Faust:
Szene „Wald und Höhle“
von Johann Wolfgang von Goethe
Interpretation
„Irren ist menschlich“ lautet ein weises Sprichwort. Jeder
Mensch begeht Fehler aus Unsicherheit, Ignoranz oder aus Versehen; Wichtig
jedoch ist sich seiner Schuld bewusst zu werden und folglich seiner
Verantwortung zu stellen. Angenommen jemand „geht fremd“ und lässt seinen
Partner darüber in Unwissenheit, so verschließt er die Augen vor der Wahrheit,
und sei er noch so verliebt, nimmt er in Kauf andere Personen seelisch zu
verletzen. Man hadert mit dem Schicksal und versucht sich der unangenehmen
Realität zu entziehen, sich buchstäblich zurückzuziehen und vor der Realität
„zu verstecken“. Doch dieser Vorgang wird von der sich langsam einstimmenden
Erkenntnis und dem Schuldbewusstsein über das, was man getan hat, begleitet und
man vor der Entscheidung sein Gewissen zu bereinigen oder stumm zu verweilen
und die latenten Gewissensbisse mit Nonegalität zu überdecken. An genau diesem
Wendepunkt, zwischen Rückzug und Gewissensbereinigung zum Schutz anderer,
befindet sich auch Goethes Protagonist „Faust“. In der 1806 erschienenen
Tragödie „Faust 1“ zieht sich Faust, in der Szene „Wald und Höhle“ in die
Einsamkeit seiner Seele zurück, um sein Handeln im Bezug auf die für damalige
Verhältnisse nicht standesgemäße Beziehung zur naiven Bürgertochter Margarete
zu reflektieren. Ihm wird die Schuld, die er durch diese Beziehung auf sich
genommen hat, und Gefahr, die diese für Gretchen bedeutet, bewusst, und er
steht vor dem Zwiespalt, sich von ihr zu entfernen und ihre Sicherheit zu
garantieren, oder aber seinem geweckten Verlangen nachzugehen und Gretchen
damit erheblich zu gefährden. Seine Reflexionen werden jedoch durch Mephisto
negativ beeinflusst.
Zu Beginn gilt es die Szene in den Dramenkontext einzubetten.
Die vorhergehende Szene besteht aus den Versen 3203-3216 namens: „Ein
Gartenhäuschen“. In dieser sehr kurzen Szene wird flüchtig ein Kuss, der erste
Kuss, ausgetauscht und kurz darauf fordert Mephisto den bewegten Faust zum
gehen auf. Diese Szene wird im folgenden Teil der Interpretation zur
Kontrastierung Fausts von Bedeutung sein. Die darauffolgende Szene formt sich
aus „Gretchens Stube“, in der Gretchen am Spinnrad ein Lied singt, in dem
sowohl ihr Schicksal und bevorstehender Tod als auch ihr libidinöses Verlangen
gegenüber Faust antizipiert werden. Zur späteren Kontrastierung muss jedoch
auch noch die Szene „Marthens Garten“ in Betracht genommen werden. In dieser
Szene erfolgt die Frage nach Fausts Religion und ein gegenseitiges Aussprechen
ihrer Sehnsucht zueinander. Dazwischen liegt die im Folgenden zu analysierende
Szene „Wald und Höhle“, in der Faust sich zwischen Verlangen und
Schuldbewusstsein gefangen sieht.
Die Szene lässt sich in 4 bis 5 Sinnabschnitte untergliedern,
wobei der Erste aus den Versen 3217-3250 besteht. Faust drückt seinen Dank für
die Liebe, die er empfangen durfte, in Naturmetaphoriken aus, und seine innere
Zerrissenheit, die Glücksgefühle und amourösen Erfahrungen werden deutlich. Er
richtet seinen Dank hierbei an einen „Nährgeist“ (=Erdgeist). Der zweite
Sinnabschnitt gliedert sich in die Verse 3251-3291. Mephisto tritt auf und
amüsiert sich über die feine, verunsicherte, verliebte Art Fausts und offenbart
ihm die extreme Gegenseite der Liebe, wie Faust sie versteht, durch obszöne,
bildhafte Darstellung. Diese könnte man auch nochmals in die Antizipation
Mephistos Metaphoriken untergliedern. Darauf versucht Mephisto Faust mit aller
Gewalt deutlich zu machen, dass er bereits in dem Liebesdilemma um Gretchens
Sicherheit steckt und sich nicht davor zurückziehen könnte (v.3292-3344). Der
letzte Sinnabschnitt bildet sich durch die Verse 3345-3370. In diesem wird sich
Faust seiner destruktiven Wirkung auf Gretchen bewusst und glaubt er könne
diese Schuld nur dadurch mildern, sich seinem Schicksal zu stellen und das
Selbige auf sich zu nehmen.
