„Nachtzauber“ von Eichendorff
Interpretation des Gedichts
Das
Liebesgedicht „Nachtzauber“ von Joseph von Eichendorff handelt von der
Sehnsucht des lyrischen Ichs nach der Liebe, die ausschließlich in seinen
Erinnerungen und Träumen existiert, in der Realität aber endgültig vergangen
ist. Formal betrachtet, besteht das Gedicht aus zwei Strophen zu je zehn
Versen. Die Verse weisen ein unregelmäßiges Reimschema auf, das aus einer
Mischung aus Paar- und Kreuzreimen besteht. Dabei sind beide Strophen aber
gleich aufgebaut. Das Metrum ist in beiden Strophen durchgehend der Trochäus.
Der
Trochäus wirkt durch die Hebung auf der ersten Silbe „markant“ und schwer,
wodurch im Gedicht ausgedrückt wird, dass das lyrische Ich erdrückt wird von
der Sehnsucht nach der vergangen Liebe, die es nur in Erinnerungen und Träumen
leben kann. Auch das unregelmäßige Reimschema betont diese Verzweiflung des
lyrischen Ichs.
In der
ersten Strophe wird, wie in der Romantik typisch, die Nacht als Motiv
verwendet. Dabei wird der Ort als sehr idyllisch beschrieben, man könnte sogar
sagen dass die Stimmung märchenhaft und geheimnisvoll ist, ausgedrückt durch
die „uralten Lieder“(V.7) und die „stillen Waldesseen“(V.3). Dadurch wird
deutlich, dass es eben nur ein irrealer Traum von der Liebe ist, in den sich
das lyrische Ich flüchtet.
Die
erste Strophe beginnt mit einer Frage, die sich über fünf Verse, erstreckt. Die
Enjambements betonen die Wichtigkeit dieser Frage, denn durch sie wird das
Problem des lyrischen Ichs mit der Liebe deutlich. Die Frage beginnt mit der
Metapher Quelle (V.1), die hier den Ursprung einer Liebesbeziehung darstellen
könnte. Sie durchläuft schöne, idyllische Zeiten (Stein und Blumen) und mündet
in „stille[n] Waldesseen“ (V.3). Die Liebe verliert also an Leidenschaft und
Gefühlen und kommt schließlich zum Stillstand. Letztlich sind nur noch die
Erinnerungen (Marmorbilder, V.4) an die schöne Zeit übrig. Das lyrische Ich
beschreibt dies mit dem Paradoxon „schöne[n] Einsamkeit“, wobei „schön“ hier
die schönen Erinnerungen andeutet, die eben nur Erinnerungen sind, in die sich
das lyrische Ich im Traum (vgl. V.10) flüchten kann. Auch der Titel des
Gedichts lässt sich dahingehend deuten, denn nur in der Nacht vollzieht sich
der Zauber, nur in der Nacht kann das lyrische Ich von der Schönheit der Liebe
träumen. In der Realität ist es trotzdem einsam.
Die
Nacht wird in der ersten Strophe als machtvoll charakterisiert und
personifiziert. Sie weckt „uralte Lieder“ (vgl. V.7), was wieder als Metapher
für die schönen Erinnerungen an die Liebe gesehen werden kann, was nochmals
durch die Alliteration „Gründe glänzen“(V.9) betont wird.
Auch
die zweite Strophe hat die Natur bei Nacht als Motiv und beginnt ebenfalls mit
einer Frage, die sich über zwei Verse erstreckt. Sie beginnt mit der Metapher
„Blume“, die hier für eine Frau stehen könnte, wahrscheinlich die Geliebte des
lyrischen Ichs, was durch die „Nachtigallen“ (V.16) klar wird, da sie als
Symbol für die Liebe stehen. Die Frau wird als jung und schön beschrieben, wie
eine Knospe, die gerade erst aufgegangen ist (vlg. V.13f.). Auch der Pleonasmus
„weiße Arme, roter Mund“ (V.15.) unterstreicht die scheinbar makellose
Schönheit seiner Geliebten, was aber auch auf das Idealbild einer Frau
hindeutet. Hier ist also nicht nur „die eine Geliebte“ gemeint, sondern
wahrscheinlich allgemein die äußerlich schöne, makellose Frau, die es in der
Realität eher nicht gibt. Die Liebe existiert also scheinbar nur im Traum.
In
Vers 17 geschieht eine Wendung im Gedicht. Es werden nun die Verzweiflung und der
Schmerz des lyrischen Ichs durch eine Klage zum Ausdruck gebracht, wobei „ach“
(V.18) die Verzweiflung betont.
Wie in
vielen romantischen Liebesgedichten wird auch in „Nachtzauber“ die
Todessehnsucht thematisiert. Das kommt durch das Adjektiv „todeswund“ (V.18)
zum Ausdruck. Außerdem endet das Gedicht mit dem im Imperativ stehenden Flehen
„Komm, o komm zum stillen Grund“, wobei „stiller Grund“ für den Tod steht.
Vorher
wird gesagt, dass die schönen Tage versunken sind (vgl. V.19), was bedeutet,
dass die Liebe endgültig vorbei ist. In der Realität existiert die Liebe für
das lyrische Ich nicht mehr. Das lyrische Ich kommt somit zur Feststellung,
dass er seine Liebe nie erreichen wird und dass die einzige Erlösung aus seiner
Sehnsucht der Tod ist.
Den
Adressat des Flehens und auch der Fragen in den beiden Strophen kann man nicht
genau ausmachen, denn das lyrische Ich spricht niemanden direkt an. Aber durch
den letzten Vers hört es sich so an, als sei das gesamte Gedicht eine Klage des
lyrischen Ichs, welche es aus seiner Sehnsucht und Verzweiflung im Monolog
äußert.
Um den
Liebesbegriff in diesem Gedicht zusammenzufassen, lässt sich sagen, dass in
diesem Gedicht die Liebe als etwas dargestellt wird, das mit Sehnsucht und
Schmerz einhergeht, welche nur mit dem Tod enden. Des Weiteren existiert die
Liebe nur im Traum und wird durch Erinnerungen wach gerufen. Allerdings wird
die Liebe niemals in der Realität auf Dauer existieren, da sie ist stets
endlich ist. Die Liebe wird also als eine schöne Idealvorstellung und Illusion
angesehen.
Das
Gedicht „Nachtzauber“ lässt sich aufgrund charakteristischer Merkmale und der
oben beschriebenen Vorstellung von der Liebe in die Epoche der Romantik
einordnen.
So
kommt hier die Verbundenheit zur Natur, vor allem der Nacht zum Ausdruck, die
durch Metaphern aus diesem Bereich, wie „Nachtigall“ oder „Waldesseen“,
unterstrichen wird. Auch die Todessehnsucht aufgrund einer unerfüllten Liebe
des lyrischen Ichs ist typisch für die Epoche.