Interpretation
„Ficken“ von Angelika
Klüssendorf
In der Kurzgeschichte mit dem provokanten Titel „Ficken“ von
Angelika Klüssendorf aus der Geschichtensammlung „Aus allen Himmeln“ von 2004
schildert der Ich-Erzähler seine kindlichen und erwachsenen Erlebnisse mit
einem Mädchen bzw. einer Frau. Er spricht von einem Mädchen, das alle durch ihr
Aussehen und ihre Kleidung immer für einen Jungen hielten. Als der Freund des
Ich-Erzählers Tadek, der immer zu Besuch in den Ferien ist, da seine Eltern
Saisonkellner sind mit dem Mädchen allein an den Strand geht, folgt der
Ich-Erzähler den beiden um herauszufinden was sie tun. Er sieht sie in der
Heide sitzen regungslos und ohne zu reden und er frägt Tadek, was sie machen
würden. Tadek antwortet „Wir ficken“ (Z.114) und zwinkert ihm zu. Jedesmal wenn
Tadek nun mit Mädchen in die Heide geht zwinkert er dem Ich-Erzähler zu.
Folgend erzählt der Ich-Erzähler von seiner Ausbildung zum Polizist. Als er
eines Tages auf der Wache ist und Protokoll führt, kommt eine junge Frau herein
und schildert, wie sie in der Silversternacht vergewaltigt wurde. Er erkennt
das Mädchen von früher, das alle für einen Jungen hielten. Die Frau erklärt,
dass sie in der Nacht nichts getrunken habe. Ein Arzt untersuchte sie noch in
der selben Nacht und stellt fest, dass sie betrunken gewesen sei und noch immer
Jungfrau ist.
Das blonde Mädchen in Jungenkleidung sitzt neben Tadek am Strand, beide blicken still auf die Heide.
Die Erzählung ist in zwei inhaltliche und zeitlich Abschnitte
gegliedert. Im ersten Abschnitt geht es um die Zeit als Pubertierender des
Ich-Erzählers und im zweiten Teil um die Zeit als erwachsener, werdender
Polizist. In der Kurzgeschichte handelt es sich um ein personales Erzählen. Im
ersten Teil der Geschichte wird genauestens die Atmosphäre und der Ort des
Geschehens geschildert, man erkennt hier eine deutliche Zeitdehnung.
Der Ich-Erzähler schildert, wie das Mädchen im Kleid mit
ihrer nervigen Schwester aus dem Haus kommt und alle Augen auf sie gerichtet
sind, „sogar der Kellner, der die leeren Flaschen rausbrachte, sah zweimal hin“
(Z.9-13). Das Mädchen, dass sonst immer nur in Lederhosen herumlief wurde von
Tadek angesprochen: „Du bist ja ein Mädchen“, sagte er (Z.26), aber sie
antwortete nicht. Tadek war nicht der Einzige, der überrascht über die Person
des Mädchens war. Das Mädchen verlässt den Hof und Tadek folgt ihr in die Heide.
Nun wird die Atmosphäre beschrieben. Durch Personifikationen wie z.B. „Die
Mittagshitze knisterte“ (Z.80) wird die Spannung in der Luft, aber auch die
träge, gelangweilte Stimmung verdeutlicht. Man könnte die Atmosphäre auch als
etwas agressiv betiteln. Der Ich- Erzähler interessiert sich für das
Verbleiben von Tadek und dem Mädchen. Als er zu ihnen stößt und sie
nebeneinander sitzen sieht, frägt er Tadek, was sie machen würden. Tadek
antwortet „Wir ficken“ (Z.114). Diese Aussage Tadeks wirkt in der Geschichte
überhaupt nicht außergewöhnlich. Man hat das Gefühl Tadek hätte genauso gut
„Wir reden“ sagen können und es wäre ähnlich unbedeutend gewesen. In diesem Moment
verspürt der Ich-Erzähler den Drang das Mädchen zu küssen, er findet ihr Augen
sehr attraktiv. Dies behält er aber für sich, vielleicht auch aus Angst, was
Andere über ihn denken. „Der Sommer verflog“ (Z.130) sehr schnell und der
Ich-Erzähler verspürte nie mehr den Drang das Mädchen zu küssen.
Mit einer Zeitraffung springt der Ich-Erzähler zur
Polizeiwache und sein erwachsenes Leben. Es ist ein Tag wie jeder andere und
der Ich-Erzähler erläutert, wie das Mädchen von früher als nun junge Frau auf
der Wache ihre Vergewaltigung schildert.
Ich denke in der Kindheit des Mädchens, aber auch in der des
Ich-Erzählers gab es viele Probleme. In der Geschichte werden Eltern nie
benannt. Man kann außerdem in Zeile 71-76 einen Hinweis darauf erkennen. Der
Ich-Erzähler und Tadek schauen auf das Gewimmel von Würmern und Maden
schonfast krankhaft, wie hypnotisiert. Die Eltern haben keine Zeit für ihre
Kinder. Gerade auch wegen ihres Aussehens hatte die Frau keine schöne Kindheit.
Ihr ganzes Leben wird von ihrem Aussehen negativ geprägt und sie musste
bestimmt viele Rückschläge erleiden. Niemand hatte sie je attraktiv gefunden
und sie konnte ihre sexuellen Wünsche nie richtig ausleben. Sie versucht sich
wichtig zu machen um ein Stück weit mehr als Frau wahrgenommen zu werden. Hätte
der Ich-Erzähler als Kind vielleicht sich mehr mit ihr unterhalten oder sie
geküsst hätte, als er das Verlangen danach hatte, hätte sich vielleicht ihr
ganzes Leben geändert und auch der weitere Verlauf. Er hätte nur den Mut dazu
haben müssen aber Tadek hatte eher das Image des Anführers.
Abschließend kann man sagen, dass der Titel zuerst ein ganz
falsches Licht auf die Geschichte wirft. Meine ersten Erwartungen an die
Geschichte dich durch den Titel geprägt wurden trafen überhaupt nicht zu. In
der Erzählung beschreibt Angelika Klüssendorf sehr klar, wie das Leben dieser
Frau durch ihre Kindheit dermaßen geprägt wird. Schon durch geringe
Veränderungen oder Ereignisse hätte sich das Leben der Frau zum Guten wenden
können.
Diese Interpretation beschäftigt sich mit der Kurzgeschichte
„Ficken“ von Angelika Klüssendorf , welche 2004 verfasst wurde und einer
Geschichtensammlung zugehört.