Die bekannte Szene „Wald und Höhle“ soll nun im Folgenden
unter besonderer Berücksichtigung Fausts Charakter und dessen innerer
Zerrissenheit analysiert werden. Formal fällt zunächst einmal auf, dass sich
keine reimenden Schemen erkennen lassen und die Szene prosaähnliche Züge
annimmt. Dies deutet auf eine Schlüsselfunktion der Szene hin, und in der Tat
lässt sich die Szene, nach dem aristotelischen, geschlossenen Fünfakt-Schema als
Peripetie des Dramas erkennen. Fausts Entscheidung wird den Wendepunkt des
Dramas formen und Auswirkung auf dessen Ende haben: „und sie mit mir zugrunde
gehn“ (V.365). Zudem lässt sich über die formale Form sagen, dass die Szene in
einen Reflexionsmonolog Fausts und einem Streitdialog mit Mephisto gegliedert
ist.
Bei weiterer Betrachtung fällt der Titel der Szene „Wald und
Hölle“ auf. Dieser stellt sich als literarischer Topos heraus und erinnert an
die Epoche der Romantik, in der die Natur als Spiegel der Seele fungiert. So
auch in der vorliegenden Szene, denn Fausts innerer Konflikt und seine innere
Zerwürfnis werden durch den metaphorischen Rückzug in seine „Seelenhöhle“ und
die verworrene „Gefühls-Wald-Welt“ dargestellt. Zu Beginn bedankt sich Faust
bei einem „erhabenen Geist“ (V.3217) für die Wunder der Natur, die er genießen
darf. Er empfindet sich als König der Natur und darf diese „fühlen“ (V.3221)
und „genießen“ (V.3222), wodurch deutlich wird, dass durch die Natur Gretchen
repräsentiert wird. Zudem lässt sich durch das Substantiv „Königreich“ (V.3220)
ein Bezug, zu dem einige Szenen gegangene Lied Gretchens über den König von
Thule, der seine Geliebte aufzehrend und unendlich geliebt hat, stellen. Denn
Faust sieht sich als „Regent“, also Besitz ihrer und seine nehmende und
aufzehrende Art von Liebe wird deutlich. In seinem Monolog folgt die Metapher
„und wenn der Sturm im Walde braust und knarrt, die Riesenfichte stürzend
Nachbaräste [...] niederstreift“ (V.3229f.). Hierbei spielt Goethe
literaturhistorisch auf die konträren Formen der Aufklärung, symbolisiert durch
die „Riesenfichte“ (V.3230) und die Gedanken der Romantik an. Die Aufklärung
fordert Stärke und dass man zu seinen Taten steht, sich in der intellektuellen
Erkenntniswelt bewegt, doch, wenn das „Seelenheil“ durch Emotion ins Wanken
gerät, dann bietet nur die romantische „Höhle“ (V.3232) Schutz vor der Realität
und der Weg in die Abgründe der Seele und Gefühlswelt ermöglicht ein inneres
Sammeln und das Fassen neuer Erkenntnis, wie durch den darauf erwähnten „reinen
Mond“ (V.3235) deutlich wird.
Bald darauf erkennt man die Sinneswandlung Fausts und die
Abwendung seines Strebens nach Allwissenheit und sein Verlangen, den ganzen
Makrokosmos zu ergründen, hin zu der, durch die Exklammation „O dass dem
Menschen nichts Vollkommenes wird“ (V.3239) dargestellten Feststellung, dass
der Mensch womöglich gar nicht dazu Verlangt ist aller zu wissen. In diesem
melancholisch schmachtenden Ausruf schwingt auch die kantsche Frage „was kann
ich wissen“, nach Erkenntnis mit, derer sich Faust gewidmet sieht und mit allen
Mitteln versucht diese zu lösen. Wobei er sogar, wie in den vorherigen Szenen
deutlich wird, in Kauf nimmt seine Seele dem Teufel zu opfern, wodurch deutlich
wird, dass er sich ganz in den Auftrag der Wissenschaft und Erkenntnis stellt,
jedoch diese auch zu seiner eigenen Erfüllung gebrauchen will.
