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Sonstige
Linguistik

University of Maribor Faculty of Arts - Maribor

This is a published article, written by me. I am a professor at the above stated university.

Linda F. ©
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ID# 5376







Dr. Melanija Larisa Fabčič (Philosophische Fakultät Maribor)


Interkulturelle Aspekte der phraseologischen Äquivalenzbeziehungen im EPHRAS-Korpus


1. Vorbemerkungen

Den Schwerpunkt des vorliegenden Beitrags bilden die interkulturellen Berührungspunkte und Unterschiede in der Konzeptualisierung der aubersprachlichen Wirklichkeit in den Phraseologien zweier Nachbarsprachen (Deutsch, Slowenisch). Diese wurden mithilfe bzw. auf der Grundlage der EPHRAS-Datenbank ermittelt. Die phraseologischen Äquivalenzbeziehungen werden unter dem Aspekt der kognitiven Phraseologie und Phraseodidaktik analysiert; es wird postuliert, dass bestimmte Typen der Äquivalenz genauso grobe, wenn nicht gröbere Schwierigkeiten beim Erlernen und beim kommunikativ-pragmatisch adäquaten Gebrauch von Phrasemen (bzw. bei der Entwicklung der interkulturellen diskursiven Kompetenz) bereiten, als Beispiele sog.

Null-Äquivalenz (Divergenz).

Empirische Untersuchungen im Bereich der Psycho- und Neurolinguistik zeigen, dass beim Fremdsprachenlernen jede zuvor erworbene sprachliche Struktur und Kategorie eine Rolle spielt bzw. aktiviert wird. Das Erlernen einer Fremdsprache findet demnach immer vor dem Hintergrund der bereits vollständig oder in Teilsystemen erworbenen Erstsprache statt (vgl. Götze 1997, S. 8-10).

Wenn sich ein Lerner mit neuem sprachlichen Material auseinandersetzt, muss er unweigerlich vorhandene Kategorien, Schemata und Prototypen auf allen Ebenen seiner Sprachkompetenz verändern, inklusive der phraseologischen Ebene. In dem Maße, wie er Regeln des Sprachsystems und Sprachgebrauchs, sowie (Phraseo)Lexeme der Erstsprache in immer neuen Netzwerken speichert und sich damit für regelhafte Prozesse sensibilisiert, bildet er Hypothesen über Regelhaftigkeiten in der Zweit-/Fremdsprache, überprüft diese in der Sprachpraxis und nähert sich der zielsprachlichen Norm.

Hieraus ergibt sich auch die Notwendigkeit kontrastiver Studien: sie sollen dabei helfen, Instrumente und Methoden zu entwickeln, mit deren Hilfe man feststellen kann, welche Arten von Unterschieden sich auf welcher Ebene, in welcher Domäne finden lassen, um diese für Fremdsprachenlerner zugänglich zu machen. Und das gilt in besonderem Maße auch für die phraseologische Ebene der Sprache und die darauf bezogene phraseologische Kompetenz, deren Signifikanz für die allgemeine interkulturelle Kompetenz schon mehrfach eindrucksvoll thematisiert und bewiesen wurde.


2. Der interkulturelle Zugang zur Phraseologie

Wir wollen an dieser Stelle keine Definition des Begriffs Interkulturalität vornehmen, sondern nur den Rahmen der vorliegenden Untersuchung umreißen, die als kontrastive Studie der Phraseologie zweier bzw. dreier Sprachen (am Beispiel der EPHRAS-Datenbank) angelegt wurde und als solche automatisch auch interkulturelle Aspekte aufweist bzw. addressiert.

Phraseme werden von vielen (speziell aber von sowjetischen Phraseologie-Forschern, vgl. Teliya et al. (1998), Černyševa (1980)) als solche sprachlichen Zeichen angesehen, die eine engere bzw. tiefere Verbindung mit kulturellen Phänomenen aufweisen als primäre sprachliche Zeichen bzw. Lexeme und daher sozusagen die Kultur einer Sprachgemeinschaft in besonderem Maße widerspiegeln.

