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Aufsatz
Umweltwissenschaften

Karl-Franzens-Universität Graz - KFU

Samuel Z. ©
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ID# 27147







Interdisziplinarität

Mode oder Notwendigkeit

Einleitung

Schlagwörter wie Nachhaltigkeit, Integrativität oder Inter- und Transdisziplinarität, um nur einen Bruchteil zu nennen, schwirren durch die moderne Wissenschaft. Schon seit geraumer Zeit haben diese Wörter auch in meinem Studienalltag Einzug gefunden.

Was allerdings steckt hinter diesen Wörtern? Bei genauer Betrachtung dieser Fachausdrücke zeigte sich, dass es mir nicht möglich war, eine genaue Definition für eines dieser Wörter zu finden. Ich glaube genau das ist das Problem der interdisziplinären Forschung: viele heften sie sich an die Brust, aber nur wenige verstehen sie auch.

Ohne das Wissen über die Komplexität der interdisziplinären Forschung sowie über das Bewusstsein darüber, was ihren Mehrwert ausmacht, wird man stets nur an der Oberfläche der disziplinüberschreitenden Wissenschaft bleiben oder schlimmer, in ihrer Tiefe untergehen.

In den folgenden Kapiteln möchte ich genau auf diese Problematik sowie auf die Notwendigkeit der Interdisziplinarität in der Wissenschaft und Forschung eingehen.

Wissenschaft im Wandel

Die verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen entwickelten sich aus einem Jahrhunderte andauernden Prozess. Von großer Bedeutung dafür war die zunehmende systematische Auffassung und Strukturierung in den einzelnen Erkenntnisbereichen. So entstand zum Beispiel im 17. und 18. Jahrhundert aus der Mutter aller Disziplinen, der Philosophie, die philosophia naturalis.

Daraus entwickelte sich zunächst die Physik als eigener Wissenschaftszweig, woraus sich in weiterer Folge die übrigen Naturwissenschaften konkretisierten. (HÖFLECHNER, 2008) Grob formuliert brachte eine solche innerliche Differenzierung und Weiterentwicklung durch eine fachspezifische Auseinandersetzung mit sich ändernden wissenschaftlichen Herausforderungen die momentane Disziplinstruktur, so wie wir sie kennen.

Diese traditionelle Entwicklung durch inhaltliche Wandlung und Ausweitung führte zu einer Überspezialisierung der einzelnen Disziplinen und schuf ein wissenschaftlich uneinheitliches Weltbild. (DEINHAMMER, 2003) Diese Strukturen blieben solange ungestört, bis äußere Einflüsse Veränderungen erzwangen. (HÖFLECHNER, 2008)

In den letzten Jahrzehnten bröckelte zunehmend die Unantastbarkeit der Wissenschaft. Die Öffentlichkeit nimmt sie zu den aktuellen Themen wie Klimaforschung, Umweltproblematik oder technologische Risiken vermehrt mit in die Verantwortung und fordert, dass die auch durch sie selbst verursachten Probleme mit in die Forschung eingebunden werden.

Es ergeben sich so neue Forschungsfelder wie Umweltforschung, Risikoforschung oder Technikfolgenabschätzung, die über die Grenzen einer einzigen Disziplin hinauswachsen. (FREDERICHS, 1999) Die neuen Herausforderungen, die im Gegensatz zur traditionellen Forschungsarbeit nicht (rein) im akademischen Kontext entstehen, werden somit von außen an die Wissenschaft herangetragen.

Diese Problemstellungen halten sich folglich auch nicht an die disziplinäre Struktur und ihre üblichen Grenzen. Dadurch wird eine interdisziplinäre Forschung von vornherein Notwendig um zielorientiert zu arbeiten.

FREDERICHS (1999) spricht weiters von einer „new production knowledge“, die eine sich im Wandel befindliche Wissenschaft beschreibt. Diese erkennt die Defizite der traditionellen Wissenschaft in der modernen Forschungslandschaft und versucht gleichzeitig dieselben zu korrigieren.

