Erwartungshorizont „Dom“
Aufgabe 1:
Die
Szene spielt, wie der Titel bereits verrät im Dom, in den Gretchen
in ihrer Verzweiflung flieht, um zu beten. Dort ist sie im
Zwiegespräch mit dem bösen Geist, ihr eigenes Gewissen und dem
Chor, welcher das christliche Weltgericht darstellt. Gretchen
reflektiert zum ersten Mal die vergangenen Geschehnisse und wird mit
den Konsequenzen konfrontiert.
In
der Szene „Dom“ sitzt Gretchen mit vielen anderen Menschen in
der Kirche und ein böser Geist redet auf sie ein, während
gleichzeitig die Menschen im Chor singen. Der Geist macht ihr mit
der toten Mutter und der früheren Unschuld ein schlechtes Gewissen
und weist sie auf eine etwaige Schwangerschaft mit „Und unter
deinem Herzen, Regt sich’s nicht quillend schon, Und ängstigt
dich und schon, mit ahnungsvoller Gegenwart?“ hin.
Gretchen
verkraftet das alles nicht und fällt in Ohnmacht.
Einordnung
der Szenen in den Gesamtzusammenhang:
Gretchens
Tragödie nimmt ihren Höhepunkt, da diese Szene Gretchens Schicksal
besiegelt.
Wendepunkt und Höhepunkt für das Gretchendrama.
Eingeleitet
wird dieser Wendepunkt mit dem Tod des Bruders und dessen
Verunglimpfung auf dem Sterbebett, die zu einer gesellschaftlichen
und damit auch sozialen Ächtung führen.
Sie
fühlt sich von allen im Stich gelassen, ihre Schuldhaftigkeit wird
ihr so massiv bewusst, dass sie in Ohnmacht fällt.
Sie
verfällt dem Wahn, tötet ihr Neugeborenes und erfährt im Kerker
einem Läuterungsprozess, der sie schlussendlich von Faust Abstand
nehmen lässt und wieder zu Gott führt.
Sie
nimmt ihre Schuld an.
Aufgabe 2:
Für
Gretchen geht es nun an Berg ab und sie sieht Faust erst im Kerker
wieder, der sich während Gretchen leidet bei der Walpurgisnacht
amüsiert.
Gretchen
verdrängt eine Schwangerschaft und die Stimme ihres Gewissens, der
böse Geist, wird aber von all den Erfahrungen überwältigt und ihr
Körper sackt zusammen.
Es
herrscht eine große Zerrissenheit in ihr, weil sie ihr altes Leben
(Frömmigkeit),
„Wie anders. Gretchen war dir’s, Als du noch voll Unschuld hier
zum Altar tratst, Aus dem vergriffnen Büchelchen Gebete lalltest, ,
Halb Kinderspiele, Halb Gott im Herzen!“ nicht
mit dem neuen Leben (Sünde, Leidenschaft, Lust),
„Ihr Antlitz wenden Verklärte von dir ab, Die Hände dir zu
reichen, Schauert’s den Reinen. Weh!“, vereinen
kann
und all dies wird ihr in der Kirche klar, beeinflusst von den braven
Gesängen der Mitbürger und Mitbürgerinnen.
Einteilung
der Szene:
Der
Dom ist für Gretchen ein vertrauter Ort und da er das Zentrum der
Kirche ist, ein großen Teil ihres Lebens. Gretchen ist bisher sehr
fromm gewesen und hat sich immer an die strengen Regeln der Kirche
gehalten. Der böse Geist nimmt auf diesen Fakt auch in der ersten
Strophe Bezug: „ Als du noch voll Unschuld Hier zum Altar
tratst,...“. Sie war die personifiziert Unschuld und demütig war
„Aus dem vergriffenen Büchelchen“ weist darauf hin, dass
Gretchen ein regelmäßiger Kirchengänger war, aber auch nicht
wirklich verstand, was ihre Religion bedeutet, da sie die „Gebete
lalltest“. Dieses Argument wird außerdem durch den Diminutiv
„Büchelchen“ verstärkt. Damit ist eindeutig die Bibel oder
ein Gotteslob gemeint Sie hat sich wie die Mehrheit ihrer Zeit nicht
wirklich mit dem Christentum auseinandergesetzt.
Die
zweite Strophe beginnt mit der Selbstreflexion Gretchens. Mithilfe
der rhetorischen Fragen „Wo steht dein Kopf?“ und „Welche
Missetat“ wird ihre sich immer stärker werdende Unsicherheit
deutlich. Auch erwähnt sie den Tod ihrer Mutter „Durch dich zur
langen, langen Pein hinüberschlief?“, für den sie sich
schuldig bekennt. „Auf deinen Schwelle wessen Blut?“ Der Tod
ihrer Mutter ist auch soweit schrecklich, dass man in dieser Zeit
glaubt, dass die Menschen, die keine Beichte abgelegt und kein
Sakrament erhalten haben, im Fegefeuer sterben werden.
