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Interpretation

Im Spiegel von Margret Steenfatt - Inter­pre­ta­tion

937 Wörter / ~2½ Seiten sternsternsternsternstern_0.5 Autor Bettina C. im Feb. 2012
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Dokumenttyp

Interpretation
Deutsch

Universität, Schule

Gymnasium Bielefeld

Note, Lehrer, Jahr

2012

Autor / Copyright
Bettina C. ©
Metadaten
Format: pdf
Größe: 0.09 Mb
Ohne Kopierschutz
Bewertung
sternsternsternsternstern_0.5
ID# 15092







Im Spiegel von Margret Steenfatt

Interpretation einer Kurzgeschichte

 

Die vorliegende Kurzgeschichte ‚im Spiegel’ von Margret Steenfatt aus dem Jahr 1984, handelt von einem Jungen namens Achim, dem vorgehalten wird, nichts aus seinem Leben zu machen, woraufhin er ins Nachdenken kommt und sich im Spiegel betrachtet. Er malt seinem Gesicht im Spiegel eine Maske auf und zertrümmert diesen anschließend. Dann verlässt er das Haus um seine Leute zu treffen.

„ ‚Du kannst nichts’, [...] ‚du machst nichts’, ‚aus dir wird nichts’“ (Z.1-2), werfen ‚sie’ (Z.1 und 4) ihm vor.  ‚Sie’ sind vermutlich seine Eltern, bei denen er noch wohnt, wobei diese abschätzige Bezeichnung bereits Achims Distanz und sein entfremdetes Verhältnis ausdrückt. Achim, so lässt sich vermuten, befindet sich in der Pubertät. Offensichtlich machen sich Achims Eltern Sorgen um seine Zukunft, das spürt Achim, obwohl er selbst ratlos ist: „Was war das für ein NICHTS, von dem sie redeten und vor dem sie offensichtlich Angst hatten“ (Z.4-6). Um sich selbst aus seinem lethargischen Zustand hochzurappeln macht er die Musik an (vgl. Z.17f), dessen Liedzeile seinen momentanen Gemütszustand ausdrückt: „ ‚Weil sie dich verplant haben, kannst du nichts anderes tun als aussteigen und nachdenken’“ (Z.24f). Offenkundig haben seine Eltern seine Zukunft geplant, wie die ‚Dead Kennedys’ singen und er weiß dem nichts anderes entgegenzusetzen als Boykott. Er steht morgens nicht auf um einer geregelten Beschäftigung nachzugehen, er reagiert nicht und bleibt ‚unter Decken und Kissen vergraben’ (Z.6f), unsichtbar, nicht existent.

Achim verfällt ins Grübeln und starrt an die weiße Zimmerdecke, die ihm wie ein Spiegel seiner selbst erscheint – wie eine leere Hülle, wie ‚ein unbeschriebenes Blatt Papier, ein ungemaltes Bild, eine tonlose Melodie’ (Z.12ff). Während seine Eltern wohl seine Tatenlosigkeit in Bezug auf Schule oder Ausbildung meinen – schließlich liegt er zum wiederholten Male bis mittags ‚nach eins’ im Bett und es ist ‚Wieder mal zu spät’ (beides Z.11) für eine geregelte Tätigkeit, fasst er ihren Vorwurf eher als Angriff auf seine Identität, sein Ich, bzw. seine Existenz, auf, deren Findung und Bestimmung für ihn offensichtlich ein Problem ist, denn sein Nachdenken gipfelt in der Feststellung sein Leben sei ein ‚ungelebtes’ (Z.15), was offenbart, dass auch er selbst mit seiner derzeitigen Situation unzufrieden ist und bisher wohl in den Tag hinein vor sich hin gelebt hat, ohne sinnvolle Beschäftigung. Diese Monotonie und Langeweile bestätigt sich auch durch seinen Blick aus dem Fenster, der ‚immer dasselbe’ (Z.29) sieht, nämlich: „Straßen, Häuser, Läden, Autos [und] Passanten“ (Z.28f). Offensichtlich gibt es in Achims Leben keine Abwechslung, er erlebt nichts, was ihn motivieren und damit aus seinem tristen Lebenswandel reißen würde.