Diese Auffassung betont die idiosynkratische Natur der Phraseologie und ihre Rolle als Trägerin der nationalen Kultur. Die entgegengesetzte bzw. komplementäre Auffassung sieht Phraseme als universal und international an. Das Phänomen weit verbreiteter oder auch international[1] genannter Phraseme ist Thema vieler aktueller Untersuchungen, insbesondere der von E. Piirainen (2005, 2006), die sich mit dem Phänomen Europäismus auseinander setzt.

Dieser Terminus hat natürlich auch eine gewisse Relevanz für meine Untersuchung bzw. für das Projekt EPHRAS insgesamt, da es sich um ein viersprachiges phraseologisches E-Wörter- und Lehrbuch handelt, das die Phraseologien 4 europäischer Sprachen: Deutsch, Slowenisch, Slowakisch und Ungarisch kontrastiert. Drei davon sind genetisch und typologisch verwandt (Slowenisch uns Slowakisch gehören zum gleichen Sprachzweig innerhalb der indoeuropäischen Sprachfamilie – zu den Balto-Slawischen Sprachen), die ungarische gehört jedoch zu einer anderen Sprachfamilie (ugro-finnisch) und ist auch typologisch mit den anderen 3 nicht verwandt.

Was sie jedoch verbindet, ist die geographische Nähe (es sind Nachbarsprachen) und die gemeinsame Geschichte – das resultiert in einer starken interkulturellen Verbindung und in vielfältigen Konvergenzen zwischen den 4 Sprachen, speziell auch im Bereich der Phraseologie. Viele der Phraseme in der EPHRAS-Datenbank könnte man wohl auch im Sinne von Europäismen interpretieren – gemeint sind die Fälle der weitgehenden formalen und semantischen Konvergenz, also der voll- und partiell äquivalenten Phrasemen in allen 4 Sprachen.

Diese stehen jedoch nicht im Mittelpunkt dieses Beitrags. Es wird v.a. auf Fälle formal divergenter, aber semantisch weitgehend konvergenter Phraseme eingeganen (funktional-semantische Äquivalenz), sowie auf scheinbar volläquivalente Phraseme, die in einer der Sprachen (i.u.F. in der slowenischen) im aktuellen Sprachgebrauch eine semantische Innovation erfahren haben.


3. Äquivalenzbeziehungen im EPHRAS-Korpus

Konvergenz bzw. Divergenz ist eine Sache der Perspektivierung, sie ist fast nie total. Von Konvergenz spricht man, wenn es für einen sprachlichen Ausdruck der Ausgangssprache einen entsprechenden sprachlichen Ausdruck in der Zielsprache gibt. Divergenz liegt vor, wenn keine Entsprechung in der Zielsprache vorliegt und die Bedeutung des sprachlichen Ausdrucks der Ausgangssprache in der Zielsprache paraphrasiert werden muss.

Auf phraseologischer Ebene entspricht Konvergenz der totalen, partiellen, funktionalsemantischen und Quasiäquivalenz und Divergenz entspricht der Nicht-Existenz einer phraseologischen Entsprechung in der Zielsprache, also der phraseologischen Nulläquivalenz[2] . Von Nulläquivalenz sprechen wir also im Falle eines fehlenden phraseologischen Äquivalents (Beispiel für die Divergenz zwischen deutscher und slowenischer Sprache aus dem EPHRAS-Korpus: seinem Herzen einen Stoß geben (DE) - ´premagati pomisleke in se hitro, spontano odločiti za kaj´ (SI)). Voll- bzw.

Total-Äquivalenz liegt vor bei semantischer Äquivalenz und weitgehender formaler Kongruenz zweier Phraseme (einen Bock schießen (DE) – ustreliti kozla (SI) – bakot lő (HU) – strelit´ capa (SK)). Von partieller Äquivalenz sprechen wir dann, wenn eine weitgehende semantische Äquivalenz und eine formale Teilkongruenz vorliegt (aus der Haut fahren (DE) – skočiti iz kože (SI)magánkkívül van (HU) - vyskočiť z kože (SK)).

Die funktionalsemantische Äquivalenz ist ein Fall der weitgehenden semantischen Äquivalenz bei formaler Inkongruenz (auf Sand gebaut haben (DE) – stati na trhlih nogah(SI) - homokra épült (HU) - stavať na piesku (SK) – hier haben wir es bei 3 Sprachen mit einer totalen oder zumindest partiellen Äquivalenz zu tun, beim Sprachenpaar DE – SI jedoch mit funktionalsemantischer Äquivalenz).