Die
dritte Strophe handelt von Gretchens Schwangerschaft. „- Und unter
deinem Herzen Regt sich ́s nicht quillend schon“ Sie hat so große
Angst, ein Kind zu erwarten („Und ängstet dich und sich Mit
ahnungsvoller Gegenwart?“), dass sie die Tatsache versucht zu
verdrängen und geht sogar so weit, dass sie sich vor sich selbst
ekelt. „Weh! Weh!“ und „Wider mich!“ Sie kann selber nicht
begreifen, was sie getan hat und wünscht sich, dass alles wieder
so ist wie früher „Wär ich der Gedanken los, Die mir herüber
und hinüber gehen“
Anschließend
singt der Chor ein Teil der Totenmesse auf Latein. „Der Tag des
Zorns, jener Tag wird die Welt in Asche legen.“ Der Chor
verkörpert das christliche Weltgericht und somit auch die das
Weltbild der damaligen Gesellschaft. Gott wird hier als strafender,
zorniger Gott dargestellt, welcher Sünden bestraft. Der darauf
einsetzende böse Geist verstärkt die sich aufbauende bedrohliche
Stimmung. Die einfachen Ausrufesätze („Grimm fasst dich! Die
Posaune tönt! Die Gräber beben!“) stehen im Kontrast zu dem
lateinischen Chorgesang. Es verdeutlicht die kleinbürgerliche
Herkunft Gretchens. Außerdem steht der „Grimm“ als Tier für
den Tod und die Posaune für die Hölle und das Böse. Diese
Strophe ist eine Drohung und Vorwarnung für Gretchen: Sie ist für
schuldig empfunden worden und wird in der Hölle kommen und dort
verbrennen „Aus Aschenruh Zu Flammenqualen Wieder aufgeschaffen,
Bebt auf!“
Gretchens
Wunsch ist es diesem schrecklichem Schicksal zu entkommen und denlt
in ihrer Verzweiflung über eine Flucht nach. „Wär ich hier
weg!“ „Mir ist, als ob die Orgel mir Den Atem versetzte“
symbolisiert die Gesellschaft und die Kirche, dessen strenge Regeln
und Werte einen zwingen sich „einzureihen“ und Ausgestoßene
bestrafen.
Gretchen
geht das sehr nah „Gesang mein Im Tiefsten löste.“ Sie war bis
jetzt immer ein Teil der Kirche und somit auch ein Teil der
Gesellschaft. Sie war sicher und erfuhr Schutz und Gemeinschaft.
Doch sie hat gesündigt und muss nun mit den Konsequenzen leben.
Der Chor singt erneut „Wenn der Richter auf seinem Thron sitzen
wird, wird offenbar werden, was verborgen ist, nichts wird
ungesühnt bleiben.“ Gott tritt als Richter für Gut und Böses
auf, dem nichts entgeht: Für Gretchen gibt es also kein Entkommen.
Sie wird panisch, da sie nun erkennt, dass keine Flucht möglich
ist. „Mir wird so eng! Die Mauernpfeiler Befangen mich“ Die
Mauernpfeiler sind metaphorisch gemeint und symbolisieren die
Gesellschaft und an alle Werte, an die Gretchen vorher geglaubt hat.
Sie merkt, dass sie ihre moralischen Grundsätze verloren hat und
die Gewissensbisse und die Unsicherheit, in der sie sich jetzt
befindet, sie konfrontieren. „Das Gewölbe Drängt mich! –
Luft“ Die Luft steht hier metaphorisch für Vergebung. Gretchen
fleht nach Gnade. Doch eigentlich weiß sie bereits selbst, dass
eine Lossprechung ausgeschlossen ist. Der böse Geist macht sich
über diese unmögliche und irrwitzige Bitte lustig ( „Luft?
Licht? Weh dir!“) und verstärkt diese Aussage durch die
Alliteration Luft? Licht? Zusätzlich stellt er erneut klar, dass
eine Flucht vor Bestrafung unmöglich ist. „Verbirg dich! Sünde
und Schande Bleibt nichts verborgen.“
Der
Chor singt erneut „Was werde ich Elender dann sagen? Wen als
Führsprecher anflehen, da doch kaum der Gerechte bestehen wird?“
Er stellt die Frage, warum Sünde nicht bestraft werden sollte, da
doch in dieser Gesellschaft kaum der Frommste und Unschuldigste kaum
überlebt.
Der
böse Geist verstößt Gretchen mit den Worten „Die Hände dir
zu reichen Schauert ́s den Reinen Weh!“ endgültig aus der
Gesellschaft und dem sozialen Leben. Gretchens Selbstreflexion kommt
zu einem Ende und sie erkennt die volle Tragweite ihres Handelns.