Er stellt sich vor den Spiegel und sieht die Vorwürfe bestätigt: Er erblickt seine unscheinbare Gestalt: ‚lang, knochig, graue Augen im blassen Gesicht, hellbraune Haare, glanzlos’ (Z.21f). Nichts zeichnet ihn als Person besonders aus – eher starrt sein nichtssagendes Spiegelbild ihm wie ein Schatten seiner selbst entgegen. Wie um sich zu vergewissern, dass er existiert, zeichnet Achim sein Spiegel-Ich nach und streicht ‚über Wangen, Augen, Stirn und Schläfen’ (Z.34f), doch er spürt ‚nichts als Glätte und Kälte’ (Z.36). Die Oberfläche, die der Spiegel abbildet, bestätigt somit die Behauptung ‚nicht’ zu sein.

Wie aus Protest beginnt er dieses kühle, leblose Äußere, das auch seine innere Leere und Ausdruckslosigkeit spiegelt, zu überzeichnen – und zwar im doppelten Wortsinn: er überschminkt sein Spiegelgesicht mit einer Maske in nichtfarbigem Schwarz und Weiß, und betont noch mit Blau (vgl. Z.40-57) und steigert damit zugleich den Eindruck ins Groteske. Achim ‚grinst[e]’ (Z.55): Die Maskierung oder die Tarnung seines Nicht-Ich ist ihm vorübergehend gelungen. Er versteckt sich, nicht nur im Bett vergraben, sondern auch hinter einer leblosen Maske, die er seinem Spiegelbild aufschminkt, um zu überdecken, wie es tatsächlich in ihm aussieht.

Jedoch nur kurz kann er sich über seine Identitätskrise hinwegtäuschen. Seinen Eltern und dem Spiegel kann er eine Maske vorhalten, doch seinem wahren Selbst kann er nicht entrinnen und so taucht ‚wie ein Spuk’ (Z.60) sein Gesicht neben der ‚Spiegelmaske’ (Z.62) auf, als er beiseite tritt (vgl. Z.59). Frustriert und enttäuscht darüber, dass ihm sein Seelen-Spiegel vorgehalten wird, schlägt er voller Selbstaggressionen in sein Spiegelbild und zertrümmert den Spiegel. Achim ist mit sich und seinem Leben über die Maßen unzufrieden. Der Spiegel hat seine negative Selbsteinschätzung bestätigt und hält weder Antworten noch Identitätsstiftendes für ihn bereit.

Doch der Schlag, mit dem er den Spiegel zertrümmert, befreit ihn zugleich und hat kathartische Wirkung: Das Blut, das ihm warm aus der Schnittwunde an der Hand rinnt, versichert ihn seiner Existenz, seines Lebens und verleiht ihm die Farbe, die zuvor fehlte und nun sogar Signalwirkung hat: „Sein Gesicht [wurde] rot verschmiert“ (Z.70). Nur aus sich selbst heraus, mithilfe seiner Lebenskraft, für die das Blut symbolisch steht, kann er sich Farbe und damit Ausdruck verleihen – von außen lässt sich nur eine Maske aufschminken, aber keine Identität verleihen. Die blutrote Färbung seines Gesichtes ist ein Symbol für seine eigene Farbe, die Farbe seines Blutes, er ist also kein Nichts, sondern ein Jemand.

Der Spiegel, den schon die Überschrift in eine besondere Stellung hebt und der ein Symbol für die oberflächliche Betrachtung ist, ist zerstört; Achim bekennt sich zum Leben und zu sich selbst, was das Blut repräsentiert. Im gleichen Zug erteilt er so auch den Vorwürfen seiner Eltern eine klare Absage und bestätigt sein Dasein. Er kehrt sich vom Spiegel ab und erteilt damit der oberflächlichen Identitätsabschreibung eine klare Absage. Er rafft sich auf, zieht sich an (vgl. Z.70f) und geht zu ‚seinen Leuten’ (Z.74). Seine Freunde fungieren für Achim offensichtlich identitätsstiftend, für sie ist er ein Jemand, das wird durch die Verwendung des Personalpronomens ‚seinen’ deutlich, im Gegensatz zu seinen Eltern, die er nur als ‚sie’ (Z.1) bezeichnet und die damit als gesichts- und charakterlose Personen erscheinen.


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