Die
Linkshänder von Günther Grass
Textanalyse
Die Kurzgeschichte „Die Linkshänder“, welche von
Günther Grass geschrieben wurde, handelt von zwei Freunden, dem Ich-Erzähler
und Erich, die auf Grund ihrer beider Linkshändigkeit sich gegenseitig die
jeweils linke Hand abtrennen. Die Linkshändigkeit wurde in den 50er Jahren als
sogenanntes „Handicap“ angesehen und führte somit zum Zwang, Rechtshänder zu
werden. Schauplatz dieses Ereignisses ist Erichs abgelegenes Wochenendhäuschen.
Der Ich- Erzähler und sein Freund Erich kennen sich
aus dem Verein „Die Einseitigen“, in welchem sich einige Linkshänder
zusammengefunden haben. Gemeinsam haben sie schon viele schwierige Situationen
durchgemacht und durch verschiedene Wege versucht, Rechtshänder und somit
„normal“ zu werden. Seitdem sie ein Kind sind, ist ihnen gepredigt worden, die
gute, rechte und brave Hand zu benutzen, statt der linken Hand. Bisher haben
sie es mit Bandagen, Tricks oder Verboten versucht, rechtshändig zu leben. Doch
letztendlich greifen sie nach der Notlösung und schießen sich gegenseitig in
den linken Arm, so dass dieser zukünftig bewegungsunfähig ist und sie somit
gezwungen sind, den rechten Arm zu benutzen. In der heutigen Gesellschaft,
würde man beim Lesen auf völliges Unverständnis treffen, da die Menschen sich
nicht die Frage stellen können, warum man so etwas tun sollte bzw. einem Freund
so etwas antun sollte. Beim Lesen wird jedoch auch deutlich, wie stark der
Zusammenhalt der Linkshänder zu dieser Zeit gewesen ist. Dennoch wird deutlich,
wie verzweifelt, die beiden Charaktere sind. Diese Verzweiflung wird schon zu
Beginn sehr deutlich („unsere Waffen sind geladen, Z.4). Auch die Selbstaussage
„wir sind keine Träumer“ (Z.13) zeigt dies.
Die beiden Freunde im Wochenendhäuschen legen gegenseitig Bandagen an ihre linken Hände.
Erich und der Ich – Erzähler kennen sich aus dem
Verein uns sind beide Linkshänder. Das Treffen in dem Verein gilt vor allem der
Schulung für die Benutzung der rechten Hand. Auch den Namen des Vereins findet
der Ich – Erzähler misslungen, da er nicht deutlich genug ausspricht, was sie
eigentlich verbinden und auch stärken sollte (Z.81-84). Erich und der Ich –
Erzähler werden außerdem zu den beiden extremen Flügeln zugezählt, welche den
Satz: „Wir wollen auf unsere linke Hand stolz sein und uns nicht unseres
angeborenen Griffes schämen“ (Z.36-37) verfolgen. Dieser Gedanke zeigt die
Andersartigkeit und widersetzt sich dem Zwang der Gesellschaft. Doch aufgrund
der negativen Erfahrungen, sie die beiden Charaktere nicht mehr von diesem Satz
überzeugt. Selbst im Erwachsenenalter bereitet das Dasein der Linkshänder dem
Ich–Erzähler noch große Probleme. Mit seiner Verlobten Monika, welche ebenfalls
linkshändig ist, hat er schon oft den Ringtausch besprochen (Z.136 - 137).
Obwohl beide den Ring gerne links tragen würde, können
sie es sich nicht leisten, vor einer unwissenden, nicht selten böswilligen
Welt, den Ring links zu tragen (Z.139 – 140). Insgesamt wird deutlich, dass der
Zwang größer ist als der Wunsch, seine linke Hand benutzen zu dürfen. Dennoch
ist auch die Gemeinschaft sehr groß und spielt eine wichtige Rolle beim ich –
Erzähler. Dies wird vor allem durch die ständigen Wiederholungen des Wortes
„wir“ deutlich. Die Geschichte zeigt, wie stark sich der gesellschaftliche
Zwang auf das private Leben auswirkt und zum Mittelpunkt des gesamten Lebens
wird. Dies zeichnet sich vor allem durch die negativen Erfahrungen in der
Vergangenheit und in der Kindheit wieder. Durch das Verlassen werden der ersten
Freundin, als raus kam und der Kindheitserinnerung, dass die rechte Hand die gute
Hand ist gibt sich der Ich–Erzähler widerwertig dem Zwang hin.
Bei den Linkshändern ist es die Hauptaufgabe, kein
Aufsehen zu erregen. Deshalb wird auch vor allem im Verein der Griff mit der
rechten Hand erprobt. Selbst während des Akts der Selbstverstümmelung soll kein
Aufsehen erregt werden, bloß keine Möbelstücke, Bilder oder den Spiegel
treffen, oder Porzellan verletzen. Hier wird vor allem die Abstumpfung der
Empfindung verdeutlicht, denn Porzellan kann nicht verletzt werden. Neben der
Thematik der Folgen der Unterdrückung von Linkshändern, wird außerdem die
gesellschaftliche Ächtung Homosexueller angesprochen. Der Ich – Erzähler
distanziert sich mit seiner Meinung, von dieser sexuellen Neigung, als wenn man
das Schlimmste zu befürchten hätte, sobald man sich auch nur mit dem Gedanken
anfreunden könnte. „Jene verfehlte und mir ganz unbegreifliche Liebe zwischen
Geschlechtsgleichen [...]“ (Z 174- 175). Auch das Verhältnis des Ich –
Erzählers zu seiner Verlobten hat darunter gelitten. „Zu oft ist sie mit ihrer
Freundin, einem labilen und sprunghaften Geschöpf, zusammen“ (Z.177-178). Dies
lässt darauf schließen, dass neben der Linkshändigkeit ebenfalls die Sexualität
unter Gleichgeschlechtlichen nicht gerne gesehen war. Dies ist allerdings auch
ein Widerspruch des Ich – Erzählers selbst, da er auf der einen Seite
kritisiert, dass die Gesellschaft die Linkshändigkeit nicht akzeptiert, aber
auf der anderen Seite zu der Gesellschaft gehört, die die Homosexualität nicht
akzeptieren können. Das Wort links wird hier im politischen Zusammenhang mit
der politischen Partei verglichen.
Man kann textextern erschließen, dass während des
kalten Krieges im Deutschland der 50er Jahre, die politische Linke, in der
Besatzungszone der Alliierten, übermäßig unter Druck gesetzt wurde, worauf der
Text auch eingeht, indem links gleichbedeutend mit radikal gesetzt wird: „[...]
ist es zur Sitte geworden […] links […] eine gefährliche Radikalität
anzudichten(Z 106).“ Die wichtigste politische Anspielung des Textes ist
deshalb in der Mehrdeutigkeit des Begriffs „links“ zu verstehen und
kennzeichnet damit die Stellung des Vereins, gegenüber der ihn umgebenden
Gesellschaft. Die Bedeutung des Begriffs „linker Verein“ kann man in diesem
Zusammenhang auch als link in Bezug auf hinterhältig verstehen. Der Text
transportiert im Rahmen seiner politischen Anspielungen damit recht genau, dass
die politischen Parteien so gesehen wurden.
Abschließend kann man sagen, dass der Text sehr
deutlich, den politischen Zwang der Gesellschaft in den 50er Jahren zeigte.
Selbst während der Nachkriegszeit sind die politischen Situationen nicht
geklärt und werden zum privaten Verhängnis vieler junger Menschen, die
schließlich bis aufs äußerste gehen müssen.