Alten Testaments und lateinischer
Redewendungen, wodurch sie ihren Bildungsgrad kenntlich machen und
ihr veraltetes Weltbild zusätzlich stützen „[…]Aristotelis
divini universum…*“(S. 47, Z. 20-21). Galileis sprachlicher
Ausdruck wirkt gegenüber den Gelehrten lebendig, er passt seine
Sprachebene seinem Gegenüber an. Allgemein ist seine Sprache
verständlich jedoch merkt man, dass er auf sprachliche Genauigkeit
besteht um sein Gegenüber überzeugen zu können.
Der Satzbau ist je nach Protagonisten
unterschiedlich kurz oder lang, jedoch nach mehrmaligem Lesen meist
zu verstehen. Des Öfteren macht Brecht Gebrauch von Reimen oder
Redewendungen in Szene 4 „Das Alte sagt: So wie ich bin, bin ich
seit je. Das Neue sagt: Bist du nicht gut, dann geh.“ (S. 42,
Z. 6-7). Dieser Reim weist uns voraussichtlich darauf hin, dass Szene
4 sich mit etwas Altem und etwas Neuem befassen wird. Brecht versucht
sein Stück und die Sichtweise noch bildlicher darzustellen indem er
sich Metaphern zunutze macht „Die Wahrheit ist das Kind der
Zeit[…]“(S.51, Z. 4).
In Szene 4 wird an mehreren Stellen
sehr deutlich, dass die Gelehrten sich nicht von einer neuen Theorie
überzeugen lassen wollen. Es ist ein deutlicher Argumentationsstrang
zu erkennen, da Galilei immer wieder versucht überzeugende Argumente
für seine Theorie zu finden, diese aber meist durch die Gelehrten
infrage gestellt werden indem sie ihre Argumente dagegen äußern.
Galilei macht klar, dass das alte Weltbild nicht im Einklang mit den
Fakten steht (S. 46, Z. 14-17). Er wagt es sich sogar die Lehre des
Aristoteles infrage zu stelle da dieser kein Fernrohr hatte (S.50, Z.
30 f.). Er ist davon überzeugt, dass die Entdeckung des neuen
Weltbildes richtig ist, da die Bewegungen wahrnehmbar sind (S.48, S.
50), welches durch das Fernrohr bewiesen werden würde (S.48,
Z.11-13). Den Gelehrten gelingt es jedoch Gründe zu finden, nicht
durch das Fernrohr zu schauen. Ihrer Meinung nach können die
Gestirne nicht existieren, weil ihnen die Stütze fehlt und diese
nicht um die Erde kreisen (S.47, Z.18). Da die Gelehrten sich so sehr
auf die Autorität des Aristoteles stützen, lassen sie sich auch
nicht von einer neuen Sichtweise überzeugen (S.50, Z. 33 ff.). Die
Gelehrten gehen sogar so weit, dass sie Galilei und Federzoni Betrug
unterstellen, indem die beiden die Gestirne auf die Linse gemalt
haben(S.48, Z.34-35). Es werden triftige Gründe gefordert, weil die
Gefahr besteht, dass die Harmonie des alten Weltbildes zerstört wird
(S.48, Z. 1-10) und die Folgen unabsehbar sind (S. 51, Z. 12.ff). Der
argumentative Konflikt zwischen Galilei und den Gelehrten ist somit
groß, da jeder seine Sichtweise starrsinnig vertreten will.
Es ist zu erkennen, dass die Gelehrten
Galilei nicht glauben wollen, jedoch ist zu berücksichtigen, dass
die Gelehrten für die Kirche arbeiten und somit unter einer großen
Last stehen. Selbst wenn sie Galilei glauben wollen, so könnten sie
dies nicht einfach tun, da ihr Ansehen darunter leiden würde und vor
allem das der Kirche. Um dieses Risiko nicht einzugehen, reden sich
die Gelehrten aus der Affäre. Ihr altes Weltbild soll bestehen
bleiben und nicht durch Galilei erschüttert werden. Sie sind nicht
bereit für etwas Neues. Galilei allerdings möchte die Wissenschaft
unbedingt für das Volk zugänglich machen, dies jedoch möchten die
Gelehrten verhindern, da das Volk weder an dem gottallmächtigen
Aristoteles noch an der Kirche zweifeln sollen.
Man merkt erst was für einen starken
Einfluss die Kirche hat, wenn man das komplette Stück betrachtet.
Galilei, welcher unbedingt sein Wissen weitergeben will wird so durch
die Inquisition zermürbt, dass er seine Theorie widerruft und die
Verantwortung abgibt, obwohl er die Wahrheit kennt. Er enttäuscht
seinen Schüler Andrea sehr, da er diesem noch kurz zuvor beibringt
„Wer die Wahrheit nicht kennt, der ist bloß ein Dummkopf, aber wer
sie weiß und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher!“
(S.110, 13.Szene). Durch die Betrachtung des ganzen Stückes wird
deutlich, unter welchem Druck die Gelehrten stehen, wenn selbst
Galilei nachgibt.
Durch den Widerruf seiner Theorie ist
Galilei als Verbrecher zu deklarieren, da er die Wahrheit kennt, aber
aus menschlicher Schwäche und Angst vor Konsequenzen seine Theorie
widerruft. Bertolt Brecht möchte somit ausdrücken, dass
Wissenschaftler nicht für ihre Forschungen verantwortlich sind
sondern auch für alle Konsequenzen. Zunächst wirkt Galilei als Held
in Brechts Werk, aber bei genauerer Betrachtung sieht man, dass
Galilei zu feige ist um hinter seinen Forschungen zu stehen
wodurch er auch seine Mitmenschen
enttäuscht. Die nächste Wende kommt jedoch indem Galilei heimlich
weiter an seinen Werken arbeitet und diese letztendlich an Andrea
aushändigt. Andrea bringt die Werke über die Grenze um Galileis
Lehre weiter zu verbreiten. Galilei kämpfte somit bis zum Schluss
darum, dass seine Werke unter das Volk gelangen.
Wenn man das „Das
Leben des Galilei“ heute betrachtet übermittelt es mir, dass jeder
Mensch für seine eigene Denkweise verantwortlich ist. Was bedeuten
soll, dass wir uns neuen Theorien gegenüber nicht sofort
verschließen sollten. Galilei hat seine Theorie letztendlich für
das Volk zugänglich gemacht und somit unser heutiges Weltbild immens
geprägt. Auch wenn es zeitweise in dem Stück so aussieht als ob all
seine Mühe vergeblich war und er umsonst geforscht hat, hat seine
Theorie es bis in unsere heutige Zeit geschafft.
Meiner Meinung nach ist es Brecht sehr
gut gelungen darzustellen, dass egal was man tut, sei es forschen
oder einfach nur leben, man auch für alles verantwortlich ist was es
mit sich bringt. Man kann nicht etwas anfangen und mittendrin die
Verantwortung fortschieben.