Aufgrund der Evaluierung des Materials (in meinem Falle für das Sprachenpaar DE:SI) können wir Folgendes festhalten: bei einem Gesamtbestand von 1000 deutschen Phrasemen, existieren für 80% der Phraseme slowenische Äquivalente (das ergibt eine 20%-ige Nicht-Äquivalenz). Im Falle der äquivalenten Phrasempaare tritt am häufigsten eine partielle Äquivalenz auf, dicht gefolgt von totaler Äquivalenz und an dritter Stelle erscheint in diesem Fall die funktionale Bedeutungsäquivalenz.

In den seltensten Fällen haben wir es mit dem Phänomen der Quasi-Äquivalenz zu tun.

Mein Beitrag konzentriert sich v.a. auf die feinen Bedeutungsunterschiede, die bei funktionalsemantisch äquivalenten Phrasemen vorkommen. Und wieso sind sie wichtig? Weil sie beim Erlernen von Phrasemen und besonders bei ihrer kommunikativ-pragmatisch adäquaten Verwendung eine große Rolle spielen. Sie weisen auf die unterschiedliche sprachliche Konzeptualisierung bestimmter Denotate hin, die zwar beiden (bzw. auch allen 4) Sprachen gemeinsam sind, d.h. es wird der gleiche Ausschnitt der außersprachlichen Wirklichkeit fokussiert, das gleiche mentale Konzept geformt, aber mithilfe von teilweise ganz unterschiedlichen Bildern sprachlich realisiert bzw. konzeptualisiert.

Hier soll kurz darauf verwiesen werden, dass in diesem Zusammenhang eine andere Klassifikation der Äquivalenz, die zwischen ikonographischer, semantischer und pragmatischer Äquivalenz unterscheidet (vgl. Faroe, 2006), zum Tragen kommt, da es bei dem hier untersuchten Subtyp der Äquivalenz und den darauf bezogenen (feinen) interkulturellen Unterschieden um den pragmatischen Begriff der Äquivalenz geht.


4. Der kognitive Zugriff: die Theorie des conceptual blending als Analysemethode im Bereich der kontrastiven Phraseologie

Kognitivsemantisch gesehen handelt es sich bei Phrasemenum kulturell verankerte kognitive Modelle zur Strukturierung der Welt (im Sinne von Lakoff/Johnson, 2003) mit hohem epistemischen Wert, diemaßgeblich zur effizienten Wissensorganisation beitragen und fester Bestandteil unseres mentalen Lexikons sind.

Der kognitivbasierte Begriff des Idioms (vgl. Dobrovol´skij, 1995) enthält zwar die traditionell als klassenbildend verstandenen Merkmale[3], sieht sie jedoch nicht absolut, sondern nimmt jeweils verschiedene Kombinationen von Merkmalen mit unterschiedlicher gradueller Ausprägung der einzelnen Merkmale an.Mehr noch: der kognitive Ansatz (der Idiome als eine „radiale Kategorie“[4] im Sinne der Prototypentheorie versteht) erlaubt es uns, bestimmte Idiome als kompositionell zu interpretieren, was gemäß der traditionellen Auffassung nicht möglich wäre, weil ein wesentliches Definitionsmerkmal somit ´außer Kraft´ gesetzt wird.

(a) motivierte und analysierbare Idiome (es kann eine maximale Anzahl von Substrukturen und semantischer Korrespondenzen zwischen der Domäne der freien Lesart (C) und der Domäne der phraseologischen Lesart (g) evoziert werden[5]), (b) motivierte und nicht analysierbare Idiome (die Verbindung von [C] zu [g] kann remotiviert werden, aber man kann den Konstituenten keine idiomspezifische figurative Bedeutung zuschreiben), (c) opaque Idiome (nicht motiviert und nicht analysierbar).

Die Idiome, mit denen sich der vorliegende Beitrag befasst gehören zu den Typen a) und b).

