Gleichwertige
Lernleistung
Interpretation
einer Szene– „Antigone“ V.631-761
In dieser Szene, einem Dialog zwischen Thebens König Kreon und
dessen Sohn Haimon, aus der Tragödie „Antigone“ von Sophokles,
geht es um die geplante Hinrichtung von Antigone, da diese versucht
hat ihren toten Bruder gegen den Willen von Kreon zu bestatten. Kreon
hatte befohlen Polyneikes auf dem offenen Schlachtfeld liegen zu
lassen, weil dieser zuvor gegen Theben gekämpft und somit Hochverrat
an seiner eigenen Heimat begangen hatte
Nun diskutieren Kreon und Haimon sowohl über ihre verschiedene
Definition von Gehorsam als auch über die Rolle, die Antigone in
deren Streit, welcher zunehmend steigt, spielt. Zusammengefasst
handelt die gesamte Tragödie von dem Wechselglauben zwischen den
ursprünglichen göttlichen und Kreons neuverfassten Gesetzen, welche
den göttlichen widersprechen.
Zu Beginn der hier behandelten Szene (vgl. V.631-761) stellt Kreon
eine einleitende Frage an Haimon, nämlich die, ob er nun komme, um
„[seine] Braut zu toben“ (V.633) oder seinen Vater zu lieben,
„was er auch tut“ (V.634). Diese Frage ist gleichzeitig jene, die
auch den Konflikt der beiden einleitet, da Kreon seinen Sohn vor die
Wahl zwischen seiner Ehefrau oder ihm als Vater stellt (vgl.
V.632-634). Doch Haimon antwortet Kreon sehr gewagt, denn er
versichert ihm, er würde seinem Vater in allem folgen (vgl. V.636)
und keine Ehe wäre ihm „köstlicher als [seine] Führung“
(V.637-638). Diese Aussage entspricht vorerst genau Kreons Wünschen,
doch nun ergänzt Haimon, er tue dies nur, solange „es [auf]
rechtem Weg“ (V.638) geschieht. Der Rangunterschied der beiden ist
klar erkennbar, da Haimon immerfort seine Meinung mit schönen Worten
verziert (vgl. V.635-638), woraus man seine Unterordnung schließen
kann. Allerdings setzt die Tatsache, dass Haimon seine Meinung
trotzdem ehrlich verkündet, eine Vertrautheit der beiden voraus.
Um Haimon nun zu verdeutlichen, welche Verpflichtung der Sohn ihm
gegenüber hat, setzt er den Dialog mit einer Rede fort, in der er
behauptet „des Vaters Wille gehe vor in allem“ (V.640) und die
„folgsamen“ (V.641) Kinder sollen dem „Feind schlimm vergelten“
(V.643). Kreon möchte wohl ausdrücken, dass es Haimons Pflicht sei,
ihm auch auf „unrechtem“ (V.671) Weg Gehorsam zu leisten. Obwohl
Kreon nach wie vor nicht von seiner Meinung ablässt, erkennt man,
dass er Haimon als Sohn schätzt, was sich in Kreons Aussage „[Die
Kinder sollen] seinem Freund so wie den Vater ehren“ (v.644),
widerspiegelt. Doch um das Gespräch wieder auf Antigone zu lenken
und zu erläutern, wie sehr er das weibliche Geschlecht unterordnet,
rät er Haimon er soll „wegen einem Weib, Das [ihm] gefiel, nicht
[seine] Einsicht“ (V.648-649) preisgeben, was so viel bedeutet wie,
man darf keiner Frau trauen und Einfluss auf sich nehmen lassen.
Zudem behauptet er, um sich der Verantwortung gegenüber des
Konflikts zu entziehen, dass er Antigone hinrichten müsse, da er
sich sonst “Lügen strafe vor dem Volk“ (V.675-676), da sie ihm
als einzige „offen den Gehorsam […] versagte“ (V.655-656).
Anhand seiner Bezeichnung von Zeus als einen „Sippenschützer“
(v.659) bringt er die Hauptproblematik des Stückes zum Ausdruck und
verdeutlicht seine Missachtung von Antigone und den Göttergesetzen
(vgl. V.658-659). Dass Kreon als König vollkommenen Gehorsam
schätzt, wird besonders in Vers 661 bis 672 deutlich, da er hier
beschreibt, dass jeder gehorsam ist, der dem Befehl „treu“
(V.670) standhält, wie ein „rechter Kampfgenoß“ (V.662), doch
auch „im eignen Haus sich bewährt“ (V.661).
Als Haimon wieder das Wort erhält, merkt man wie sich sein Charakter
verändert und direkter wird. Das beweist zum Beispiel seine Aussage
„die Götter pflanzen die Vernunft dem Menschen ein als höchstes
aller Güter“ (V.683-684), womit er sagen möchte, dass Kreon als
König keine Vernunft von den Göttern bekommt, solange er diese
missachtet. Allerdings ergänzt er, dass er Kreon zum Teil auch
zustimme (vgl. V.685-687), was erneut auf die familiäre Bindung
hinweist. Trotz dieser Zustimmung argumentiert Haimon weiterhin für
Antigone, in dem er beispielsweise behauptet, dass sich dessen
Untertanen nicht trauen die Wahrheit zu erzählen und insgeheim
anders über Kreon denken (vgl. V.690-691). Um dieses Argument zu
stützen, berichtet Haimon, er habe gehört, dass die ganze Stadt
finde, Antigone solle für diese „schönste Tat“ (V.695) nicht
„elend sterben“ (V.695), sondern sei „goldner Ehrengabe wert“
(V.699). Letztendlich bedeutet dies, dass Kreons Untergebenen nur
scheinbar gehorsam sind, da sie im Grunde gegen Kreons Urteil über
Antigone stimmen (vgl. V.700-701). Aus den Versen 701 bis 704 wird
außerdem deutlich welchen Stellenwert die Familie für den Sohn hat.
