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Interpretation

Inter­pre­ta­tion: `Die getreue Antigone` von Elisabeth Lang­gässer

1.662 Wörter / ~4½ Seiten sternsternsternstern_0.75stern_0.3 Autorin Hanna R. im Apr. 2014
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Interpretation
Deutsch

Universität, Schule

Karl-Schmidt-Rottluff-Gymnasium Chemnitz

Note, Lehrer, Jahr

10 Punkte 2013

Autor / Copyright
Hanna R. ©
Metadaten
Format: pdf
Größe: 0.20 Mb
Ohne Kopierschutz
Bewertung
sternsternsternstern_0.75stern_0.3
ID# 39607







Interpretation

„Die getreue Antigone“von Elisabeth Langgässer

Viele Menschen wagen es nicht sich die bedeutsamsten Fragen zu stellen. Wieso bin ich hier? Was wird aus mir? Wo komme ich her? All diese Fragen haben keine Antwort, doch anhand dieser Frage kann man die Menschheit in zwei verschiedene Klassen einteilen; die, die Angst vor der Wahrheit haben und ihr Leben leben ohne jeglichen Grund und Anlass zu hinterfragen und jene, die das Leben nicht nur leben wollen, sondern auch verstehen. Diese hinterfragenden Menschen handeln oftmals weniger egoistisch und sind humaner. Ein Beispiel für einen solchen Menschen ist Carola aus der Kurzgeschichte „Die getreue Antigone“ von Elisabeth Langgässer.

Carola, deren Bruder im KZ von Mauthausen umgekommen ist, pflegt das Grab eines unbekannten Soldaten zusammen mit ihrem Freund, der sie davon abbringen will.

Im ersten Abschnitt werden die Lage und das Aussehen des Grabes geschildert. Es liegt inmitten von Schrebergärten. Dies ist ein symbolischer Gegensatz von Tod, gezeichnet durch das Grab und Leben, symbolisiert durch die Schrebergärten. Um diesen Ort bildlicher zu gestalten nutzt Langgässer einen Vergleich (Z.1f) indem sie es mit einer Insel, umgeben von Wasser vergleicht. Das Grab befindet sich in einem heruntergekommenen Zustand, was daraus schließen lässt, dass man den verstorbenen Mensch nicht besucht. An der Haltung des Begleiters von Carola wird deutlich, dass er gerne an einem anderen Ort wäre. Dieser schaut ihr gelangweilt zu. Beide Figuren vertreten gegensätzliche Positionen: Carola will den Frieden der Toten bewahren, doch für den jungen Mann ist der Tod der Endpunkt allen Seins und nicht wert, über ihn hinaus zu schaffen: Die Gegenwart allein zählt.

Im zweiten Absatz erfahren wir, dass sich die Kurzgeschichte gegen Anfang Sommer bzw. Ende Frühling abspielt. Es weht kein frischer Wind und die Sommerhitze fängt an sich breit zu machen. Auch nach den charakteristischen Pflanzen, wie die Maiglöckchen oder den Narzissen entspringen erstmal keine neuen Pflanzen. Die meisten Menschen assoziieren Sommer mit Freiheit und Lust am Leben, Sonne und Wärme, doch diese Beschreibung eines Sommeranfangs wirkt trist und farblos, was das Empfinden der beiden ausdrücken soll. „Wenn der Rot- und Weißdorn vorüber ist, kommt eine zeitlang gar nichts“. Das verdeutlicht  das Ende eines Lebensabschnitts. Es wird deutlich, dass der vergangene Lebensabschnitt kein schöner bzw. leichter war, doch noch erfährt der Leser nicht den Grund dafür. Langgässer baut somit Spannung auf indem sich der Leser fragt was geschehen sein könnte.

Die Überleitung zum dritten Absatz bildet ein Gespräch. Carola und ihr Begleiter unterhalten sich über das Fehlen der Blumen, wenn der Rot- und Weißdorn vorüber ist. Anhand der Ironie, die der junge Mann nutzt (Z. 21) wird nochmals deutlich, dass er sich an diesem Ort nicht wohl fühlt. Er verspottet Carola, die sich weigert für das Grab Zweige abzureißen, verliert sich in Gedanken und lässt das Geschehen bizarr erscheinen, während Carola das Gegenteil bewirkt, indem sie liebevoll das Grab säubert. Carola scheint sich nicht unwohl zu fühlen. Sie verbindet diesen Ort nicht mit dem Ende des Lebens, sondern sie hat den Tod als Teil des Lebens akzeptiert. An diesem Ort fühlt sie sich geborgen und beruhigt.