Dieser passive Charakterzug Fausts wird auch in Bezug auf
Gretchen deutlich. Seine innere Zerrissenheit begründet sich also dadurch, dass
Rechte zu wissen und zu wollen, jedoch kann er nicht loslassen, zufrieden sein
und geben. Sogar Mephisto kann er nicht mehr entbehren, obwohl er in dieser
Szene deutliche Antipathie gegenüber diesem entwickelt: „schon nicht mehr
Entbehren kann, wenn er gleich, kalt und frech mich vor mir selbst erniedrigt“
(V.3244f.). Faust scheint zu Ende des Monologs zu erkennen, dass ihn seine Passivität
und das ewige Verlangen in Unzufriedenheit gefangen hält, wie in einem Chiasmus
zum Ausdruck kommt, und er sich zwischen Systole und Diastole seines zögernden,
dialektischen Denkens verharren sieht. Dennoch besitzt er nicht die Kraft sich
davon zu lösen und erweist sich trotz seiner hohen Bildung als schwacher
Charakter: „So tauml‘ ich von Begierde zu Genuss, und im Genuss verschmacht ich
nach Begierde“ (V. 3299f.).
Darauf tritt dramaturgisch interessant eingefädelt Mephisto
dazu. Somit könnte man Mephisto als symmetrischen, parallel laufenden Teil
Fausts verstehen, der verhindert, dass sich Faust dem rein Guten positiven
zuwendet. Mephisto übertüncht Fausts hadern und zögern, indem er ihm zu
verstehen gibt, dass er nur einen Kuss der „Erden Welt“ entlocken konnte, also
erst am „Moos und triefenden Gestein“ (V.3274) geschlürft habe, er habe sich
also noch nicht wirklich in die sinnliche Welt begeben und immer noch falsche
Relationen davon, was tatsächlich aufsaugen der Natur bedeute: „Dir steck der
Doktor noch im Leib“ (V.3277). Für Faust bedeutet es hingegen schon „Glück“
(V.3281) genug die Liebkosungen und Zärtlichkeit eines Kusses erfahren zu
haben. Mephisto steigert sich jedoch in eine Naturmetapher, in der er den
sexuellen Akt des Mannes antizipiert und somit Fausts anfänglich Unschuldige
Naturmetaphorik in obszöne Bildhaftigkeit wendet: „Und Erd und Himmel
wonniglich umfassen, zu einer Gottheit sich aufschwellen lassen [...]“ (V.3284).
Faust stößt ein brüskiertes „Pfui“ (V.3293) aus und
distanziert sich deutlich von der Liebesauffassung Mephistos. Dies steht im
Kontrast zu Fausts anfänglichem impulsiven Ausruf in der Szene „Straße 1“, in
der er Grete zum Ersten Mal begegnet und Mephisto aufträgt: „die Dirne musst du
mir schaffen.“ Psychologisch betrachtet kann man „Wald und Höhle“ als das
Unterbewusstsein über die Triebe und Lüste Fausts sehen, der sich vom
intellektuellen, kontrollierenden Über-Ich, nach dem freudschen
Instanzenmodell, entfernt und sich auf seine Gefühlswelt und das „Es“
konzentriert und Mephisto nun seine sexuellen Verlangen charakterisiert. Faust
ist schockiert von seiner „inneren Verdorbenheit“ und wendet sich abrupt ab.
Mephisto hält ihn jedoch an diesem Gedanken und bringt auch ironisiert ein
Scheinverständnis für Fausts Empfindungen auf, der wie durch einen
Parallelismus ausgedrückt wird, sich nur in seiner sicheren Wissenswelt
festfährt deren Parallelismus wie Scheuklappen wirkt, die ihm den Fokus auf das
Sittliche wahren. Er scheint durch seine Unerfahrenheit ein gestörtes Verhältnis
zu seinem Inneren und seinen Bedürfnissen zu haben, doch Mephisto wird ihn, da
Faust zulässt diesen in sein Leben treffen zu lassen, immer weiter in die
inneren Abgründe seines Ich führen: „Ihr habt Recht gesittet Pfui zu sagen. Man
darf das nicht vor keuschen Ohren nennen.“ (V.3294f.).
