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Dürrenmatts „Die Physiker“ als Kurzgeschichte


Natürlich war rauchen hier verboten! Wie hätte es auch anders sein sollen. Er steckte die Zigarette wieder in sein Etui und schaute die kleine, rundliche Oberschwester an. „Frau Marta Boll? Sie sind also die Oberschwester hier?“, begann er sie über den Mord zu befragen, „Wie hieß denn die Schwester?“ - „Irene Straub.“, antwortete Oberschwester Marta Boll schnell und knapp.

Sie wirkte auf den Inspektor sehr autoritär und sofort hatte er Respekt vor ihr. Das passte ihm zwar nicht, aber der Inspektor ließ sich nichts anmerken und fuhr mit der Befragung fort. Was ihn außerdem sehr an ihr störte war, dass sie ihn bei jeder Kleinigkeit verbesserte.

Das machte ihn total wütend! Aber, er riss sich zusammen. Als er alle Fragen gestellt hatte, wollte er noch mit der Chefärztin, Fräulein Doktor Mathilde von Zahnd, sprechen, aber da sie für den Inspektor grade keine Zeit hatte, wollte er in dem Salon auf sie warten.

Die zwei Kollegen des Inspektors fingen an, ihre Utensilien und Messinstrumente zusammen zupacken und die Leiche nach draußen zu schaffen. Inspektor Voß nahm im Salon platz und wartete inzwischen auf die Irrenärztin. Da kam einer der Patienten herein und stellte sich als Sir Isaac Newton vor, derjenige, der das Gravitationsgesetz entdeckt hat.

Newton fragte ihn, was passiert sei, da er laute Geräusche gehört hatte und der Inspektor begann von dem Mord zu berichten. Während des Gesprächs zündete sich Newton eine Zigarette an und goss sich einen Kognak ein. Der Inspektor wollte sich auch eine Zigarette anstecken, aber Newton erinnerte ihn daran, dass in dem Salon nur die Patienten rauchen dürften.
Auf einmal wurde der Tonfall Newton´s sehr mysteriös und er beugte sich zu dem Inspektor rüber: „Kann ich Ihnen ein Geheimnis anvertrauen?“ – „Aber natürlich“, antwortete er, „Sie können mir alles sagen.“ Dann erzählte ihm Newton, dass er eigentlich gar nicht Issac Newton sein, sondern, dass er in Wahrheit Einstein, der Begründer der Relativitätstheorie, sei.

Er würde sich angeblich nur als Newton ausgeben, damit ein weiterer Patient, der sich ebenfalls für Einstein hielt, nicht durcheinander kam. Kurze Zeit später verließ Newton, nachdem er sich von dem Inspektor verabschiedet hatte, den Salon und ging wieder zurück in sein Zimmer mit der Nummer 3. Wieder saß Voß alleine im Salon und wartete auf die Irrenärztin.

Langsam wurde er ungeduldig. Außerdem wurde er schon ganz hibbelig, weil er an diesem Tag noch keine einzige Zigarette geraucht hatte. Kurz entschlossen griff er nach seinem Etui, zündete sich die heiß ersehnte Zigarette an und lehnte sich entspannt in das Sofa zurück.

Einen Augenblick später trat das Fräulein Doktor von Zahnd durch die große Flügeltür in den Salon ein. Sie begann sofort zu reden und ihm von ihrer Familie zu erzählen. Das verwirrte den Inspektor ein wenig, aber er ließ sich nichts anmerken. Das Fräulein schaute auf die Zigarette, die er sich gerade angesteckt hatte, sagte aber nichts.

Aber das Fräulein Doktor schien davon völlig unbeeindruckt, von dem, was der Inspektor ihr gerade erzählt hat. Voß war verwirrt. Aus dem Zimmer 2 kam Einstein in den Salon, unterhielt sich kurz mit der Irrenärztin und verschwand dann wieder, um sich etwas auszuruhen.

Der Inspektor schaute das Fräulein Doktor an. Dann fing sie an dem Inspektor zu erzählen, dass Newton das eigentlich jedem erzählt und er sich in Wahrheit aber doch „nur“ für Isaac Newton hält. Sie schilderte ihm von ihrer Vermutung, dass die Verrücktheit und die Mordlust, da sie jetzt beide innerhalb von drei Monaten eine Krankenschwester ermordet haben, der beiden Physiker Einstein und Newton damit zusammenhängt, dass sie Kernphysiker waren und dass sich ihre Arbeit mit radioaktiven Stoffen auf ihre Psyche ausgewirkt hat.

Der Inspektor hatte genug gehört. Er verabschiedete sich von dem Fräulein Doktor und verließ die Anstalt.

Direkt darauf, wirklich als hätte sie nur auf diesen Moment gewartet, betrat die Oberschwester wieder den Salon und ihr missbilligender Blick auf die Zigarette der Irrenärztin war kaum zu übersehen. Schnell drückte die Irrenärztin ihre Zigarette aus und fragte die Oberschwester, was sie denn wollte.

Die Oberschwester berichtete ihr, dass alles erledigt sein, was ihr aufgetragen wurde und dass alle Patienten versorgt waren.

Da verließ die Oberschwester den Raum erneut und kam nach wenigen Sekunden mit Frau Rose, der Ex-Frau des dritten Physikers Möbius, ihrem Mann, dem Missionar Rose und ihren drei Söhnen wieder zurück. Das Fräulein Doktor erhebte sich um sie alle zu begrüßen. Alle setzten sich auf die Sofas des Salons und machten es sich bequem.

Sie schilderte ihm, was sie vorhaben und stellte ihm ein letztes Mal seine drei Söhne vor. Als sein jüngster Sohn erzählte, dass er Physiker werden wollte, verbot es Möbius ihm sofort. Alle waren ziemlich verblüfft, da er ja selbst Physiker war. Er erklärte seinen Entschluss damit, dass er nur in der Irrenanstalt wäre, weil er Physiker ist.

Außerdem würden ihn alle verrückt halten, weil ihm der König Salomon erschienen sei. Alle schweigen.

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