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Interpretation einer Szene aus: „Klein Zaches genannt Zinnober“, von E.T.A. Hoffmann. Kapitel 9 (S. 110, Z. 27 - S. 111, Z.5)

Interpretation - Kapitel 9 (S. 110, Z. 27 - S. 111, Z.5)

In dem 1819 erschienenen, romantisch geprägten Kunstmärchen „Klein Zaches genannt Zinnober“, verfasst von E.T.A. Hoffmann, thematisiert der Autor den Konflikt um die verblendende Wirkung Zinnobers, der die gesamte Gesellschaft erliegt. Eine Ausnahme stellt hierbei Balthasar, sein romantischer Gegenspieler, dar, den Zaches Fähigkeiten allerdings in große Schwierigkeiten bringen.

Nachdem es Studenten gelungen ist, Zinnobers Zauber zu brechen und die Menschen die wahre Gestalt des „Wechselbalges“ erkennen, rebellieren sie vor seinem Fenster und es kommt durch die Wut und Ungeschicklichkeit der Titelfigur zum Stolpern in seinen eigenen Nachttopf, was schließlich zum Tod durch Ertrinken in diesem Gefäß führt.

In dem zu bearbeitenden Abschnitt des neunten Kapitels (S. 110, Z. 27, - S. 111, Z.5) zeigt der Autor das nach dem Tod folgende prächtige Staatsbegräbnis und den Abschluss der Märchenhandlung um den ehemaligen Minister. Damit verdeutlicht E. T. Hoffmann in dieser Episode, dass das Ansehen Klein Zaches‘ bei den Vertretern der Aufklärung, den wichtigen Staatsleuten, über den Tod hinaus Bestand hat, ihre Verblendung weiter anhält.

Seine Kritik an den Machthabern wird auf ironische Weise sichtbar.

In der 27. Zeile auf der Seite 110 bestimmt der auktoriale Erzähler „Kerepes“ als den Ort der Handlung. Zinnober wird immer noch als „Minister“ (S. 110, Z. 27) bezeichnet, wodurch mehr seine Rolle im Staat als seine Person im Vordergrund steht und der Tod nicht als persönlicher Verlust von einzelnen Personen dargestellt wird.

Der Superlativ „prächtigsten“ (S. 110, Z. 27) zeigt die Übertriebenheit des „Leichenbegräbnisses“ (S. 110, Z. 27) und das insgesamt große Ereignis um seinen Tod. E.T.A Hoffmann deutet mit dem „Orden des grüngefleckten Tigers“ (S. 110, Z. 29) auf die preußische Ordensvergabe des schwarzen Adlerordens und sieht diese als fragwürdig an, weil sie zumeist an die falschen Leute vergeben worden sind.

Auch in seinem Werk wird diese Auszeichnung an Zinnober, welcher komplett unfähig ist, vergeben. Die Ironie wird noch dadurch gesteigert, dass er diesen Orden mit „zwanzig Knöpfen“ (S. 111, Z. 3) erhalten hat, wodurch er trotz seines Nichtstuns und seiner Unfähigkeit am meisten geehrt worden ist.

Obwohl seine wahre Gestalt schon aufgedeckt worden ist, „folgten sie der Leiche“ (S. 110, Z. 29). Hierbei nutzt der Erzähler die romantische Ironie, da sie immer noch, auch ohne Zauber, verblendet sind und Zinnober weiterhin verehren. Darüber hinaus zeigt das Besitzen des gleichen Ordens, dass sie genauso unfähig und dumm sein müssen wie der Verstorbene.

Die Besucher des Begräbnisses zeichnen sich nicht als spezielle Bezugspersonen Zinnobers aus, sondern werden nur allgemein durch ein Substantiv als „Bürger“ (S. 110, Z. 32) beschrieben. Dadurch wird die persönliche Trauer von einzelnen Personen außen vorgelassen, sondern nur oberflächlich in einer Alliteration „tiefe[…] Trauer“ (S. 110, Z. 30) dargestellt.