Des weiteren verschließt Mephisto aufgrund dieser naiven,
schwachen Art Fausts die Augen vor der Wahrheit, also seinen Handlungen
Gretchen zu begehren und geküsst zu haben, oder sich, wie Mephisto ironisch
formuliert, Legitimation dafür zu Verschaffen die Wahrheit nicht sehen zu
wollen: „Gelegentlich sich etwas Vorzulügen“ (V.3299).
Mephisto übernimmt nun die Gesprächsführung und auch
Mächtigkeit, die zuvor aufgrund des Monologs Faust oblag, und stößt nun in die
Wunden es verunsicherten, gefühlsvollen Fausts. Er nennt Faust mehrfach
erwähnten besitzergreifenden Anspruch an die Welt und die Liebe mit dem
Neologismus „Liebeswut‘ (V.3307). Es wird dabei veranschaulicht, dass Fausts
stürmisch, drängerischer Charakter Gretchen als Person gar nicht mehr
wahrnimmt, sie fast nur als Mittel zum Zweck benutzt. Sie gar „überrennt“ in
jeglicher Hinsicht, wie Mephisto weiterhin zum Ausdruck bringt: „Du hast sie
ihr ins Herz gegossen nun ist dein Bächlein wieder seicht“ (V.3309f.).
Mephisto malt auch aus, wie sichGrete nun verzweifelt und
voll Liebeskummer nach Faust sehnt. Mephisto habe sie also bereits ins Unglück
gerissen und sticht mit dieser Darstellung in die tiefste Wunde und zwingt
Faust die Realität zu betrachten. Dieser flüchtet sich in die „Verteuflung“
Mephistos, und die Antipathie zu diesem erlangt ihren Höhepunkt: „Schlange,
Schlange“ (V.3324).
Faust bringt darauf zum Ausdruck wie stark seine Liebe zu ihr
ist und sein Charakter erhebt hier eine Entwicklung vom rationalistischen und
doch stets, fleißig, strebsamen Professor hin zum emotional geladenen Jüngling.
Unter literarischen Aspekten könnte man sagen, die Aufklärung wandert über den
stürmisch, drängerischen Charakterzug als Bindeglied hin zur romantischen,
gefühlsgeladenen Welt. Faust ist also formbar und beeinflussbar, deshalb hat
Mephisto auch so starken Einfluss auf ihn: „Ich bin ihr nah, und wär ich noch
so fern, Ich kann sie nie vergessen [...] Leib des Herren [...] ihre Lippen
[...] indes berühren“ (V.3333f.). Diese auch religiöse Anspielung auf die
Hostienvergabe nimmt Mephisto erneut zur Vorlage um mit sexuellen Anspielungen
Faust in Rage zu versetzen.
An dieser Stelle spielt Mephisto nämlich mit dem Substantiv
„Zwillingspaar“ (V.3336) im Bezug auf das „hohe Lied Salomons“, in dem diese
Metapher als Umschlag für „Busen“ verwendet wird. An dieser Stelle bleibt fast
zu vermuten, dass es sich gar um eine Erweiterung des Dialogs hin zu einem
Machtkonflikt, und einer Machtdemonstration zwischen Mephisto und Gott kommt.
Faust befielt Mephisto zu „entfliehen[n]“ (V.3338) und zieht sich erneut in
rhetorische Frage wie: „was ist die Himmelsfreund in ihren Armen?“ (V.3345)
zurück, und drückt sein Glück und die Zufriedenheit auf rein emotionaler und
nicht zweckmäßig, geschlechtlicher Basis aus, wobei dies auch ein
Ausfluchtsversuch sein könnte, nicht sehen zu wollen, dass die als körperlich
in der Gesellschaft wahrgenommene Beziehung Margarete zu einer Verurteilung
führen könnte.
