Radetzkymarsch
von Joseph Roth
Inhalt
Joseph Trotta Rettet am 24. Juni
1859 in der Schlacht bei Solferino dem jungen Kaiser Franz Joseph I.
das Leben. Er wird dabei in die Schulter geschossen. Zum Dank wird er
vom Kaiser in den Adelsstand erhoben und befördert. Fortan darf er
sich Hauptmann Joseph von Trotta und Sipolje nennen.
Im Schulbuch seines Sohnes Franz
entdeckt Joseph Trotta, dass die Szene in Solferino komplett falsch
dargestellt wurde. Seiner Bitte um Richtigstellung wird nicht
nachgekommen, somit quittiert er den Dienst und zieht auf das Gut
seines Schwiegervaters. Nach dem Tod seines Vaters, des
Schwiegervaters und seiner Frau schickt er Franz nach Wien ins
Internat und verfügt, dass er niemals aktiver Soldat werden dürfe
Franz, der nun den Titel Baron von
Trotta und Sipolje trägt, studiert Jura und wird Bezirkshauptmann in
Mähren. Sonntags macht ihm der Kapellmeister Nechwal seine
Aufwartung und spielt den Radetzkymarsch für ihn. Sein Sohn Carl
Joseph beginnt eine vermeintlich heimliche Affäre mit der Frau des
Wachtmeistern Slama. Nach dem Schulabschluss wird er Leutnant bei den
Ulanen. Als Frau Slama stirbt, übergibt ihm ihr Mann seine
Liebesbriefe.
Das Leben bei den Ulanen besteht aus
dem Üben am Exerzierplatz, dem Besuch des Casinos und des Bordells
von Frau Horvath. Dort freundet er sich mit dem Regimentsarzt Max
Demant an. Der weiß zwar, dass ihm seine Frau untreu ist, jedoch
sieht er darüber hinweg, weil er sie liebt.
Eines Abends bringt Carl Joseph Eva
Demant aus dem Theater heim und wird dabei vom Rittmeister Tattinger
beobachtet. Anzügliche Bemerkungen sind die Folge. Die Ehre verlangt
es, dass sich Demant und Tattinger duellieren. Dabei kommen beide ums
Leben.
Obwohl nichts zwischen Eva und Carl
Joseph passiert ist, gibt er sich die Schuld am Tod seines einzigen
Freundes. Deshalb lässt er sich an die russische Grenze zum
Jägerbataillon versetzen. Die Offiziere der umliegenden Regimenter
treffen sich regelmäßig beim Grafen Wojciech Chojnicki. Dieser
vertritt die Ansicht, dass die Monarchie nach dem Tod des Kaisers
zerfallen wird.
Bei einem Arbeiteraufstand wird Carl
Joseph schwer verletzt, nach dem Krankenhaus kehrt er zum Bataillon
zurück und der Kaiser besucht die Truppen. Der Kaiser meint: „Ich
kann mich noch gut an Ihren Vater erinnern. Er war sehr bescheiden,
der „Held von Solferino“!“ Carl Joseph antwortet jedoch nur,
dass dies sein Großvater gewesen sei.
Wegen seiner Geliebten und einer
Bürgschaft für den Hauptmann Wagner hat er bald sehr hohe Schulden
beim Geldverleiher Kapturak. Als dieser auf Begleichung der Schuld
beharrt, wird Trotta wütend und zückt den Säbel. Nun muss er mit
einer unehrenhaften Entlassung aus der Armee rechnen und bittet
seinen Vater um Hilfe. Dieser spricht in einer Audienz beim Kaiser
vor. Die Schulden werden beglichen und Kapturak muss die Stadt
verlassen.
Carl Joseph quittiert den Dienst,
doch als der Krieg ausbricht, kehrt er zum Jägerbataillon zurück.
Beim Wasserholen wird er von gegnerischen Truppen tödlich getroffen.
Baron von Trotta ist entsetzt, dass sein Sohn nicht in einer Schlacht
gefallen ist.
Kurz darauf stirbt am 21. November
1916 Kaiser Franz Joseph I.. Am Tag seiner Beisetzung in der
Kapuzinergruft stirbt Baron Franz von Trotta. Sein Schachpartner Dr.
Skowronnek meint: „Ich glaube, sie konnten beide Österreich nicht
überleben!“
Interpretation
Joseph Roths Roman zeigt das Heimweh
nach der untergegangenen Doppelmonarchie. Der Autor zeigt uns aber
auch, warum die Habsburger Monarchie untergehen musste. Sie war
zerfressen von Scheinheiligkeit und Doppelmoral, die Gesellschaft
musste, wie auch die Familie Trotta untergehen, wie auch die
Monarchie selber.