Nun hat sich Haimons Charakter noch weiter verändert. Er wird
offenbar selbstbewusster und traut sich immer mehr gegenüber Kreon.
Dies ist vor allem an seiner Aussage „Drum laß nicht nur die eine
Denkart gelten, die du für richtig hältst[...]“ (V.705-706) zu
erkennen, welche zudem auch bedeuten soll, Kreon müsse seine
konservative und intolerante Art gegenüber seinen Untertanten
niederlegen, damit er auch in „Geist und Rede“(V.708) begabt
bleibt. Dadurch, dass Haimon auch sagt, es wäre „keine Schande“
(V.710), sondern „klug“(V.710) sich dem Lernen hinzugeben (vgl.
V.711), erkennt man seine neutralen und klugen Charakterzüge, welche
bei seinem Vater offensichtlich fehlen. Ergänzt wird dies auch durch
Haimons Aussage: „Dann ist von Klugen lernen auch ein Lob“
(V.724).
Der Chor spielt in dieser Szene eine eher versöhnende Rolle, zu
erkennen an dem Ratschlag in Vers 724-725. Die Arroganz Kreons wird
im Besonderen dadurch klar, dass er behauptet, er könne von „diesem
Jungen' […] so alt [Kreon] ist“ (V.726-727) weder Vernunft noch
Gehorsam lernen
(vgl. V.727). Darüber hinaus scheint Kreon langsam die Oberhand über
den Streit zu verlieren, was an seiner wachsenden aggressiven Art
gegenüber Haimon zu erkennen ist (vgl. V. 726-731).
Während die Meinungsverschiedenheit der beiden zunimmt, rückt
Antigone wieder in den Vordergrund (vgl. V.730), da Kreon ihre Taten
als „Empörung“ (v.730) ansieht und diese nicht „huldigen“
(V.730) kann. Als nun Haimon erneut erwidert, er verlange nicht, dass
Kreon ihren Verrat ehrt (vgl. V.731), zeigt er in welchem Zwiespalt
er sich befindet , da er einerseits sagt,er stimme Kreon zu und man
dürfe diese Taten nicht ehren (vgl. V. 731), doch andererseits
verteidigt Haimon Antigone erneut. Letzteres stützt er, indem er
behauptet, Kreons Volk ist nicht der Meinung, Antigone sei von
diesem Übel verseucht (vgl. V.732-733).
Nun fällt das Gespräch auf den Absolutismus des Königs, welchen
Haimon scheinbar nicht befürwortet, was er mit seinen Aussagen „Das
ist kein Staat, der einem gehört.“ (V.737) oder „Alleine
herrscht du am besten in der Wüste.“ (V.739) ausdrückt.
Doch daraufhin schiebt Kreon erneut alle Schuld auf Antigone, da er
sagt, der schlechte Einfluss komme allein von ihr (vgl. V.740). Die
Antwort darauf spiegelt die tiefe Verbundenheit zu seiner Familie
wieder, da Haimon sagt, er wäre um seinen Vater besorgt (vgl.
V.741). Doch von dieser Verbundenheit lässt Kreon immer weiter ab
und greift seinen Sohn verbal an, in dem er zum Beispiel kritisiert :
„ Nichtswürdiger – und rechtest mit dem Vater !“ (V.742).
Der Streit erlangt jetzt langsam seinen Höhepunkt, zu erkennen an
der Bezeichnung seines Vaters als ein „Schändlicher“ (V.747) ,
dass er nur reden will und gar nicht reden lässt (vgl. V.751) und
dass Haimon mit Antigone zusammen sterben will (vgl. V.753), was
eindeutig eine Drohung darstellt und sowohl zum absoluten Höhepunkt
als auch gleichzeitig zum Ausgang der Tragödie, also der
Katastrophe, beiträgt. Nachdem die Rangunterschiede der beiden
inzwischen eher in den Hintergrund gerückt sind, lässt die grobe
Art von Haimon nun etwas nach und er verziert seine Aussagen wieder,
wie in Vers 757 „Wärst du mein Vater nicht, spräch' ich: Du Narr
!“. Nach dieser erneuten Kritik Haimons, ist klar zu erkennen, dass
Kreon unbedingt die Macht behalten und mit seinem Urteil zur
Hinrichtung, in den Versen 758-761, die Oberhand zurückgewinnen
möchte, um Haimons Argumentation zu unterbinden.
Für den weiteren Verlauf der Tragödie ist diese Szene wichtig, da
hier einerseits Haimon, sprich Antigones Verlobter und Sohn Kreons,
zum ersten Mal richtig in Erscheinung tritt und seinem Vater in
Sachen Antigone widerspricht und andererseits das Schicksal von
Antigone immer weiter Gestalt annimmt, insbesondere dadurch, dass
Kreon jenes Endurteil über sie trifft.
Für Kreon hingegen bedeutet dieser Streit, neben dem nun vorhandenen
familiären Konflikt, dass er merkt wie Haimon mehr hinter Antigone
als hinter ihm steht, was sehr ausschlaggebend für das Ende der
Geschichte, also die Katastrophe, ist.
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