Es entstehen Konzepte wie „Mode 2“, die nicht mehr strikt den disziplinären Regeln folgen. Das Aufkommen der Interdisziplinarität und die daraus entstehende Diskussion über sie ist bereits ein Schritt in die Erkenntnis, dass es Problemstellungen gibt, die nicht innerhalb einer einzigen Disziplin bewältigt werden können bzw. über den Kompetenzbereich der einzelnen Fachrichtungen hinausreicht

Zusammenarbeit über die Disziplinen hinweg

Laut DEINHAMMER (2003) ist Interdisziplinarität als „eine Form der koordinierten Zusammenarbeit zwischen verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen zu verstehen, die stärker oder schwächer ausgeprägt sein kann und dem Ziel dient, Synergieeffekte zu erzielen und Forschungsarbeit zu optimieren.“

Der in der oben angeführten Definition erwähnte Synergieeffekt bewirkt einen Mehrwert an Wissen und Erkenntnis, der mehr als nur die Summe der einzelnen, disziplinären Forschungsergebnisse ist.

Bereits abgehaltene interdisziplinäre Forschungsprojekte zeigen, dass eine gewisse Erfahrung bzw. Sensibilität für eine übergreifende Zusammenarbeit der Fachbereiche hilfreich sein kann. Probleme ergeben sich unter anderem aus dem geringen Verständnis der beteiligten Forscher an den „fremden“ Disziplinen. (GLASER, 2006) Bereits zu Beginn eines solchen Forschungsprojekts muss klargestellt werden, dass es nicht darum geht, wer zur Hauptdisziplin gezählt und wer zur Nebendisziplin degradiert wird.

Grund dafür ist, dass neben einer fundierten fachlichen Ausbildung auch der Wille für eine gleichberechtigte Kooperation für eine funktionierende disziplinübergreifende Forschungsgruppe notwendig ist. (DÜRNBERGER, SEDMAK, 2004) Die soziale Kompetenz der Mitwirkenden ist ein Schlüsselfaktor der nicht unterschätzt werden darf.

Neben den barrierefreien Köpfen der Forschungsmitglieder ist für die Gleichstellung aller Disziplinen auch eine gewisse Projektstruktur von Beginn an notwendig. Ein Gleichgewicht aller beteiligten Forschungsbereiche hilft dabei, dass keine Erklärungsnotwendigkeit oder Unterdrückung einer in Minderzahl befindlichen Disziplin entsteht.

Grund dafür ist die unterschiedliche Sprache der Disziplinen. Es muss demnach sichergestellt werden, dass Begrifflichkeiten von allen Beteiligten auch gleich interpretiert werden um der Gefahr einer unterschiedlichen Zielwahrnehmung entgegen zu wirken. Im Laufe des Forschungsprojekts sollte generell eine gemeinsame Sprache angestrebt werden, die die barrierefreie Kommunikation innerhalb des Projekts zumindest zum Teil ermöglichen soll.

Interdisziplinäre Forschungsprojekte sind oftmals an sehr komplexe Problemstellungen gekoppelt, die eine große Anzahl an beteiligten WissenschaftlerInnen und eine lange Projektzeit mit sich bringen. Daher besitzt die Projektverwaltung bzw. die Projektkoordination bei solch Umfangreichen Forschungen eine besondere Stellung.

Probleme der Gegenwart und Zukunft wie Umwelt oder Armut lassen sich wie bereits zuvor erwähnt nur über die Grenzen der Disziplinen hinweg bearbeiten. Ein weiterer Schritt wäre die Implementierung von nichtakademischen Wissensformen durch die Berücksichtigung verschiedener Steakholder im Forschungsprozess.

Man spricht bei der Erweiterung der Interdisziplinarität mit dieser partizipatorischen Komponente von Transdisziplinarität, die vor allem in der Nachhaltigkeitsforschung Einzug gefunden hat. Dadurch kann das unersetzliche Wissen der direkt betroffenen genutzt werden, um neue Sichtweisen bzw. neue Erkenntnisse und Lösungsvorschläge zu kreieren.