Ihre Motivation ist erkennbar, das zugrunde liegende Bild leuchtet ein. Solche Idiome werden in Sprachkontaktsituationen als erste übernommen, aber das heißt nicht immer, dass man sie als Voll-Äquivalente des Ausgangsphrasems betrachten kann.

Entsprechend dem kognitiven Ansatz wird nicht nur das Idiom als eine radiale Kategorie definiert, sondern auch das Phraseolexikon, das als radial strukturiert beschrieben wird (vgl. Dobrovol´skij, 1995, 45). Dieser Aspekt ist besonders interessant für kontrastive Untersuchungen, da er es ermöglicht, interessante Einblicke v.a. in die kognitive Verarbeitung der asymmetrisch äquivalenten Phrasempaare (z.B. ein kompositionelles Phrasem in der Ausgangssprache und opakes in der Zielsprache oder umgekehrt) zu gewinnen.

Phraseme wurden bis jetzt v.a. mithilfe der kognitiven Theorie der Metapher analysiert. In meiner Untersuchung habe ich jedoch in erster Linie die Methoden der Theorie der konzeptuellen Integration bzw. des conceptual blending implementiert. Die beiden Theorien konkurrieren teilweise und sind andererseits bis zu einem gewissen Grad komplementär.

Die erstere nimmt genau 2 Domänen an: die Ausgangs- und die Zieldomäne und die letztere 4 Räume: zwei sog. Input-Räume und einen generischen Raum, der die konzeptuelle Struktur darstellt, die sich die beiden Input-Räume teilen, sowie einen Integrationsraum, in dem das Material aus beiden Input-Räumen interagiert und »gemischt« wird. Blends erwachsen also aus der Vernetzung von mentalen Räumen, zwischen denen bestimmte Relationen existieren, über die Merkmale aus dem generischen Raum und den beiden Input-Räumen in den Integrationsraum »gemappt« bzw. übetragen werden.

Der Integrationsraum enthält sowohl generische Strukturen als auch spezifische Strukturen aus den Input-Räumen, darüber hinaus kann er jedoch auch solche Strukturen enthalten, die für die beiden Input-Räume nicht denkbar oder zumindest unüblich sind – diese nennt man »emergente Strukturen« (Fauconnier/Turner, 2002, 48). Emergente Strukturen entstehen infolge von 3 Prozessen: Komposition, Kompletion (Vervollständigung) und Elaboration (eine Art Durchlauf des Blend-Szenarios)[6].

Mithilfe dieser Begriffe und ihres heuristischen Potentials wurden die ausgewählten Phraseme analysiert.


Wir konzentrieren uns hierbei auf den Vergleich DE – SI, aber es werden auch Querverbindungen zu den anderen beiden, im EPHRAS repräsentierten Sprachen hergestellt. Es interessierten mich v.a. Beispiele der funktionalsemantischen Äquivalenz und der scheinbaren Volläquivalenzund die impliziten interkulturellen Unterschiede bei solchen Phrasem-Paaren.

Diese kann man besonders aufschlussreich mit der Theorie des conceptual blending im Sinne von Fauconnier/Turner (2002) analysieren. Sie wurde schon fruchtbar gemacht für die Erklärung von Phrasem-Modifikationen, aber noch nicht speziell für die Erklärung der (feinen) Unterschiede zwischen funktionalsemantisch äquivalenten Phrasempaaren und auch noch nicht systematisch für die Erklärung der Entstehung von Neubedeutungen bzw. von semantischen Innovationen der Phraseme durch aktiven Sprachgebrauch.

Diese lassen sich mithilfe der sog. „multiple-scope-Kreativität“ (Fauconnier/Turner 2002, 312-324) erklären, die davon ausgeht, dass – i.u.F. – eine (oder auch mehrere) der Phrasembedeutungen den Input-Raum eines neuen Blends darstellen. Traditioneller ausgedrückt geht es dabei um Konzepterweiterung mittels sekundärer Metaphorisierung bzw. um Veränderung des Benennungsmotivs bei Beibehaltung der Referenz, was wir auch in unserem ersten Beispiel beobachten können, das eine, durch aktiven Sprachgebrauch zustande gekommene semantische Innovation in einer der beiden Sprachen repräsentiert.