Um zu zeigen, dass Carola das Grab immer wieder pflegen geht bedient sich Langgässer einer Aufzählung („September, Oktober […] November, Dezember“ Z. 32f). Der Begleiter Carolas versteht ihre Geste nicht. Er ist der Meinung, dass sie ein Blödsinn treibt. Im vierten und fünften Absatz erfährt man den Grund für das fehlende Vertrauen des Begleiters gegenüber Carola. Der verstorbene Soldat könnte ein SS Offizier gewesen sein. Dem jungen Mann fällt es schwer zu akzeptieren, dass Carola dem NS- Soldaten verziehen hat. Sie erweist die Grabesehren, die sie für ihren Bruder nicht leisten kann, als Zeichen der Versöhnung, weil sie nicht weiß, wer in dem Grab bestattet ist. Ihr Verhalten ist ganz auf den Frieden der Toten gerichtet, egal ob es ein Freund oder Feind sein sollte. Es geht ihr dabei vielmehr um die Überlebenden, die dem Tod der Opfer einen Sinn geben und den Hass unter den Menschen überwinden sollen. Carola strebt nach dieser Ruhe und erhofft sich diese mithilfe des Gebots der Nächstenliebe zu erlangen.

Gegen ende des fünften Abschnitts bis in das sechste hinein wandelt sich das Gespräch zwischen den beiden in eine Diskussion, bei der deutlich wird, dass Carola den Tod ihres Bruders noch nicht verkraftet hat, denn als der junge Mann erzählen will, was die SS Männer mit ihrem Bruder gemacht hätten können, hält sie sich ihre Ohren zu. Aus Angst und Schmerz fällt ihr das Atmen schwer und sie beginnt zu keuchen. Bei dem Begleiter entwickeln sich Wut und Eifersucht, denn er kann sie nicht verstehen und weiß nicht wieso sie dem Mann so viel Zeit und Mühe opfert. Er droht ihr sich von ihr abzuwenden, indem er illegalen Geschäften nachgeht, doch Carola bleibt am Grab und zeigt ihm, dass sie nicht gehen wird ehe sie fertig ist. Der Begleiter sieht die Sturheit Carolas und greift in seiner Verzweiflung auf Lügen zurück. Er bietet ihr Schokolade, Strümpfe und Likör an. Diese drei Sachen verbindet er mit Wärme und Freude, doch Carola verzichtet darauf und fragt ihn ganz direkt wieso er sie anlügt. Die Antwort findet sie selbst heraus und meint der junge Mann hätte sie aus Traurigkeit angelogen. Sie versteht, dass er sich unwohl fühlt und der Tod für ihn ein trostloses Geschehen ist.

Im siebten Abschnitt versöhnen sich die beiden wieder. Das wird daran deutlich, dass der junge Mann sich wie ein verlaufener Hund den Kopf auf Carolas Schoß legt. Langgässer nutzt  einen Vergleich um auch dieses Bild deutlicher zu machen. Durch diese Gestik entwickelt  sich beim Leser ein vertrautes Gefühlt des Trostes. Carola hat sich von dem Streit noch nicht erholt und denkt an ihren Bruder. Im nächsten Abschnitt versucht Carola immer wieder ein Gespräch mit dem jungen Mann anzufangen. Sie will sich mit dem Tod ihres Bruders und mit dem Sterben auseinandersetzen und fragt sich ob er qualvoll gestorben sei. Der Begleiter geht nicht tiefer auf ihre Frage ein. Für ihn macht es keinen Sinn über vergangenes zu reden und findet es sei zu spät über so etwas zu reden, da ihr Bruder schon Tod ist und sich nichts daran ändern würde, doch Carola beharrt darauf, denn sie kann den Tod nur verdauen, indem sie darüber spricht. Carola, die nicht offen mit ihm darüber reden kann, nickt und stimmt ihm mechanisch zu. Daran wird deutlich, dass sie sich trotzdem Gedanken darüber macht und versucht nochmals den Begleiter zu einem Gespräch zu bringen. Sie beschäftigt sich mit der Frage ob ihr Bruder in Frieden ruhen würde. Der junge Begleiter beruhigt sie. Im neunten Abschnitt charakterisiert Elisabeth Langgässer Carola als eine mitfühlende, liebende Person, was sich anhand ihrer Kindheitserinnerungen zeigt. Carola hatte immer Angst um ihre Spielsachen, wenn sie sie draußen vergessen hatte und sorgte sich um sie. Das Gespräch wird von Carola getragen, die redet ohne dass der junge Begleiter etwas sagt. Er scheint sie nicht zu verstehen und liegt auf ihrem Schoß ohne auf etwas einzugehen. Carola wendet sich daher an den Soldaten und fragt ihn ob das Sterben schwer sei. Als Antwort darauf bewegt sich der Wind und lässt durch die Sonnenstrahlen ein kleines Licht funkeln. Langgässer verwendet hier eine Personifikation (Z. 77f) um zu verdeutlichen, dass es kein Zufall war das gerade in dem Moment der Wind weht, sondern dass es als Antwort an Carola verstanden werden kann. Das Licht ist dabei ein Symbol von Leben und Stärke. Im Dunkeln fühlt man sich einsam und schwach, doch wenn man etwas sehen kann steht man mit beiden Füßen fest auf dem Boden und man hat keine Angst zu fallen. Dieses Licht ist die Antwort auf ihre Frage.