Im letzen Teil seiner fast schon rechtfertigenden Darlegung
scheint er sich der Schuld nun wahrhaftig bewusst zu werden und verwendet
Formulierungen wie „Unmensch“ (V.3349) und „Wassersturz“ (V.3350). Der
destruktive Charakter des Wassers zeigt somit, dass das lebensspendende Element
von ihm negativ gebraucht wird, er also die zerstörerische Seite des Wassers
heraufbeschwört und das Wasser wird negativ konnotiert. Im folgenden Verlauf
des Dramas wird die verzweifelte Margarete auch mit genau diesem Element ihr
Kind töten. Mit der Exklamation „Sie, ihren Frieden musst ich untergraben! Du,
Hölle musstest dieser Opfer Haben!“ (V.3360f.), erkennt Faust zwar seine
Schuld, er zieht jedoch nicht positive Schlüsse daraus und versucht seine
Fehler zu korrigieren, sondern schiebt die Schuld Mephisto zu und wird somit
als feige, schwach, verantwortungslos und sozial unsicher Charakterisiert.
Diese Charakterschwäche wird Einfluss auf den negativen Ausgang des Dramas
haben, wie im eben genannten Zitat bereits inbegriffen, und Margaretes Tod wir
antizipiert.
Mephisto beendet das Gespräch, was nochmals seine
Gesprächsmächtigkeit untermauert und er formuliert mit einer Endgültigkeit und
Genuss, dass es ihm gelungen sei die Schwächen Fausts zu fordern und ihm so
„ziemlich eingeteufelt“ (V.3370) zu haben. In der darauf folgenden Szene
„Marthens Garten“ wird jedoch deutlich, dass Faust sich dem Verlangen hingibt
und Mephisto recht behalten wird mit der Einschätzung zu Fausts schwachem, nun
fast „eingeteufelten“ Charakters. Doch es bleibt zu fragen, ob nicht die charakterschwache
Art Fausts sich selbst zu positionieren, und für seine Meinung einzusetzen, als
solche gesehen werden muss, und nicht als böswilliges Zerstörungswerkzeug des
Teufels. Dennoch wird es Faust im Gegensatz zu Grete, die sich am Ende ihrem
Schicksal und ihren Taten stellt, und somit seine Katharsis hin zum
klassischen, starken Charakter erfährt, nicht gelingen, diese Schwäche und
Unzufriedenheit, die er auf Grund mangelnder Entscheidungsgewalt und -Fähigkeit
empfindet, zu überwinden. Dies macht ihn empfänglich für das Böse und lässt zu,
dass er sich in einen Sog hinein in den Abgrund begibt und sich aus seinem
eigenen produzierten Dilemma nicht mehr befreien kann, er eine Marionette wird
und nie das Ganze erreichen kann, da er immer nur Teil einer Meinung bleibt,
aus anderen Erkenntnissen schöpfen will, doch sich selbst nie mit dem, das er
besitzt, zufrieden geben kann, da er nur Verlangt und dabei sein Umfeld ins
Chaos stürzt.
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die
Gelehrtentragödie in Faust nicht ohne Grund komplementär zu der
Gretchentragödie verläuft. Faust ist auf seinem Weg nach Erkenntnis bereit
alles rücksichtslos zu opfern, doch als er erkennt, welche Macht er dem Bösen
dabei zu kommen lässt, ist es bereits zu spät. Die Welle von Schuld und
Verantwortung überrollt ihn und es bleibt nur die feige Beschönigungen und
somit die Zuwendung zu Mephisto. Im übertragenen Sinne zeigt die Tragödie in
dieser Szene also die distinktive Kraft von Verantwortungslosigkeit und mahnt
für umsichtiges und Pflichtbewusstes Umgehen mit der Umwelt und seinen
Mitmenschen. Nichts ist vernichtender als ein rückhaltloser und egoistischer
Mensch, wie Faust ihn zunehmend verkörpert. Wie Kant im kategorischen Imperativ
äußerte, sollte das eigene Handeln stets als moralische und sogar gesetzliche
Maxime gelten, weshalb man Handlungen zuvor reflektieren sollte, um nicht
andere durch egoistische „Selbsterfüllung“ zu verletzten und auszunutzen. Wie
gesagt „Irren ist menschlich“, doch human ist es sich seiner Verantwortung zu
stellen und nicht wegzusehen und sich in die Abgründe ziehen zu lassen, wie es
Faust vorlebt.
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