Interessanterweise haben wir es bei diesem Phrasem in allen 4 Sprachen mit vollständiger Äquivalenz zu tun, zumindest auf den ersten Blick; auf jeden Fall liegt formale und weitgehende semantische Kongruenz vor.

Das Phrasem weist im Deutschen zwei Bedeutungen[7] auf:

1. jmd. überwindet anfängliche Schwierigkeiten oder Hemmungen mit jmdm.

2. jmd. gewinnt jmds. Vertrauen

Im Slowenischen gibt es jedoch inzwischen Belege für eine dritte Bedeutung:

  1. premagati strah, zadržke pred kom
  2. odpraviti začetne težave, ovire
  3. biti prvi, biti pionir na kakšnem področju (= ´Pionierleistung erbringen, der/die Erste sein bei etwas, auf einem Gebiet´ - noch nicht lexikalisierte semantische Innovation)

Textbeispiel für die semantische Innovation im Slowenischen[8]:

JTD dizelski motorji so pred leti prebili led s tehnologijo skupnega voda in primat na tem področju se še danes zrcali v prijetnosti vožnje, ki ni tipično športna - brutalna, temveč precej tekoča, uglajena in lahkotna.


Dem (scheinbar) volläquivalenten Phrasem-Paar liegt ein Handlungsschema zugrunde, bei dem das Agens der Ursprung der Energie ist und diese auf das Patiens (Eis) übeträgt um es zu vernichten (brechen). Das ist der erste Input-Raum des Blends, der selbstverständlich viele weitere Elemente enthält, wie die Eigenschaft des Eises, dass es hart ist, dass es einschließt bzw. ein Vordringen zum vereisten Objekt verhindert usw.

Im Falle der semantischen Innovation in der slowenischen Sprache wird mit den Bestandteilen der beiden Input-Räume so umgegangen, als wären sie potentiell offen für eine Neumischung im Blend bzw. im Integrationsraum. das Eis brechen als Handlungsschema wird reinterpretiert im Sinne des erstmaligen Eintritts bzw. Vordringens in einen neuen bzw. davor noch nicht betretenen Raum (also als Bewegungsschema), was sich im Blend als neue, emergente, Struktur zeigt, nämlich als die Bedeutung der Pionierleistung.Diese ist das Resultat der Kompletion und Elaboration des Blends (das Szenario wurde in eine neue Richtung erweitert).Wenn eine der Bedeutungen des Phrasems (anfängliche Schwierigkeiten überwinden), die den Integrationsraum des Blends darstellt, als Input-Raum für eine neue konzeptuelle Integration bzw.

Blending benutzt wird, dann können wir von einer sekundären Metaphorisierung bzw. von einem »double-scope Netzwerk« im Sinne Fauconniers (2002, 133) sprechen; zu den beiden Input-Räumen (physikalische Eigenschaften des Eises, Überwindung von Schwierigkeiten) kommt sozusagen im Blend ein dritter, neuer Frame hinzu, u.z. der die Bedeutung des erstmaligen Erreichens von etwas, der Pionierleistung generiert.


5.2.1 Beispiel Nr. 1: mit der Kirche ums Kreuz gehen – iti okoli riti v žep (– vargabetűt tesz – ísť na niečo od lesa)

Beim deutschen Phrasem handelt es sich um ein motiviertes, aber (zumindest) nicht (komponentiell) analysierbares Phrasem (Typ B nach Langlotz). Das slowenische Phrasem gehört zum Typ A (nach Langlotz) und ist sowohl motiviert als auch analysierbar (okoli riti = ´umständlich´, v žep = ´ans Ziel´). Das mentale Konzept, das in beiden Phrasemen realisiert wird, ist ´unnötiger Umweg´ (repräsentiert durch eine zirkuläre Bewegung), und zwar v.a. bezogen auf Bewegung im Raum, seltener auf Denkprozesse, dann wird es jedoch mit einem anderen Verb verbunden.

Es handelt sich um ganz unterschiedliche Input-Räume (bzw. der Input-Raum1 des deutschen Phrasems unterscheidet sich wesentlich von dem des slowenischen): beim deutschen Phrasem ist das die sakrale Architektur; die Kirche, das Kreuz als integraler Bestandteil und exponierteste Stelle des Gebäudes und gleichzeitig als das tragende Symbol des Christentums – sie stehen in einer synekdochischen Relation.