Vor Ort kann so eine positive Basis geschaffen werden, die über die Projektdauer hinaus erhalten bleibt. (GLASER, 2006)

Zukunft und Möglichkeiten der Interdisziplinarität


Entstanden durch die mangelnde Kompetenz der Einzeldisziplinen befindet sich die Interdisziplinarität in einem Zwischenraum, in dem alte Strukturen hinten angestellt aber neue Ordnung noch nicht etabliert ist. Dies ist aber auch ein Zustand, der die dazugehörige Community zwingt, grundlegende Fragen zu stellen.

Alternativen zur herkömmlichen Sichtweise in der Wissenschaft müssen so lange diskutiert werden, bis ein stabiler Zustand als Basis der interdisziplinären Forschung gefunden wird. (DEINHAMMER, 2003) Diese Basis dient als gemeinschaftliche Grundlage für eine fundierte und wissenschaftliche Forschung, denn laut DEINHAMMER (2003) ist ein Dialog über Differenzen – ein Interdisziplinärer Dialog – „…nur auf der Grundlage gesicherter Gemeinsamkeit Möglich.“ Im weiteren Sinne kann auch davon gesprochen werden, dass die momentane oder in Zukunft angestrebte Form der interdisziplinären Wissenschaft der oben erwähnten Überspezialisierung der Disziplinen entgegenwirkt.

Diese eben erwähnten, noch im Aufbau befindlichen Strukturen werfen Probleme und Fragen auf. Wie wissenschaftlich ist Interdisziplinarität? Was überhaupt ist der Anspruch der Wissenschaft und welche Kriterien muss sie erfüllen? Ich denke genau diese Fragen sind es, die die Interdisziplinarität erst aufgebracht haben.

Fragen, die aufgrund einer nicht zufriedenstellenden Wissenschaftsstruktur notwendig wurden um neue und moderne Fragestellungen zu beantworten. Die zukünftige Entwicklung der interdisziplinären Forschung wird zeigen, in welcher Weise sie sich innerhalb der Wissenschaft positioniert.

In klassische, durch streng abgegrenzte Disziplinen hervorgebrachte Wissenschaftsstrukturen lässt sich die Interdisziplinarität jedenfalls nicht unterbringen. Dies zeigt auch die Schwierigkeit der Finanzierung solcher Forschungsprojekte. Forschungstöpfe sind fachlich so eng Zugeschnitten, dass Fördermittel für interdisziplinäre Arbeiten nur schwer zu lukrieren sind.

Interdisziplinarität beginnt im Kopf, in dem man quer zu den etablierten Disziplinen Denkt um zu lernen was die eigene Disziplin nicht weiß. (MITTELSTRASS, J., zit. in: DEINHAMMER, 2003) Interdisziplinarität in diesem Sinn ist also kein statischer Zustand, sondern eine Bewegung von der Wahrnehmung neuer Aufgaben hin zu einer Systematisierung, an dessen Ende durchaus eine neue Disziplin stehen kann. (FISCHER, Zugriff April 2012)


Literaturverzeichnis


DEINHAMMER, R., (2003): Working Papers: 01 - theories & commitments, Was heißt interdisziplinäres Arbeiten?. University of Salzburg, 85 S. (Zugriff: April 2012)

DÜRNBERGER, M., SEDMAK, C. (2004): Working Papers:08 - theories & commitments. Erfahrungen mit Interdisziplinarität. University of Salzburg, 86 S. (Zugriff: April 2012)

FREDERICHS, G.,(1999): Der Wandel der Wissenschaft. In: TA-Datenbank-Nachrichten, Nr. 3 / 4, 8. Jahrgang, S. 16-25. (Zugriff: April 2012)

GLASER, M., (2006): Fachübergreifende Nachhaltigkeitsforschung – Das brasilianisch-deutsche Mangroven-Projekt „MADAM“. In: Fachübergreifende Nachhaltigkeitsforschung, Edition Humanökologie, Band 4, Schriftenreihe der Deutschen Gesellschaft für Humanökologie, Berlin, Seite 265 – 297

HÖFLECHNER, W., (2008): Reader zur Allgemeinen Wissenschaftsgeschichte Teil 2: Wissenschaftliche Institutionen. Zentrum für Wissenschaftsgeschichte der Karl-Franzens-Universität Graz, 226 S. (Zugriff: April 2012)



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