Als Steigerung des schon übertriebenen Begräbnisses „[werden] [a]lle Glocken […] gezogen“ (S. 110, Z. 30). Mit dem Adverb „sogar“ (S. 110, Z. 30) zeigt der Erzähler, dass schon fast keine Steigerung mehr möglich ist, nachdem jetzt noch die „beiden Böller“ (S. 110, Z. 31), auf welche in einer Alliteration hingewiesen wird, sogar „mehrmals gelöst“ (S. 110, Z. 32) worden sind.

Die Hyperbel „niemals“ (S. 110, Z. 34) kennzeichnet die Hoffnungslosigkeit, einen Ersatz für den Entschlafenen zu finden. Die Aufzählung von Eigenschaften, die seine ministerielle Tätigkeit ausgezeichnet haben sollen, werden ironisch durch den Erzähler als Werte für einen wirklichen Minister beschrieben: „Mann von tiefem Verstande, von der Seelengröße, von der Milde, von dem unendlichen Eifer für das allgemeine Wohl“ (S. 110, Z.35ff.), jeder Leser weiß, dass Zinnober dies alles eben nicht verkörpert hat, dass statt seiner andere diese großartige Arbeit geleistet haben, z. B.

Pulcher, ein Freund Balthasars. Die Metapher „das Ruder der Regierung“ (S. 110, Z. 37) verdeutlicht nochmals die einflussreiche Position, die Klein Zaches inne gehabt hat, obwohl er völlig unfähig gewesen ist. In dieser überspitzten Würdigung des Verstorbenen zeigt sich E.T.A. Hoffmanns Verspottung der Staatsvertreter allgemein, da seiner Meinung nach die falschen Leute das Sagen haben, aber am „Ruder der Regierung“ (S. 110, Z. 37) sitzen.

Im letzten Abschnitt der Episode greift der Erzähler ein weiteres Mal den „Orden des grüngefleckten Tigers“ (S. 111, Z. 2f.) auf und fasst seine Meinung über Zinnober und den Staat ironisch zusammen. Da Zaches nur durch den Zauber der Fee Rosabelverde in der Lage gewesen ist, die Leute verblenden zu können, und sein Ruhm nur durch Fähigkeiten anderer entstanden ist, wird seine körperliche Ungestalt sowie seine Inkompetenz nochmals hervorgehoben: „[…] niemals fand sich ein Minister, dem der Orden des grüngefleckten Tigers mit zwanzig Knöpfen so an den Leib gepasst haben sollte […]“ (S. 111, Z. 1ff.). Und dieses Wesen wird so prächtig begraben und sein Verlust so betrauert.

Niemals wieder wird jemand vergleichsweise so unnützlich und auf der falschen Position sein wie er und so wird er ewig „unersetzlich“ (S. 111, Z. 4) bleiben.

Die Episode zeigt, dass Zinnobers Ruhm nach seinem Tod ungebrochen ist und auch die von ihm ausgehende Verblendung des Volkes und der Herrschenden anhält, obwohl die Fee ihre Gunst Klein Zaches längst entzogen hat. Seine charakteristische Eigenschaft des Unnützlichen überträgt der Autor indirekt auf die Staatsleute in seinem Leben und kritisiert die Aufklärung als Fundament für die Bildung eines unfähigen Staates.

Dieser Abschnitt des neunten Kapitels ist durch eine radikale und trotzdem zweideutige Kritik Hoffmanns gekennzeichnet. Er greift das Problem auf, dass die unfähigsten Leute die Fäden im Staat ziehen und umsonst verehrt werden.

Diese Problematik kann der Leser auch auf die Gegenwart beziehen, da noch immer Diskussionen darüber geführt werden, ob die richtigen Leute das Sagen im Staat und damit über uns alle haben.




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