Im vorletzten Abschnitt stellt Carola nochmals eine Frage, jedoch ist diese doppeldeutig, denn man weiß nicht ob sie sie dem Verstorbenen oder dem Begleiter stellt, doch der Begleiter beantwortet die Frage. Sie fragt ob er gut liegen würde, was der Mann bejaht. Er, der ebenfalls Soldat war entspannt sich und sein finsterer Gesichtsausdruck schwindet. Man erkennt, dass er Soldat war an dem finsteren Gesichtsausdruck wegen der unbarmherzigen Jahre, die er hinter sich hat. Die umbarmherzigen Jahre sind die Jahre, in denen er als Soldat tätig war. Der Begleiter versteht Carolas offenen und liebenden Charakter daher nicht, da er erzogen wurde gegen das Böse zu kämpfen und nie etwas demütigendes öder liebenswürdiges ihm gegenüber zu tun. Genau das macht Carola. Sie demütigt sich indem sie das Grab eines möglichen Feindes aus liebe zu ihrem Bruder pflegt.

Im letzen Abschnitt sprechen die beiden über die Totenmesse. Es fehlen noch Ministranten und Carola überredet ihren Begleiter bei der Totenmesse mitzusingen. Sie schafft es den Nihilismus des jungen Mannes zu überwinden, sodass er sich bereit erklärt als Ministrant bei der Totenmesse anwesend zu sein.

Carola verkörpert in dieser Kurzgeschichte das Motiv der humanen Antigone. Die Frau, die nicht zu hassen sondern zu lieben da ist, indem sie anderen hilft uns sich um sie sorgt. Sie möchte im reinen mit ihrem Gewissen sein.

Die Kurzgeschichte ist in hypotaktischen Sätzen aufgebaut, doch während der Dialoge ändert sich der Sprachstil und Elisabeth Langgässer verwendet parataktische Sätze. Das verdeutlicht das fehlende Verständnis und den Streit zwischen den Gesprächspartnern während der Geschichte.

Um über das Geschehen einen Überblick zu haben und alles gleich werten zu können, verwendet Elisabeth Langgässer den auktorialen, also den allwissenden Erzähler.

Über die Kurzgeschichte verteilt gibt es jeweils Zeitdehnung, Zeitraffung und Zeitdeckung. Zeitdeckung ist immer während der Gespräche, Zeitraffung ist im allgemeinen die ganze Geschichte, da man in Wahrheit mehr Zeit braucht, ein Grab zu pflegen und alles zu säubern und die Zeitdehnung findet man, im zweiten Abschnitt bei der Beschreibung aller Wandlungen in der Natur.

Schlussendlich wird deutlich, dass Elisabeth Langgässer möchte, dass die Menschen sich mehr mit der Frage des Todes zur Zeit des Nationalsozialismus beschäftigen. Wenn es möglich ist, soll man den Mördern vergeben, denn das führt dazu, dass man selbst die Ruhe und den Frieden findet. Es ist also von fundamentaler Bedeutung uns diese Fragen zu stellen, damit wir nicht ein oberflächiges und egoistisches Leben führen, sondern lernen, zu vergeben und zu leben.

 

 

 

 

 


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