Körperteile, die dem deutschen Bildspenderbereich entgegengesetzter nicht sein könnten, nämlich auf den fekalen bzw. genitalen Bereich (durch die Verwendung des vulgären Ausdrucks rit = Arsch wird dieser Kontrast noch zusätzlich betont); die Bewegung verläuft vom fekalen zum genitalen Bereich bzw. vom fekalen Bereich zur vorderen Hosentasche, die quasi-synekdochisch für das Kleidungsstück Hose steht und auch zirkulär ist und einen unnötigen Weg bzw.

Umweg impliziert. Beide Phraseme sind stilistisch markiert: das deutsche Phrasem ist ironisch und das slowenische informell/vulgär markiert. Dieser Unterschied ergibt sich aus dem Unterschied zwischen den beiden Input-Räumen. Die beiden Phraseme haben jedoch

eine erstaunlich parallele syntaktische Struktur, sowie das gleiche zugrunde liegende Ereignisschema (Bewegungsschema): Vorgangsschema (gehen=iti) + Weg + Ziel (+ modale Spezifikation); das Schema enthält keine Angabe des Ursprungs der Bewegung, was irgendwie schon die Zirkularität der Bewegung impliziert. Es handelt sich um monopropositionalen Phraseme (DE > final (P1 damit P2), SI > final (P1 damit P2)), die in manchen Kontexten eine zusätzliche kausale Proposition (Unwissenheit als Grund) enthalten.


Zwischen 3 Sprachen der EPHRAS-Datenbank (Deutsch, Ungarisch, Slowakisch) besteht bei diesem Phrasem die Relation der Voll-Äquivalenz. Zwischen Deutsch und Slowenisch jedoch nicht; wir haben es mit vollständiger formaler Inkongruenz zu tun, die aber eine semantische Äquivalenz nicht verhindert.

Das Phrasem weist im Deutschen drei Bedeutungen auf (basierend auf einem Essiv-Schema[9], das als Nachzustand eines primären Handlungsschemas interpretierbar ist):

- etw. ist umsonst, nutzlos

- jmd. hat sich auf etw. höchst Unsicheres verlassen

- etw. wurde ohne sichere Ausgangsbedingungen geschaffen

Diesen drei Bedeutungen entsprechen zwei äquivalente Bedeutungen des slowenischen Phrasems; für die erstgenannte Bedeutung des deutschen Phrasems gibt es im Slowenischen keine Belege (und darin zeigt sich auch der interkulturelle Unterschied, der teilweise mit dem zugrunde liegenden Essiv-Schema, das jedoch nicht den Nachzustand eines Handlungsschemas darstellt, erklärbar ist)

- biti brez trdne podlage

- biti nezanesljivo

Es werden in den jeweiligen Blends, also in den beiden Phrasemen, unterschiedliche Elemente aus den Input-Räumen fokussiert; im deutschen Phrasem wird die Ursache und im slowenischen Phrasem die Folge der Handlung fokussiert, wobei der gemeinsame generische Raum der der Architektur, des Bauens von Dingen ist. Der Input-Raum1 des deutschen Phrasems lässt sich wie folgt beschreiben: etw. wird auf einer ungeeigneten Grundlage gebaut und ist daher baufällig, unsicher, droht einzustürzen; er enthält das Element Sand als unfeste Grundlage, ungeeignet für das Bauen (Sand ist nicht fest, impliziert ist das Frame der Wasser-Land-Dynamik).

Den Input-Raum1 des slowenischen Phrasems (stati na trhlih nogah = wörtlich: auf porösen Beinen stehen) kann man wie folgt zusammenfassen: etw. ist aus ungeeignetem, unfesten Material (gebaut) oder auch so beschaffen von Natur aus (z.B. Holz) und daher unfest, unsicher; die Spezifikation trhel/trhlih (= porös) bezieht sich auf das unfeste Material, aus dem ein Ding ist (impliziert wird die Eigenschaft bestimmter Baumaterialien, speziell von Holz, da das slowenische Adjektiv trhel fast ausschließlich mit Holz und Holzprodukten verbunden werden kann).


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