Auf der anderen Seite lässt Roth
die Donaumonarchie aber in seinen Werken wieder auferstehen, in der
Hoffnung, dass nicht das NS-Regime unter Hitler an die Macht kommt,
sondern er hofft auf die Heimkehr des letzten Kaisers aus dem Exil
auf Madeira und auf die Wiedereinführung der Monarchie.
Die Geschichte lehrt uns, dass es
aber nicht so gekommen ist.
,,Radetzkymarsch" - Die
Geschichte eines Unterganges
Der Roman ist eine verklärende
Darstellung des Kaiserreiches, in dem aber auch die Notwendigkeit des
Endes sichtbar wird. Im Aufstieg und Untergang einer Familie spiegelt
sich der letzte Glanz der Donaumonarchie wider. Am wechselvollen
Schicksal dreier Generationen der Familie Trotta beschreibt der Autor
den allmählichen Zerfall des Habsburgerreiches.
Der Aufstieg der Trottas beginnt mit
dem Helden von Solferino, Sohn eines einfachen slowenischen Bauern
aus Sipolje. Durch ihn wird ein neues Geschlecht geboren, das
parallel zur Monarchie seinen Aufstieg und Untergang erlebt.
Hauptmann Trotta, wie er sich nun nennen darf, ist der Inbegriff von
persönlicher Kraft und Stärke: entschlossen riskiert er sein
eigenes Leben, um das des Kaisers zu retten. Sein Bildnis sollte die
Familie Trotta stets ihren Ahnherren erinnern. Sein Enkel Carl Joseph
scheint der unsichtbaren Macht und Stärke nicht gewachsen zu sein.
Zunächst aber übernimmt sein Sohn
das Erbe der Trottas. Als Beamter ist Baron Franz von Trotta ein
Vorbild, der die Macht der Habsburger in der Provinz vertritt. Er
dient dort treu und ergeben dem Oberhaupt der Monarchie, Kaiser Franz
Joseph. Als sich die Beiden bei einer Privataudienz gegenüberstehen,
erkennen sie ihre Ähnlichkeit. Wie zwei alte und verwitterte Schiffe
treiben sie ihrem Ende entgegen. Sie sollten später gemeinsam mit
Österreich-Ungarn untergehen, denn ,,sie konnten beide Österreich
nicht überleben". Doch noch steht der Bezirkshauptmann voll im
Leben, noch geht alles seinen gewohnten Gang: Jeden Sonntag wird vor
seinem Haus der Radetzkymarsch, Leitmotiv des Romans, angestimmt. Er
steht für die Idee der Einheit des Vielvölkerstaats, die es in
Wirklichkeit gar nicht mehr gibt.. Die ironische Formulierung
,,Einmal in der Woche war Österreich" bringt dies zum Ausdruck.
Doch noch immer verkennt der Bezirkshauptmann die Hinfälligkeit der
Monarchie und verharmlost eindeutige politische Strömungen. So zum
Beispiel als er in seinen Akten den Ausdruck ,,revolutionärer
Agitator" durch ,,verdächtiges Individuum" ersetzt. Noch
steht die Figur des Kaisers und auch die des Barons für den
Vielvölkerstaat. Doch letztendlich müssen beide erkennen: ,,Die
Zeit will uns nicht mehr! Diese Zeit will sich selbständige
Nationalstaaten schaffen!"
Den endgültigen Untergang des
Habsburgerreiches und damit der Familie Trotta symbolisiert der
kinderlose Enkel des Helden von Solferino. Er ist sich seiner eigenen
Schwäche wohlbewusst. Ständig spürt er in seinem Nacken den
bohrenden Blick seines Großvaters (den er nur von einem Gemälde
kennt), dem er nicht gewachsen ist: ,,Ich bin nicht stark genug für
dieses Bild!". Hatte jener den Kaiser selbst gerettet, so
begnügt sich der Enkel, das Bild Franz Josephs aus einem Bordell zu
,,retten". Als Leutnant fällt Carl Joseph scheinbar sinnlos
beim Wasserholen. Hier kommt die ganze Ironie zum Ausdruck, denn er
starb nicht in heldenhaft in einer Schlacht sondern an einem
Brunnen.
Den unwiderruflichen Untergang
jedoch symbolisieren der Kaiser und der Bezirkshauptmann gemeinsam.
Mit dem fast zeitgleichen Tod werden sowohl Österreich-Ungarn, als
auch das Geschleckt der Trottas zu Grabe getragen.
Eigene Meinung
Aus gegebenem historischen Anlass
(100 Jahre Ausbruch des Ersten Weltkrieges) haben wir den Roman
„Radetzkymarsch“ als Klassenlektüre gelesen. Bevor ich auf den
Roman näher eingehe, möchte ich zuerst ein paar Wort über den
Autor sagen.