Der Chor wiederholt sein Sprechgesang und Gretchen fasst in der
Panik den Entschluss sich das Leben zu nehmen „Nachbarin! Euer
Fläschchen“, da sie sich zwar ihrer Schuld bekennt, aber nicht
mit der Situation umgehen kann und die Konsequenzen nicht tragen
will. Aufgrund ihrer eigenen inneren Zerrissenheit ihres alten
frommen Ichs und ihrem neuen leidenschaftlichen Ichs und die
Aussicht auf eine ausweglose Zukunft bricht sie in sich zusammen und
wird ohnmächtig.
Die
Szene ist der Wendepunkt des Gretchen Dramas. Im weiteren Verlauf
des Dramas geht Faust auf eine Walpurgisnacht, um sich zu
amüsieren. Anschließend kehrt er aber wieder zu Gretchen zurück,
welcher aber in der Zwischenzeit ihr gemeinsames Kind getötet hat
und sich nun im Kerker befindet und zum Tode verurteil ist. Faust
und Mephisto versuchen sie zur Flucht zu überreden, aber Gretchen
bekennt sich ihrer Schuld und übergibt sich in das Gericht Gottes.
Stilmittel:
Ein
wichtiges Stilmittel, das Goethe in der Szene „Dom“ benutzt ,
ist „Dies Irae“. Dies ist ein lateinischer Gesang, der für die
Totenmesse benutzt wird und auf das Jüngste Gericht vorbereitet.
Der Richter sitzt bereits und niemand kann diesem Gericht entkommen
Vorausdeutung,
Vorausahnung.
Szenerie
dramatisch, festlich und förmlich (Orgel, Chor etc.).
Der
Böse Geist repräsentiert das schlechte Gewissen von Gretchen,
dessen Bruder tot ist und dessen Mutter ebenfalls den Folgen einer
Vergiftung durch den Schlaftrunk erlag.
Für
beide Tragödien trägt sie eine moralische Mitschuld oder ist sogar
der unmittelbare Auslöser. Gretchens
Schuldgefühle (gegenüber dem Tod ihrer Mutter und ihres Bruders),
ihre Gewissens- und Glaubenskonflikte (hinsichtlich der
unstandesgemäßen und unehelichen Beziehung zu Faust) gipfeln in
dieser Szene zu einem tragischen Höhepunkt, der ihr sogar das
Bewusstsein raubt.
Die
Sprache des bösen Geistes ist bewusst unstrukuriert und locker,
während die Messe einer strengen sprachlichen Struktur gehorcht.
Die Messe wird, wie es sich gehört, vom Chor in lateinischer
Sprache zelebriert. Um die Dramatik der Ereignisse noch
hervorzuheben wird die Szenerie mit Orgelklängen untermalt.
Diese
Szene ist für den Charakter Gretchen definitiv ein Wendepunkt: Sie,
als naives und frommes Mädchen aus der unteren Bevölkerungsschicht,
zerbricht an ihrem Schicksal unter ihrem gutwilligen Charakter. Es
deutet sich ihr späterer labiler Geisteszustand an, der in der
Kerker-Szene völlig zum Ausbruch kommt. Verworrene Irrationalität.
Aufgabe 3:
Prinzipiell ist hier auf eine individuelle
Schülerantwort einzugehen. Allerdings sollte begründend erörtert
werden, ob und inwiefern Faust schuldig ist.
Darstellung
der Haltung von Faust in der vorliegenden Szene
Fausts
Gewissensbisse in „Wald und Höhle“, ABER: Zuwendung „zum
Bösen“
Faust weiß, dass er Gretchen ins Verderben stürzen wird, wenn er
seinen Trieben/ seiner Begierde nachgibt, was er aber schlussendlich
macht.
Fausts
Taten, aber auch Einfluss von Mephistopheles.
Gretchen
agiert selbstständig
Kindsmord.
Differenzierung
zwischen moralischer und tatsächlicher Schuld.
Schuldhaftigkeit
an was?
Darstellungsleistung:
Strukturierte
Darstellung
Strukturiert
ihren/seinen Text schlüssig und gedanklich klar, Gliederung des zu
bearbeitenden Textes.
Setzt
Teilleistungen sinnvoll zueinander in Beziehung.
Absätze
Einhaltung
formaler Regeln:
Zitiert
funktionsgerecht und korrekt.
Belegt
Aussagen am Text.
Stilistische
Qualität und Wortwahl:
Formuliert
den Text syntaktisch sicher und variabel,
…
hinreichend
komplex und
in
der Tempuswahl stimmig
gibt
übernommene Aussagen durch den Gebrauch des Konjunktivs wieder.
stellt
Analyseergebnisse / Sachverhalte präzise und differenziert dar.
Verwendung
von Fachsprache
wendet
eine fachsprachliche Terminologie korrekt an.