Fabelanalyse
„Der Tanzbär“ von G. E. Lessing
Der Text „Der Tanzbär“ stellt eine Fabel von G. E. Lessing
dar, welche zur Zeit der Aufklärung (18.Jahrhundert) verfasst wurde. Lessing
appelliert dabei, sich der Abhängigkeit der Fürsten zu entziehen und seinen
eigenen Verstand zu benutzen, um sich aus der Unmündigkeit zu befreien.
Beispielhaft zeigt Lessing dies an einem Tanzbären, welcher, der höfischen Welt
entflohen, zu seinen Artgenossen in den Wald zurückkehrt und dort in die Kritik
eines anderen Bären gerät.
Die Fabel beginnt zunächst mit der Flucht eines Tanzbären aus
dem Leben bei Hofe, wo er anscheinend zur Unterhaltung aufgetreten ist. Zurück
im Wald führt er prahlend seine erlernten Fähigkeiten vor und erntet dafür
statt dem Lob der anderen Bären, nur Spott und Kritik. Er kommt dabei entfremdet
zurück zu seinen Artgenossen, so haben sich sein Drang nach Wertschätzung und
sein Bedürfnis zu prahlen durch die höfische Kultur verstärkt. Diese Entfremdung
wird hier von einem alten Bären kritisiert. Sein Missfallen gegenüber den von
dem Tanzbären vorgeführten Fähigkeiten äußert sich dabei in der Art und Weise,
wie er sie ironisch bejubelt und sie als „rar“ und „schwer“ beschreibt. Im
nächsten Abschnitt wird jedoch klar, was der alte Bär wirklich über die
höfischen Künste und damit über den Tanzbären denkt. Er macht klar, dass sie
nur ein Abbild der Abhängigkeit des Tanzbären von dem Fürsten sind, da er sich
nicht mit eigenen Werten identifizieren kann sondern nur mit dem ihm
beigebrachten Tanzfertigkeiten („zeigt deine[…] […] Sklaverei“ V.10). Lessing
geht noch einen Schritt weiter und vergleicht den Tanzbären mit einem Hofmann,
also einem Vertreter der höfischen Kultur (V.11). Diesem weißt er allerlei negative
Charaktereigenschaften zu, so erlange er seine Ziele und das Wohlwollen des
Fürsten nicht auf ehrliche Weise mit „Witz und Tugend“ (V.13) sondern durch
moralisch verwerfliche Technik. Die letzten zwei Verse stellen eine rhetorische
Frage an den Leser dar, welche unbeantwortet bleibt. Denn auf die Frage, ob
diese Art Mensch gut oder schlecht ist, gibt es mehrere Antwortmöglichkeiten. Einerseits
bekommt der Bär so die Gunst und das Wohlwollen der höfischen Gesellschaft,
andererseits muss er die Kritik der anderen Bären über sich ergehen lassen. Der
Tanzbär spiegelt in dieser Fabel klar das Bild eines nicht aufgeklärten
Menschen zur Zeit des Absolutismus wieder. Dabei richtet sich Lessings Kritik
zum einen an die Hofmänner und deren unmoralisches Verhalten selbst, aber auch
an solche, die sich mit der höfischen Lebensweise identifizieren und sich von
ihr bevormunden lassen, also ihren Verstand nicht benutzen und somit unmündig
bleiben. Diese Gattung Mensch stellt hier der Tanzbär dar. Der alte Bär hingegen
wirkt sehr weise, er lässt sich, der Natur des Bären entsprechend nicht blenden
sondern denkt klar rational und ist damit mündig. Auch bestrebt er nicht die
Fähigkeiten des Tanzbären zu erlernen, sondern setzt auf zentrale Werte im
Leben. Dies zeigt sich in der Art und Weise wie er den Tanzbären für sein
Verhalten tadelt (V. 10-17). Als aufgeklärter Mensch könnte er für einen
Aufklärer seiner Zeit stehen, der anderen Menschen neue Impulse für ihr Denken
und Handeln mitgibt, in diesem Fall dem Tanzbären. Womöglich
stellt sich Lessing in dieser Fabel selbst dar.
Auffallend ist die er schlecht genutzte Reimform des
umarmenden Reims so zum Beispiel in V. 1 und 4 : „entrissen- Hinterfüßen“. Dies
könnte ein Zeichen dafür sein, dass für Lessing vielmehr die Intention seiner
Fabel als deren künstlerische Ausarbeitung im Vordergrund stand.
Die Fabel ist klar in die Epoche der Aufklärung einzuordnen.
Dafür spricht, dass sie von Lessing verfasst wurde, einem der bedeutendsten
Autoren dieser Zeit, der die Menschen mit seinen Fabeln aus ihrer Unmündigkeit
befreien wollte und ihnen mit seinen Impulsen neuen Mut gab, ihren eigenen
Verstand zu benutzen. Denn dies ist ja der Hauptgedanke der Aufklärung,
rationales Nachdenken über gegebene Tatsachen, diese zu hinterfragen und sich
ein eigenes Meinungsbild zu erstellen. Auch ein bedeutender Gedanke, der sich
in Lessings Fabel wiederspiegelt ist die Tatsache, dass viele Menschen an dem
Glanz der höfischen Welt teilhaben wollten und sich nicht mit dem zufrieden
gaben, was sie hatten. Genau hier setzt Lessings Kritik an, er will den Bürger
für das begeistern, was er schon hat, nämlich „Witz und Tugend“, statt
unmoralischer Verhaltensweisen. Ihm soll gezeigt werden, dass es im Leben nicht
um Materielles geht, sondern um den Charakter des Menschen. Lessing liegt es
daher fern die Grenzen zwischen Adel und Bürgertum aufzuheben, viel mehr will
er das Selbstbewusstsein der Bürger verbessern und sie aus ihrer Situation
hinaus stärken, anstatt erst ihre Situation (Ständegesellschaft) zu ändern.
Auch heute noch ist der Gedanke dieser Fabel aktuell, so gibt
es weiterhin viele unmündige Menschen, vor allem in ärmeren Ländern mit
schlechtem Bildungsstand. Für diese Menschen ist es wichtig ihren eigenen Verstand
zu nutzen um eventuelle Missstände in Gesellschaft, Religion und Staatswesen zu
erkennen und zu ändern. Denn erst wer wirklich mündig
ist, ist vollkommen frei.