Joseph Roth wuchs in schwierigen
familiären Verhältnissen auf. Das instabile Verhältnis zu seiner
Mutter führte dazu, dass er sich als Erwachsener in Alkohol,
Depressionen und gestörte Frauenbeziehungen flüchtete. Sein
Germanistikstudium brauch er ab, um in der Armee zu dienen. Der
Zerfall der Monarchie stürzte Roth in eine Krise. Diese versucht er
in den Romanen „Radetzkymarsch“ und „Kupuzinergruft“
aufzuarbeiten.
Sein Werk beginnt mit der
historischen Schlacht bei Solferino und erzählt anhand einer drei
Generationen umspannenden Familiengeschichte den Untergang der
Donaumonarchie.
Waren die Trottas zu Beginn noch
einfache Bauern aus Sipolje, wurden sie durch die Heldentat Joseph
Trottas in den Adelsstand gehoben. Dadurch änderte sich auch das
ohnehin schon subtile Verhältnis zu seinem Vater. Durch eine
Falschauslegung in den Geschichtsbüchern quittiert der „Held“
erbost den Dienst und verfügt, dass sein Sohn niemals Soldat werden
dürfe.
Ich kann mir schon vorstellen, dass
es zur damaligen Zeit möglich war, dass der Vater bestimmen konnte,
ob der Sohn zum Militär gehen darf oder nicht. Wenn man adelig ist!
Einfache Leute konnten es sich nicht wirklich aussuchen.
Stellt sich für mich nun die Frage,
was passiert wäre, wenn Joseph nicht dem Kaiser das Leben gerettet
hätte. Dann wäre wahrscheinlich sein Sohn auch ein einfacher Soldat
geworden.
So ist es erst Carl Joseph, der
Enkel des Helden von Solferino, der wieder in die Armee eintritt.
Joseph Roth zeigt uns, dass der Kaiser seine schützende Hand über
die Familie hält. Selbst eine Straftat hat keine Konsequenzen für
Carl Joseph.
Anhand dieser Reaktion konnte ich
erfahren, dass Adelige scheinbar einen „Freibrief“ hatten. Der
Geschädigte musste auf Geheiß des Kaisers die Stadt verlassen. Der
Schädiger blieb straffrei! Nun das ist manchmal auch in der heutigen
Zeit nicht anders.
Als Beispiel möchte ich nur unseren
ehemaligen Finanzminister Karl-Heinz Grasser nennen. Auch wenn man
ahnt, dass nicht alles astrein über die Bühne gelaufen ist, Beweise
gibt es keine und somit auch keine Strafe. Da gäbe es noch einige
andere Beispiele zu nennen, die genauso zeigen, dass bei manchen
Personen die Regierung die schützende Hand über sie hält.
Dass Carl Joseph nicht in einer
Schlacht, sondern beim Wasserholen getötet wird, ist in meinen Augen
nur ausgleichende Gerechtigkeit. So bleibt es ihm verwehrt, auch als
Kriegsheld in die Annalen einzugehen. Mit dem Tod des Kaisers und dem
Tod des Barons am Tag der Beisetzung nimmt die Handlung am Schluss
noch einmal Fahrt auf.
Daran merkt man, dass Joseph Roth
sehr dem Untergang der Doppelmonarchie nachtrauert. Wer aber glaubt,
dass es sich bei dem Roman um ein historisch belegtes Werk handelt,
der irrt. Zwar nimmt Roth Bezug auf die Schlacht von Solferino und
das Attentat auf den Kaiser, jedoch liefert der Roman sonst keinerlei
geschichtliche Informationen.
Beim Lesen habe ich gemerkt, dass es
dem Autor darum geht, die Auflösung des österreichischen
Kaiserreiches darzustellen. Dass er daraus eine Familiensaga macht,
finde ich persönlich als gelungenen Schachzug. Auch die Wahl des
Titels – „Radetzkymarsch“ – zeigt mit abermals, welchen
Stellenwert das Kaiserreich in Roths Leben hat.
Ich kann dieses Meisterwerk aus dem
vorigen Jahrhundert nur jedem empfehlen, der an der guten alten Zeit
hängt. Historisch jedoch ist es nicht sehr wertvoll. Wenn man es
aber als Ausgangspunkt für eine historische Recherche nimmt, dann
zeigt es einem den Weg in die richtige Richtung.
Wenn es meine spärliche Freizeit
zulässt, werde ich auch den Folgeroman „Kapuzinergruft“ lesen.
Ich bin mal gespannt, ob Joseph Roth darin seinem Hang zur alten Zeit
treu bleibt.